Jahrbuch 1973 ============================================================================ ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 001 ============================================================================ Jahrbuch der Dobrudschadeutschen 1973 Herausgegeben von Otto Klett Im Eigenverlag des Herausgebers mit Unterstützung der Patenstadt Heilbronn ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 002 ============================================================================ Bildnachweis Kopf (Vignette) zu den „Gedenktafeln . . .“ auf S. 9 von Graphiker Erwin Maier-Deiß, Ger- lingen. - Rainer Lange, München, S. 45, 46. — Archiv der Dobrudschadeutschen, Heilbronn, S. 56 (beide), 78 (Bild links), 78 (Karikatur), 79 (beide), 92, 96, 143, 182 (oben). - Dr. Rolf Lenhartz, Köln, von der Bildseite S. 86 die beiden oberen, S. 114 (beide). - Dr. Josef Dietz, Bamberg, von der Bildseite S. 86 die beiden unteren, S. 168 (beide), 180, 182 (unten), Bildleiste S. 195 (alle vier), S. 197, Bildleiste S. 202 (alle drei). — Msgr. Dr. Adolf Bachmeier, Regensburg, S. 109 (beide). — Gerlinde Stiller, Kriftel/Ts., S. 116, 120. — Gerhard Würth, Allmersbach im Tal, S. 125, 126. - Nathanael Ißler, Calgary, S. 135 (beide). — Wilhelm Ißler, Stuttgart, S. 137. — Victoria Zielinski, Wachtberg-Villip bei Bonn, $. 142, 146. — Dr. Gerhard Mauch, Asperg, S. 150, 158. — Gustav Ziebart, Bad Aibling, S. 161, 166. — Margarethe Grohn, Marktl am Inn, S. 170, 173. — Elsemarie Deiß, Reutlingen, S. 177 (beide), Prälat Dr. H. Menges, München, $. 187, 190. Druck: Verlag Heilbronner Stimme ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 003 ============================================================================ Zum Geleit Liebe Patenkinder der Stadt Heilbronn! Wer heute in unserer Stadt nach Menschen suchen wollte, die aus den ehe- maligen ost- und südostdeutschen Vertreibungsgebieten stammen, der würde diese nur nach einigem Bemühen aufspüren oder überhaupt nicht finden. Sie sind alle ganz eindeutig in unser Gemeinwesen integriert und niemand wird auf den Gedanken kommen, sie als Emigranten anzusprechen. Bei ihrem Ein- satz an der allgemeinen Weiterentwicklung auf dem Gebiete der Wirtschaft, des öffentlichen Lebens usw. unterscheiden sie sich in nichts von den Alteinge- sessenen. Daß es sich dabei um eine echte Integration handelt, ist den Einsich- tigen schon seit langem bekannt. Allerdings dürfen wir in diesem Zusammen- hang ein wichtiges Element der echten Integration nicht vergessen, sofern diese sinnvoll sein und keine Zweideutigkeiten aufkommen lassen soll. Unabdingbar ist nicht nur das Mitgehen in der neuen Umgebung, sondern auch die Pflege des eingebrachten Kulturgutes, das für alle von größtem Werte sein kann. Das Wissen von der alten Eigenständigkeit darf nicht verschwiegen werden. Wird nämlich von dem einstigen Leben überhaupt nichts sichtbar gemacht, so be- steht die Gefahr, daß Spekulanten aller Schattierungen freie Fahrt bekommen und damit jedes Verstehen und jede Versöhnung, mit wem auch immer, nicht nur erschweren, sondern geradezu verhindern. So gesehen, hat Heilbronn vor bald zwanzig Jahren die Patenschaft über die Volksgruppe der Dobrudschadeutschen übernommen, und es gehört seither zu unserer Obliegenheit, die kulturellen Belange dieses Volkssplitters aus dem Gebiet zwischen der Donau und dem Schwarzen Meer zu unterstützen und nicht zuletzt auch die Herausgabe des „Jahrbuches der Dobrudschadeutschen“ zu ermöglichen. Als Vertreter der Patenstadt freue ich mich, den Bürgern Heilbronns unein- geschränkt sagen zu können, daß wir mit unserer Unterstützung einer aner- kannt gutgemachten Arbeit helfen. Das Jahrbuch der Dobrudschadeutschen wird nicht nur im Inland sondern auch im Ausland als eine überaus wertvolle Dokumentation hoch geschätzt. Wir alle sind dem Herausgeber dieser Ver- öffentlichung für seine unermüdliche Sorge um das Gelingen des Werkes zu Dank verpflichtet. Ihnen aber, meine lieben Patenkinder, entbiete ich für das kommende Jahr wieder meine besten Grüße und Wünsche! Ihr Dr. Hoffmann (Oberbürgermeister) ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 004 ============================================================================ Grab Von Gerhard Schumann Grab, Verlassen unter dem fahlen fremden Licht. Einsam unter den Stimmen des fremden Winds. Verloren im Dunkel der fremden Nacht. Aber du Toter, Lebendiger, Geborgen in der Höhe Am Herzen Gottes. Daheim im Licht. Auch in unseren Herzen daheim. Wenn sie sich heben über den Kleinmut. Und still sind. Dann kannst du reden, Lieber. Aus 6em Gedichtband „Die große Prüfung” von Gerhard Schumann, Hohenstaufen-Verlag, Bodman/Bodensee ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 005 ============================================================================ Vorrwort Wieder einmal sind es Lebensbeschreibungen, die das Rahmenthema für un- ser Jahrbuch abgeben. Die hier aufgenommenen „Lebensbeschreibungen“ (einige: der eingesandten Arbeiten mußten zurückgestellt werden), sind unter- schiedlicher Art, so wie es die behandelten Personen und deren Berichterstatter sind, die aus unterschiedlichen Lebenskreisen herkommen. Für eine Darstel- lung, die sich der Wirklichkeit verpflichtet weiß, ist es nicht notwendig, nur nach bekannten oder gar bedeutenden Persönlichkeiten zu suchen, sondern gleichermaßen Menschen aus verschiedenen Gruppen zu Worte kommen zu las- sen, weil in jedem hier aufgezeichneten Erlebnis oder zu jeden gemachten Er- fahrungen wichtige Hinweise und vielleicht auch lang gesuchte Unterlagen ge- funden werden können. Dabei wird der Aufgabe des Jahrbuches, ein getreues Spiegelbild des ehemaligen Lebens deutscher Kolonisten in dem Landstrich zwischen der Donau und dem Schwarzen Meer zu vermitteln, weitgehendst ent- sprochen. In diesem Jahr stehen jedoch die Gedenktafeln der Opfer des furchtbaren, un- seligen letzten Krieges vornean, zu denen auf den Seiten 7 und 8 die einleiten- den Worte gesagt werden. Vor dem kurzen Bericht über den Soldatenfriedhof in Konstanza wird durch die anschließende Erzählung „Dobrudscha, Dobrudscha...“ ein weiter Bogen zu dem Gefallenen aus der Dobrudscha in Vietnam geschla- gen. Der Verfasser der letzten Artikel in dieser Veröffentlichung, der Bessara- bier Erwin Heer, ist ein guter Freund der Dobrudschadeutschen. Er hat sich un- serer Belange wie kaum jemand aus unseren eigenen Reihen angenommen. Seine große Sachkenntnis über den Schwarzmeerraum hat er in vielen Beiträ- gen auch unserer Heimat zugute kommen lassen. Beiträge, die er dem Jahrbuch uneigennützig zur. Verfügung stellte. Mitarbeiter von seinem Schlag sind rar. Die Darstellung dobrudschadeutscher Persönlichkeiten war schon einmal in dem Jahrbuch für 1959 als Rahmenthema gegeben. Damals hatten einige Lands- leute dazu Stellung genommen. Man kann sich denken, wo sie den Hebel als Wissensträger in ihrer Beurteilung ansetzten: Dem einen waren die Dörfer im Norden, dem andern die im Süden zu kurz gekommen; dem einen schien die Gewichtigkeit des aus seiner Gemeinde stammenden Landsmannes zu gering, dem anderen war es um weitere Vorschläge zu tun. Dieses Mitgehen hatte mich einerseits gefreut, doch zum andern auch verzagt werden lassen. Mit wem soll- ten die dadurch neu gestellten Aufgaben durchgeführt werden? — In der Er- widerung konnte ich jedoch darauf hinweisen, daß auch in anderen Jahrgän- gen Biographien zu finden sind, die das Gesamtbild abrunden helfen, und daß die noch zu erstellende Bibliographie, die in dem letzten oder vorletzten Jahr- buch erscheinen soll, einen sicherlich zufriedenstellenden diesbezüglichen Quer- schnitt aufzeigen wird. Des weiteren haben einige Leser des Jahrbuchs gerügt, daß ich nicht die Na- men der Kritiker nenne, aus deren Stellungnahmen im Vorwort alljährlich aus- gewählte Kernsätze erscheinen. Ich muß zugeben, daß mich dieser Schönheits- fehler ebenso wie andere gestört hat. Wie aber hätte ich es bei den ersten Jahr- 5 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 006 ============================================================================ gängen halten sollen? Die einen wollten auf keinen Fall ihren Namen genannt wissen, und bei andern, die außerhalb der BRD lebten, bestand die Gefahr, daß sie bei ihrer Namensnennung mit Schwierigkeiten zu rechnen hatten. Daß ich diesbezügliche „heiße Eisen“ hätte weglassen können, ist naheliegend. Wer will es mir aber verargen, daß ich den Hinweis auf den erschütternden Brief der al- ten, kranken Landsmännin, in dem sie schreibt, daß sie nur noch das Jahrbuch auf dieser Welt habe, das ihr Trost bringe, aufgenommen habe? — So versuche ich es deshalb in diesem Jahr mit einem Kompromiß und zitiere aus den letzt- eingeschickten Stellungnahmen zu dem Jahrbuch wie folgt: Richard Baumgärtner, der Schriftleiter des „Mitteilungsblattes der Deutschen aus Bessarabien“, Folge 3, 1972, S. 1: „Im Laufe vieler Jahre haben wir in den Spalten des Mbl. immer wieder das Jahrbuch der Dobrudschadeutschen bespro- chen. Wir haben stets darauf hingewiesen, daß wir das als eine Pflicht betrach- ten, weil die Dobrudschadeutschen als unsere nächsten Verwandten anzusehen seien. Ich möchte aber auch sagen, daß es mir jedesmal eine Freude ist, mich mit einer so ernsthaften Dokumentationsarbeit zu beschäftigen.“ Hans Diplich, der Mitherausgeber der „Südostdeutschen Vierteljahresblätter“, Folge 2, 1972, S. 137: „In diesem Buch (Jahrbuch 1972) verbindet sich der Lei- stungs- und Beharrungswille der Kolonisten mit echt schwäbischer Akribie und bringt jene Arbeiten hervor, die in der Zukunft als ein Bergwerk wissen- schaftlicher Funde ins Bewußtsein wieder zuständig gewordener Fachleute tre- ten werden.“ Dr. Rudolf Wagner, der Buchenländer, in „Der Südostdeutsche“, Nr. 1, 1972, S. 4: „Wir, die noch von der Erinnerung leben und daher so manches noch als selbstverständlich empfinden, müssen dieser Arbeit Kletts Lob spenden. Um wieviel mehr werden es künftige Generationen tun, die keine Erlebnisse mehr haben, davor aber vor der Aufgabe stehen, Europa zu bauen? Kletts Jahrbücher werden für diese Aufgabe und für die Historie ein unentbehrliches Nachschla- gewerk sein...“ Dem Herausgeber liegen noch neun weitere Zeitungen und Zeitschriften vor, die das Jahrbuch besprochen oder angezeigt haben, auch rumänische. Eine dobrudschadeutsche Frau: „Die Chroniken sind einfach wunderbar; ich habe geheult wie ein Kind, als ich mir bewußt wurde, daß in diesem Jahrbuch- band sämtliche dobrudschadeutschen Generationen zu Worte kommen.“ Frau Erika Mack, jetzt wohnhaft in Wiesbaden: „Erst jetzt ist uns bewußt ge- worden, was die Jahrbücher, die Sie herausgeben, für uns, der nachfolgenden Generation der Dobrudschadeutschen, für einen großen Wert haben. Vieles, was wir von unserer Heimat wissen, kennen wir nur aus den Erzählungen der Älte- ren — nur wenig aus eigener Erinnerung.“ Für die rund 50 Besprechungen und Zuschriften, in denen mir Mut und Kraft für die weitere Arbeit gewünscht wird, bedanke ich mich. Dieser Zuspruch be- deutet mir eine große Hilfe. — Herzlichen Dank sage ich allen meinen Mitarbei- tern; sie sind es, die eine so beachtliche Gemeinschaftsleistung ermöglicht ha- ben. Alles Bemühen wäre jedoch umsonst, wenn nicht unsere Patenstadt Heil- bronn ihren Segen dazu geben würde. Ihr verdanken wir es letzten Endes, daß das Jahrbuch der Dobrudschadeutschen so regelmäßig erscheinen kann. Wir danken Ihnen allen, meine sehr verehrten Herren von der Stadtverwaltung Heilbronn, für Ihr Wohlwollen und Ihr großes Entgegenkommen. Ihre Hilfe ist eine kulturelle Tat. Otto Klett 6 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 007 ============================================================================ Zu den Gedenktafeln Bitte um Berichtigung Um es vorwegzunehmen: Die folgenden Gedenktafeln der Opfer des Zweiten Weltkrieges, geordnet nach den ehemaligen Dorf- und Stadtgemeinden der Do- brudscha- und Bulgariendeutschen, gehörten eigentlich in eine selbständige Veröffentlichung und nicht in ein laufend erscheinendes Jahrbuch, auch wenn dasselbe mit seinen Beiträgen ihnen im großen und ganzen zugeordnet ist. Wa- rum diese Gedenktafeln trotzdem hier stehen, rührt daher, daß sie zunächst einmal als Vorlage gedacht sind, weil deren Angaben nicht fehlerfrei sind. Diese Fehler müssen hinsichtlich einer gültigeren Fassung ausgemerzt werden und erst dann, nach der erfolgten Berichtigung, sollen die Gedenktafeln in der ihnen angemessenen Form erscheinen. Bekanntlich warten viele Landsleute schon seit Jahren, wenn nicht gar seit Jahrzehnten, auf die Veröffentlichung der Namen unserer Kriegstoten. Ihr Wunsch wird um so eher in Erfüllung gehen, je mehr sie sich um die Beseiti- gung der Fehler und somit um die gültige Fassung der Gedenktafeln bemühen. Ich richte daher an alle Hilfswilligen und an alle, die sich dieser Aufgabe ver- antwortlich fühlen, die große und dringende Bitte, doch sobald als möglich, mir, dem Herausgeber des Jahrbuches, alle Unstimmigkeiten dieser Listen und auch alle noch nicht aufgenommenen Opfer der Dobrudscha- und Bulgarien- deutschen nennen zu wollen, damit die notwendigen Korrekturen durchgeführt werden. Es liegt an uns allen, dieses Vorhaben zu einem guten Ende zu führen. Warum erst heute? Warum diese Blätter mit den Namen der Gefallenen, der Vermißten, der auf der Flucht Umgekommenen, der von Zivilisten und von den jeweiligen Macht- habern zu Tode Gemarterten erst heute vorgelegt werden, nachdem der erste Tote unserer Volksgruppe schon im Frankreichfeldzug zu beklagen war, ist ein- fach zu beantworten. Es war bisher niemand da, der diese Aufgabe durchge- führt hätte. Wohl habe ich mit dem Zusammentragen der Namen schon im Jahre 1951 begonnen, aber ich hatte mich nach den Gegebenheiten zu richten und mußte gezwungenermaßen das Vorhaben damals ruhen lassen. Es stand je- doch von Anfang an fest, daß wir Dobrudschadeutschen unseren Toten kein in Metall gegossenes oder in Stein gehauenes Denkmal werden errichten können, sondern uns mit einer Namensnennung, wie es hier geschieht, zufrieden geben müssen. RA Waldemar Frank stellt die Listen zusammen In den „Rundbriefen der Dobrudschadeutschen Landsmannschaft“, Nr. 37, Ja- nuar 1952 und Nr. 49, Januar 1953, hatte ich aufgefordert, alle einschlägigen Da- ten über unsere Kriegsopfer einzusenden: „Aus unserer Kartei, die rund elftau- send Namen umfaßt, aus den eingegangenen Zuschriften, aus der Umsiedlerzei- tung 'Wir sind daheim’ und aus einer Liste von Johann Adam (Tschukurow) hatten wir rund 350 Gefallene, 450 Vermißte und 100 auf der Flucht Umgekom- mene zusammengezählt. Da aber unsere Landsleute noch immer nicht vollstän- dig erfaßt sind, können wir vorläufig auch keine endgültige Aufstellung brin- 7 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 008 ============================================================================ gen. Es kann jedoch gesagt werden, daß der Zweite Weltkrieg von den 16 400 Dobrudschadeutschen über 1000 Menschen durch direkte Einwirkung gefordert hat.“ Der jetzt im Ruhestand lebende und aus der Süddobrudscha (der bulgarischen Dobrudscha) stammende Rechtsanwalt Waldemar Frank hat im vergangenen Jahr, 1972, in vorbildlicher Hilfsbereitschaft die oben angegebenen Unterlagen und vor allen Dingen die offizielle Heimatortskartei für die Dobrudscha und Bulgarien durchgearbeitet und die folgenden Gedenktafeln zusammengestellt. Wir danken ihm für seıne selbstlose Tat. Für die gesamte Dobrudscha hat er über 1300 Namen und für Bulgarien fast 100 Namen zusammengetragen. Das sind jeweils rund 8 Prozent Kriegstote, gemessen an der Gesamtzahl der jewei- ligen Volksgruppen. Wo blieben die Opfer? Auf allen Kriegsschauplätzen. Im Mai 1940 ist der erste Dobrudschadeutsche an der Kanalküste gef:llen, und ab Mai 1940 beginnt das Einziehen Jugendli- cher, ab 1943 auch das der älteren Jahrgänge durch die verschiedensten Stellen des Reiches in das deutsche Heer. Zu nennen sind im einzelnen die Vorumsied- ler, die „1000-Mann-Aktion“, die Umsiedler, zu Ende des Krieges erfolgt der Einzug zum Volkssturm. Ab 1945 kamen Frauen, Kinder und Alte auf der Flucht, in der Verschleppung und in der Gefangenschaft um. Wie viele dabei er- schossen, erhängt, erschlagen und an Hunger gestorben sind, ist müßig zu fra- gen. Auch wir stehen erschüttert da, genau so erschüttert wie alle Betroffenen in der ganzen Welt, die ihre Angehörigen durch Krieg, Mord oder Hunger ver- loren haben. Müßig auch, nach denen zu fragen, die an den Auswirkungen des Krieges und, der Schrecken dahingesiecht sind. Ein Beispiel dafür: Da lebte in der Dobrud- scha bis zur Umsiedlung ein Knecht. Aus einem der Umsiedlerlager wurde er in ein Konzentrationslager der Nationalsozialisten gesteckt. Aus diesem KZ kam er nach seiner Befreiung in sowjetische Gefängnisse und aus den sowjetischen in rumänische. Daraus entlassen, durch Krankheit gezeichnet, führte er ein elendes Leben. Sein einziger Wunsch noch, in Deutschland sterben zu dürfen, ging nicht in Erfüllung. Und noch einmal die Frage: Wo liegen die Opfer? „Überall in der Welt“, kann geantwortet werden; aber die Gräber der Toten sind fast alle unbekannt. Es haben sich in dem letzten Jahrzehnt wohl so manche auf den Weg gemacht, um am ungefähren Todesort nach den Gräbern ihrer Angehörigen zu suchen, jedoch vergeblich. Die Gräber fanden sie nicht, hie und da aber riesige Ehrenmale, die sie nur mit einem wehen Gefühl im Herzen betrachten konnten: einerseits die überdimensionale Glorifizierung der Helden, andererseits die Verdammnis der eigenen Angehörigen durch die Sieger. — Tröstlich dabei war, zu sehen, daß die dort lebenden Menschen ihre mitmenschlichen Gefühle nicht verbargen, den Suchenden hilfreich zur Seite standen und dadurch so manche Ungereimt- heiten vergessen halfen. Otto Klett ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 009 ============================================================================ GEDENKTAFELN UNSERER OPFER DES ZWEITEN WELTKRIEGES Adschemler (Ciobanita) Blumhagen, Alfred, geb. 11. 7. 1922, seit September 1944 in Polen vermißt. Blumhagen, Johann, geb. 15. 8. 1894, seit September 1944 in Polen vermißt. Blumhagen, Karoline, geb. Schneider, geb. 1900, seit September 1944 in Polen vermißt. Blumhagen, Lilly, geb. 25. 4. 1935, seit September 1944 in Polen vermißt. Blumhagen, Mathilde, geb. 24. 5. 1933, seit September 1944 in Polen vermißt. Göhnert, Albert, geb. 31. 8. 1908, seit August 1944 in Polen vermißt. Göhnert, Daniel, geb. 1876 in Tschemtschelli, 1945 in Polen ermordet. Göhnert, Else, geb. Schon, geb. 15. 3. 1918, 1945 in Polen vermißt. Göhnert, Emil, geb. 14. 2. 1910, seit dem 18. 8. 1944 in Rumänien vermißt. Göhnert, Reinhold, geb. 24. 4. 1916, vermißt. Kern, Emil, geb. 5. 11. 1912, seit August 1943 vermißt. Klemmer, Adolf, geb. 5. 2. 1921, 1944 in Griechenland gefallen. ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 010 ============================================================================ Klemmer, Olga, geb. 18. 8. 1929, in Polen vermißt. Krüger, Emanuel, geb. 16. 3. 1921, 1944 gefallen. Krüger, Jakob, geb. 13. 7. 1915, im De- zember 1944 bei Budapest gefallen. Schmidt, Georg, geb. 4. 7. 1882 in Sarata, am 15. 3. 1945 auf der Flucht umgekommen. Alakap (Poarta Alba) Eppler, Gotthilf, geb. 22. 6. 1889, seit Mai 1945 vermißt. Grabotin, Reinhard, geb. 4. 12. 1944 in Nikolwitz (Böhmen), 1945 auf der Flucht verstorben. Hausch, Berthold, geb. 1925 in Alakap, 1945 als Matrose gefallen. Hausch, Daniel, geb. 24. 7. 1912 in Alakap, 1945 bei Budapest gefallen. Hausch, Heinrich, geb. 10. 6. 1906 in Ala- kap, seit 1945 in Polen vermißt. Hopp, Albert, geb. 27. 9. 1920, seit Sep- tember 1944 als Matrose bei Triest vermißt. Horst, Elisabeth, geb. Pohl, auf der Flucht verstorben. Kalich, Reinhold, geb. 1921 in Alakap, 1943 in Rußland gefallen. Horst, Karl, auf der Flucht verstorben. Kalk, Matthias, geb. 12. 6. 1919 in Atmad- scha, am 8. 1. 1944 gefallen. Kargel, Wilhelm, geb. 17. 9. 1928, seit März 1945 bei Znaim vermißt. Krüger, Emilie, geb. 1922, vermißt. Kutz, Heinrich, geb. 25. 5. 1922 in Alakap, am 7. 3. 1944 im Osten gefallen. Pohl, Alfred, geb. 5. 3. 1918, seit 1942 vermißt. Pohl, Christine, auf der Flucht verstorben. Schmidt, Waldemar, geb. 6. 4. 1919 in Ad- schemler, 2. 8. 1944 in Lettland gefallen. Schmitt, Eleonore, geb. 10. 1. 1945 in Ro- schütz, im Januar 1945 in Polen ermordet. Schmitt, Else, geb. Drefs, geb. 27. 11. 1920 in Kobadin, im Januar 1945 in Polen ermordet. Schmitt, Helmut, geb. 16. 4. 1942 in Wiener Neustadt, im Januar 1945 in Polen ermordet. Pohl, Jakob, geb. 8. 7. 1912, 1942 in Ruß- land gefallen. Pohl, Wilhelmine, geb. Seitz, geb. 23. 6. 1874, seit 1942 vermißt. Rade, Ida, geb. Reule, geb. 9. 6. 1924 in Alakap, im Mai 1944 in Rann/Südsteiermark ermordet. Reule, Emil, geb. 1923 in Alakap, 1945 bei Budapest gefallen. Reule, Friedhold, geb. 23. 2. 1932 in Alakap, am 9.5. 1945 in Pocking/Bayern verstorben. Reule, Sophie, geb. 24. 1. 1926 in Alakap, 1945 in Böhmen ermordet. Schollmaier, Emil, geb. 7.9. 1926 in Alakap, am 30. 4. 1945 in Mähren gefallen. Schultes, Daniel, geb. 20. 4. 1925 in Ala- kap, am 19. 3. 1944 in Frankreich gefallen. Schultes, Gustav, geb. 18. 7. 1927, seit Januar 1945 bei Teschen vermißt. Schultes, Jakob, geb. 26. 10. 1921 in Ala- kap, am 25. 2. 1944 in Rußland gefallen. Unrath, Christoph, geb. 14. 8. 1921, seit August 1944 in Rumänien vermißt. Unrath, Jakob, geb. 30. 3. 1924 in Alakap, im Dezember 1944 bei Budapest gefallen. Weber, Artur, geb. 16. 4. 1927, seit Fe- bruar 1945 in Böhmen vermißt. Weber, Hugo, geb. 11.10.1925, 1945 vermißt. Arabadschi (Arabagi), Kreis Tultscha Radies, Emanuel, geb. 5. 8. 1893 in Koscha- lie, seit 1945 in Polen vermißt. 10 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 011 ============================================================================ Atmadscha (Atmagea) Bruneski, Pauline, geb. Scholpp, geb. 24. 10. 1895, seit 1945 vermißt. Dermann, Wilhelm, geb. 6. 6. 1924, seit 1945 vermißt. Eudochin, lie, geb. 27. 5. 1910, seit Fe- bruar 1945 vermißt. Fandrich, Luise, geb. Hintz, seit 1945 ver- mißt. Fandrich, Wilhelm, 1945 auf der Flucht ver- storben. Hintz, Andreas, geb. 26. 10. 1907 in At- madscha, seit 1943 im Osten vermißt. Hintz, Christoph, geb. 14. 12. 1901, seit 1945 im Wartheland vermißt. Hintz, Gustav, geb. 30. 1. 1924 in Atmad- scha, am 28.1.1944 bei Taschlik/Ukraine gefallen. Hintz, Valentin, geb. 18. 8. 1926, seit 1945 vermißt. Hintz, Wilhelm, geb. 6. 1. 1897, seit Januar 1945 bei Welun vermißt. Kolschefski, Adolf, geb. 28. 4. 1921, seit Juni 1944 bei Dnjepropetrowsk vermißt. Kolschefski, Gustav, geb. 21. 3. 1923 in Atmadscha, am 27. 8. 1944 gefallen. Kraus, Karl, geb. 7. 10. 1912, seit 1945 vermißt. Kraus, Martin, geb. 12. 8. 1910 in Atmad- scha, 1944 in Italien gefallen. Krause, Christian, geb. 14. 6. 1904, seit dem 23. 2. 1943 bei Narwa/Estland vermißt. Kühn, Christian, geb. 24. 1. 1911, seit 1945 vermißt. Liebelt, Friedrich, geb. 24. 11. 1922, seit 1945 vermißt. Liebelt, Johann, 1943 im Osten gefallen. Maier, Wilhelm, geb. 12. 4. 1922, am 16.2. 1945 bei Lohnau/Oberschlesien gefallen. Martin, Christian, geb. 14. 2. 1924 in Atmadscha, 1944 im Westen gefallen. Martin, Christoph, geb. 17. 10. 1895, 1945 in Polen erschlagen. Martin, Daniel, geb. 28. 4. 1927, in Belgien vermißt. Martin, Franz, geb. 29. 12. 1913, am 9. 4. 1945 bei Königsberg gefallen. Martin, Gustav, geb. 15. 10. 1913, seit März 1945 bei Königsberg vermißt. Martin, Rudolf, geb. 20. 3. 1921 in Atmad- scha, 1944 im Osten gefallen. Martin, Samuel, geb. 1903, 1943 in Dietz- feld/Wartheland verstorben. Martin, Wilhelmine, geb. Ruf, geb. 18. 10. 1897, 1945 in Polen erschlagen. Naß, Friedrich, geb. 10. 5. 1923 in Atmad- scha, gefallen. Naß, Johann, Sohn des Christian, gefallen. Rust, Andreas, geb. 11. 10. 1925, seit De- zember 1944 im Westen vermißt. Rust, Christian, geb. 15. 12. 1920 in At- madscha, bei Stalingrad gefallen. Rust, Emilie, geb. Ulbricht, geb. 1. 4. 1876, seit Januar 1945 vermißt. Rust, Ferdinand, geb. 31. 1. 1913, seit April 1944 vermißt. Rust, Friedrich, geb. 18. 10. 1921 in At- madscha, am 6. 4. 1944 bei Kowel gefallen. Rust Johann, geb. 21. 12. 1923, seit August 1944 in Rumänien vermißt. Rust K., (Frau), im Januar 1945 auf der Flucht umgekommen. Schielke, Andreas, geb. 17. 7. 1898 in Atmadscha, 1945 auf der Flucht verstorben. Schielke, Andreas, Mai 1945 erschossen. Schielke, Christian, im Januar 1945 auf der Flucht umgekommen. Schielke, Gottlieb, im Januar 1945 auf der Flucht umgekommen. Schielke, Helmut, geb. 24. 9. 1927, seit Januar 1945 in Italien vermißt. Schielke, Jakob, Sohn des Johann, gefallen. Schielke, Johann, Sohn des Wilhelm, gefallen. Schielke, Rudolf, Sohn des Christian, gefallen. Schielke, Samuel, seit 1945 vermißt. Schielke, Wilhelm, geb. 15. 3. 1927, seit Januar 1945 bei Berlin vermißt. Schmidt, Johann, geb. 11. 10. 1923 in Atmadscha, am 6. 8. 1944 bei Nikopol gefallen. Stehr, Walter, geb. 16. 5. 1920 in Atmad- scha, 1944 in Lettland gefallen. 11 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 012 ============================================================================ Stiller, Gustav, geb. 5. 10. 1911 in Atmadscha, 1946 in Gefangenschaft verstorben. Will, Johann, Sohn des Michel, gefallen. Wolf, Hermann, geb. 13. 5. 1921 in Atmadscha, 1945 in Italien gefallen. Baladscha (Kreis Kaliakra) Lüdtke, Ferdinand, geb. 30. 9. 1926 in Kodschalak, 1944 gefallen. Basardschik (Bazargic) Döbler, Klemens, geb. 12. 6. 1921, seit September 1943 vermißt. Müller (Milaroff), Christian, geb. 4. 8. 1917 in Basardschik, im März 1943 in Rußland gefallen. Cernavoda (Cernavoda) Naschinski, Wilhelm, in russischer Gefangenschaft (Ural) verstorben. Ebekioi (Lanurile) Hermann, Otto, geb. 25. 3. 1910 in Tarutino, seit Juni 1944 im Osten vermißt. Hördt, Eduard, geb. 2. 2. 1898 in Ebekioi, seit dem 25. 2. 1945 im Wartheland vermißt. Mutschler, Salomon, geb. 16. 8. 1888 in Sofiental, am 15. 2. 1945 in Polen ermordet. Richter, Ferdinand, geb. 23. 12. 1883 in Gilau/Ukraine, 14. 2. 1945 in Polen ermordet. Schmidt, Friedrich, geb. 15. 3. 1901 in Brenndorf/Siebenbürgen, 1945 auf der Flucht erschossen. Schmidt, Friedrich, geb. 30. 8. 1925, 1943 gefallen. Ziebart, Daniel, geb. 27. 9. 1919 in Atmadscha, im Juli 1943 in Rußland gefallen. Ziebart, Johann, Sohn des Wilhelm, gefallen. Nagel, Johann, vermißt. Schwab, General Hugo, geb. 8. 6. 1887, seit August 1944 bei Jassy vermißt. Stern, Daniel, vermißt. Stern, Emanuel, vermißt. Schmidt, Gerda, geb. 28. 7. 1937, 1945 auf der Flucht erschossen. Schmidt, Klara, geb. 6. 4. 1930, 1945 auf der Flucht erschossen. Schmidt, Rosa, geb. Kellner, geb. 1.5. 1907 in Brenndorf/Siebenbürgen, 1945 auf der Flucht erschossen. Schon, Gustav, geb. 3. 1. 1926 in Ebekioi, am 24. 9. 1943 bei Charkow gefallen. Schwenk, Peter, geb. 8. 7. 1901 in Kodschalie, seit 1945 bei Lentschütz vermißt. ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 013 ============================================================================ Fachri (Faclia) Alexe, Johann, geb. 28. 2. 1912 in Fachri, am 14. 1. 1945 im Elsaß gefallen. Ambrosimoff, Wilhelm, geb. 14. 4. 1909 in Sofular, am 13. 2. 1945 bei Orownik/Böhmen gefallen. Barbu, Maria, geb. 7. 1. 1907, seit 1945 vermißt. Barbu, Trajan, geb. 18.5.1919, seit 1945 vermißt. Bier, Johann, geb. 3. 12. 1898 in Kodschalie seit 1945 in der Untersteiermark vermißt. Bier, Oskar, geb. 3. 11. 1926 in Fachri, seit April 1945 bei Prag vermißt. Böhme, Friedrich, geb. 28. 4. 1895, seit 1945 vermißt. Brenner, Eduard, seit Oktober 1943 im Osten vermißt. Brenner, Eduard, geb. 8. 12. 1870 in Sarata, im Mai 1945 in der Untersteiermark auf der Flucht verstorben. Dermann, Eduard, geb. 22. 4. 1928 in Fachri, 28. 12. 1944 in der Südsteiermark von den Titopartisanen ermordet. Ernst, Johann, geb. 5. 2. 1913, am 20. 1. 1943 gefallen. Fruck, Johann, geb. 18. 5. 1890 in Fachri, seit April 1945 vermißt. Führer, Adele, geb. 11. 9. 1931, seit 1945 vermißt. Führer, Johannes, geb. 10. 10. 1929, seit 1945 vermißt. Gündisch, Johann, geb. 18. 6. 1881 in Heltau, 1945 in Polen erschlagen. Jeske, Wilhelm, geb. 24. 3. 1899 in Braila, seit März 1945 Untersteiermark vermißt. Habermann, Gustav, geb. 1908 in Fachri, 1945 im Westen gefallen. Hopp, Emil, geb. 8. 1. 1921 in Fachri, 1944 in Rumänien gefallen. Groß-Pallas (Palazul Mare) Aspeleiter, Bernhard, geb. 1. 1. 1904 in Malkostch, seit 2. 11. 1944 bei Warschau verm. Aspeleiter, Jakob, geb. 6. 11. 1906 in Ka- ramurat, 1944 in RuBland gefallen. Knodel, Berthold, geb. 17. 2. 1922 in Fachri, seit Januar 1945 bei Diiren vermiBt. Knodel, Gotthilf, geb. 16.9.1912 in Fachri, seit Dezember 1945 bei Zittau vermiBt. Knodel, Sieghard, geb. 15. 10. 1919 in Fachri, am 26. 2. 1945 bei Aachen gefallen. Kulawa, Spiridon, geb. 2. 9. 1903 in Borun, seit Januar 1945 vermiBt. Look, Johann, geb. 1. 1. 1912 in Kod- schalak, 1945 gefallen. Lutz, Oswald, geb. 3. 2. 1927 in Fachri, am 15. Januar 1945 in München an Ver- wundungen verstorben. Maile, Helmut, geb. 28. 6. 1925 in Fachri, im Februar 1944 in der Untersteiermark gefallen. Mauch, Wilhelm, geb. 1927, seit 1945 ver- mißt. Mutschler, Albert, geb. 22. 5. 1917 in So- fiental, seit Februar 1945 bei Olmütz ver- mißt. Neubauer, Edmund, geb. 10. 9. 1922 in Fachri, seit 1943 auf See vermißt. Schmierer, Erna, geb. Mutschler, geb. 18.1. 1915, 1945 in Böhmen ermordet. Schulz, Eduard, geb. 11. 2. 1915, seit Sep- tember 1944 im Osten vermißt. Schulz. Johann, geb. 26. 3. 1908 in Argen- tinien, seit 1945 im Osten vermißt. Schwarz, Klara, geb. 30. 1. 1944 in Birk- dorf, 1945 auf der Flucht verhungert. Sept, Gotthold, geb. 13. 3. 1917 in Fachri, seit Juli 1944 in Albanien vermißt. Sept, Gustav, geb. 19. 11. 1919 in Fachri, am 28. 2. 1942 bei Moskau gefallen. Stiller, Albert, geb. 29. 6. 1943 in Bratko- witz/Böhmen, 1945 auf der Flucht ver- storben. Bobermann, Stefan, geb. 16. 12. 1925 in Groß-Pallas, seit 1945 vermißt. Büttner, Johann, geb. 26. 4. 1909 in Alakap, seit dem 25. 1. 1945 vermißt. 13 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 014 ============================================================================ Demus, Annemarie, seit 1945 vermißt. Demus, Johannes, seit 1945 vermißt. Elly, Adam, geb. 19. 9. 1906, am 4. 12. 1944 in Rußland vermißt. Elly, Maria, geb. Jachmann, geb. 1904, auf der Flucht verstorben. Göhnert, Martha, geb Knopp, geb. 26. 7. 1914 in Kodschalak, 1945 auf der Flucht verstorben. Haag, Georg, geb. 8. 6. 1925 in Groß-Pallas, am 30. 6. 1944 in Frankreich gefallen. Hahn, Friedrich, geb. 28. 1. 1903 in Kod- schalak, am 24. 11. 1949 in russischer Gefangenschaft verstorben. Hamlescher, Thomas, seit 1945 vermißt. Heidrich, Anton, geb. 25. 11. 1907 in Ku- lelie, 1945 in Ostpreußen gefallen. Hermann, Karl, geb. 11. 3. 1911 in Alt-Grabonaka, am 24. 10. 1944 in Lettland gefallen. -Hintz, Jakob, geb. 2. 11. 1912 in Atmadscha, am 29. 1. 1945 gefallen. Holzwarth, Artur, geb. 23. 11. 1923 in Tariverde, seit Juli 44 in Rußland vermißt. Holzwarth, Gerhard, geb. 31. 10. 1927 in Tariverde, am 29. 12. 1947 in Gefangenschaft verstorben. Jachmann, August, geb. 24. 9. 1898 in Groß-Pallas, seit Februar 1945 vermißt. Jachmann, Karl, geb. 6. 11. 1923 in Groß-Pallas, seit März 1945 bei Giesen/Pommern vermißt. Keller, Georg, geb. 24. 10. 1928 in Groß-Pallas, in Frankreich vermißt. Keller, Johann, geb. 27. 1. 1925 in Groß-Pallas, seit Mai 1945 bei Beneslau vermißt. Knopp, Daniel, geb. 13. 5. 1919, am 24. 3. 1944 in Rußland gefallen. Knopp, Martin, geb. 3. 5. 1921, am 16. 8. 1943 in Rußland gefallen. Koch, Johannes, seit 1945 vermißt. Aue Magdalena, geb. Ebel, seit 1945 vermißt. Koch, Martin, geb. 1902, seit 1945 vermißt. Kraus, Andreas, geb. 3. 10. 1902 in Atmadscha, seit Januar 1945 in Holland vermißt. Kuckert, Anton, geb. 13. 6. 1926, seit Januar 1945 bei Königsberg vermißt. 14 Kuckert, Franz, in Rußland gefallen. Kuckert, Peter, geb. 4. 10. 1915 in Kara- murat, am 31. 10. 1943 in Italien gefallen. Kuckert, Raphael, geb. 11. 4. 1914 in Kara- murat, 1945 im Osten gefallen. Kuckert, Raphael, geb. 5. 5. 1924, seit Fe- bruar 1945 bei Berlin vermißt. Kuckert, Stefan, geb. 3. 10. 1896 in Mal- kotsch, am 17. 8. 1945 im Ural verstorben. Kühn, Jakob, geb. 2. 1. 1902, seit 1944 im Osten vermißt. Look, Jakob, geb. 25. 7. 1902 in Atmad- scha, im Osten gefallen. Lüttke, Friedrich, geb. 1890, im August 1945 in Saran/Kasachstan verstorben. Lüttke, Johanna, geb. Fandrich, geb. 1892, im August 1945 in Saran/Kasachstan ver- storben. Lüttke, Maria, im August 1945 in Saran/ Kasachstan verstorben. Maas, Anton, geb. 1912 in Groß-Pallas, 1943 in Rußland gefallen. Maas, Johannes, geb. 21. 1. 1899 in Kara- murat, seit 1945 vermißt. Maas, Josef, geb. 15. 5. 1919 in Groß- Pallas, am 24. 2. 1945 bei Unterlindow gefallen. Maas, Kasimir, geb. 7. 7. 1910, am 21. 10. 1943 in Rußland gefallen. Maas, Markus, geb. 7. 8. 1921, 1944 im Osten gefallen. Matteis, Daniel, geb. 30. 7. 1889 in Kod- schalak, am 13. 9. 1945 in Rußland ver- storben. Möwes, Alfred, geb. 11. 8. 1925, bei Char- kow vermißt. Möwes, Reinhold, geb. 8. 12. 1912 in Leip- zig/Bessarabien, in Italien gefallen. Nötzel, Gottlieb, geb. 21. 11. 1898 in Neu- Arzis, seit April 1945 bei Pasewalk vermißt. Oniko, Jakob, geb. 21. 4. 1927, seit 1945 im Osten vermißt. Oniko, Peter, geb. 12. 7. 1912, am 19. 9. 1943 in Rußland gefallen. Paul, Wilhelm, geb. 14. 10. 1911 in Mand- schapunar, seit September 1944 im Osten vermißt. Pechel, Josef, geb. 13. 6. 1907 in Mand- schapunar, in Rußland vermißt. ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 015 ============================================================================ Pfeiffer, Christian, geb. 10. 10. 1894 in Tariverde, seit Februar 1945 im Warthe-land vermißt. Pfeiffer, Johann, geb. 9. 7. 1926 in Groß-Pallas, seit Januar 1945 bei Budapest verm. Pfeiffer, Martin, geb. 9. 11. 1913 in Tariverde, 17. 9. 1944 bei Bukarest gefallen. Ruf, Jakob, geb. 15. 8. 1886 in Osmanfak, 1945 in Polen ermordet. Ruf, Simon, geb. 20. 7. 1923, in Rußland vermißt. Ruscheinski, Annemarie, geb. Kraus, geb. 1904, auf der Flucht verstorben. Ruscheinski, Blasius, geb. 7. 1. 1924 in Groß-Pallas, seit August 1943 in Norwegen vermißt. Ruscheinski, Emanuel, geb. 1896, 1945 in Polen erschlagen. Hasarlik (Kreis Kaliakra) Riffel, Friedrich, geb. 15. 2. 1924, seit April 1944 im Osten vermißt. Springer, Emil, geb. 16. 10. 1907, seit August 1943 vermißt. Springer, Gottlieb, geb. 7. 9. 1927, seit Dezember 1944 vermißt. Hasarlik (Kreis Konstanza) Munsch, Konrad, geb. 13. 3. 1910, seit 1944 in Böhmen vermißt. Horoslar (Cocosul) Bachmann, Johann, geb. 15. 4. 1922 in Horoslar, am 3. 5. 1945 bei Gaisach/Bad Tölz gefallen. Ernst, Hulda, geb. Sturm, geb. 1908, seit 1945 vermißt. Franciski, Christian, geb. 29. 5. 1911 in Horoslar, seit dem 16. 6. 1944 bei Lemberg vermißt. Gäckle, Gerhard, geb. 25. 9. 1922 in Kobadin, seit August 1944 in Rumänien vermiBt. Gäckle, Ilse, am 18. 2. 1945 in Cottbus verstorben. Ruscheinski, Josefina, geb. 1928, seit 1945 vermißt. Ruscheinski, Nikolaus, geb. 1902, im Mai 1945 in Polen erschlagen. Ruscheinski, Rosa, geb. 1890, auf der Flucht verstorben. Schielke, Karoline, geb. Lüttke, geb. 21. 10. 1921, seit Juii 1944 vermißt. Schmidt, Zachäus, geb. 25. 3. 1897, am 18.6.1948 in russischer Gefangenschaft verst. Weber, Peter, geb. 20. 4. 1890 in Karamurat, seit 1945 im Osten vermißt. Wiege, Heinrich, 1943 in Rußland gefallen. Zimnea, Matthias, geb. 22. 1. 1926 in Groß-Pallas, am 23. 2. 1945 im Osten gefallen. Ziebart, Nikodemus, geb. 1902, in russischer Gefangenschaft verstorben. Springer, Jakob, geb. 20. 7. 1874, seit 1945 vermißt. Trautwein, Friedrich, geb. 17. 6. 1929, seit April 1945 bei Budweis vermißt. Trautwein, Wilhelm, geb. 9. 3. 1922, seit April 1945 bei Hamburg vermißt. Gäckle, Robert, geb. 14. 4. 1923 in Horoslar, am 24. 1. 1945 im Lazarett/Belgien verstorben. Höfel, Otto, geb. 17. 12. 1914 in Horoslar, am 12. 9. 1942 in Rußland gefallen. Rösner, Herbert, geb. 17. 2. 1918 in Horoslar, Ende 1943 im Osten gefallen. Rösner, Paul, geb. 6. 4. 1924 in Horoslar, am 5. 9. 1941 bei Leningrad gefallen. Roth, Friedrich, geb. 5. 3. 1906 in Tschukurow, am 23. 3. 1945 bei Oberkaunitz gefallen. 15 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 016 ============================================================================ Schneider, Eduard, geb. 4. 12. 1896, in russischer Internierung verstorben. Schock, Lydia, 5. 9. 1894 in Bessarabien, 1945 auf der Flucht verstorben. Schreier, Georg, geb. 1. 8. 1902 in Bukarest, 22. 2. 1944 Untersteiermark gefallen. Schultes, Eduard, geb. 17. 7. 1920 in Horoslar, seit Januar 1945 bei Kattowitz vermißt. Sturm, Otto, geb. 13. 4. 1925 in Tamurka, 1945 in Luxemburg gefallen. Ilanlik (Serpeni), Kreis Kaliakra Kopp, Jakob, geb. 16. 10. 1922 in Ilanlik, seit dem 14. 10. 1944 vermißt. Kopp, Raphael, geb. 9. 9. 1900, seit dem 7.5.1945 b. Gurkfeld/Untersteiermark verm. Kalfa (Ali Anife), Kreis Kaliakra Bernhard, Johann, geb. 5. 8. 1871 in Mannheim/Ukraine, am 12. 7. 1945 auf der Flucht in der Tschechoslowakei verstorben. Grünewald, Klemens, geb. 16. 7. 1921 in Kalfa, seit 1944 im Osten vermißt. Grünewald, Rafael, geb. 9. 10. 1915, seit Januar 1945 im Osten vermißt. Grünewald, Stanislaus, geb. 13. 7. 1899 in Kronental/Ukraine, am 25. 11. 1945 in jugoslawischer Gefangenschaft gestorben. Söhn, Olga, geb. Zerr, geb. 1912 in Kalfa, bei Fliegerangriff am 17. 6. 1944 in Polen umgekommen. Ursoff, Ferdinand (Mutter geb. Eppinger), geb. 1925 in Kalfa, seit 1945 im Osten verm. Weisser, Gabriel, geb. 5. 4. 1921 in Kalfa, am 27. 1. 1945 in Oberschlesien gefallen. Zerr, Katharina, geb. Pfeifer, geb. 1873 in Mannheim/Ukraine, am 8. 4. 1945 in Jugoslawien umgekommen. Karamurat (Ferdinand I.) Arnold, Josef, geb. 6. 5. 1923 in Karamurat, am 10. 8. 1944 in Rußland gefallen. Bartsch, Margareta, geb. Wolf, geb. 24. 12. 1873 in Krasna, am 5, 5. 1945 auf der Flucht verstorben. Bachmeier, Raphael, geb. 14. 4. 1926 in Karamurat, am 7. 3. 1945 in Pommern gefallen. Baumstark, Franz, geb. 15. 10. 1880 in Malkotsch, 1945 in Böhmen durch Fliegerbeschuß tödlich getroffen. Baumstark, Josef, gefallen. Boot, Fritz, geb. 1909, seit 1944 vermißt. Boot, Meinrad, geb. 1904, seit 1945 vermißt. Christoph, Albert, geb. 11. 9. 1943 in Spitz/Donau, auf der Flucht verstorben. Christoph, Gustav, geb. 3. 8. 1942 in Spitz/Donau, auf der Flucht verstorben. Damian, Florentine, geb. Martha, geb. 19. 2. 1913 in Karamurat, seit 1945 vermißt. Drescher, Matthias, gefallen. Erker, Hildegard, geb. 7. 5. 1924 in Karamurat, im April 1945 im Wartheland vermißt. Erker, Johannes, 1944 auf Kreta vermißt. Erker, Robert, geb. 5. 11. 1925 in Karamurat, am 23. 7. 1944 in Rußland gefallen. Fähnrich, Heinrich, geb. 8. 7. 1916 in Karamurat, in russischer Gefangenschaft verstorben. Fähnrich, Kleophas, geb. 1923, in Rußland gefallen. Fleckenstein, Matthias, geb. 14. 8. 1923 in Karamurat, in russischer Gefangenschaft verstorben. Flepenski, Matthias, gefallen. Gedak, Adam, vermißt. 16 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 017 ============================================================================ Gedak, Franz, geb. 31. 10. 1914 in Karamurat, am 8. 4. 1945 bei Wien gefallen. Gedak, Hieronymus, geb. 17. 3. 1923 in Karamurat, am 14. 8. 1944 in Albanien gefallen. Gedak, Josef, geb. 9. 1. 1920 in Karamurat, seit dem 8. 7. 1944 in Kroatien vermißt. Gedak, Lorenz, geb. 1. 3. 1885 in Karamurat, am 30. 4. 1944 in Prag bei Fliegerangriff getötet. Gedak, Peter, vermißt. Götz, Anton, vermißt. Götz, Baltasar, geb. 8. 1. 1924 in Karamurat, vermißt. Götz, Georg, vermißt. Götz, Leonard, geb. 30. 10. 1917 in Karamurat, im Osten gefallen. Götz, Matthias, gefallen. Götz, Nikolaus, geb. 13. 6. 1924 in Karamurat, seit dem 20. 3. 1945 bei Homburg/Saar vermißt. Haag, Johannes, geb. 30. 5. 1927 in Karamurat, am 26. 4. 1945 in Melk/Österreich an Verwundung verstorben. Haag, Philipp, geb. 1. 8. 1925 in Karamurat, am 1. 5. 1945 in München an Verwundung verstorben. Hoffart, Josef, vermißt. Hase, Franz, vermißt. Hase, Josef, vermißt. Heidrich, Alois, geb. 14. 3. 1901 in Karamurat, vermißt. Heidrich, Jakob, gefallen. Heidrich, Markus, geb. 28. 11. 1918 in Karamurat, am 12. 7. 1942 in Rußland gefallen. Heidrich, Raymund, geb. 2. 6. 1921 in Karamurat, seit Oktober 1943 in Rußland vermißt. Hermann, Albert, geb. 20. 12. 1926 in Karamurat, seit dem 7. 6. 1944 in der Normandie vermißt. Hermann, Johannes, vermißt. Hirsch, Andreas, vermißt. Hirsch, Dominikus, geb. 28. 7. 1922 in Karamurat, am 30. 10. 1941 in Rußland gefallen. Hirsch, Engel, gefallen. Hirsch, Kaspar, geb. 6. 1. 1926 in Karamurat, im Dezember 1944 in Holland gefallen Hirsch, Peter, gefallen. Konofski, Alexander, vermißt. Künzel, Alexander, geb. 24. 4. 1904 in Karamurat, 1945 in Polen erschlagen. Mack, Franz, geb. 15. 4. 1890 in Malkotsch, im Konzentrationslager verstorben. Martha, Alois, geb. 21. 6. 1920 in Karamurat, am 13. 8. 1944 bei Batsch/Albanien gefallen. Martha, Julius, geb. 27. 4. 1917 in Karamurat, am 10. 4. 1945 bei Berlin gefallen. Martha, Peter, geb. 8. 6. 1913 in Karamurat, seit Juni 1944 bei Lublin vermißt. Menges, Anton, geb. 11. 6. 1908 in Karamurat, am 25. 4. 1945 auf der Flucht durch Fliegerbeschuß tödlich getroffen. Menges, Georg, gefallen. Menges, Sinius, gefallen. Müller, Alexander, vermißt. Müller, Basilius, vermißt. Müller, Georg, geb. 6. 10. 1924 in Karamurat, seit dem 23. 3. 1945 vermißt. Müller, Johann, geb. 16. 7. 1921 in Karamurat, seit April 1945 in Ostpreußen verm. Müller, Josef, geb. 23. 3. 1919 in Karamurat, seit Juli 1944 vermißt. Müller, Josef, geb. 30. 5. 1923 in Karamurat, 1945 bei Königsberg gefallen. Nitsche, Emil, gefallen. Nitsche, Franz, gefallen. Politzki, Angela, geb. Kuckert, geb. 1912 in Karamurat, seit 1945 vermißt. Politzki, Matthias, vermißt. Pohl, Melus, vermißt. Ruscheinski, Matthias, geb. 1921 in Karamurat, in Rußland gefallen. Rust, Benno, vermißt. Rust, Josef, geb. 21. 10. 1912 in Karamurat, am 11. 12. 1944 gefallen. Schäfer, Emma, geb. 17. 1. 1935 in Karamurat, 1945 in Böhmen durch Fliegerbeschuß getötet. Schäfer, Johannes, vermißt. Schäfer, Karl, geb. 10. 5. 1937: in Karamurat, 1945 in Böhmen durch Fliegerbeschuß getötet. 17 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 018 ============================================================================ Schäfer, Regina, geb. Baumstark, geb. 1913 in Karamurat, 1945 in Böhmen durch Flie-gerbeschuß getötet. Söhn, Alois, geb. 25. 1. 1925 in Karamurat, seit 1945 vermißt. Söhn, Anton, gefallen. Sihn, Emanuel, geb. 17. 8. 1919 in Karamurat, am 15. 3. 1945 bei Königsberg gefallen. Söhn, Johannes, geb. 17. 10. 1926 in Karamurat, seit 1945 vermißt. Söhn, Josef, geb. 5. 11. 1926 in Karamurat, 1945 gefallen. Söhn, Olga, geb. Zerr, geb. 8. 9. 1911 in Kalfa, 1945 auf der Flucht durch Fliegerbeschuß tödlich getroffen. Söhn, Peter, gefallen. Speicher, Josef, gefallen. Streile, Peter, vermißt. Ternes, Basilius, geb. 1. 1. 1907 in Karamurat, gefallen. Ternes, Basilius, geb. 1. 1. 1907 in Karamurat, am 9. 9. 1943 in Spseworsk von polnischen Partisanen erschossen. Ternes, Josef, geb. 20. 12. 1882 in Karamurat, am 7. 7. 1945 in Szajol/Ungarn auf der Flucht verstorben. Ternes, Matthias, gefallen. Ternes, Willibald, geb. 17. 7. 1922 in Karamurat, im Nov. 1943 in Rußland gefallen. Tuchscherer, Emanuel, geb. 17. 10. 1905, in russischer Gefangenschaft verstorben. Türk, Josef, geb. 6. 12. 1924 in Karamurat, am 28. 9. 1944 im Osten gefallen. Wagner, Josef, gefallen. Wagner, Josef, vermißt. Wagner, Vitus, geb. 22. 9. 1916 in Karamurat, im März 1942 in Rußland gefallen. Winnert, Sofie, geb. Zaremba, geb. 18. 2. 1921 in Karamurat, am 27. 1. 1944 in Berlin durch Bombenangriff getötet. Wolf, Anton, geb. 26. 4. 1923 in Karamurat, seit Februar 1944 bei Tscherkassy vermißt. Wolf, Peter, geb. 13. 5. 1926 in Karamurat, seit April 1945 bei Wien vermißt. Ziebart, Alexander, geb. 30. 5. 1924 in Groß-Pallas, am 25. 4. 1945 b. Bautzen gef. Ziebart, Julius, vermißt. Karatai (Nisipari) Adam, Alexander, geb. 24. 7. 1910 in Tschukurow, seit 1944 vermißt. Blumhagen, Gustav, geb. 20. 9. 1925 in Tschukurow, am 7. 2. 1945 in Ostpreußen gefallen. Brandenburger, Wilhelm, geb. 20. 4. 1926 in Karatai, am 26. 12. 1944 in Italien gefallen. Büttner, Gustav, geb. 17. 2. 1913 in Omurtscha, seit dem 14. 3. 1945 in Böhmen vermißt. Flaig, Alfred, geb. 24. 5. 1920 in Mannsburg, bei Stalingrad vermißt. Flaig, Christian, geb. 31. 12. 1918 in Mannsburg, bei Stalingrad vermißt. Kolschefski, Wilhelm, geb. 6. 3. 1926 in Karatai, in Finnland gefallen. Krüger, Jakob, im Dezember 1944 gefallen. Kusinski, Alfred, geb. 14. 6. 1923, am 16. 10. 1943 gefallen. Liebelt, Andreas, geb. 8. 5. 1907 in Atmadscha, am 27. 11. 1947 in russischer Gefangenschaft verstorben. Märtz, Gottfried, geb. 27. 7. 1925, an der Memel vermißt. Märtz, Grete, geb. Weißhaar, geb. 2. 2. 1926, vermißt. Nitschke, Ella, geb. 2. 8. 1940, vermißt. Nitschke, Elsa, geb. 26. 8. 1927, vermißt. Nitschke, Gottfried, geb. 20. 3. 1903, vermißt. Nitschke, Hilde, geb. 27. 11. 1936, vermißt. Nitschke, Johann, geb. 30. 7. 1928, vermißt. Nitschke, Johannes, geb. 22. 3. 1932, vermißt. Nitschke, Maria, geb. Prophet, vermißt. Nitschke, Olga, geb. 20. 8. 1933, vermißt. Rode, Gustav, in Afrika gefallen. 18 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 019 ============================================================================ Roth, Gustav, geb. 15. 1. 1919, seit August 1944 in Bessarabien vermißt. Schulz, Eduard, geb. 2. 6. 1923, seit September 1944 im Osten vermißt. Schulz, Oskar, geb. 3. 3. 1921 in Tariverde, 1944 in Böhmen gefallen. - Volkmann, Richard-Otto, geb. 17. 4. 1920 in Karatai, im März 1945 in der Eifel gef. Weiß, Gottfried und dessen Frau, vermißt. Zottnick, Erna, geb. Maier, geb. 1. 12. 1918 in Kodschalie, am 28. 7. 1946 in Stuttgart von Polen ermordet. Kasim, Kreis Kaliakra Baier, Andreas, geb. 16. 9. 1916, im Oktober 1944 bei GroBbock/Holland gefallen. Katalui (Cataloi) Broneske, Christian, geb. 27. 9. 1914 in Tultscha, am 12. 8. 1943 gefallen. Fentschnik, Karl, während des Erdbebens am 10. 11. 1940 an Herzschlag gestorben. Geissner, Friedrich, geb. 9. 1. 1897, seit 1945 im Wartheland vermißt. . Geissner, Friedrich, geb. 24. 3. 1922, seit 1944 in Bessarabien vermißt. Geißner, Gottlieb, gefallen. Germann, Gottlieb, geb. 26. 10. 1913, seit dem 31. 12. 1945 in russischer Gefangenschaft vermißt. Germann, Viktoria, geb. 21. 7. 1939 in Katalui, 1945 auf der Flucht verstorben. Graf, Johann, geb. 7. 4. 1900 in Katalui, am 26. 2. 1945 in Polen erschlagen. Hintz, Karl, geb. 17. 5. 1885, seit 1945 im Wartheland vermißt. Ißler, Daniel, geb. 24. 2. 1923, seit Januar 1943 bei Stalingrad vermißt. Ißler, Otto, geb. 16. 4. 1908 in Katalui, im März 1945 bei Marienburg/Ostpreußen gefallen. Kaisner, Gottlieb, geb. 1919 in Katalui, 1943 an der Ostfront gefallen. Kaisner, Hermann, geb. 5. 6. 1921, seit März 1945 in Ungarn vermißt. Kaisner, Jakob, geb. 17. 3. 1887, seit Januar 1945 im Wartheland vermißt. Kraus, Friedrich, geb. 22. 10. 1912, seit 1945 in Polen vermißt. Kraus, Karl, gefallen. Kühn, Friedrich, geb. 3. 3. 1909 in Atmad- scha, 1943 gefallen. Kühn, Siegmund, als Kind verschollen. Nagel, Georg, geb. 21. 11. 1898, seit 1945 im Wartheland vermißt. Nagel, Heinrich, geb. 15. 8. 1924 in Katalui, am 19. 2. 1944 in Italien gefallen. Nagel, Wilhelm, geb. 14. 2. 1893, seit Januar 1945 bei Radomsk vermißt. Neumann, Georg, geb. 25. 7. 1915 in Katalui, 1944 in Frankreich gefallen. Nitschke, Johannes, geb. 14. 4. 1915, seit August 1944 vermißt. Ockert, Andreas, geb. 5. 4. 1901 in Katalui, am 18. 1. 1945 beim Volkssturm in Bärental, Wartheland, gefallen. Ockert, Friedrich, geb. 11. 6. 1913 in Katalui, am 3. 10. 1943 in Rußland gefallen. Schielke, Artur, geb. 10. 4. 1920, im März 1942 in Rußland gefallen. Schielke, Gustav, gefallen. Schmidt, Christoph, geb. 28. 2. 1893, seit Januar 1945 vermißt. Schmidt, Friedrich, geb. 23. 6. 1905, seit Januar 1945 bei Glauchau vermißt. Schmidt, Georg, geb. 5. 4. 1896, seit Januar 1945 bei Welun vermißt. Schmidt, Gustav, geb. 6. 5. 1926, seit Dezember 1944 bei Budapest vermißt. Schmidt, Joh., geb. 18. 10. 1921, 6. 44 verm. Schmidt, Johannes, geb. 16. 7. 1925, am 27. 6. 1944 bei Castiglione/ltalien gefallen. 19 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 020 ============================================================================ Schmidt, Wilhelm, geb. 5. 7. 1885 in Tschukurow, 1945 in Polen erschlagen. Schmidt, Willi, geb. 1918 in Katalui, im August 1946 in russischer Gefangenschaft verstorben. Suckert, Emil, geb. 23. 9. 1921 in Katalui, im August 1943 in Rußland gefallen. Suckert, Gottlieb, geb. 3. 3. 1915 in Katalui, im August 1943 in Rußland gefallen. Suckert, Karl, gefallen. Suckert, Maria, geb. 30. 4. 1935 in Katalui, seit 1945 vermißt. Will, Hulda, geb. 26. 6. 1940 in Katalui, seit 1945 vermißt. Will, Johannes, geb. 10. 11. 1909, in Rußland gefallen. Will, Martin, geb. 10. 9. 1937 in Katalui, seit 1945 vermißt. Wirsch, Gustav, 1943 an der Ostfront gefallen. Kobadin (Cobadin) Almert, Eduard, geb. 27. 9. 1922 in Kobadin, in Rußland erschossen. Almert, Friedrich, geb. 20.1.1920 in Kobadin, seit dem 25. 2. 1945 in Holstein vermißt. Almert, Heinrich, geb. 7. 2. 1924 in Kobadin, am 15. 3. 1944 bei Witebsk gefallen. Almert, Jakob, geb. 30. 10. 1885, auf der Flucht verstorben. Bast, Andreas, geb. 2. 2. 1883 in Teplitz, vermißt. Bast, Arnold, am 7. 7. 1943 in Rußland gefallen. Bast, Pauline, geb. Zecher, vermißt. Blumhagen, Fritz, 1944 gefallen. Blumhagen, Karl, geb. 2. 5. 1902 in Beiram, seit dem 12. 1. 1945 bei Litzmannstadt vermißt. Bobermann, Johann, geb. 22. 12. 1865, seit 1945 in Znaim vermißt. Bobermann, Katharina, geb. Heim, seit 1945 in Znaim vermißt. Brandt, Gerhard, geb. 7. 5. 1929, seit 1945 vermißt. Brandt, Helmut, geb. 29. 3. 1932, auf der Flucht umgekommen. Brandt, Lydia, geb. Tillmann, geb. 2. 2. 1908, 1945 in Breslau umgekommen. Brauer, Albert, geb. 22. 5. 1907 in Brienne, seit Juni 1944 in Rußland vermißt. Brauer, Arnold, geb. 26. 2. 1917, 1942 in Rußland gefallen. Brauer, Gotthilf, geb. 3. 8. 1897 in Brienne, vermißt. Brenner, Albert, geb. 8. 2. 1910 in Plotzk, seit März 1944 bei Witebsk vermißt. Christmann, Rudolf, geb. 26. 3. 1914 in Bessarabien, am 24. 5. 1942 in Rußland gefallen. Decker, Johann, geb. 16. 7. 1923 in Kobadin, im September 1943 in Rußland gefallen. Deiss, Johannes, geb. 21. 9. 1898 in Gnadental, seit Januar 1945 vermißt. Dermann, Andreas, geb. 15. 1. 1925 in Kobadin, am 16. 2. 1943 in Kirowograd gefallen. Dermann, Berta, geb. 12. 7. 1929, vermißt. Dermann, Mathilde, geb. Freimund, geb. 3. 5. 1902, 1945 in Polen ermordet. Dermann, Reinhold, vermißt. Drefs, Albert, geb. 14. 8. 1923 in Kobadin, seit März 1944 in Polen vermißt. Dressler, Melitta, geb. Becker, geb. 20. 5. 1927 in Kobadin, vermißt. Eppler, Artur, geb. 22. 2. 1925 in Teplitz, vermißt. Fabrikator (Moraru), Albert, geb. 4. 12. 1932, vermißt. Fabrikator (Moraru), Paul, geb. 15. 1. 1892, seit 1943 vermißt. Fabrikator (Moraru), Christine, geb. Nagel, vermißt. Fischer, Josef, geb. 17. 12. 1878 in Katalui, vermißt. Fischer, Siegfried, vermißt. Fischer, Wilhelm, vermißt. Fischer, Wilhelmine, vermißt. 20 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 021 ============================================================================ Freiberger, Karl, geb. 24. 11. 1927, auf der Flucht verstorben. Götz, Emil, geb. 18. 2. 1923 in Kobadin, am 19. 8. 1944 in Frankreich gefallen. Graf, Jakob, geb. 25. 5. 1926, seit November 1944 in Italien vermißt. Grieb, Johannes, geb. 14. 9. 1915 in Kobadin, am 3. 5. 1943 in Rußland gefallen. Grieb, Wilhelm, geb. 13. 5. 1914 in Kobadin, seit Februar 1945 bei Guben vermißt. Haupt, Andreas, geb. 19. 7. 1902 in Mintschuna, seit dem 19. 1. 1945 vermißt. Heim, Gottlieb, geb. 12. 2. 1892 in Tariverde, am 16. 4. 1945 in Böhmen erschossen. Heim, Reinhold, geb. 1931 in Tariverde, 1945 in Regensburg verstorben. Herrmann, Andreas, geb. 10. 3. 1904 in Kobadin, 1945 erschossen. Herrmann, Jakob, 1945 verstorben. Herrmann, Theophil, geb. 27. 10. 1908 in Kobadin, 1944 in Böhmen erhängt. Hillius, Friedrich, geb. 1. 5. 1908 in Hanowka, seit 1945 vermißt. Hock, Gotthilf, geb. 1. 10. 1885 in Teplitz, in Rußland erschlagen. Hopp, Emanuel, geb. 3. 12. 1908, seit 1945 bei Olmütz vermißt. Kalmbach, Eduard, geb. 14. 2. 1915, in russischer Gefangenschaft verstorben. Klett, Albert, geb. 14. 2. 1916 in Kobadin, am 14. 2. 1945 bei Budapest gefallen; seine Frau Irma, geb. Borck, am 26. 6. 1946 von einem Sowjetsoldat in Aue (Sachsen) erschossen. Klett, August, geb. 29. 11. 1880 in Scortaru Nou, am 1. 2. 1945 auf der Flucht verstorben. Klett, Hugo-Otto, geb. 10. 10. 1921, 1943 im Osten gefallen. Klett, Wilhelm, geb. 5. 2. 1918 in Kobadin, gefallen 28. 5. 1940 bei Montreuil sur Mere. Kohls, Albert, geb. 3. 6. 1914, seit Mai 1944 bei Sewastopol vermißt. Kohls, Rudolf, geb. 12. 12. 1923 in Kobadin, am 23. 11. 1942 im Osten gefallen. Kraus, Emanuel, geb. 27. 6. 1908 in Kobadin, seit 1944 bei Budapest vermißt. Leyer, Titus, geb. 10. 9. 1921 in Kobadin, am 17. 9. 1943 in Rußland gefallen. Lück, Ludwig, geb. 24. 9. 1918 in Kodadin, seit Februar 1945 im Elsaß vermißt. Metzger, Albert, geb. 14. 4. 1918 in Kobadin, am 15. 8. 1944 im Osten gefallen. Metzger, Friedrich, geb. 8. 6. 1916 in Kobadin, seit 1945 vermißt. Metzger, Jakob, geb. 16. 9. 1862 in Friedenstal, am 8. 2. 1945 auf der Flucht verstorben. Metzger, Lydia, geb. 10. 12. 1910 in Kobadin, seit 1945 vermißt. Müller, Alfred, geb. 25. 7. 1928 in Kobadin, seit dem 14. 1. 1945 vermißt. Nagel, Hermann, geb. 5. 6. 1923, im Juni 1942 in Rußland gefallen. Nagel, Johannes, 1943 in Serbien durch Fliegerangriff umgekommen. Nagel, Maria, geb. 21. 11. 1926, seit dem 18. 1. 1945 bei Turek vermißt. Nagel, Matthias, geb. 27. 2. 1927, seit Februar 1945 bei Danzig vermißt. Ost, Friedrich, geb. 4. 6. 1922 in Borodino, seit Mărz 1945 bei Brünn vermiBt. Ost, Robert, geb. 27. 1. 1917 in Borodino, am 21. 3. 1945 bei Stettin gefallen. Quade, Karl, geb. 25. 12. 1921 in Sarighiol, in russischer Gefangenschaft erschlagen. Radomski, Jakob, geb. 23. 2. 1892 in Tariverde, 1945 in Polen erschlagen. Rein, Christine, Friedrich, Jakob, Johann, Johannes, Irma, Lilly, Konstantin, Lena — seit 1945 vermißt. Rösner, Albert, geb. 15. 2. 1925 in Kobadin, 1945 in Ungarn gefallen. Rösner, Herbert, geb. 20. 9. 1926 in Kobadin, am 9. 12. 1947 in russischer Gefangenschaft verstorben. Rösner, Rudolf, geb. 7. 5. 1910 in Kobadin, seit März 1945 in Kroatien vermißt. Schalo, Albert, geb. 12. 10. 1923, seit Januar 1944 bei Gorodok vermißt. Schmidt, Albert, geb. 25. 9. 1927 in Kobadin, seit Januar 1945 vermißt. Schmolke, Martin, geb. 19. 10. 1870 in Beresina, 15. 8. 1943 in Böhmen erhängt. Schröder, Jakob, geb. 11. 11. 1904 in Kobadin, seit Januar 1945 vermißt. 21 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 022 ============================================================================ Schuhmaier, Wilhelm, geb. 8. 3. 1903 in Basyrjamka, im Jan. 45 bei Krakau gefall. Schwarz, Alfred, geb. 3. 11. 1914 in Kobadin, gefallen. Schwarz, Wilhelm, geb. 23. 8. 1919 in Kobadin, 1943 gefallen. Schütt, Reinhold, geb. 1. 1. 1923 in Marijewka, seit Dez. 1942 bei Stalingrad vermißt Stach, Johannes, geb. 3. 8. 1900 in Kobadin, gefallen. Strohschein, Emanuel, geb. 1. 9. 1912 in Neu-Arzis, 1945 im Wartheland gefallen. Tillmann, Jakob, geb. 7. 6. 1913 in Kobadin, am 26. 2. 1944 bei Lemberg gefallen. Tillmann, Helmut, im November 1944 bei Budapest gefallen. Wangele, Wilhelm, Emanuel, seit 1944 im Osten vermißt. Wangele, Wilhelm, Helmut, geb. 20. 9. 1927 in Kobadin, am 19. 3. 1945 bei Gotenhafen gefallen. Weiß, Helene, geb. 8. 10. 1925 in Kodschalak, seit März 1945 in Böhmen vermißt. Würth, Ruprecht, geb. 6. 10. 1914 in Kobadin, seit August 1944 bei Ploesti vermißt. Zink, Emanuel, geb. 15. 2. 1900 in Sarighiol, seit 1945 in Böhmen vermißt. Kodschalak (Domnesti) Bender, Alfried, 1945 auf der Flucht erschossen. Biech, Adolf, geb. 28. 6. 1928, vermißt. Biech, Christine, geb. Stehr, geb. 20. 9. 1910 in Tariverde, vermißt. Biech, Johannes, geb. 14. 9. 1899 in Tariverde, vermißt Biech, Rosina, geb. 16. 12. 1935, vermißt. Blumhagen, Johann, geb. 18. 12. 1915 in Kodschalak, seit August 1944 vermißt. Buchholz, Jakob, geb. 1902, vermißt. Buchholz, Juliane, geb. Berg, geb. 24. 7. 1876 in Kodschalak, 1945 auf der Flucht ermordet. Buchholz, Reinhold, geb. 1. 8. 1925 in Kodschalak, 1944 in Frankreich gefallen. Burgemeister, Christine, geb. Müller, geb. 4. 1. 1890 in Unteralbota, am 29. 4. 1945 in Böhmen auf der Flucht verstorben. Fechner, Matthias, geb. 7. 11. 1910 in Kodschalak, am 24. 3. 1945 in Wuppertal gefallen Forchert, Richard, geb. 15. 7. 1919 in Kodschalak, seit dem 27. 12. 1943 bei Shitomir vermißt. Frank, Jakob, geb. 29. 12. 1913, in Italien vermißt. Franz, Emanuel, geb. 8. 2. 1926 in Kodschalak, Januar 1945 Ostpreußen gefallen. Franz, Martin, geb. 14. 3. 1921 in Kodschalak, im März 1945 in Westpreußen gefallen. Gabert, Johann, geb. 15. 3. 1923 in Kodschalak, am 17. 8. 1944 bei Cheautun/Frankreich, gefallen. Gallert, August, geb. 7. 12. 1914, vermißt. Gallert, Eduard, geb. 29. 8. 1924, vermißt. Gallert, Lena, geb. 16. 8. 1921, vermißt. Gallert, Wilhelm, geb. 23. 10. 1885 in Padubitz, 1945 auf der Flucht verstorben. Gerling, Wilhelm, geb. 20. 2. 1913 in Katalui, seit März 1945 vermißt. Grabotin, Emanuel, geb. 22. 1. 1909 in Kodschalak, seit 1943 vermißt. Grabotin, Emanuel, geb. 4. 11. 1923 in Kodschalak, 1945 in Holland vermißt. Frau Grün, 1945 auf der Flucht umgekommen Gutknecht, Wilhelm, geb. 20. 2. 1902 in Kodschalak, seit 7. 12 1944 in Polen verm. Haller, August, gefallen. Hanscharenk, Michael, mit Frau Berta und drei Kindern, geboren in Kodschalak in Polen vermißt. Heil, Daniel, geb. 10. 3. 1903 in Kodschalak, am 14. 9. 1944 in der Eifel gefallen. Heim, Daniel, geb. 2. 12. 1886 in Tariverde, seit 1945 im Wartheland vermißt. Heim, Eduard, geb. 17. 9. 1909 in Tariverde, seit Nov. 1944 in der Slowakei verm. Hoffmann, Alfred, geb. 8. 12. 1923 in Kodschalak, in russ. Gefangenschaft verstorben. 22 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 023 ============================================================================ Hoffmann, Christian, 1945 auf der Flucht umgekommen. Hoffmann, Oswald, geb. 15. 5. 1923 in Kodschalak, am 2. 10. 1944 bei Belgrad gefallen. Hoffmann, Theophil, geb. 3. 3. 1916 in Kodschalak, seit August 1944 bei Buseu/Rumänien vermißt. Hoffmann, Wilhelm, geb. 15. 10. 1895 in Istanbul, am 29. 4. 1945 in Müwtitz verstorben. Illenser, Erna, geb. Höhn, geb. 11. 8. 1912 in Beresina, vermißt. Illenser, Irma, geb. 6. 9. 1935 in Malkotsch, vermißt. Illenser, Valentin, geb. 21. 2. 1896 in Jamburg, vermißt. Illenser, Valentin, geb. 20. 11. 1925 in Sarighiol, vermißt. Isaak, Gottlieb, 1945 auf der Flucht umgekommen. Jäckel, Christine, geb. Schulz, geb. 6. 9. 1886 in Kodschalak, 1945 auf der Flucht verstorben. Jeske, Gotthold, geb. 19. 8. 1896 in Kodschalak, 1945 auf der Flucht verstorben. Jeske, Gotthold, geb. 18. 1. 1915 in Kodschalak, vermißt. Joachim, Lydia, geb. Fichtner, am 18. 1. 1945 in Polen ermordet. Käfer, Frieda, geb. 22. 5. 1916 in Kodschalak, seit 1944 in Rumänien vermißt. Käfer, Robert, geb. 1. 10. 1906 in Kodschalak, am Tatarengraben auf der Krim verm. Kern, Christine, geb. 30. 12. 1929 in Kodschalak, 1945 ermordet. Kern, Daniel, geb. 16. 9. 1921 in Kodschalak, seit Februar 1945 in Ostpreußen vermißt. Kern, Jakob, geb. 4. 6. 1898 in Kodschalak, am 16. 10. 1944 gefallen. Kerner, Gottlieb, gefallen. Klukas, Artur, geb. 24. 12. 1922 in Kodschalak, am 1. 4. 1944 in Rußland gefallen. Knoll, Ferdinand, wurde 1945 erschlagen. Knopp, Helmut, geb. 15. 10. 1922 in Kodschalak, seit Mai 1943 bei Woronesch vermißt. Koch, Jakob, gefallen. Körner, Adolf, geb. 4. 6. 1911 in Kodschalak, im September 1944 in Norwegen gefallen. Körner, Karl, geb. 1907, im Osten vermißt. Krüger, Christine, geb. Brenner, geb. 1898, seit 1945 vermißt. Liebelt, Theodor, geb. 25. 7. 1911 in Sarighiol, seit 1945 bei Stolp vermißt. Look, Christian, geb. 16. 12. 1921 in Kodschalak, seit März 1945 im Baltikum vermißt. Look, Emanuel, geb. 11. 1. 1921 in Kodschalak, seit April 1945 im Riesengebirge vermißt. Look, Justina, 1945 auf der Flucht umgekommen. Machau, Adolf, geb. 31. 12. 1923 in Kodschalak, gefallen. Machau, David, geb. 28. 8. 1892, auf der Flucht verstorben Machau, Samuel, geb. 26. 4 1908 in Kodschalak, seit Januar 1945 bei Warschau vermißt. Markes, Oskar, geb. 18. 5. 1914 in Kodschalak, im Juli 1943 in Finnland gefallen. Meinke, Johannes, geb. 28. 12. 1874 in Tschemtschelli, 1945 auf der Flucht verstorben. Meinke, Robert, geb. 3. 4. 1924 in Kodschalak, am 15. 5. 1945 in Usterreich im Lazarett an Verwundungen verstorben. Morschuh, Friedhold, geb. 3. 8. 1927, seit März 1945 im Osten vermißt. Müller, Albert, geb. 12. 4. 1926 in Kodschalak, in Gefangenschaft verstorben. Müller, Alexander, geb. 28. 11. 1898 in Kodschalak, 1945 in Olmütz verstorben. Müller, Arthur, geb. 9. 10. 1941, seit 1945 vermißt. Müller, Christine, geb. 25. 10. 1901 in Kodschalak, am 9. 5. 1945 in Böhmen ermordet. Müller, Else, geb. 2. 2. 1928, auf der Flucht verstorben. Müller, Katharina, geb. Schwarz, geb. 1902, auf der Flucht verstorben. Müller, Pauline, am 9. 5. 1945 in Böhmen ermordet. 23 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 024 ============================================================================ Muster, Martin, gefallen Pausch, Emil, gefallen. Ponto, Martin, geb. 30. 3. 1916 in Kodschalak, seit August 1944 bei Husi/Rumänien vermißt Quast, Oskar, geb. 6. 8. 1919 in Friedenstal, seit Januar 1945 in Pommern vermißt. Roth, Gottlieb, geb. 18. 5. 1914 in Kodschalak, im Sommer 1943 in: Rußland gefallen Ruf, Emanuel, geb. 22. 12. 1915 in Kodschalak, im Februar 1945 gefallen. Ruf, Johann, geb. 24. 12. 1924 in Kodschalak, seit Dezember 1944 am Plattensee vermißt. Rust, Johann, 1945 auf der Flucht verstorben Sackmann, Emilie, geb. Ruff, geb. 27. 9. 1921 in Kodschalak, seit 1945 vermißt. Scheiske, Robert, geb. 19. 5. 1922 in Kodschalak, am 1. 4. 1945 im Odenwald gefallen Schelske, Theodor, geb. 30. 10. 1926 in Kodschalak, bei Königsberg gefallen. Schlenker, Lydia, geb. Nuske, seit 1945 vermißt. Schock, Wilhelm, geb. 13. 7. 1922, am 10. 4. 1945 bei Kritzendorf/Usterreich gefallen. Scholpp, Grete, 1945 auf der Flucht umgekommen. Scholpp, Reinhold, geb. 10. 7. 1923 in Kodschalak, seit Juli 1944 bei Jassy vermißt. Scholpp, Valentin, geb. 10. 2. 1920 in Kodschalak, seit Januar 1943 bei Stalingrad vermißt. Schon, Johann, geb. 3. 4. 1907 in Kodschalak, am 6. 6. 1944 in Tighina/Bessarabien gefallen. Schon, Matthias, geb. 20. 3. 1917 in Kodschalak, seit Februar 1945 bei Danzig vermißt. Schulz, Christine, geb. 6. 9. 1890 in Kodschalak, 1945 auf der Flucht verstorben. Schulz, Daniel, geb. 19. 10. 1886, 1945 auf der Fiucht verstorben. Schulz, Maria, geb. 2. 2. 1884, 1945 auf der Flucht verstorben. Schütt, Gottlieb, geb. 26. 10. 1926 in Borodino, seit Januar 1945 bei Insterburg vermißt. Siewert, Olga, geb. 16. 5. 1926 in Kodschalak, seit 1945 vermißt. Stach, Cäcilie, geb. 18. 7. 1931 in Kodschalak, 27. 4. 1945 in Böhmen verstorben. Stehr, Matthias, geb. 20. 8. 1914 in Kodschalak, seit Februar 1945 vermißt. Straub, Gotthilf, geb. 4. 1. 1914 in Kodschalak, seit März 1945 vermißt. Vetter, Emanuel, geb. 2. 3. 1891 in Buschtal, seit Februar 1945 bei Lentschütz vermißt. Walter, Jakob, geb. 16. 5. 1925 in Kodschalak, seit Juni 1944 in Rußland vermißt. Kodschalie (Valea Neagra) Amon, Maria, geb. 7. 11. 1932 in Kodschalie, 1945 auf der Flucht verstorben. Bauer, Emilie, geb. 20. 12. 1922 in Kodschalie, im März 1945 auf der Flucht verstorben. Bauer, Klara, geb. Dubowa, geb. 10. 10. 1922 in Kalarasch, seit 1945 vermißt. Bippus, Otto, geb. 24. 10. 1923, am 12. 7. 1942 in Rußland gefallen. Böttcher, Alfred, geb. 11. 6. 1913, seit August 1944 bei Kischineff vermißt. Ebel, Jakob, geb. 16. 9. 1916 in Kodschalie, am 8. 2. 1945 gefallen. Ebel, Wilhelmine, geb. 12. 11. 1915 in Kodschalie, seit September 1944 vermißt. Ernst, Johann, geb. 13. 2. 1913, Anfang 1943 in Rußland gefallen. Fechner, Matthias, geb. 7. 11. 1910 in Kodschalie, am 23. 3. 45 in Wuppertal gefallen Gabert, Philipp, geb. 7. 11. 1905, seit 1945 in Böhmen vermißt. Haisch, Emma, geb. 15. 6. 1925, seit 1945 in Westpreußen vermißt. Haisch, Gotthilf, geb. 9. 7. 1891 in Teplitz/Bessarabien, seit 1945 in Westpreußen vermißt. 24 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 025 ============================================================================ Höpfer, Andreas, geb. 20. 5. 1923 in Kodschalie, seit Januar 1943 bei Stalingrad vermißt. Höpfer, Iise-Helga, geb. 22. 7. 1944, am 9. 7. 1945 im Internierungslager verstorben. Hüther, Johann, geb. 10. 2. 1924 in Kodschalie, seit März 1945 bei Olmütz vermißt. Jeske, Helmut, geb. 10. 11. 1921, am 19. 6. 1942 bei Charkow gefallen. Jung, Jakob, geb. 4. 2. 1911 in Tariverde, am 12. 2. 1943 in Rußland gefallen. Kling, Johannes, geb. 27. 2. 1914 in Ebechioi, seit dem 15. 9. 1943 bei Wjasma vermißt. Leimert, Emil, geb. 4. 1. 1895 in Arzis, seit Februar 1945 vermißt. Lobe, Adam, geb. 20. 9. 1919, seit 1944 bei Budapest vermißt. Lutz, Alexander, gefallen. Lutz, Arsenius, geb. 20. 3. 1922 in Tschukurow, am 11. 4. 1942 gefallen. Mehl, Johann, geb. 24. 2. 1924 in Kodschalie, am 11. 3. 1943 bei Charkow gefallen. Mehl, Philipp, geb. 10. 8. 1916 in Kodschalie, seit dem 7. 12. 1944 im Osten vermißt. Moser, Johannes, geb. 24. 1. 1916 in Kodschalie, seit April 1945 in Böhmen vermißt. Moser, Ludwig, geb. 24. 3. 1927 in Kodschalie, seit März 1945 in Böhmen vermißt. Radke, Gustav, geb. 17. 1. 1921 in Kodschalie, seit 1945 vermißt. Richert, Josef, geb. 7. 9. 1911, am 31. 1. 1945 in Ungarn gefallen. Ritter, Artur, geb. 1. 7. 1932 in Tariverde, seit 1945 vermißt. Schlepp, Emanuel, geb. 3. 2. 1910 in Hoffnungstal/Bessarabien, seit April 1945 bei Mährisch-Ostrau vermißt. Schollmaier, Friedrich, geb. 11. 5. 1911 in Atmadscha, am 7. 4. 1945 bei Kostajnitza gefallen. Seitz, Daniel, geb. 19. 4. 1909 in Kodschalie, seit März 1945 bei Kapellna vermißt. Seitz, Friedrich, geb. 30. 10. 1922 in Kodschalie, am 18. 1. 1943 in Rußland gefallen. Suckert, Artur, geb. 29. 11. 1926 in Kodschalie, im Oktober 1944 bei Budapest gefallen. Suckert, Wilhelm, geb. 31. 10. 1921 in Kodschalie, am 6. 4. 1944 bei Kowel gef. Tschritter, Rudolf, geb. 30. 8. 1910 in Rohrbach, seit März 1945 in Böhmen vermißt. Voevod, Anton, geb. 16. 9. 1926 in Kodschalie, in russischer Gefangenschaft verstorben. Wolf, Johann, geb. 2. 7. 1906 in Kodschalie, seit Mai 1944 bei Litzmannstadt vermißt. Wolschinski, Friedrich, geb. 9. 1. 1920 in Kodschalak, seit April 1945 in Ungarn vermißt. Kokardscha (Cocargea), Kreis Konstanza Chirea, Angel, geb. 17. 2. 1921, seit dem 5. 4. 1945 vermißt. Konstanza (Constanta) einschl. Anadolkioi und Km 5 Balint, Stefan, geb. 30. 8. 1924, 1945 verm. Balthes, Friedrich, geb. 17. 1. 1909 in Konstanza, seit 1951 in Rußland vermißt. Balthes, Josef, geb. 12. 9. 1906 in Hermannstadt, seit 1945 vermißt. Balthes, Josef, geb. 28. 11. 1936, seit 1945 vermißt. Balthes, Rosi, geb. Matthias, seit 1945 vermißt. Balthes, Therese, geb. Mangesius, geb. 21. 9. 1878 in Sächs. Regen, 1945 auf der Flucht verstorben. Bartel, Friedrich, geb. 4. 10. 1908 in Kodschalak, seit 1945 vermißt. 25 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 026 ============================================================================ Bayer, Oskar, geb. 7. 6. 1900 in Tschernowitz, seit 1945 vermißt. Bartlef, Michael, geb. 24. 1. 1904 in Scharosch, seit 1945 vermißt. Bartlef, Sara, geb. Simonis, seit 1945 vermißt. Brengner, Kasimir, geb. 18. 9. 1909, seit 1945 vermißt. Brengner, Wally, geb. Schreyhof, seit 1945 vermißt. Coada, Leo, geb. 25. 8. 1910, seit Dezember 1942 in Karelien vermißt. Csere, Lydia, geb. Grenz, seit 1945 vermißt. Csere, Martin, geb. 8. 2. 1908 in Terlungeni, seit 1945 vermißt. Csere, Wilhelm, geb. 21. 12. 1936, seit 1945 vermißt. Deme, Alexander, Alexander, Elisabeth, Josef, Juliane — seit 1945 vermißt. Dieterle, Konstantin, geb. 19. 1. 1915, seit 1945 vermißt. Dimitriu, Demetrius, seit 1945 vermißt. Dimitriu, Lydia, geb. Pohl, seit 1945 ververmißt. Dimitriu, Nikolaus, geb. 27. 11. 1908 in Galatz, seit 1945 vermißt. Engel, Gustav, geb. 7. 3. 1897 in Schäßburg, seit 1945 vermißt. Ernst, Fritz, geb. 1. 4. 1912 in Mediasch, seit 1945 vermißt. Ernst, Fritz, geb. 7. 8 .1937, seit 1945 vermißt. Ernst, Hans, geb. 6. 5. 1928 in Konstanza, seit April 1945 bei Berlin vermißt. Ernst, Helene, geb. Liehn, seit 1945 verm. Ernst, Helene, geb. 15. 2. 1940, seit 1945 vermißt. Ernst, Jakob, im Februar 1942 in Leipzig an Verwundungen gestorben. Felchle, Albert, geb. 8. 10. 1920, seit 1943 bei Charkow vermißt. Frank, Gustav, geb. 7. 3. 1916 in Atmadscha, bei Stalingrad vermißt. Frank, Matthias, geb. 19. 10. 1897, 1945 in Polen erschlagen. Gall, Dittmar, geb. 1. 7. 1938, seit 1945 vermißt. Gall, Julius, geb. 25. 9. 1910 in Hermannstadt, seit 1945 vermißt. Gall, Maria, geb. Tischer, seit 1945 vermißt. George, Marie, geb. 1. 3. 1874 in Temeschburg, seit 1945 vermißt. Gergo, Johann, geb. 7. 1. 1878 in Sabola, seit 1945 vermißt. Göhnert, Friedrich, geb. 7. 3. 1909 in Kodschalak, seit 1944 bei Piatra-Neamtz vermißt. Gotsmann, Mathilde, geb. 1919, seit 1945 vermißt. Growo, Maria, geb. von Schneller, geb 10. 9. 1882 in München, seit 1945 vermißt. Hack, Ernst, geb. 15. 5. 1912, seit Januar 1944 in Jugoslawien vermißt. Haller, Eduard, seit 1945 vermißt. Hanff, Leonhard, geb. 7. 6. 1921 in Uman/Transnistrien, seit 1945 vermißt. Hannemann, Mathilde, geb. Ensminger, geb. 1909 in Schabo, 1945 in Polen ermordet. Hannemann, Wilhelm, geb. 7. 9. 1925 in Konstanza, im August 1944 in Frankreich gefallen. Henning, Hermine, geb. 27. 7. 1907 in Neidhausen/Siebenbürgen, seit 1945 vermißt. Herold, Alexander, geb. 9. 7. 1919, seit 1945 vermißt. Herold, Eva, geb. Hirsch, geb. 19. 9. 1887, seit 1945 vermißt. Herold, Gottlieb, geb. 30. 5. 1884 in Klöstitz, seit 1945 vermißt. Herolt, Juliane, geb. Novak, seit 1945 vermißt. Herolt, Johann, geb. 11. 4. 1884 in Schäßburg, seit 1945 vermißt. Herolt, Juliane, geb. Novak, seit 1945 vermißt. Herolt, Katharina, geb. 16. 11. 1914, seit 1945 vermißt. Hildebrandt, Samuel, "geb. 9. 5. 1895 in Cernavoda, am 12. 4. 1945 bei Zwentendorf/Usterreich gefallen. Holzhacker, Johann-Robert, geb. 2. 10. 1906, seit 1942 vermißt Iliesku, Emilie, geb. Rech, geb. 13.11.1913 Kodschalak, seit 1945 vermißt. lliesku, Helene, geb. 7. 9. 1934, seit 1945 vermißt. 26 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 027 ============================================================================ Iliesku, Lucie, geb. 27. 10. 1938, seit 1945 vermißt. lliesku, Nikolai, seit 1945 vermißt. Iliesku, Valentine, geb. 14. 2. 1936, seit 1945 vermißt. Kahl, Margarete, geb. 30. 4. 1915 in Krasna, seit 1945 vermißt. Kappel, Friedrich, geb. 9. 8. 1923 in Mühlbach, seit 1945 vermißt. Knopp, Josef, am 28 8. 1943 gefallen. Knopp, Samuel, am 22. 10. 1942 gefallen. Konstantin, Dorothea, geb. 16. 12. 1897, seit 1945 vermißt. Konstantin, Helene, geb. Riede, geb. 27. 9. 1872 in Schifka/Galizien, seit 1945 vermißt. Kosmin, Alexander, geb. 13. 2. 1917 in Konstanza, am 24. 8. 1943 gefallen. Kosmin, Anna geb. Büttner, geb. 10. 5. 1885 in Konstanza, am 12. 9. 1944 in Stuttgart durch Fliegerbomben getötet. Kozub, Anna, geb. Klemm, seit 1945 vermißt. Kozub, Peter, geb. 18. 6. 1900 in Czernowitz, seit 1945 vermißt. Krauß, Alwin, geb. 30. 10. 1898, 1945 vermißt. Krauß, Iwa-Lotte, 8. 9. 1930, 1945 vermißt. Krauß, Jost-Alwin, geb. 25. 10. 1936, seit 1945 vermißt Krauß, Lotte, geb. Bock, seit 1945 vermißt. Kreiter, Anna, geb. 5. 4. 1929 in Oberroiton, seit 1945 vermißt. Kühn, Ferdinand, geb. 5. 10. 1905 in Konstanza, seit 1945 vermißt. Kühn, Maria, geb. Bondarenko, 1945 vermißt. Kühn, Valentin, geb. 9. 4. 1932, 1945 vermißt. Lange, Dorothea, geb. Golz, geb. 16. 12. 1897 in Sarighiol, seit 1945 vermißt. Lange, Gustav, geboren in Sarighiol, seit 1945 vermißt. Lange, Helene, geb. 28. 9. 1935, seit 1945 vermißt. Liebich, Ferdinand, geb. 1. 8. 1914, am 6.5. 1942 in Rußland gefallen. Linz, Walter, geb. 3. 6. 1910 in Konstanza, am 21. 3. 1945 bei Dageroth gefallen. Mathias, Eleonore, Helene, Maxim, Anny, Leontine, Theodor — seit 1945 vermißt. Mauch, Artur, geb. 4. 2. 1889, 1945 auf der Flucht verstorben. Mauch, Friedrich, geb. 23. 1. 1897, seit dem 20. 3. 1945 auf der Halbinsel Hela vermißt. Mauch, Wilfried, geb. 12. 4. 1926, 1946 in einem französischen Lazarett an Verwundungen verstorben. Mogck, Ernst, geb. 1. 3. 1921, am 12. 4. 1944 in Rußland gefallen. von Moos, Werner, geb. 5. 12. 1924 in Konstanza, am 31. 12. 1943 in Rußland gefallen. Müller, Christian, geb. 17. 12. 1901, seit Januar 1945 bei Teschen vermißt. Müller, Ludwig, am 28. 3. 1945 bei Berlin gefallen. Nykel, Karl, geb. 9. 9. 1912, seit Juli 1944 vermißt. Ockert, Andreas, geb. 5. 4. 1901 in Katalui, seit Januar 1945 bei Welun vermißt. Odehnal, Sylvia, geb. 26. 9. 1926, seit 1945 vermißt. Pastiura, Viktor, geb. 1912, seit 1945 bei Metz/Lohtringen vermißt. Paul, Philipp, geb. 29. 3. 1909, am 7. 3. 1945 in Jugoslawien gefallen. Pech, Helene, Jakob, Michael, Therese, Valerie — seit 1945 vermißt. Poll, Andreas, seit 1945 vermißt. Poll, Konrad, geb. 1930, seit 1945 vermißt. Reissner, Gerda, geb. 26. 8. 1906 in Wien, seit 1945 vermißt. Roth, Hermine, geb. 3. 5. 1893 in Mühlbach, seit 1945 vermißt. Roth, Karl, seit 1945 vermißt. Ruppenthal, Albertine, geb. Balthes, geb. 14. 8. 1906, am 26. 1. 1945 in Hohensalza durch Fiiegerbomben getötet. Ruppenthal, Karl-Ernst, geb. 11. 6. 1944 in Litzmannstadt, bei Warschau verschollen. Rust, Michael, geb. 12. 12. 1898 in Karamurat seit 1945 vermißt. Rust, Stana, geb. Jakob, seit 1945 vermißt. Ryczkowski, Emil, geb. 20. 2. 1902 in Tschernowitz, seit 1945 vermißt. Ryczkowski, Marie, geb. Kador, seit 1945 vermißt. Sandau, Robert, geb. 15. 8. 1918 in Kodschalak, am 9. 1. 1945 in Italien gefallen. Schielke, Karoline, geb. 1921, seit 1945 vermißt. 27 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 028 ============================================================================ Schiff, Herbert, geb. 13. 8. 1929, seit 1945 vermißt. Schmidt, Karl, geb. 1913 in Kodschalie, am 5. 1. 1945 gefallen. Schnell, Josef, geb. 29. 8. 1911 in Karamurat, seit 1945 vermißt. Schnell, Rada, geb. Balan, seit 1945 vermißt. Smolarek, August, geb. 12. 6. 1906 in Radautz, seit 1945 bei Stettin vermißt. Sommerfeld, Marianne, geb. Braun, geb. 1886, seit 1945 vermißt. Sommerfeld, Minna, geb. 15. 5. 1899 in Kodschalak, seit 1945 vermißt. Sommerfeld, Olga, geb. 1924, seit 1945 vermißt. Stahler, Franz, seit 1945 vermißt. Stehr, Friedrich, geb. 9. 3. 1885 in Beresina, seit 1945 vermißt. Stehr, Helene, geb. 14. 5. 1937, seit 1945 vermißt. Stehr, Katharina, geb. Göhring, seit 1945 vermißt. Streit, Frieda, geb. Hausmann, geb. 1898, seit 1945 vermißt. Streit, Heinrich, geb. 1888, seit 1945 vermißt. Strohmaier, Friedrich, geb. 20. 6. 1897 in Schabo, seit Mai 1945 bei Glatz vermißt. Sutschu (Suciu), Karl, geb. 18. 11. 1924 in Konstanza, seit Juli 1944 in Finnland vermißt. Tiede, Adolf, geb. 1904 in Tariverde, seit 1945 vermißt. Tiede, loana, geb. Cojocaru, geb. 1906 in Braila, seit 1945 vermißt. Tutunaru, Maria, geb. Fritz, geb. 1907, seit 1945 vermißt. Ulrich, Eva, Gustav, Martin, Reinhold, seit 1945 vermißt. Vanselow, Bruno-Walter, geb. 22. 8. 1888 in Schocken, seit 1945 vermißt. Vanselow, Martin, geb. 14. 1. 1924, seit 1945 vermißt. Vanselow, Rada, geb. 15. 2. 1891, seit 1945 vermißt. Voger, Rudolf, geb. 1880 in Petrila, seit 1945 vermißt. Voger, Sophie, geb. Nikolau, geb. 1890, seit 1945 vermißt. Voigt, Waldemar, geb. 22. 6. 1925 in Odessa, seit 1945 vermißt. Wegh, Alexander, geb. 20. 7. 1913 in Lechnitz, seit 1945 vermißt. Wegh, Dorothea, geb. Götz, geb. 6. 3. 1920, seit 1945 vermißt. Wegh, Michael, seit 1941 vermißt. Weidinger, Emilie, Georg, Ludwig (alt), Ludwig (jung), Olga, seit 1945 vermißt. Weininger, Wolfgang, geb. 27. 4. 1909, seit Januar 1945 vermißt. Weiß, Alfred, geb. 28. 8. 1909 in Tarutino, seit 1944 vermißt. Wenzel, Otto Helmut, geb. 12. 12. 1921 in Wien, am 9. 2. 1943 in Charkow gefallen. Zigella, Anna, geb. Purice, geb. 7. 12. 1914 in Kalarasch, seit 1944 vermißt. Kulelie (Colelia) Aspeleiter, Anton, 1 Jahr alt, 1945 in Weißrußland verhungert. Aspeleiter, Berta, 3 Jahre alt, 1945 in Weißrußland verhungert. Aspeleiter, Sebastian, geb. 19. 9. 1907 in Kulelie, am 1. 6. 1944 bei Bordeaux gef. Friedrich, Matthias, geb. 30. 5. 1906 in Kulelie, seit März 1945 in Böhmen vermißt. Friedrich, Matthias, geb. 4. 11. 1924 in Kulelie, seit Mai 1944 in Rußland vermißt. Heidrich, Emanuel, geb. 26. 7. 1913 in Kulelie, am 13. 8. 1944 bei Werro gefallen. Heidrich, Reinhold, geb. 22. 11. 1887 in Kulelie, 1945 in Polen ermordet. Janer, Benedikt, geb. 5. 4. 1914 in Kulelie, seit Oktober 1944 in Italien vermißt. Kosolowski, Elisabeth, geb. Gedak, geb. 14. 3. 1864 in Krasna, seit 1945 auf der Flucht vermißt. 28 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 029 ============================================================================ Kosolowski, Paul, geb. 13. 6. 1932 in Kulelie, seit 1945 auf der Flucht vermißt. Lauber, Anton, geb. 23. 10. 1887 in Kulelie, seit 1945 vermißt. Lauber, Johannes, geb. 27. 11. 1920, am 14. 1. 1945 bei Gledowo gefallen. Stark, Jakob, geb. 26. 6. 1923 in Kulelie, am 20. 9. 1942 in Rußland gefallen. Ternes, Felix, geb. 8. 3. 1895 in Kulelie, am 27. 12. 1943 bei Leslau/Polen ermordet. Ternes, Josef, geb. 16. 12. 1894 in Kulelie, seit 1945 im Wartheland vermißt. Ternes, Raimund, am 12. 2. 1943 in Rußland gefallen. Theis, Johannes, geb. 2. 2. 1916, gefallen. Tuchscherer, Anna, geb. Schnitzler, geb. 18. 8. 1882, seit Januar 1945 im Wartheland vermißt. Tuchscherer, Ignatz, geb. 4. 9. 1877, seit Januar 1945 im Wartheland vermißt. Winter, Anton, geb. 4. 8. 1899, seit November 1944 vermißt. Malkotsch (Malcoci) Ankert, Anton, geb. 2. 5. 1904, seit dem 17. 1. 1945 vermißt. Ankert, Jakob, geb. 29. 4. 1918 in Mal- kotsch, gefallen. Ankert, Ignatz, geb. 20. 3. 1921 in Mal- kotsch, am 21. 4. 1945 bei Kadow/Lucken- walde gefallen. Ankert, Michael, geb. 3. 12. 1908 in Mal- kotsch, in Rußland vermißt. Baumstark, Franz, geb. 29. 8. 1912 in Mal- kotsch, in Rußland gefallen. Baumstark, Johannes, geb 3. 12. 1910 in Malkotsch, gefallen. Baumstark, Simon, 1945 auf der Flucht verstorben. Brand, Emanuel, geb. 26. 5. 1927 in Malkotsch, im April 1945 in Westfalen gefallen. Brand, Jakob, geb. 14. 5. 1925 in Malkotsch, im Juni 1944 in Frankreich gefallen. Brand, Josef, geb. 26. 11.1923 in Malkotsch, im April 1944 im Osten gefallen. Brand, Matthias, geb. 24. 3. 1919 in Malkotsch, seit dem 15. 4. 1945 vermißt. Brandt, Johann, geb. 16. 10. 1923 in Malkotsch, seit dem 4. 3. 1944 bei Belogorodka vermißt. Brendel, Alexander, geb. 14. 6. 1913 in Malkotsch, seit dem 13. 1. 1945 in Ostpreußen vermißt. Brendel, Franz, geb. 29. 8. 1912 in Malkotsch, gefallen. Brendel, Franz, geb. 24. 9. 1918 in Malkotsch, gefallen. Brendel, Hieronymus, im Juli 1944 bei Lublin ermordet. Brendel, Ignatz, geb. 1. 2. 1925, am 20. 3. 1944 in Rußland gefallen. Brendel, Martin, geb. 19. 3. 1919, gefallen. Cisik, Alexander, geb. 2. 11. 1927 in Malkotsch, seit 1945 vermißt. Ciuches, Anton, geb. 5. 6. 1915 in Malkotsch, seit dem 18. 2. 1945 bei Stettin vermißt. Ciuches, Ulrich, geb. 29. 6. 1921 in Malkotsch, seit dem 31. 8. 1943 in Rußland vermißt. Drescher, Jakob, geb. 19. 1. 1915 in Malkotsch, gefallen. Drescher, Karl, geb. 29. 6. 1908 in Malkotsch, seit Januar 1945 in Westpreußen vermißt. Drescher, Michael, geb. 15. 10. 1925, seit Januar 1945 vermißt. Ehret, Anton, geb. 2. 12. 1934 in Malkotsch, seit 1945 vermißt Ehret, Hilarius, gefallen. Ehret, Ignatz, geb. 15. 2. 1902 in Malkotsch, 1945 in Baden gefallen. Ehret, Johannes, geb. 10. 1. 1927 in Malkotsch, seit dem 22. 7. 1944 in Weißrußland vermißt. Ehret, Josef, geb. 10. 12. 1927 in Malkotsch, 1944 in Polen ermordet. 29 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 030 ============================================================================ Ehret, Klara, 1945 auf der Flucht umge- kommen. Ehret, Marianne, 1945 umgekommen. Ehret, Paul, geb. 14. 5. 1906 in Malkotsch, seit August 1945 bei Lemberg vermißt. Ehret, Philipp, 1945 auf der Flucht umge- kommen. Ehret, Rochus, geb. 15. 8. 1921 in Malkotsch, am 27. 3. 1944 an d. Narwa gef. Ehret, Zachäus, gefallen. Frank, Anton, geb. 5. 9. 1873 in Malkotsch, am 19. 1. 1945 in Polen ermordet. Frank, Ignatz, 1945 in Ostpreußen gefallen. Frank, Katharina, geb. Melle, geb. 13. 3. 1878, am 19. 1. 1945 in Polen ermordet. Frank, Konstantin, geb. 21. 9. 1910 in Malkotsch, seit 1945 vermißt. Frank, Matthias, geb. 20. 10. 1911 in Malkotsch, seit 1944 in Ungarn vermißt. Frank, Rochus, gefallen. Gabrowitsch, Jakob, geb. 28. 5. 1925 in Malkotsch, 1944 in Rußland gefallen. Hoffarth, Andreas, geb. 12. 3. 1922 in Sulina, am 17. 6. 1944 bei Cherbourg/Frankreich gefallen. Kiefer, Matthias, geb. 25. 10. 1912 in Malkotsch, seit Januar 1945 vermißt. Klein, Alois, geb. 25. 3. 1924, 1943 in Rußland gefallen. Klein, Andreas, geb. 29. 7. 1915 in Malkotsch, gefallen. Klein, Anton, geb. 17. 4. 1916 in Malkotsch, im Wartheland gefallen. Klein, Anton, geb. 15. 11. 1920 in Malkotsch, am 4. 8. 1944 in Rußland gefallen. Klein, Domenik, geb. 1908, gefallen. Klein, Jakob, geb. 10. 5. 1923 in Malkotsch, gefallen. Klein, Johannes, geb. 15. 2. 1915 in Malkotsch, gefallen. Klein, Josef, geb. 2. 6. 1919 in Malkotsch, gefallen. Klein, Martin, gefallen. Klein, Michael, geb. 26. 1. 1901 in Malkotsch, seit März 1945 vermißt. Klein, Michael, geb. 2. 4. 1922 in Malkotsch seit April 1945 bei Ellwangen vermißt. Klein, Wilhelm, geb. 1924 in Malkotsch, 1944 an der Narwa gefallen. Kost, Jordan, geb. 1. 8. 1915 in Malkotsch, seit Juli 1944 bei Olita vermißt. Kost, Rochus, geb. 16. 11. 1903 in Malkotsch, seit April 1945 auf Brioni vermißt. Kuckert, Anton, geb. 16. 3. 1917 in Malkotsch, seit März 1945 bei Berlin vermißt. Mack, Jakob, geb. 3. 12. 1908 in Malkotsch, am 1. 11. 1944 in Lettland gefallen. Mack, Johann, gefallen. Mack, Jordan, geb. 24. 6. 1904 in Malkotsch, 1944 bei Sawati, Bezirk Lublin, gefallen. Mack, Josef, geb. 21. 8. 1926 in Malkotsch, am 18. 9. 1944 bei Maison/Frankreich gefallen. Mack, Michael, am 11. 9. 1944 bei Seravezza gefallen. Melle, Anton, geb. 4. 12. 1912 in Malkotsch, am 29. 8. 1944 in Rumänien gefallen. Melle, Johannes, geb. 29. 1. 1911, am 25. 10. 1943 in Rußland gefallen. Schißler, Martin, geb. 8. 7. 1906 in Malkotsch, 1945 bei Frankfurt/Oder vermißt. Schißler, Matthias, geb. 20. 2. 1911 in Malkotsch, seit 1945 im Osten vermißt. Schüßler, Johann, gefallen. Schmidt, Donatus, gefallen. Schmidt, Emanuel, geb. 14. 10. 1925 in Malkotsch, seit 1945 im Osten vermißt. Schmidt, Franz, geb. 1. 4. 1895 in Malkotsch, seit 1945 bei Ostrow vermißt. Schmidt, Heinrich, geb. 8. 9. 1928 seit dem 10. 3. 1945 bei Naumburg vermißt. Schmidt, Hieronymus, geb. 24. 3. 1914, seit Ende 1944 in Ungarn vermißt. Schmidt, Karl, geb. 9. 5. 1913 in Malkotsch, im Januar 1942 in Rußland gefallen. Schmidt, Stefan, geb. 3. 4. 1920 in Malkotsch, im Dez. 1945 in Rußland gefallen. Schwarz, Josef, geb. 11. 9. 1910, seit Oktober 1944 in Lettland vermißt. Tuchscherer, Anton, geb. 24. 8. 1908 in Malkotsch, am 6. 4. 1945 auf der Insel Texel gefallen. Tuchscherer, August, geb. 31. 12. 1914 in Malkotsch, seit September 1943 am Dnjepr vermißt. 30 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 031 ============================================================================ Tuchscherer, Jordan, geb. 30. 1. 1909 in Malkotsch, seit November 1944 in Ungarn vermißt. Tuchscherer, Karl, geb. 4. 11. 1905 in Malkotsch, seit Januar 1945 bei Litzmannstadt vermißt. Tuchscherer, Matthias, geb. 17. 7. 1915 in Malkotsch, am 11. 12. 1944 bei Jülich gefallen. Tuchscherer, Michael, gefallen. Türk, Hieronymus, geb. 9. 5. 1907 in Malkotsch, am 24. 7. 1944 bei Lublin von Rotarmisten ermordet. Türk, Johannes, geb. 14. 5. 1884 in Malkotsch, 1945 in Polen ermordet. Türk, Markus, geb. 24. 4. 1917 in Malkotsch, am 24. 7. 1944 bei Lublin ermordet. Mamuslie (Cascioarele) Adam, Christian, geb. 14. 9. 1917 in Mamuslie, seit dem 5. 2. 1945 bei Zittau/Sachsen vermißt. Adam, Gustav, geb. 12. 7. 1924 in Mamuslie, seit dem 23. 7. 1944 in Frankreich vermißt. Baier, Christian, geb. 8. 7. 1906 in Mamuslie, seit 1945 in Ostpreußen vermißt. Frank, Ferdinand, geb. 2. 9. 1898 in Tschukurow, 1945 bei Welun/Wartheland verm. Frank, Franz, geb. 11. 3. 1864 in Brienne, seit 1945 vermißt. Freiberger, Heinrich, geb. 29. 3. 1917 in Hassarlik, 1945 bei Glogau gefallen. Göhnert, Artur, geb. 22. 6. 1914 in Sangerowka, seit August 1944 in Rußland vermißt. Grün, Albert, geb. 16. 2. 1926 in Mamuslie, 1944 in Frankreich gefallen. Grün, Sophie, geb. Frank, geb. 11. 8. 1892 in Tschukurow, 1945 auf der Flucht verstorben. Heidinger, Johann, geb. 21. 12. 1915 in Mamuslie, seit dem 21. 1. 1944 in der Ukraine vermißt. Hintz, Karl, am 14. 4. 1945 bei Murrhardt gefallen. Hintz, Oswald, geb. 28. 5. 1927 in Mamuslie, seit April 1945 vermißt. Hildenbrandt, Johann, geb. 1922, in Polen gefallen. Kraus, Julia, geb. Berg, geb. 24. 6. 1880 in Tariverde, am 10. 5. 1945 auf der Flucht verstorben. Kraus, Theodor, geb. 15. 7. 1926 in Mamuslie, seit Januar 1945 bei Elbing/Ostpreußen vermißt. Kühn, Gustav, geb. 1. 5. 1918 in Mamuslie, gefallen. Kühn, Hildegart, auf der Flucht verstorben. Kühn, Jakob, geb. 7. 1. 1914 in Mamuslie, am 24. 4. 1945 in Italien gefallen. Leimert, Sophie, geb. Kraus, geb. 21. 2. 1902 in. Mamuslie, am 29. 4. 1945 durch Fliegerbomben getötet. Ponto, Karl, geb. 21. 5. 1904 in Mamuslie, 1945 im tschechischen Internierungslager verstorben. Pullmann, Ernst, geb. 1. 4. 1911, am 5. 3. 1945 bei Königsberg gefallen. Rust, Christian, geb. 10. 4. 1904 in Mamuslie, seit 1945 bei Olmütz vermißt. Rust, Christian, geb. 19. 3. 1919 in Mamuslie, am 8. 6. 1943 in Rußland gefallen. Rust, Marie, geb. 23. 11. 1930 in Mamuslie, 1945 auf der Flucht verstorben. Schilling, Johann, geb. 29. 4. 1906 in Bessarabien, seit August 1944 an der Narwa vermißt. Turian, Friedhold, geb. 1. 2. 1927 in Mamuslie, am 3. 3. 1945 gefallen. 31 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 032 ============================================================================ Mandschapunar (Groß- und Klein-Mandschapunar, Costinesti und Schitu) Baumstark, Peter, geb. 2. 2. 1927 in Mandschapunar, seit Januar 1945 bei Unna/Westfalen vermißt. Brandt, Immanuel, gefallen. Brandt, Josef, geb. 30. 8. 1920 in Mandschapunar, seit 1945 vermißt. Braun, Josef, gefallen. Cismak, Johannes, geb. 16. 11. 1912 in Karamurat, seit 1945 vermißt. Damm, Anton, geb. 6. 11. 1912 in Mandschapunar, seit Dezember 1944 in Ungarn vermißt. Damm, Emanuel, im März 1944 in Rußland gefallen. Damm, Johannes, geb. 5. 9. 1909 in Mandschapunar, seit Februar 1945 bei Berlin vermißt. Damm, Viktor, geb. 27. 3. 1925 in Mandschapunar, seit dem 24. 12. 1944 vermißt. Ehret, David, geb. 13. 3. 1937 in Mandschapunar, 1945 auf der Flucht durch Fliegerbeschuß getötet. Ehret, Ignatz, geb. 18. 12. 1898 in Malkotsch, 1945 auf der Flucht verstorben. Eichele, Arnold, geb. 1. 9. 1916, seit Januar 1945 vermißt. Friedrich, Bernhard, geb. 6. 9. 1923, im Dezember 1944 in Kurland vermißt. Götz, Adam, geb. 3. 3. 1928 in Mandschapunar, seit Februar 1945 bei Litzmannstadt vermißt. Götz, Anton, gefallen. Götz, Michael, geb. 30. 10. 1911 in Endsche/Bulgarien, seit dem 13. 7. 1943 bei Orel/Rußland vermißt. Haag, August, geb. 18. 4. 1900, seit April 1945 in Frankreich vermißt. Hammel, Adam, 1945 auf der Flucht umgekommen. Hatzenbiller, Matthias, geb. 10. 7. 1921 in Mandschapunar, seit März 1945 vermißt. Hatzenbiller, Valentin, geb. 21. 1. 1916 in Mandschapunar, seit Januar 1945 in Ostpreußen vermißt. Heidrich, Maria, 1945 auf der Flucht umgekommen. Hinz, Max, 1945 in Polen gehängt. Hinz, Salomon, 1945 auf der Flucht umgekommen. Hirsch, Alois, geb. 8. 2. 1922 in Mandschapunar, im Juni 1942 in Rußland gefallen. Hörner, Anton, geb. 10. 5. 1921 in Mandschapunar, am 4. 10. 1944 in Frankreich gefallen. Hörner, Klara, 1945 auf der Flucht umgekommen. Jaßmann, Johann, geb. 7. 5. 1909 in Hanowka, seit Juni 1944 bei Lublin vermißt. Kahl, Thimoteus, geb. 13. 8. 1923 in Krasna, am 6. 6. 1944 in Italien gefallen. Kalmbach, Alida, geb. Kolbeck, geb. 6. 2. 1898, 1945 in Polen gehängt. Kalmbach, Jakob, geb. 20. 3. 1885 in Hoffnungstal, 1945 in Polen gehängt. Keller, Anton, geb. 19. 8. 1922, seit 1945 vermißt. Keller, Erna, seit 1945 vermißt. Keller, Georg, gefallen. Keller, Johann, geboren in Bessarabien, 1945 von den Russen erschossen. Keller, Justine, geb. Göhner, geb. 1889, seit 1945 vermißt. Keller, Kaspar, seit 1945 vermißt. Kiefel, Jakob, 1941 in Rußland gefallen. Lauber, Andreas, geb. 2. 3. 1886 in Topraisar, im März 1945 in Polen erschossen. Mack, Gregor, gefallen. Martin, Johannes, geb. 1905, am 4. 4. 1948 in russischer Gefangenschaft verstorben. Murmur, Gregor, geb. 15. 1. 1878 in Kristowka, 1945 in Polen erschossen. Murmur, Peter, geb. 29. 6. 1909, am 22. 4. 1945 bei Neu-Petersheim gefallen. Paul, Johannes, gefallen. Paul, Otto, geb. 25. 10. 1916, 1944 im Baltikum gefallen. Pechel, Anton, geb. 11. 5. 1913 in Mandschapunar, seit Januar 1945 bei Berlin vermißt. Redinger, Johannes, geb. 24. 9. 1910 in Mandschapunar, seit 1945 in Polen vermißt. 32 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 033 ============================================================================ Ruscheinski, Anton, 1945 in Polen erschossen. Schmidt, Gregor, geb. 16. 2. 1925 in Mandschapunar, am 9. 2. 1945 in Ungarn gefallen. Schmidt, Peter, geb. 12. 10. 1923 in Mandschapunar, am 3. 9. 1943 in Rußland gef. Schmierer, Jakob, gefallen. Schreiber, Rudolf, geb. 15. 3. 1901 in Mandschapunar, seit dem 17. 1. 1945 bei Andreaspol vermißt. Schreiber, Theobald, geb. 7. 9. 1932 in Mandschapunar, im Februar 1945 auf der Flucht verstorben. Serr, Eduard, geb. 10. 10. 1908 in Mandschapunar, seit Februar 1945 bei Berlin vermißt. Serr, Friedrich, geb. 20. 11. 1919 in Osmafak, im Herbst 1942 in Rußland gefallen. Serr, Fritz, geb. 2. 12. 1921 in Ebechioi, am 24. 2. 1943 gefallen. Serr, Gustav, geb. 20. 5. 1928, seit 1945 vermißt. Serr, Nikolaus, geb. 24. 5. 1883, im Januar 1945 in Polen erschossen. Serr, Paul, geb. 9. 3. 1909 in Mandschapunar, seit 1945 vermißt. Serr, Peter, geb. November 1920 in Mandschapunar, am 20. 8. 1943 in Rußland gef. Tillmann, Anton, gefallen. Tillmann, Jakob, gefallen. Tillmann, Josef, gefallen. Tudor, Paul, gefallen. Weber, Katharina, 1945 auf der Flucht umgekommen. Weber, Martin, geb. 14. 10. 1928 in Mandschapunar, im April 1945 im Spreewald vermißt. Zottnick, Georg, geb. 25. 4. 1915 in Mandschapunar, seit Oktober 1945 bei Metz vermißt. Zottnick, Wilhelm, geb. 1911, am 21. 1. 1945 von Rotarmisten erschossen. Mangalia (Mangalia) Almert, Ferdinand, geb. 10. 5. 1899 in Katalui, 1945 auf der Flucht verstorben. Bader, Christian, in Litzmannstadt im polnischen Internierungslager verstorben. Bader, Magdalena, geb. Koch, geb. 1895, in Litzmannstadt im polnischen Internierungslager verstorben. Böttcher, Emma, geb. 14. 2. 1925, im polnischen Internierungslager verstorben. Böttcher, Johannes, geb. 9. 6. 1889 in Kodschalak, am 17. 12. 1945 in Piontek im polnischen Internierungslager verstorben. Briege, Alfred, geb. 27. 8. 1926 in Mangalia, am 28. 12. 1944 bei Tarnow gefallen. Dermann, Jakob, geb. 3. 9. 1891 in Atmadscha, 1946 im polnischen Internierungslager verstorben. Dermann, Lydia, geb. Lüttke, geb. 26. 9. 1899 in Tschukurow, am 6. 3. 1946 in Sibirien verstorben. Ehrmann, Gottlieb, geb. 26. 10. 1913 in Katalui, seit Januar 1945 vermißt. Göhnert, Klaudia, geb. Jaschusch, geb. 28. 12. 1912, seit 1945 vermißt. Guse, Helene, geb. Hust, geb. 8. 12. 1905 in Fachri, am 1. 1. 1946 in Krasnodemby im polnischen Internierungslager verstorben. Häusser, Friedrich, geb. 27. 4. 1877 in Gnadental, 26. 2. 1945 in Polen ermordet. Henke, Rosine, geb. 5. 4. 1926, 1945 vermißt. Hensel, Johann, geb. 23. 12. 1906 in Mangalia, im Januar 1944 gefallen. Koch, Alwine, geb. IBler, geb. 3. 8. 1920 in Katalui, seit Januar 1945 vermißt. Koch, Robert, geb. 23. 7. 1908 in Kodschalak, 27. 6. 1944 bei Saberje gefallen. Kühn, Gottlieb, geb. 23. 4. 1902 in Atmadscha, seit Januar 1945 vermißt. Lange, Johannes, geb. 12. 5. 1908 in Aiorman, 1945 in Ungarn gefallen. Littau, Johann, geb. 2. 2. 1913 in Baladscha, am 8. 5. 1944 in Rußland gefallen. Look, Jakob, geb. 6. 12. 1901 in Atmadscha, seit Januar 1945 in Ostpreußen vermißt. Lück, Albert, geb. 8. 5. 1896 in Mangalia, seit Januar 1945 in Ostpreußen vermißt. 33 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 034 ============================================================================ Ochsner, Marie, geb. Fritz, geb. 31. 8. 1878, am 30. 9. 1946 in Tejatsche/Polen im Internierungslager verstorben. Ochsner, Oskar, geb. 4. 1. 1902 in Mangalia, 1947 in russ. Gefangenschaft verst. Ochsner, Theodor, geb. 24. 11. 1907 in Sarighiol, am 25. 8. 1944 in Estland gef. Ochsner, Theophil, geb. 9. 1. 1899, im Herbst 1945 in Posen im polnischen Internierungslager verstorben. Quade, Christian, geb. 20. 5. 1894 in Osmancea, seit 1945 in Polen vermißt. Quade, Daniel, seit 1945 in Polen vermißt. Quade, Magdalena, geb. Neifert, seit 1945 in Polen vermißt. Rauser, Christian, geb. 18. 10. 1899 in Kodschalak, seit Januar 1945 im Wartheland vermißt. Schmidt, Karoline, geb. Schmidt, geb. 19. 3. 1894, seit 1945 vermißt. Stiege, Johanna, geb. Pudel, geb. 22. 9. 1866 in Königsberg, 1945 auf der Flucht verstorben. Stiller, Alfred, geb. 10.8.1924, 1944 verm. Stiller, Emilie, geb. Schmidt, geb. 26. 12. 1894, in russischer Internierung verstorben. Tillmann, Rosina, geb. 5. 4. 1926, 1945 verm. Wildermuth, Rudolf, geb. 27. 12. 1904 in Marijewka, im September 1947 in Minsk in Kriegsgefangenschaft verstorben. Ziemann, Christoph, geb. 14. 4. 1909, 1943 gefallen. Ziemann, Eva, geb. Radomski, geb. 8. 2. 1898, seit 1945 in Polen vermißt. Ziemann, Friedrich, geb. 10. 10. 1873 in Altelft, seit 1945 in Polen vermißt. Ziemann, Friedr., 9. 8. 08, am 4. 1. 45 gef. Murfatlar (Basarabi) Sutschin, Karl, geb. 18. 11. 1924, am 3. 7. 1944 bei Kandalakscha/Finnland gefallen. Nalbant, Kreis Tultscha Schauk, Theodor, geb. 6. 2. 1912 in Nasarcea, Kreis Konstanza, seit Februar 1945 in Kurland vermißt. Neue Weingärten (Viile Noi) Andronescu, Pauline, geb. Weimann, seit 1945 vermißt. Baier, Rudolf, geb. 16. 6. 1905 in Tariverde, seit dem 20. 7. 1944 bei Hyza vermißt. Bohn, Karl, geb. 5. 2. 1912 in Neue Weingärten, 1945 in Böhmen gefallen. Brodel, Christian, seit 1945 vermißt. Brodel, Fritz, seit 1945 vermißt. Buchfink, Adam, geb. 17. 9. 1883 in Teplitz, seit 1945 vermißt. Buchfink, Anna, geb. 9. 1. 1927, seit 1945 vermißt. Buchfink, Christine, geb. 8. 6. 1914, seit 1945 vermißt. Buchfink, Daniel, geb. 1913, seit 1945 vermißt. Buchfink, Else, geb. 17. 3. 1913, seit 1945 vermißt. Buchfink, Friederike, geb. Schneider, geb. 15. 7. 1884, seit 1945 vermißt. Buchfink, Luise, geb 7. 2. 1911, seit 1945 vermißt. Buchfink, Rudolf, geb. 15. 3. 1925 in Neufall, seit 1945 vermißt. Buchfink, Stefan, geb. 1879, seit 1945 vermißt. Deankov, Josefine, geb. Fix, geb. 4. 8. 1921, seit 1945 vermißt. Eberhardt, Josef, geb. 20.2.1911, seit September 1943 bei Jelna vermißt. Emmer, Karl, geb. 20. 7. 1918 in Karamurat, seit 1945 vermißt. Ernst, Alexander, geb. 2. 12. 1916 in Neue Weingärten, am 3. 12. 1944 bei Wiener Neustadt gefallen. Ernst, Jakob, geb. 10. 7. 1906, seit 1945 vermißt. 34 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 035 ============================================================================ Fink, Andreas, geb. 24. 1. 1924 in Neue Weingärten, seit August 1944 in Albanien vermißt. Fink, Arthur, geb. 2. 9. 1926 in Neue Weingärten, seit September 1944 bei Warschau vermißt. Haag, Erika, seit 1945 vermißt. Haag, Helene, geb. Ratai, seit 1945 vermißt. Haag, Johann, geb. 1919, seit 1945 vermißt. Henne, Matthias, geb. 24. 5. 1906 in Konstanza, seit 1945 vermißt. Henne, Ruth, geb. Schmidt, geb. 28.3. 1915, seit 1945 vermißt. Henne, Renate, geb. 15. 10. 1940, seit 1945 vermißt. Hintz, Ferdinand, geb. 26. 12. 1914, seit dem 2. 10. 1944 in Holland vermißt. Kauffmann, Stefan, seit 1945 vermißt. Lust, Emanuel, geb. 25. 5. 1911, seit Januar 1945 im Osten vermißt. Nikolai, Erich, seit 1945 bei Köslin vermißt. Nikolai, Marie, geb. Bohn, geb. 13. 12. 1913 in Neue Weingärten, seit 1945 bei Köslin vermißt. Ponto, Friedrich, geb. 6. 12. 1912 in Tschukurow, am 23. 2. 1945 in Neumarkt/Ostpreußen durch Fliegerbomben getötet. Rothländer, Günther, seit 1945 vermißt. Sawall, Emanuel, geb. 25. 5. 1920 in Sarighiol, am 17. 12. 1942 gefallen. Schäuffele, Benjamin, geb 11. 1. 1904 in Albota, seit 1945 vermißt. Schwandt, Alfred, geb. 27. 12. 1923, am 15. 4. 1943 in Rußland gefallen. Seefried, Arthur, geb. 27. 2. 1923, seit 1945 vermißt. Selenzki, Johann, geb. 7. 7. 1888 in Lemberg, seit 1945 vermißt. Selenzki, Maria, geb. 11. 5. 1933, seit 1945 vermißt. Selenzki, Michael, geb. 25. 12. 1929, seit 1945 vermißt. Selenzki, Rebeka, geb. Bohn, geb. 8. 7. 1894, 1945 auf der Flucht verstorben. Tiede, Christian, geb. 20. 8. 1898 in Kobadin, seit 1945 vermißt. Tiede, Helmut, geb. 24.8. 1932, 1945 vermißt. Tiede, Siegfried, geb. 25. 8. 1938, 1945 vermißt. Tiede, Theodor, geb. 6. 4. 1928, 1945 vermißt. Tiede, Wilhelmine, geb. Neubauer, geb. 13. 2. 1906, seit 1945 vermißt. Tonn, Friedrich, geb. 3. 11. 1919 in Anadolkioi, am 10. 5. 1945 bei Korbach gef. Tonn, Wilhelm, geb. 16. 6. 1923 in Alakap, am 1. 1. 1944 in Rußland gefallen. Weichsel, Eduard, geb. 10. 3. 1911 in Neue Weingärten, am 10. 9. 1947 in russischer Gefangenschaft verstorben. Weimann, Robert, geb. 16. 7. 1913 in Neue Weingärten, am 19. 9. 1944 in Rumänien gefallen. Weimann, Wilhelm, geb. 1. 10. 1923 in Neue Weingärten, seit dem 11. 8. 1944 in Frankreich vermißt. Werner, Theophil, seit 1945 vermißt. Würfel, Jakob, geb. 242. 1. 1921 in Sarighiol, seit 1945 vermißt. Zielinski, Michael, seit 1945 vermißt. Zielinski, Peter, seit 1945 vermißt. Omurtscha (Valea Seaca) Lang, Alexander, geb. 15. 10. 1900, seit Januar 1945 bei Berlin vermißt. Ortakioi (Regina Maria) Habelmann, Alexander, geb. 19. 12. 1912 in Altelft, seit 1944 vermißt. Habelmann, Ida, geb. Müller, seit 45 verm. Habelmann, Lydia, seit 1945 vermißt. Keim, Alfred, geb. 7. 9. 1925, 1945 bei Aachen gefallen. Rust, Emanuel, geb. 16. 2. 1923, seit März 1945 vermißt. 35 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 036 ============================================================================ Sarighiol (Albesti) Bast, Friedrich, geb. 6.5.1914, Januar 1943 im Osten gefallen. Dürr, Adele, geb. 27. 9. 1929 in Sarighiol, seit 1945 vermißt. Dürr, Adolf, geb. 24. 3. 1943 in Oberlangenau, seit 1945 vermißt. Dürr, Daniel, geb. 28. 8. 1901 in Sarighiol, seit 1945 vermißt. Dürr, Karl, geb. 16. 8. 1923 in Sarighiol, 1945 im Lazarett verstorben. Dürr, Lydia, geb. Stadel, geb. 12. 9. 1909 in Sarighiol, seit 1945 vermißt. Gebhard, Inge, geb. 18. 9. 1944 in Lentschütz, am 20. 1. 1945 auf der Flucht verstorben. Göhnert, Wilhelm, geb. 30. 3. 1919 in Sarighiol, seit dem 2. 5. 1944 bei Kertsch/Krim vermißt. Karl, Benjamin, geb. 17. 2. 1914, April 1944 auf der Krim bei Sewastopol gefallen. Karl, Wilhelm, geb. 6. 2. 1911 in Sarighiol, seit 1944 in Rumänien vermißt. Knodel, Daniel, geb. 8. 1. 1909, 1943 in Rußland gefallen. Knodel, Johann, geb. 13. 9. 1915, seit April 1945 bei Lüneburg vermißt. Knode!, Ottilie, geb. 9. 2. 1939 in Sarighiol, im Januar 1945 auf der Flucht verstorben. Liebelt, Jakob, geb. 3. 11.1919 in Sarighiol, seit Januar 1945 bei Aachen vermißt. Liebelt, Rudolf, geb. 1930 in Sarighiol, seit 1945 vermißt. Liebelt, Theodor, geb. 1911 in Sarighiol, Dezember 1944 in Polen gefallen. Neubauer, Gustav, geb. 3. 3. 1910 in Sarighiol, am 19. 9. 1944 in Italien gefallen. Neubauer, Reinhold, geb. 20. 7. 1913 in Sarighiol, am 28. 3. 1945 in Kopenhagen im Lazarett verstorben. Neubauer, Samuel, geb. 21. 1. 1902 in Sarighiol, April 1945 bei Thorn erschlagen. Quade, Frieda, geb. 18. 10. 1919 in Sarighiol, am 15. 2. 1945 in Schlesien gefallen. Quade, Karl, seit 1945 vermißt. Quade, Magdalena, geb. Liebelt, 1945 vermißt. Rauser, Heinrich, geb. 3. 8. 1919 in Sarighiol, 1943 in Rußland gefallen. Seidler, Michael, geb. 5. 5. 1881 in Braila, 1945 auf der Flucht verstorben. Seidler, Michael, geb. 15. 5. 1888 in Braila, 1945 auf der Flucht verstorben. Stadel, Emanuel, geb. 2. 1. 1926 in Sarighol, am 15. 2. 1945 in Schlesien gefallen. Stadel, Gottlieb, geb. 4. 2. 1876 in Friedenstal, im Januar 1945 auf der Flucht verstorben. Strom, Emanuel, geb. 22. 5. 1901 in Sarighiol, seit Juli 1944 im Osten vermißt. Tabakaru, Josef, geb. 21. 5. 1925 in Sarighiol, 1944 gefallen. Würfel, Edmund, geb. 16. 7. 1928 in Sarighiol, seit Januar 1945 in Posen vermißt. Würfel, Emil, geb. 5. 7. 1926 in Sarighiol, seit Oktober 1944 in Frankreich vermißt. Sofular (Credinta) Ardeleanu, Helene, geb. 2. 1. 1938 in Sofular, in Polen verhungert. Fode, Gottfried, geb. 25. 6. 05, 1945 vermißt. Kling, Irma, geb. 11. 1. 1932 in Sofular, seit 1945 vermißt. Leyer, Emanuel, geb. 14. 6. 1892 in Kobadin, 18. 2. 45 auf der Flucht umgekommen. Leyer, Paul-Dieter, geb. 18. 5. 1923 in Sofular, seit Februar 1945 bei Danzig vermißt. Prisaka, Karl, geboren in Bessarabien, am 15. 12. 1944 in Ungarn gefallen. Radomski, Adolf, geb. 4. 3. 1943 in Glukow/Kreis Turek, am 13. 1. 1945 auf der Flucht verstorben. Radomski, Gottfried, geb. 16. 3. 1901 in Sofular, am 4. 2. 1945 in Polen erschlagen. Radomski, Johannes, geb. 15. 8. 1928 in Sofular, 1945 auf der Flucht vermißt. Schon, Arthur, geb. 25. 10. 1925 in Sofular, seit 1945 bei Stettin vermißt. Steinke, Fritz, geb. 19. 9. 1925 in Sofular, am 21. 3. 1944 im Osten gefallen. 36 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 037 ============================================================================ Tariverde (Dorotea) Albrecht, Berthold, geb. 20. 9. 1928 in Tariverde, seit April 1945 in Böhmen vermißt. Albrecht, Christian, geb. 19. 2. 1920 in Tariverde, am 30. 6. 1944 bei Pogoot/Rheinland gefallen. Albrecht, Pauline, geb. Müller, geb. 25. 10. 1891 in Kodschalak, am 9. 5. 1945 auf der Flucht von Fliegern getötet. Ambrosimoff, Christian, geb. 27. 9. 1913 in Kodschalie, seit 1945 vermißt. Anhorn, Siegfried J., gefallen. Arndt, Matthias, geb. 4. 5. 1921 in Tariverde, seit dem 25. 1. 1944 am llmensee vermißt. Baumstark, Jordan, geb. 15. 11. 1905 in Malkotsch, am 23. 2. 1945 in Treuchtlingen von Fliegern getötet. Borth, Berthold, geb. 11. 3. 1926, seit Januar 1945 vermißt. Böttcher, Katharina, geb. 1920, seit 1945 in Prag vermißt. Büch, Reinhold, geb. 30. 6. 1923 in Tariverde, 1943 bei Leningrad gefallen. Buttau, Gottfried, geb. 22. 11. 1911 in Tariverde, seit dem 7. 1. 1945 in Schlesien vermißt. Buttau, Johann, geb. 10. 1. 1921 in Tariverde, August 1942 in Rußland gefallen. Coreisa, Afanase, geb. 13. 1. 1909, seit April 1943 vermißt. Coreisa, Mathilde, geb. 24. 12. 1941, 1945 auf der Flucht verstorben. Coreisa, Valentine, geb. 1939 in Tariverde, 1945 auf der Flucht verstorben. Coreisa, Waldemar, geb. 1939 in Tariverde, 1945 auf der Flucht verstorben. Fechner, Michael und Frau, 1945/46 in Babadag verhungert. Freimuth, Gottfried, geb. 10. 5. 1926 in Tariverde, am 17. 2. 1945 gefallen. Freimuih, Johannes, geb. 7. 11. 1924 in Tariverde, am 24. 8. 1944 an der Rhone gefallen. Gantscharenko, Berta, geb. Stehr, geb. 30. 3. 1913 in Tariverde, seit 1945 vermißt. Gantscharenko, Frieda, geb. 21. 9. 1941, seit 1945 vermißt. Gantscharenko, Jakob, geb. 26. 9. 1939, seit 1945 vermißt. Gantscharenko, Maria, geb. 8. 11. 1936, seit 1945 vermißt. Gantscharenko, Michael, geb. 9. 11. 1906 in Schagan, seit 1945 vermißt. Gantscharenko, Paul, geb. 27. 11. 1934, seit 1945 vermißt. Gärtner, Arthur, geb. 20. 4. 1922 in Tariverde, am 31. 10. 1944 in Ungarn gefallen. Gärtner, Theodor, geb. 1. 2. 1926 in Tariverde, am 23.4.1945 bei Weißenbach/Oberösterreich gefallen. Gunsch, Arthur, geb. 24. 2. 1919 in Hanowka, seit Dezember 1942 vermißt. Haag, Josef, geb. 14. 2. 1924, seit April 1945 bei Zittau vermißt. Heim, Emil, geb. 13. 2. 1919, 3. 9. 1943 bei Weliki-Luki gefallen. Holzwarth, Alexander, geb. 23. 5. 1923 in Tariverde, am 3. 11. 1941 gefallen. Horning, Adam, geb. 18. 4. 1922 in Tariverde, seit Januar 1943 bei Stalingrad vermißt. Horning, Jakob, geb. 14. 1. 1927 in Tariverde, seit April 1945 bei Berlin vermißt . Klatt, Maria, 1945 auf der Flucht umgekommen. Klein, Maria, geb. Friedrich, geb. 2.6. 1892 in Tariverde, 1945 in Böhmen auf der Flucht verstorben. Knoll, Ferdinand, 1945 in Böhmen ermordet. Klusik, Emanuel, geb. 29. 4. 1919, 1944 in Rumänien vermißt. Klusik, Philipp, geb. 14. 2. 1912 in Tariverde, bei Stalingrad vermißt. Klusik, Valentine, geb. Lupon, geb. 24. 4. 1912 in Akkerman, seit 1945 vermißt. Kolschefski, Gottlieb, geb. 2. 12. 1900 in Atmadscha, seit August 1944 in Litauen vermißt. Kühn, Jakob, geb. 1. 2. 1921, seit Dezember 1942 bei Stalingrad vermißt. Lenz, Gottfried, geb. 12. 7. 1921 in Tariverde, seit Juni 1944 bei Witebsk vermißt. Littau, Berthold, geb. 23. 4. 1923, am 1.1. 1945 in Kurland vermißt. 37 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 038 ============================================================================ Martin, Alfred, geb. 22. 10. 1915,-seit 1945 vermißt. Martin, Anton, geb. 17. 8. 1901 in Horoslar, seit Februar 1945 vermißt. Martin, Emil, geb. 30. 8. 1919, seit 1945 vermißt. Martin, Paul, geb. 13. 8. 1922, seit 1945 vermißt. Martin, Valentin, geb. 7. 8. 1925, seit 1945 auf See vermißt. Martin, Wilhelm, geb. 3. 8. 1912 in Tariverde, 1945 auf der Flucht verstorben. Mayer, Viktor, geb. 28. 8. 1902 in Tariverde, 1945 in Prag erschossen. Mayer, Viktor, geb. 24. 6. 1921 in Tariverde, im Februar 1945 bei Budapest gef. Metz, Helmut, geb. 2. 1. 1923, seit Oktober 1943 in der Ukraine vermißt. Müller, Friedrich, geb. 1910 in Tariverde, seit 1945 vermißt. Nagel, Dankwart, geb. 29. 11. 1927 in Tariverde, seit 1945 bei Rann/Save vermißt. Neitz, Christian, geb. 15. 8. 1924 in Tschukurow, seit dem 28. 3. 1945 vermißt. Nurak, Friedrich, geb. 2. 2. 1915, seit 1945 vermißt. Nurak, Johann, geb. 11. 12. 1913, seit 1945 vermißt. Nurak, Robert, seit 1945 vermißt. Nurak, Sophie, geb. 17. 7. 1890, seit 1945 vermißt. Pfeifer, Christian, geb. 10. 10. 1894 in Tariverde, seit 1945 im Wartheland vermißt. Pfeifer, Emanuel K., gefallen. Pfeifer, Emil, geb. 24. 7. 1921 in Tariverde, am 7. 2. 1944 im Osten gefallen. Pfeifer, Valentin K., gefallen. Quast, Alfred, geb. 7. 7. 1924 in Tariverde, seit Januar 1945 bei Warschau vermißt. Quast, Berthold, geb. 17. 5. 1928 in Konstanza, seit Jan. 1945 bei Graudenz verm. Raugust, Reinhold, geb. 28. 1. 1925 in Tariverde, am 28. 2. 45 bei Pirmasens gef. Richter, Jakob, geb. 20. 5. 1920 in Tariverde, am 9. 10. 1944 gefallen. Ritter, Hermann K., gefallen. Richter, Jakob, geb. 19. 11. 1922 in Tariverde, am 31. 3. 1943 in Rußland gefallen. Ritter, Theodor E., gefallen. Rösler, Friedrich, geb. 14. 5. 1916 in Tariverde, Dezember 1944 Plattensee vermißt. Rösler, Ludwig F., gefallen. Schmidt, Wilhelm, geb. 22. 10. 1922 in Tarutino, im Osten gefallen. Schmidtke, Artur, geb. 2. 1. 1917 in Maraslienfeld, seit Januar 1945 vermißt. Schmidtke, Oskar, 2. 2. 1945 im Osten gefallen. Schmitt, Reinhold, gefallen. Sommerfeld, Christian, geb. 30. 1. 1913 in Katalui, 1944 im Osten gefallen. Sommerfeld, Samuel B., gefallen. Speitel, Philipp, geb. 3. 8. 1903, am 29. 1. 1945 auf der Flucht verstorben. Stuhlmüller, Albert, geb. 17. 10. 1899 in Sarata, am 18. 8. 1942 bei Leningrad gef. Unterschütz, Gustav, geb. 7. 2. 1921 in Tariverde, am 23. 2. 1943 bei Leningrad gef. Unterschütz, Paul, geb. 26. 8. 1912 in Tariverde, am 19. 4. 1943 bei Leningrad gef. Unterschütz, Richard, geb. 8. 6. 1923 in Tariverde, am 26. 6. 1944 auf Sizilien gef. Weintz, Friedrich J., gefallen. Wolf, Herbert D., 1943 im Osten gefallen. Wolf, Jakob J., 1943 im Osten gefallen. Tekirghiol (Techirghiol) Ehret, Alexander, geb. 19. 4. 1930, seit 1945 auf der Flucht vermißt. Ehret, Augustin, geb. 20. 11. 1907, seit Januar 1945 vermißt. Ehret, Gregor, geb. 16. 11. 1873, 1945 auf der Flucht verstorben. Ehret, Thor as, geb. 19. 4. 1908 in Mandschapunar, Januar 1945 b. Graudenz verm. Ehret, Zaciâus, geb. 13. 9. 1918, seit Oktober 1944 vermißt. Fix, Rudolf, geb. 6. 2. 1906, seit April 1945 in Schlesien vermißt. 38 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 039 ============================================================================ Hammel, Martin, 1945 auf der Flucht erfroren. Klein, Josef, geb. 10. 2. 1923 in Tekirghiol, seit 1945 vermißt. Klein, Barbara, geb. Klein, geb. 4. 12. 1879 in Malkotsch, seit Januar 1945 bei Freistadt/Sachsen vermißt. Mack, Franz, geb. 7. 4. 1906 in Tultscha, seit November 1944 bei Krakau vermißt. Neubauer, Gustav, geb. 10. 9. 1911 in Sarighiol, am 23. 1. 1944 auf der Krim gef. Prieß, Heinrich, geb. 2. 4. 1904 in Kulm, 6. 3. 1943 bei Smolensk gefallen. Schmidt, Karl, geb. 9. 5. 1913 in Malkotsch, am 20. 1. 1942 bei Ogenin gefallen. Serr, Friedrich, geb. 20. 12. 1920 in Tekirghiol, Januar 1943 b. Stalingrad verm. Serr, Theodor, geb. 1913, seit 1945 vermißt. Tschobankuius (Ciobancuius) Balko, Arthur, im Mai 1945 in Rumänien erschlagen. Balko, Gottlieb, geb. 14. 2. 1921, seit Dezember 1942 bei Stalingrad vermißt. Balko, Gustav, geb. 1903 in Kronau/Ukraine, im Mai 1945 in Rumänien erschlagen. Lehr, Karl, geb. 14. 5. 1913, seit Oktober 1943 in Rußland vermißt. Lehr, Philipp, geb. 30. 11. 1928, seit 1945 in Pommern vermißt. Minke, Martin, seit 1941 vermißt. Schmidt, Eduard, geb. 5. 5. 1925 in Tschobankuius, 7. 5. 1943 in Rußland gefallen. Tschukurow (Ciucurova) Adam, Alexander L., gefallen. Adam, Amalia, geb. Berndt, geb. 12. 10. 1871, seit 1945 (Flucht) vermißt. Adam, Johann L., gefallen. Adam, Ludwig, geb. 6. 11. 1865, seit 1945 (Flucht) vermißt. Blumhagen, Christian, 1945 in Polen ermordet. Blumhagen, Ferdinand, geb. 11. 11. 1892, 1945 in Polen erschlagen. Blumhagen, Ferdinand, geb. 15. 7. 1915, seit Januar 1945 bei Armenau/Wartheland vermißt. Blumhagen, Friedrich, 24. 5. 1906, am 14.2. 1944 bei Nikopol gefallen. Blumhagen, Friedrich, geb. 9. 10. 1923 in Tschukurow, gefallen. Blumhagen, Karl, geb. 28. 8. 1922 in Tschukurow, 1945 in Böhmen gefallen. Brandenburger, Friedrich, geb. 15. 3. 1904 in Tschukurow, 1945 in Polen erschlagen. Fandrich, Christoph, geb. 18. 1. 1919, seit 1945 vermißt. Fandrich, Karl, geb. 3. 4. 1910 in Tschukurow, 1944 in Bessarabien gefallen. ‚Fandrich, Wilhelm, geb. 10.5. 1915 in Tschukurow, bei Leningrad gefallen. Fode, David, geb. 14. 9. 1898, seit 1945 vermißt. Fode, Johann, geb. 26. 5. 1897, seit 1945 vermißt. Frank, Samuel, geb. 7 .7. 1901, in Ostpreußen vermißt. Gunsch, Johann, seit 1945 vermißt. Hammer, Christoph, geb. 19. 11. 1909 in Tschukurow, am 20. 5. 1945 im Lazarett an Verwundungen verstorben. Kolschefski, Anton, geb. 15. 3. 1924, seit August 1944 bei Vaslui/Rumänien vermißt. Lutz, Friedrich, geb. 29. 8. 1901, seit Januar 1945 in Thüringen vermißt. Lutz, Johannes, geb. 10. 7. 1915, seit Januar 1943 bei Stalingrad vermißt. Lutz, Magdalena, geb. Zimmer, geb. 15. 4. 1867, seit 1945 auf der Fiucht vermißt. Martin, Karl, geb. 19. 5. 1869, im Januar 1945 in Armenau/Wartheland erschlagen. 39 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 040 ============================================================================ Ponto, Adolf, geb. 31. 12. 1925 in Tschukurow, seit 1944 in Holland vermißt. Ponto, Ferdinand, geb. 14. 8. 1900, im Januar 1945 in Armenau/Wartheland erschlagen. Ponto, Ferdinand, geb. 3. 3. 1930 in Tschukurow, 1945 auf der Flucht verstorben. Ponto, Friedrich, geb. 19. 10. 1912 in Tschukurow, seit 1945 bei Warschau vermißt. Ponto, Gustav, geb. 12. 6. 1898 in Tschukurow, seit Januar 1945 bei Krakau vermißt. Ponto, Gustav, geb. 28. 2. 1910 in Tschukurow, seit 1944 in Polen vermißt. Ponto, Johann, geb. 27. 12. 1910 in Tschukurow, seit Jan. 1945 bei Budapest verm. Prieß, Gustav, geb. 5. 11. 1914 in Tschukurow, seit 1945 im Osten vermißt. Prieß, Johann, geb. 15. 5. 1924 in Tschukurow, im Osten gefallen. Ruff, Christoph, geb. 3. 6. 1929 in Tschukurow, 1945 auf der Flucht ermordet. Schollmeier, Karl, geb. 2. 5. 1920, seit 1942 vermißt. Schulz, Johann, geb. 28. 7. 1911 in Kodschalak, am 23. 9. 1944 in Italien gefallen. Timm, Samuel, geb. 20. 12. 1912 in Neu-Arzis, am 26. 9. 1944 im Osten gefallen. Ulbricht, Adolf, geb. 10. 9. 1895, am 12. 2. 1945 auf der Flucht verstorben. Ulbricht, Frieda, geb. 5. 5. 1942 in Münsterschwarzach, am 14. 4. 1945 auf der Flucht verstorben. Ulbricht, Gustav, geb. 7. 11. 1922 in Tschukurow, am 24. 3. 1943 in Tunis gefallen. Ulbricht, Jakob, geb. 17. 7. 1897 in Tschukurow, seit 1945 bei Jarotschin vermißt. Ulbricht, Lydia, geb. 18. 10. 1922 in Tschukurow, seit 1944 vermißt. Wirsch, Friedrich, geb. 25.2.1909 in Tschukurow, seit 1945 vermißt. Wirsch, Gustav, gefallen. Wirsch, Lydia, geb. Meyer, geb. 15. 9. 1903 in Mamuslie, seit 1945 vermißt. Wirsch, Martin, gefallen. Ziel, Christian, geb. 5. 7. 1898 in Tschukurow, seit Dezember 1944 vermißt. Tultscha (Tulcea) Braschoveanu, Maxim, seit 1944 im Osten vermißt. Dienst, Konstantin, geb. 15. 6. 1921 in Tultscha, vermißt. Fix, Eduard, geb. 2. 9. 1887 in Tultscha, seit 1945 vermißt. Fix, Rosalie, geb. Grünberg, geb. 4. 10. 1886, seit 1945 vermißt. Frank, Michael, gefallen. Ispas, Ilie, geb. 9. 10. 1913, seit 1944 vermißt. Ißler, Johann, geb. 17. 11. 1901 in Neu-Freudental/Ukraine, am 15. 1. 1945 in Norwegen gefallen. Joch, Vasile, geb. 10. 10. 1923, seit März 1945 bei Bad Liebwerda vermißt. Keim, Emil, vermißt. Keim, Heinrich I, vermißt. Keim, Heinrich II, vermißt. Keim, Jakob, vermißt. Keim, Josef, vermißt. Matzke, Arthur, geb. 10. 10. 1922 in Tultscha, vermißt. Matzke, Maria, vermißt. Matzke, Mathias, vermißt. Matzke, Robert, vermißt. Matzke, Rosalie, vermißt. Spieß, Andreas, geb. 17. 11. 1914 in Tultscha, im Januar 1945 bei Breslau gefallen. Spieß, Jakob, 144. 11. 1916 in Katalui, 1945 bei Breslau gefallen. Streile, Jakob, vermißt. Streile, Petronilla, geb. Giese, 1945 auf der Flucht verstorben. Stumpf, Franz, geb. 20. 2. 1891 in Friedental, seit Januar 1945 bei Welun/Wartheland vermißt. Stumpf, Gustav, 27. 12. 1904, 1945 vermiß. Stumpf, Heinrich, geb. 26. 2. 1923 in Tultscha, am 26. 2. 1944 in Rußland gefallen. Suckert, Georg, geb. 6. 6. 1927, seit März 1945 bei Swinemünde vermißt. 40 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 041 ============================================================================ Suckert, Johannes, geb. 3. 9. 1913 in Katalui, seit 1945 bei Welun/Wartheland vermißt. Suckert, Magdalena, seit Januar 1945 bei Glogau vermißt. Tietz, Friedrich, seit 1945 vermißt. Tietz, Marianne, geb. Schmidt, seit 1945 vermißt. Till, Rudolf, vermißt. Till, Stefan, vermißt. Bulgarien Bei den Gefallenen und Vermißten aus den deutschen Dörfern Bulgariens haben wir es fast ausschließlich mit „Volksdeutschen“, mit Umsiedlern, zu tun. In den Städten handelt es sich zum Teil um „Reichsdeutsche“ und um „Bulgariendeutsche“ (Deutsche mit bulgarischer Staatsbürgerschaft). Bardarski Geran Debre, Philipp, geb. 15. 4. 1899 in Bardarski Geran, vermißt. Herche, Martin, geb. 9. 9. 1881 in Modesch/Ungarn, am 1. 7. 45 in Goschitz ermordet. Jedig, Jak., 43 durch Fliegerbomben getötet. Kedak, Johann, geb. 1921, am 8. 12. 1944 in Jugoslawien gefallen. Knaus, Johannes, geb. 8. 2. 1926, am 13. 4. 1945 bei Iglau gefallen. Knaus, Sophie, geb. 25. 5. 1924, auf der Flucht verstorben. Krottentaler, Anton, geb. 7. 4. 1923 in Bardarski Geran, 1944 in Ungarn gefallen. Krottenta!er, Michael, am 28. 1. 1943 bei Charkow gefallen. Luttmann, Matthias, geb. 3. 3. 1925 in Bardarski Geran, gefallen. Schemer, Matthias, geb. 5. 9. 1906 in Bardarski Geran, seit dem 12. 1. 1945 in Ostpreußen vermißt. Steringer, Franz, geb. 10. 6. 1922, im September 1944 in Bulgarien gefallen. Stummer, Johann, geb. 13. 12. 1925, am 17. 5. 1944 gefallen. Wogh, Anton, geb. 13. 9. 1913 in Bardarski Geran, 1944 in Italien gefallen. Belenzi, Kreis Isperich Kleer, Johann, geb. 12. 1. 1923, seit März 1945 in der Slowakei vermißt. Burgas Butschakow, Christo, geb. 1905 in Neukirch, seit November 1944 in Bulgarien vermißt. Gehrke, Paul, geb. 18. 7. 1905 in Schneidemühl, seit Februar 1945 bei Thorn vermißt. Gabrowo Samsonow, Jury, geb. 20. 8. 1926 in Gabrowo, seit März 1944 vermißt. Samsonow, Wladimir, geb. 44. 6. 1925 in Gabrowo, seit 1945 vermißt. 41 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 042 ============================================================================ Gorna Mitropolia Deh, Johann, geb. 10. 4. 1908 in Gorna Mitropolia, 1952 in russischer Gefangenschaft verstorben. Gostylia Bohn, Adam, geb. 8. 3. 1912 in Gostylia, seit 16. 2. 1945 bei Fürstenwalde vermißt. Bohn, Anton, geb. 1921, in Jugoslawien gefallen. Bohn, Michael, geb. 1895, am 2. 4. 1944 in Rußland gefallen. Haskowo Schmelew, Alexander, geb. 2. 9. 1895, seit Dezember 1944 bei Prokopjewsk vermißt. Plewen Krosse, Alfred, geb. 10. 10. 1889 in Rustschuk, seit dem 30. 11. 1944 in Bulgarien vermißt. Ribaltschenko, Arseny, geb. 20. 4. 1897, seit Juni 1944 im Osten vermißt. Rustschuk (Russe) Jerabeck, Walter, geb. 28. 10. 1922, seit Dezember 1944 in Holland vermißt. Schnorr, Stojanka, geb. Tscholakowa, geb. 7. 1. 1887 in Rustschuk, im Herbst 1944 durch Fliegerbomben getötet. Schumen Dermann, Mathilde, geb. Freimuth, geb. 3. 5. 1903 in Kobadin, seit August 1944 in Polen vermißt. Kaiser, David, vermißt. Neufelder, Hans, vermißt. Singer, Rosa, geb. Freimuth, geb. 14. 5. 1922, vermißt. Selanowzi Mogrisch, Anton, geb. 22. 4. 1922, am 8. 4. 1944 gefallen. Sofia Anderson, Wilhelm, geb. 22. 12. 1913 in Petersburg, am 8. 5. 1943 in Tunesien gefallen. Bardarowa, Gertrud, geb. Mayr, geb. 17. 12. 1914 in Berlin, seit September 1944 in Bulgarien vermißt. 42 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 043 ============================================================================ Braun, Karl-Robert, geb. 6. 6. 1880, am 31. 8. 1944 in Nisch durch Fliegerbomben getötet. Christoph, Dr. Nikolaus, geb. 26. 12. 1890 in Sofia, seit September 1944 in Bulgarien vermißt. Danner, Erich, geb. 24. 4. 1910 in Sofia, seit Mai 1945 bei Agram vermißt. Daues, Walter, geb. 25. 7. 1908 in Seelze/Han., seit Oktober 1944 in Jugoslawien vermißt. Dörken, Otto, geb. 8. 5. 1891 in Sofia, seit September 1944 in Bulgarien vermißt. Flössel, Paul, geb. 5. 9. 1899 in Mannheim, 1946 im Gefängnis Torgau verstorben. Goffin, Norbert, geb. 7. 6. 1911, seit September 1944 bei Belgrad vermißt. Haffke, Fritz-Georg, geb. 10. 8. 1906 in Berlin, seit September 1944 in Bulgarien vermißt. Heil, Max, geb. 144. 3. 1887 in Wallowa/Serbien, seit September 1944 in Bulgarien vermißt. Hoffmann, Adolf, geb. 15. 7. 1904 in Mainz, seit September 1944 in Bulgarien vermißt. Iwanoff, Johann, geb. 4. 1. 1926 in Sofia, seit Januar 1945 in Ostpreußen vermißt. Kandler, Pena, geb. Stojanowa, geb. 7. 12. 1898 in Ugoroletz, seit September 1944 in Bulgarien vermißt. Kandler, Katharina, geb. 22. 9. 1934 in Sofia, seit Sept. 1944 in Bulgarien vermißt. Kopf-Heise, Grete, geb. 25. 9. 1913 in Berlin, seit Sept. 1944 in Bulgarien vermißt. Kreschemir, Paula, geb. 27. 5. 1925 in Sofia, seit Sept. 1944 in Bulgarien vermißt. Lachner, Anton, geb. 17. 2. 1926 in Sofia, seit März 1945 in Oberschlesien vermißt. Lane, Dr. Alexander, geb. 1900, seit September 1944 in Bulgarien vermißt. Lebküchner, Albert, geb. 7. 12. 1902 in Böckingen, seit dem 4. 8. 1944 bei Nisch vermißt. Luft, Max, geb. 1895, seit September 1944 in Bulgarien vermißt. Mädler, Wilhelm, geb. 12. 9. 1904, seit Dezember 1944 vermißt. Mahle, Otto, geb. 17. 9. 1917 in Dramburg, seit 1. 2. 1945 in Pommern vermißt. Menschik, Franz, geb. 2. 6. 1902 in Rustschuk, seit Sept. 1944 in Bulgarien vermißt. Mestischka, Hanni, geb. Hell, geb. 26. 3. 1907 in München, seit September 1944 in Bulgarien vermißt. Möder, Ernst-Gustav, geb. 30. 4. 1905 in Meersburg/Bo., seit September 1944 in Bulgarien vermißt. Müller-Neudorf, Alice, geb. Ray, geb. 23. 8. 1895 in Berlin, seit April 1945 in Salzburg vermißt. Müller-Neudorf, Anneliese, geb. 10. 5. 1921 in Sofia, seit April 1945 in Salzburg verm. Uhrlein, Hans, geb. 4. 7. 1906 in Hochberg, seit September 1944 in Bulgarien vermißt. Otto, Karl, geb. 30. 8. 1895 in Homburg/Saar, im September 1944 im bulgarischen Gefängnis Selbstmord begangen. Petkoff, Emma-Mina, geb. Schaiker, geb. 3. 3. 1893 in Berlin, am 30. 2. 1944 in Sofia durch Fliegerbomben getötet. Tabakoff, Konstantin, geb. 28. 1. 1898 in Samakow, seit September 1944 in Bulgarien vermißt. Tabakoff, Emmi, geb. Vorbeck, geb. 26. 9. 1900 in Grabow/Meckl., seit September 1944 in Bulgarien vermißt. Tabakoff, Lilian, geb. 20. 6. 1932 in Sofia, seit September 1944 in Bulgarien vermißt. Veit, Christoph, geb. 23. 12. 1928 in Sewliewo, seit April 1945 in Brandenburg vermißt. Zimmermann, Johann, geb. 8. 2. 1888 in Littau/Böhmen, im Sommer 1952 im Lager Potma (Rußland) verstorben. Zimmermann, Kurt, geb. 22. 6. 1905, seit August 1944 im Osten vermißt. Tscherwen Breg Schepski, Wassil, geb. 1924 in Tscherwen Breg, seit dem 23. 2. 1944 in Italien vermißt. 43 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 044 ============================================================================ Warna Krapp, Dr. Berthold, seit September 1944 in Bulgarien vermißt. Zarewbrod (Indschekioi) Denkoff, Dionysius, geb. 21. 4. 1921 in Zarewbrod, am 8. 7. 1945 in jugoslawischer Gefangenschaft verstorben. Duster, Peter, geb. 25. 4. 1925 in Zarewbrod, seit 1945 vermißt. Hoffart, Dionysius, geb. 25. 3. 1897 in Kulelie, am 27. 2. 1945 im Osten gefallen. Hummel, Anton, geb. 1919, 1942 gefallen. Hummel, Christian, 1943 gefallen. Hummel, Dionysius, 1945 in Ungarn gefallen. Hummel, Franz, geb. 1904, im April 1945 bei Berlin gefallen. Hummel, Jakob, im April 1945 bei Berlin gefallen. Hummel, Katharina, geb. 12. 5. 1924, durch Fliegerbomben getötet. Hummel, Wendelin, geb. 20. 10. 1921 in Zarewbrod, seit Januar 1943 an der Ostfront vermißt. Ihlly, Adam, geb. 26. 8. 1923 in Zarewbrod, seit Dezember 1942 bei Stalingrad vermißt. Ihily, Nikolaus, 1943 an der Ostfront gefallen. Schäfer, Franz, geb. 19. 11. 1922, seit 1945 vermißt. Schreiber, Anna, geb. Matthias, geb. 13. 9. 1905 in Zarewbrod, seit Dezember 1945 bei Litzmannstadt vermißt. Schreiber, Johannes, geb. 10. 12. 1898 in Mandschapunar, seit Dezember 1945 bei Litzmannstadt vermißt. Thomas, Johann, geb. 12. 2. 1903 in Bardarski Geran, seit Januar 1945 vermißt. Thomas, Michael, geb. 17. 4. 1923 in Zarewbrod, seit November 1944 im Osten vermißt. Thomas, Peter, geb. 3. 4. 1927 in Zarewbrod, seit April 1945 bei Berlin vermißt. Türk, Adam, geb. 1923, im Osten gefallen. Auf dem Soldatenfriedhof in Konstanza Von Rainer Lange Nur weil ich manchmal in Mamaia mit DDR-Bürgern an einem Tisch saß, erfuhr ich, daß es in Konstanza einen deutschen Soldatenfriedhof gibt: eine Journalistin aus Leipzig hatte dort vor zwei Jahren das Grab ihres Vaters entdeckt. Nun war sie wieder in die Ovid-Stadt am Schwarzmeerstrand gekommen, um einen mitgebrachten Rosenstock auf den kleinen Grabhügel zu pflanzen. Wenige Tage später trieb mich die Neugierde zum Städtischen Friedhof, auf dem angeblich 1000 deutsche Landser ihre letzte Ruhestätte gefunden haben sollen. 44 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 045 ============================================================================ Ein Friedhofswärter bekam spitze Ohren, als ich ihm meinen Presseausweis zeigte. Er begleitete mich etwas verlegen über den Kiesweg, auf dem man — quer durch den zivilen Teil — das „Heldenviertel“ erreicht, wie der Mann sich ausdrückte. Verlegen klangen auch seine Vorbemerkungen über den Zustand des Deutschen Soldatenfriedhofs: „Man muß auch uns verstehen, es geht um die Zuständigkeit — keiner packt das Problem so recht an — bitte, hier liegen die Deutschen begraben . . .“ Vor uns eine ungemähte Wiese, aus deren zähem Steppengras etwa ein Dutzend verwitterter Holzkreuze aufragen. Viele Grabmale liegen seit Monaten oder Jahren auf dem Boden — mit dem Gras eng verfilzt. Ich hebe eins auf und streife weiße Pilzkügelchen von der modrigen Unterseite weg. „Richard Gl. . .“ kann man von der Inschrift gerade noch entziffern. „Die Identifizierung wäre kein Problem“, versichert mir der Verwaltungsangestellte. „Wenn man nach der Liste geht, läßt sich genau feststellen, wer in welcher Reihe liegt.“ Tatsächlich erkennt man — aus einer ganz bestimmten Perspektive nur — die einst ordentlich aufgeschütteten Hügelreihen als kaum merkliche Bodenwellen. Die Gegenprobe stimmt: flache Erdwülste werden von der Symmetrie eines Gitterrostes zerschnitten und in kleine Parzellen aufgeteilt. Tausend Gräber sollen es sein — und nur noch ein Dutzend Grabmale erheben sich vereinzelt aus dem verdorrten Gras. „Man muß auch uns verstehen“, wiederholt der Mann neben mir, als lese er meine Gedanken. „Wir hatten einige kalte Winter... kalte Winter und Holzkreuze vertragen sich schlecht — zumal auf den meisten das Hakenkreuz. . .“ Ich mache Aufnahmen und frage: „Was für ein Friedhof liegt hinter jener Hecke?“ „Dort befindet sich das andere Heldenviertel: die (Bild) Deutscher Soldatenfriedhof in Konstanza 1972 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 046 ============================================================================ sowjetischen Kriegstoten.“ Zwei hufeisenförmige Betonbögen flankieren die breite Kieseinfahrt und lenken den Blick auf einen etwa 20 Meter hohen Obelisk mit Sowjetstern. Links und rechts davon liegen mustergültig angelegte Grabreihen. Rosen, Salvien und Malven blühen — von Gärtnerhand gepflegt — in üppiger Farbenpracht vor den Stein- und Betonmalen, auf deren Vorderseite Marmorplatten Auskunft geben über die Lebensdaten der Gefallenen: „Hauptmann Pankow Mihail Iwanowitsch starb am 12. August 1945 im Alter von 29 Jahren.“ Auch in diesem Teil wurden vielleicht tausend Landser begraben. Ihr Andenken muß sich Konstanza etwas kosten lassen. Jene anderen werden überhaupt nicht betreut. Der Kontrast muß jeden Besucher erschüttern und wirft die Frage auf, ist wirklich niemand zuständig für dieses andere „Areal der Stille“? Wenn der Mißstand nicht von offizieller Seite aus abgeändert werden kann, warum geschieht von privater Seite aus nichts? Es ist kaum zu glauben, daß von den deutschen Kriegstoten nur so wenige Verwandte Kenntnis von diesem Soldatenfriedhof haben, um sich — ähnlich wie die Besucherin der DDR — alle Jahre wieder um die versteppten Gräber zu kümmern. Jährlich besuchen über 200 000 deutsche Urlauber die Badeorte an der rumänischen Schwarzmeerküste. Sollte sie nur die Unwissenheit bisher daran gehindert haben, Einblick in die Totenlisten des deutschen Friedhofteils zu nehmen? Jede historische Epoche spiegelt das Gesicht dessen wider, der zuletzt gesiegt hat. Franz Werfel (Bild) Sowjetischer Soldatenfriedhof in Konstanza 1972 46 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 047 ============================================================================ Dobrudscha, Dobrudscha ... Von Karl Hochmuth Der nicht mehr unbekannte Dichter Karl Hochmuth, der in seiner Erzählung „Dobrudscha, Dobrudscha . . .“* den Schicksalsweg einer dobrudschadeutschen Familie aus einem der Umsiedlerlager am Main nachzeichnet, entstammt den Kreisen seiner fränkischen Heimat, die den umgesiedelten Bauern aus der Dobrudscha in ihrem tristen Lagerdasein während des Zweiten Weltkrieges, trotz mancher Risiken, Halt und Hilfe geben konnten. — Diese Kreise haben aus eigenem Antrieb Nächstenliebe geübt und auch unserer Volksgruppe insgesamt so manche Arbeit gewidmet, so daß wir noch nach drei Jahrzehnten dafür dankbar sind. Karl Hochmuths Werke, Romane, Erzählungen, Kurzgeschichten, Hörspiele usw. sind Kostbarkeiten der deutschen Nachkriegsliteratur, die uns viel zu sagen haben. Hochmuth ist ein Erzähler von Format. Der Herausgeber Die Landwirtschaftsschule ist eine nützliche Einrichtung, aber man hatte sie umfunktioniert. Man hatte das Schulgebäude in eine Unterkunft, in ein Wohnhaus verwandelt in einer Zeit, in der alles, aber auch alles umfunktioniert wurde. Irgendwann im Jahre 1940 kamen sie an mit Sack und Pack, zwanzig Familien aus der Dobrudscha. Einige von den Männern trugen hohe Pelzmützen, die Frauen hatten Kopftücher umgeschlagen, sie waren scheu, zurückhaltend, Frau Lazarus sagte, sind denn das überhaupt richtige Deutsche und meine Mutter sagte, sie kommen vom Schwarzen Meer, da ist vieles anders und Frau Lazarus sagte wieder, wo wollen denn die Leute hin, sie können doch nicht ewig in der Landwirtschaftsschule — und’meine Mutter sagte, man wird ihnen schon Arbeit geben, es sind fleißige Leute. Hans Kosolowski bestellte seine Felder, die ihm der Vater hinterlassen hatte, er versorgte sein Vieh und es kümmerte ihn wenig, an wen er seine Steuern bezahlte. Da hatten lange Zeit die Rumänen die Herrschaft, später waren es die Bulgaren, dann wieder die Rumänen und zuletzt hatte man schließlich die Hälfte den Bulgaren gegeben. Eines Tages kamen Männer aus dem Reich, das ganze Dorf war zusammengelaufen und es wurde gesprochen und versprochen und vier Wochen später saßen sie alle im Eisenbahnzug, Hanna hatte erst kurz zuvor entbunden, es war Joseph und sie hatten alles gepackt und waren gefahren, gefahren, gefahren... Felix war schon neun und ging noch in die erste Schulklasse, weil die Lehrerin gesagt hatte, es wäre besser für ihn, er spräche noch ein hartes Deutsch. Die Kinder riefen „Dobrudscha“ hinter ihm her und ließen ihn nicht mitspielen. Oft stand er am Fenster und sah auf die Straße. DieKinder spielten wieder „Deutschland erklärt den Krieg an —!“ und jeder rannte schnell in das andere Feld und wer keines hatte, mußte ausscheiden. Meistens schrien sie „Deutschland erklärt den Krieg an — Rußland!“ oder „Deutschland erklärt den Krieg an — Frankreich!“ oder „Deutschland erklärt den Krieg an — England!“ Ach, mehr Länder wußten sie nicht, manchmal kam auch Amerika oder Afrika dran, das war aber auch alles. Felix kannte viel mehr Länder. Einmal war er zu ihnen gegangen und hatte gesagt: „Spielt doch mal: Deutschland erklärt den Krieg an — Rumänien!“ oder „Deutschland erklärt den Krieg an — Bulgarien!“ 47 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 048 ============================================================================ Aber sie hatten geschrien, das gelte nicht, das seien keine richtigen Länder und überhaupt, der blöde Dobrudscha solle verschwinden, hau ab, schrien sie, wir spielen jetzt „Deutschland erklärt den Krieg an — Amerika!“ und schon rannte jeder in sein Feld und Felix drehte sich um und ging zurück zur Landwirtschaftsschule. Irgendwann hatte meine Mutter Frau Kosolowski kennengelernt, sie kam zu uns ins Haus, sie hatte Maria dabei, ein vierjähriges Mädchen mit großen Augen und den kleinen Joseph hielt sie im Arm. Ich weiß noch, wie der Säugling plötzlich zu brüllen begann und seine Mutter ihn in den Armen wiegte. Aber das Kind schrie und schrie und beruhigte sich erst, als ihm Frau Kosolowski ein ganz eigenartiges, fremdes Lied vorsang. Die Familien aus der Dobrudscha wohnten lange in der Landwirtschaftsschule, die letzten zogen erst aus, als man die Schule als Lazarett einrichtete. Hans Kosolowski war Soldat geworden, seine Frau und die Kinder wohnten eine Zeitlang in einem Dorf in Oberfranken und zogen dann in das Wartheland, wo man ihnen einen Hof versprochen hatte. Nach dem Kriege traf meine Mutter durch Zufall Kosolowskis wieder in der Stadt, sie wohnten sogar ein paar Wochen bei uns, Hans Kosolowski hatte den Krieg gut überstanden und war bald aus amerikanischer Gefangenschaft entlassen worden, Felix war nun schon ein kräftiger Bursche und hatte eine Lehrstelle als Automechaniker, Maria ging zur Schule und für den kleinen Joseph nähte die Mutter gerade einen Bücherranzen aus Sackleinen. „Na, Felix“, meinte ich, „Deutschland erklärt den Krieg an —?“ Er lachte. Aber dann wurde er ernst. „Wir bleiben nicht“, sagte er, „wir wandern aus. Vater sagt, Deutschland hat keine Zukunft“. Nach einer Weile kam wirklich ein Kartengruß aus New York, vom Einwanderer-Center Long Island. Dann hörten wir lange Zeit nichts mehr, bis eines Tages ein Brief kam. Frau Kosolowski schrieb: „Nun sind wir schon fast zwei Jahre in Richford, das ist im Staate Vermont. Die Grenze nach Kanada ist ganz in unserer Nähe. Mein Mann hat einen guten Arbeitsplatz in einer Baustoff-Firma gefunden und Felix arbeitet an einer Tankstelle. Die Kleinen gehen zur Schule und müssen viel lernen. Vermont ist ein schönes Land, es erinnert mich manchmal an Oberfranken. Es sind viele Wälder da und Berge und im Winter ist es sehr kalt... .“ Seit diesem Brief riß die Verbindung nie mehr ganz ab. Zwar dauerte es lange, bis sich Kosolowskis meldeten, aber an Weihnachten erreichte uns wieder ein Gruß aus Vermont: „...ich bin in Sorge, daß mein Mann noch einmal Soldat werden muß. Aus Korea kommen schlimme Nachrichten. Ich bete jeden Tag, daß er nicht wieder in den Krieg ziehen muß. Felix ist noch zu jung, ich bin ja so froh... .“ Einige Zeit später teilten sie voll Freude mit, daß sie nach Burlington gezogen seien, eine Stadt am Lake Champlain, aber auch Burlington läge noch im Staate Vermont und sie könnten von ihrer Wohnung immer hinausschauen auf den See und das erinnere sie an ihre Heimat am Schwarzen Meer. Zwei Wochen darauf kam ein neuer Brief. Hanna Kosolowski muß noch ganz aufgeregt gewesen sein, als sie schrieb: „. . . wir hatten ein wunderbares Erlebnis. Denkt euch nur, wir haben in Burlington die Familie Ritter getroffen. In einem Kaufhaus. Wir wollten gerade unsere Lebensmittel für die Woche einkaufen und gingen zur Kasse. Und wer stand an der Kasse und wollte 48 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 049 ============================================================================ auch bezahlen, Julian Ritter! Ihr kennt ihn sicher noch von der Landwirtschaftsschule her, er war der Sprecher von uns Umsiedlern aus der Dobrudscha, ein großer, hagerer Mann, schon fast kahl. Er trug meist eine braune Pelzmütze. Ach, wir fielen uns in die Arme, zehn Jahre hatten wir uns nicht mehr gesehen, wir mußten sogleich mit zu seiner Familie, ach, es gab viele Tränen, die Freude war so groß ..“ In den folgenden Jahren nahmen wir durch die Briefe aus Vermont teil am Leben der Familie Kosolowski. Felix mußte seine Militärzeit ableisten, er hoffte auf eine Versetzung nach Deutschland, aber man schickte ihn nach Okinawa, der Vater wechselte mehrmals den Arbeitsplatz, zuletzt war er in einer Sägerei tätig, einmal teilten sie fast ein wenig schroff mit, Maria habe geheiratet, sie wohne jetzt in Kalifornien, ihr Mann sei bei der Handelsmarine und fahre meist nach Japan und zu den Philippinen, ihre Anschrift: Mary Whitman, 306 Fairmont Ave., Oakland, Calif. 94613. Einmal stand ein amerikanischer Soldat vor der Tür und richtete Grüße aus von der Familie Kosolowski aus Burlington. Aus dem wenigen, was wir verstehen konnten — er sprach sehr nachlässig — entnahmen wir, daß Hans Kosolowski im Sägewerk verunglückt sei und daß man ihm den halben linken Arm habe abnehmen müssen „Felix hat geheiratet“, schrieb Hanna Kosolowski, „und denkt euch nur wen. Seine Lissi stammt aus dem Banat, aus Tschakowa, was im Rumänischen liegt. Die Lissi ist ja erst in Deutschland geboren worden, aber ihre Eltern hatten in Tschakowa einen großen Hof, einen schönen Hof, wir haben die Bilder gesehen. Und der Felix ist sehr glücklich, er hat die Lissi in Montreal bei einem deutschen Trachtenfest kennengelernt, die Lissi war bei der Donau-Deukania-Vereinigung .. .“ „Unser Joseph ist in Vietnam“, war im nächsten Brief zu lesen und die Zeilen der Hanna Kosolowski waren schwer, „was ist das nur für ein Land. Warum müssen unsere Soldaten in einem so fremden Lande kämpfen? Joseph gibt gute Nachrichten, wir sollen uns keine Sorgen machen, er sei doch bei den Marinern und sie seien den Vietkong weit überlegen, nur hätten die Vietnamesen die besseren Ortskenntnisse und sie versteckten sich immer in den Wäldern, aber es werde gewiß nicht lange dauern, dann kämen sie wieder zurück. . .“ Die nächsten Briefe handelten nur noch von Joseph, man hörte die quälende Sorge der Mutter aus jedem Satz, sie haderte mit dem Schicksal, weil gerade ihr Sohn in Vietnam kämpfen mußte, aber am Ende mußte sie resignierend zugeben: Er hat es ja selbst gewollt, er hatte sich freiwillig zu den Mariners gemeldet, gebe Gott, daß er aus dem verfluchten Land wieder glücklich heimkehre. An einem Sommertag — wir waren reisefertig und warteten noch auf die letzte Post vor der Abfahrt — kam wieder ein Brief aus Burlington. Diesmal war es nicht Hanna Kosolowskis Schrift, es waren schwere ungelenke Schriftzüge und es waren auch nur ein paar Zeilen, in denen Hans Kosolowski mitteilte, daß sein Sohn Joseph in Vietnam gefallen sei, daß man ihn aber nach Amerika zurückgebracht und in Burlington begraben habe. Er bitte um ein Gebet. Es dauerte diesmal lange Zeit, bis wieder Nachricht von den Kosolowskis kam. Sie hatten sich in Burlington ein kleines Haus gekauft in der Nähe des Sees. Mary erwartete ein Baby, schrieb die Mutter, aber ihr Mann mache ihr Sorgen. Seit er nicht mehr arbeiten könne, sei er ein rechter Nörgler geworden und nichts könne ihn zufriedenstellen. Er spräche dann immer von der alten 49 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 050 ============================================================================ Heimat, vom Deli Orman, von den Lindenwäldern. vom Meer. Nur wenn er den Wagen hört, mit dem Felix und Lissi den kleinen Joseph bringen, ist er wie umgewandelt. Dann ist er ganz verdreht, legt sich auf den Boden und der Boy treibt es mit dem Großvater, bis er keine Luft mehr bekommt. Und dann erzählt er ihm von der Dobrudscha... „Weißt du, Söhnchen, wo die Dobrudscha liegt?“ und der Kleine isi ganz still und hört dem Großvater wirklich zu, wenn er vom Schwarzen Meer erzählt, von den Türken, die einstmals die Herren im Land waren, von den Tataren und von der Steppe, über die der Wind pfeift... Vier Monate sind vergangen, seit Hanna Kosolowski aus Burlington im Staate Vermont zum letzten Mal geschrieben hatte. Wann wird uns wieder ein Brief erreichen? Was wird sie uns erzählen? Um wieviel ist ihre Welt größer geworden? Oder — kleiner? Die Amtszeit des Pfarrers Kühn in Atmadscha 1858 - 1862 1) Die Entstehung des Dorfes Atmadscha in der Dobrudscha und die Gründung eines evangelischen Pfarramtes daselbst Von Hans Petri, Bukarest Die deutschen Bauern in der Dobrudscha — dem zwischen der Donau und dem Schwarzen Meer gelegenen, einst türkischen, seit 1878 zu Rumänien gehörigen Landstrich — sind Nachkommen der meist in den auf die Freiheitskriege folgenden Jahren teils aus Süddeutschland, teils aus Westpreußen und Posen in Bessarabien angesiedelten deutschen Kolonisten. Als dort um 1840 infolge starker Vermehrung Landmangel eintrat, mußten die jüngeren Familien sich neue Wohnsitze schaffen; in zahlreichen Gruppen wanderten sie aus und sind auf der Suche nach einer neuen Heimat jahrelang in Rumänien herumgezogen. Das älteste, 1848 gegründete Dorf ist Atmadscha, im Norden gelegen, rund 25 Kilometer von dem Landstädtchen Babadag und etwa 40 Kilometer von dem Donauhafen Tultscha entfernt. In dichtem Urwald, der mit zäher Mühe gerodet und zu fruchttragendem Ackerland gemacht werden mußte, wurde die Siedlung angelegt. Sie bestand aus primitiven Erdhütten, aber schon nach einigen Jahren war ein stattliches Dorf erbaut und ein leidlicher Wohlstand erreicht. Es liegt auf der Hand, daß die langen Wanderjahre auf Sitten und Lebensführung keineswegs förderlich einwirken mußten. Bei aller Ausdauer und Genügsamkeit waren viele dem Trunke verfallen; daraus ergaben sich Zwistigkeiten untereinander und Streit in den Familien. Damit vertrug sich jedoch eine als Vatererbe mitgebrachte strenge Kirchlichkeit, die bei manchen zu echter Frömmigkeit sich vertiefte. Das Verhängnis dieser Bauern war ihre Heimatlosigkeit: keine Behörde sorgte für sie; den türkischen Machthabern kamen sie nur als gute Steuerzahler in Betracht und keine kirchliche Obrigkeit nahm von ihnen Notiz. Was sie gesucht und schließlich gefunden haben, war Grund und Boden, der sie ernähren konnte: aber wie sie 1843 in der Nähe von Bukarest deutsche Dörfer „auf ewige Zeiten“ gegründet hatten, um sie nach zwei Jahren wieder zu verlassen, so lag 1) In: Hans Petri, Evangelische Diasporapfarrer in Rumänien im 19. Jahrhundert, Verlag von Martin Warneck, Berlin 1930, S. 98 bis 122. 50 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 051 ============================================================================ es nicht außer dem Bereich der Möglichkeit, daß sie abermals den Wanderstab ergreifen würden, wenn irgendwo in der Welt sich bessere Lebensmöglichkeiten bieten würden. Die ererbte Kirchlichkeit hatte schon 1849 zur Gründung eines Pfarramtes geführt und die Berufung des früher in Rohrbach (Gouvernement Cherson) tätig gewesenen Pfarrers Bonekemper sowie die Errichtung eines bescheidenen, schon nach zehn Jahren baufälligen Bethauses veranlaßt. Ohne Rückhalt an einer kirchlichen Oberbehörde, allein von den Bauern angestellt und bezahlt, daher wirtschaftlich auch von ihnen abhängig, wurde er im Sommer 1853 aus nicht mehr recht durchsichtigen Gründen von der Gemeinde seines Amtes ent- hoben und gezwungen, innerhalb von drei Tagen das Dorf zu verlassen. Seitdem blieben die Bauern ohne jede religiöse Betreuung. Wohl las einer von ihnen allsonntäglich eine Predigt vor, er taufte auch die Kinder, segnete die Ehen ein und begrub die Toten, auch ein Kirchenbuch wurde geführt. Zum erstenmal kam auf ihre Bitten Pfingsten 1837 wieder ein Geistlicher nach Atmadscha. Es war Pfarrer Eduard Neumeister, der im Herbst zuvor in die neugegrün- dete Pfarrstelle zu Galatz berufen war. Es traf sich günstig, daß in den Tagen, in denen dieser seine Reise in die Dobrudscha vorbereitete, der von einem Kuraufenthalt aus Ägypten heimkehrende Oberprediger Hengstenberg (Brandenburg an der Havel) in Galatz einige Tage Aufenthalt nahm und in seinem dem evangelischen Oberkirchenrat zu Berlin erstatteten Reisebericht auch von dem Vorhandensein der evangelischen Gemeinde zu Atmadscha Mitteilung machte. Angeregt durch Neumeisters Besuch wandte sich die Gemeinde an den als Oberst in türkischen Diensten zu Tultscha lebenden ehemaligen preußischen Offizier von Malinowski mit der Bitte, ihr zu einem Pfarrer zu verhelfen; während dieser das ihm vorgetragene Ersuchen an den Zentralvorstand des Gustav-Adolf-Vereins weitergab, hatte sich bereits der Oberkirchenrat entschlossen, sich die Fürsorge dieser fernen Glaubensgenossen angelegen sein zu lassen. Deren Zahl hatte sich in den letzten Jahren beträchtlich vermehrt; in dem nur fünf Kilometer von Atmadscha entfernten Russendorf Tschukurow sowie in Katalui, auf dem Wege nach Tultscha gelegen, hatten sich deutsche Bauern angesiedelt, und weiterer Zuzug stand in Aussicht. Große Hoffnungen setzte man auf die kurz zuvor in Paris gegründete Europäische Donaukommission, die umfangreiche Stromregulierungsarbeiten durchführen sollte; man erwartete dadurch einen lebhaften Zustrom deutscher Ingenieure, Meister und Arbeiter. Da auch in der südbessarabischen Stadt Ismail sowie in deren Umgebung Evangelische lebten, so wurde ernsthaft der Plan erwogen, ein Reisepredigeramt mit dem Sitz in Tultscha zu gründen, da man erwartete, daß die Donaukommission die Wohnung stellen und einen Gehaltsbeitrag gewähren würde. Da jedoch die geplante Donauregulierung vorläufig nicht in Angriff genommen wurde und auf die erhofften Vergünstigungen nicht zu rechnen war, so kam Tultscha als Pfarrsitz nicht mehr in Betracht und Atmadscha, wo sich ein Bethaus und Wohnungsmöglichkeit für den Geistlichen befand, wurde zur Muttergemeinde bestimmt, der sich die anderen Orte als Filialgemeinden anschließen sollten. Voraussetzung für die geistliche Versorgung dieses Kirchensprengels war der Anschluß an die preußische Landeskirche und die Verpflichtung der einzelnen Gemeinden zu regelmäßiger und ausreichender Gehaltszahlung. Beides durchzuführen, wurde der preußische Konsul Blücher zu Galatz beauftragt, der im April 1858 eine längere Rundreise durch sämtliche in Betracht kommenden Ortschaften unternahm und alles auftragsgemäß durchführte. 51 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 052 ============================================================================ Der Amtsantritt des Pfarrers Kühn Da es an Bewerbern, die schon praktische Amtserfahrung besaßen, fehlte, die Stelle aber so rasch als möglich besetzt werden sollte, so wurde der erst 24 Jahre alte Kandidat Richard Kühn aus Tschicherzig bei Züllichau zum Seelsorger von Atmadscha bestimmt. Das Einschreiten des Oberkirchenrates ermöglichte es ihm, der erst im Winter 1857 das erste Examen abgelegt hatte, schon im April 1858 die zweite Prüfung zu machen, der sofort die Ordination folgte. Der vorgeschriebene Kursus an einem Volksschullehrerseminar wurde ihm erlassen; zur Einführung in das praktische Amt wurde er auf zwei Monate dem Domkandidatenstift überwiesen. Am 2. Juli 1858 reiste er in die unbekannte Ferne ab. In seinem Koffer führte er als Geschenk des Oberkirchenrates ein Kruzifix, einen Abendmahlskelch und zwei Altarleuchter sowie als Gabe des Oberpredigers Hengstenberg eine Bibel, die noch heute den Altar der Kirche zu Atmadscha schmückt, mit sich. Von Wien an wurde das Schiff benutzt; für Belgrad war ein achttägiger Aufenthalt vorgesehen. Der dortigen evangelischen Gemeinde war ebenfalls ein Pfarrer vom Oberkirchenrat in Aussicht gestellt; Kühn sollte an Ort und Stelle die noch notwendigen Erkundigungen einziehen. Dann ging es weiter zu Schiff bis Galatz, das nach achtzehntägiger Fahrt am 20. Juli erreicht wurde. Hier gab es unvermuteten Aufenthalt. Konsul Blücher, der den Ankömmling nach Atmadscha zu geleiten hatte, war abwesend, da er den eben von seiner Rußlandreise heimkehrenden Prinzen Albrecht von Preußen ein Stück Weges begleiten mußte. Gerade als die Fahrt in die Dobrudscha angetreten werden sollte, die Gemeinde von der Ankunft ihres neuen Geistlichen bereits verständigt war, wies ein Befehl der preußischen Gesandtschaft zu Konstantinopel den Konsul an, den Pfarrer Kühn zunächst dem Gouverneur der Dobrudscha, der in Silistria seinen Amtssitz hatte, vorzustellen und ihm ein seine persönliche Sicherheit betreffendes Vizirialschreiben zu überreichen. Um keine Zeit zu verlieren, mußte die Fahrt mit dem nächsten gerade fälligen Frachtdampfer angetreten werden; der Gouverneur aber befand sich in Rustschuk; sein Vertreter, ein „nicht sehr gebildeter, ehrwürdiger Pascha“, nahm beide freundlich auf, „ja seine Artigkeit war so groß, daß er sogar einen Kawassen sandte, der während der Mahlzeit acht gab, daß man uns reichlich und gut bewirtete“. Auch stellte er ihnen Pferde zu einer Besichtigung der Stadt und ihrer Umgebung zur Verfügung. Mit dem nächsten Schiff, das unglücklicherweise überfüllt war, ging es nach Rustschuk weiter; auf Säcken sitzend mußten die beiden Reisenden die Nacht zubringen. „Der Pascha sprach sich sehr befriedigt über die Evangelischen aus, es sei keine fremde Religion ihm so lieb wie diese, weil sie der seinigen, der Mohamedanischen, am ähnlichsten sei.“ Kühn erhielt ein dienstliches Schreiben, das ihm den Schutz der türkischen Behörden zusicherte und das er darum stets bei sich tragen sollte, außerdem bekam er für sich und seine Begleitung die Erlaubnis, Waffen zu tragen. Die höheren und niederen Behörden, in deren Bezirken Pfarrer Kühn sein Amt zu verrichten hatte, wurden für seine Sicherheit persönlich verantwortlich gemacht. Nach erfolgter Rückkehr wurde in Galatz ein nur nach Stunden zählender Aufenthalt genommen; Pfarrer Neumeister schloß sich als Dritter an und über Braila, wo die Donau überquert wurde, ging es in achtstündiger Wagenfahrt in die Dobrudscha hinein. „Der Weg führt durch eine liebliche Gebirgsgegend, die mit schönen fruchtbaren Tälern und mit Wald bewachsenen Bergen abwechselt.“ Schon seit Wochen war unter den evangelischen Deutschen jener Gegend von der Ankunft des neuen Pfarrers gesprochen worden. Nun sollte er endlich kommen. 52 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 053 ============================================================================ Etwa drei Stunden vor Atmadscha erwarteten 20 bis 25 Reiter, jüngere Bauern mit dem Schulzen an der Spitze, die Ankömmlinge, bald gesellten sich Wagen mit den älteren Bauern dazu, und in stattlichem Zug fuhr Pfarrer Kühn in sein Pfarrdorf ein. „Bald darauf versammelte sich auf den dreimaligen Ruf der kleinen Glocke die Gemeinde in dem Betsaale, der mit dem Schulzimmer, nunmehr Pfarrwohnung, unter einem Dache ist, und ich hielt nach dem Gesang eines Liedes ein Dankgebet zu dem Herrn, unserm Gott, der der Gemeinde und mir bisher gnädig geholfen.“ Doch ein ruhiges Einleben war dem neuen Pfarrer noch nicht beschieden. Am nächsten Tag ging es 25 Kilometer weit nach Babadag, wo Konsul Blücher ihn den türkischen Bezirksgewaltigen vorstellte, und am Nachmittag ging es „trotz großer Hitze und vielen Staubes“ wieder nach Amatscha zurück. Der nächste Tag, der 8. August, war ein Sonntag. An ihm fand eine feierliche Einführung durch Pfarrer Neumeister statt. Hierzu hatten sich auch Bauern aus dem benachbarten Tschukurow eingefunden. Trotz der großen Anstrengungen der letzten Tage, der verwirrenden Fülle der neuen und ungewohnten Eindrücke, die zusammen ein längeres Ausruhen und Verarbeiten des Gesehenen und Erlebten dringend notwendig gemacht hätten, sah der nächste Morgen die kleine Reisegesellschaft abermals auf dem Bauernwagen. Die Fahrt ging zunächst nach Katalui, wo Kühn „wegen großer Ermattung“ nur eine kurze Ansprache halten konnte. Die Weiterfahrt nach Tultscha brachte ein charakteristisches Erlebnis. „Auf dem 11/„stiindigen Wege von Katalui nach Tultscha begegnete uns ein gewaltiger, wohl eine halbe Quadratmeile ausfüllender Heuschreckenschwarm, so daß wir wie in einem großen Schneetreiben fuhren.“ An den nacheinander folgenden Tagen fanden Gottesdienste in Tultscha und Ismail statt; an letzterem Orte war die gottesdienstliche Stätte das Haus eines Juden, bei dem die beiden Pfarrer auch ihre Wohnungen hatten, da durch die Kirchenvorsteher nichts vorbereitet war. Auf dem Rückwege trennte sich Kühn von seinen beiden Begleitern und trat die Heimfahrt allein an. Unterwegs sah er die von Heuschrecken auf den Feldern angerichteten Verwüstungen, und das bedeutete für sein persönliches Schicksal, daß die auf diese Weise um ihre Ernte gebrachten Bauern von Katalui auf Jahresfrist hinaus auch nicht den geringsten Beitrag zum Pfarrgehalt würden zahlen können. Nach einer Abwesenheit von sechs Tagen langte Kühn in Atmadscha wieder an, so überanstrengt und ermüdet, daß er zwei Tage lang im Bett bleiben mußte. „Es ist zu viel, auf einem Bündel Heu in einem Bauerwagen sitzend, in acht Tagen 30 bis 40 Meilen zu fahren und dabei fast täglich zu predigen und dennoch mußte ich so reisen, da Blücher nicht viel Zeit hatte.“ Erst am 22. August konnte er die regelmäßigen Gemeindegottesdienste, und zwar in Atmadscha, beginnen. Die Tage der Erschöpfung waren natürlich ein böser Anfang und brachten ihm die Schwierigkeiten seiner Stellung deutlich zum Bewußtsein. Zunächst war die Wohnung äußerst bescheiden. Sie bestand aus einem mit nassen Brettern gedielten Zimmer nebst einer Kammer. Der Pfarrer mußte sein eigenes Stubenmädchen und sein eigener Stiefelputzer sein. Das Essen besorgte ihm eine Bäuerin, die vom Pfarrhaus ziemlich weit entfernt wohnend, immer auf drei bis vier Tage im voraus kochte, und der Pfarrer war genötigt, sich das Essen selbst aufzuwärmen. Auch über die Gestaltung seiner Arbeit konnte er sich Gedanken machen. Der Pfarrbezirk hatte eine Länge von rund 80 und eine Breite von etwa 20 deutsche Meilen. Er begann bei Matschin, am rechten Ufer der Donau, 53 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 054 ============================================================================ dort gelegen, wo dieser Strom von seinem nordwärts gerichtetem Lauf nach Osten umbiegt, um dem Schwarzen Meer entgegenzueilen. Hier hatte Kühn die Dobrudscha betreten und die ersten Glieder seines Pfarrbereiches, „vier deutsche evangelische Familien“ kennengelernt. Er endete bei Sulina, an der mittleren Donaumündung gelegen; er dehnte sich aber bis nach Südbessarabien hinein, wo zwölf Meilen jenseits Ismail, in dem Dorfe Schipolis, „eine gläubige, sehr ehrwürdige lievländische Bauernfamilie“ wohnte. Zur Pastorierung dieses ungeheuren Gebietes war Atmadscha sehr ungünstig gelegen. Die Gottesdienste sollten an den verschiedenen Orten der Reihe nach Sonntag vormittags stattfinden; nur für die kleine Gemeinde in Ismail war ein viermaliger Besuch im Jahre vorgesehen. Hatte der Pfarrer am ersten Sonntag in Atmadscha zu predigen, so konnte am gleichen Tage Nachmittagsgottesdienst in Tschukurow stattfinden. Am nächsten Sonntag fuhr er nach Katalui und eine Woche später kam Tultscha an die Reihe. Um aber dorthin zu gelangen, mußte Katalui durchfahren werden, ohne daß dort mehr als eine flüchtige Begrüßung möglich war. Kam nun noch Ismail an die Reihe, so mußten Katalui und Tultscha berührt werden. Das gleiche war der Fall, wenn im Laufe der Woche in irgendeinem Orte Amtshandlungen notwendig wurden. So ging viel Zeit und Kraft mit den Fahrten verloren, die wenigstens der Muttergemeinde hätten zugute kommen können. Denn auf diese sollte naturgemäß das Hauptmaß der Arbeit verwendet werden, konnte doch der Pfarrer in diese die tiefsten Einblicke gewinnen. Und diese waren traurig genug und ließen auf die Zustände in den anderen Orten schließen. „Überall, wo ich zu den Filialgemeinden oder von dort zurück nach Atmadscha kam, kabe ich noch jedesmal Zank und Zwietracht gefunden.“ Die Bauern aus Tschukurow betranken sich in Gemeinschaft mit den ihr Dorf mitbewohnenden Russen, und manches Mal gesellten sich auch Leute aus Atmadscha zu ihren Gelagen, obwohl sich dort selbst eine von einem Juden gehaltene Schenke befand, die direkt der Kirche gegenüber lag und auch sonntags von früh bis spät in die Nacht geöffnet war. Zudem plante man in Tschukurow eine neue Abwanderung; man wollte auf eine im Donau-Delta gelegene Insel übersiedeln; vorausgesandte Leute aber brachten die Kunde, daß man beim Ackern in unzähligen Mengen Heuschreckeneier gefunden habe, und das Schicksal von Katalui war Warnung genug, um schließlich zum Bleiben zu veranlassen. Dazu war das Reisen in jener Gegend damals nicht ohne Gefahr. „Allerlei Gesindel, Türken, Russen, Tataren, Bulgaren gehen auf Raub und Plünderung aus, so daß die Bauern es nicht ratsam finden, auch nur eine Viertelstunde allein zu gehen; ferner sind die Wölfe hier in dem großen Wald in solcher Zahl, daß sie z. B. nur in der letzten Woche vier Pferde aus Atmadscha zerrissen haben und die Schweine von den Höfen holen. Daher kommt es, daß schon jetzt im Sommer ein Mann ungern allein durch den drei Meilen weiten Wald nach Tulcea fährt. Im Winter ist dazu der Weg sehr schlecht und Tultscha an einem Tage nicht zu erreichen, wenn man nicht die halbe Nacht fährt.“ Schon zur Regenzeit mußten drei oder vier Pferde vor den Wagen gespannt werden; im Sommer wirkte die Hitze lähmend und dicke Staubwolken hüllten Wagen und Reisende ein. Nur die große Kirchlichkeit war ein Lichtpunkt in der trüben Betrachtung, die Pfarrer Kühn in seiner Einsamkeit anstellte. 54 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 055 ============================================================================ Aus dem Amtsleben Dies war die Umwelt, in die Pfarrer Kühn eintrat, dies die Gemeinde, die er zu betreuen hatte. „Fast aus den Hörsälen der Universität bin ich in dies einsame, schwere Amt gekommen.“ Bedrückend legte es sich auf sein Gemüt, daß durch die Schilderungen, die Pfarrer Neumeister von seinen kurzen Besuchen in Atmadscha zu Pfingsten 1857 und Ostern 1858 gegeben hatte, falsche Vorstellungen in ihm erweckt worden seien. Aber jener hatte bei seinem flüchtigen Aufenthalt die Gemeinde gewissermaßen nur im Sonntagsstaat gesehen, ihm aber schaute der graue Alltag ins Gesicht. Fast wie eine Enttäuschung, ja wie eine Irreführung mußte das ihm erscheinen, und es galt tapfer gegen eine aufsteigende Verbitterung anzukämpfen. Er gedachte an das bittere Los seines Amtsvorgängers, konnte sich aber dessen getrösten, daß er festen Rückhalt an dem Oberkirchenrat hatte und der Schutz der türkischen Behörden ihm zur Verfügung stand, beides Dinge, die Bonekemper hatte entbehren müssen. Zwar mußten sie als letzte Reserve aufgespart bleiben; in der Front kämpfte er allein. Den Hauptfeind, den es zu vernichten galt, war die Trunksucht. Erst wenn dieser am Boden lag, war der Weg zu tieferer Beeinflussung aufgetan. „Mit Gesetz und Evangelium“ glaubte Pfarrer Kühn arbeiten zu müssen, wobei ihm die Reihenfolge der beiden Worte nicht ohne tiefere Bedeutung war. Gelegenheit zu ernster Mahnung und Zucht war reichlich gegeben. Schon wenige Wochen nach seiner Ankunft berichtete er, daß ein aus Tiucurova betrunken heimkehrender Bauer seinen 73jährigen Schwiegervater hatte ermorden wollen, und bald darauf wurde er um Mitternacht zu Hilfe gerufen, da ein Trunkenbold im Begriff stand, seine Frau umzubringen. Diesen Mann machte er zum Kirchendiener, um. ihn so viel als möglich unter Aufsicht zu haben. Im September 1859 schreibt er: „Leider habe ich neulich auch einem Menschen müssen durch das Dorfgericht sein Gewehr abnehmen lassen, da er sich betrunken vor seine Frau gestellt hatte, um Geld von ihr zu erpressen.“ Die Akten von Atmadscha enthalten folgendes, von Pfarrer Kühn ausgesetzte Protokoll: „Der N.N. hat mir und den unterschriebenen Zeugen zugesagt: 1. sich nicht mehr zu betrinken, 2, mit seiner Frau in Frieden zu leben, 3. sich nach Gottes Wort zu halten und sonntäglich in die Kirche zu kommen.“ Wieder ein anderes Mal berichtet er: „Ich habe in Gottes Namen mit gutem Erfolg wagen können, einen Menschen persönlich aus der Schenke herauszuholen, der in der größten Arbeit dem Nichtstun zu leben gedachte.“ Nach einem halben Jahre gelang es Kühn, eine Verfügung zu erwirken, derzufolge die Schenke an den Sonntagen erst um 4 Uhr nachmittags geöffnet werden durfte und um 9 Uhr abends wieder geschlossen sein mußte. Da für Atmadscha nur alle vier Wochen Predigtgottesdienst möglich war, hielt Pfarrer Kühn im Winter regelmäßige Bibelstunden, die gelegentlich zu Missionsstunden wurden. Im Sommer traten an deren Stelle tägliche Frühandachten, die schon um 4.30 Uhr morgens stattfanden und durchschnittlich von 20 Personen besucht wurden. Nach vollbrachter Ernte wurde der vernachlässigte Friedhof gesäubert und eingezäunt. Mit dem Schulunterricht sah es bedenklich aus. Im Sommer war dazu nur an den Sonntagnachmittagen Gelegenheit, da die Kinder von den Eltern während der ganzen Woche zu Feld- und Hausarbeit benutzt wurden. In den Nachmittagsstunden jedes Sonntags, den Kühn in Atmadscha verweilte, fand Kinderlehre statt, mit einer Singstunde verbunden. Aus Berlin wurden durch Vermittlung des Oberkirchenrates umfangreiche Sendungen von Bibeln und Porstschen 55 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 056 ============================================================================ (Bild) Kirche in Atmadscha 1893 (Bild) Pfarrer Pritzsche vor dem Pfarrhaus in Atmadscha 1893 56 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 057 ============================================================================ Gesangbüchern, kleinen Katechismen und Andachtsbüchern wie Schulfibeln bestellt. Später kam noch ein Harmonium dazu. Um einen stärkeren Kontakt mit der Gemeinde Tschukurow herzustellen, schaffte er sich im Frühjahr 1859 ein Pferd an und ritt mindestens einmal wöchentlich dorthin. Nachdem sich das Auswanderungsfieber gelegt hatte, war die Möglichkeit eindringlicher Gemeindearbeit gegeben. Etwa ein Jahr nach seinem Amtsantritt konnte Kühn darüber berichten: „Seit einigen Wochen ist Schule und regelmäßiger Gottesdienst dort eingerichtet. Es hat ein seit ungefähr zwei Jahren in Atmadscha sich aufhaltender, aus der Schweiz gebürtiger Weber, Gärtner und Bergmann, Johann Mühlbach, für ein sehr geringes Geld das Schulamt dort übernommen. Seine Fähigkeiten, die über das gewöhnliche Maß eines Bauern weit hinausgehen, lassen einen erfreulichen Fortgang in Tschukurow vermuten. Die Gemeinde hat nicht ohne Liebe ein Zimmer vorläufig für den Schul- und kirchlichen Gebrauch hergerichtet, welches auch zugleich des Schullehrers Wohnung ist. Es steht indessen für das nächste Jahr der Bau eines eigenen Schulhauses in Aussicht.“ Ein trauriges Kapitel blieb das Einziehen der zum Pfarrgehalt notwendigen Beträge. Jeder Hofbesitzer hatte sich zu Zahlung einer gewissen, seinen Verhältnissen entsprechenden Summe verpflichtet. Nach der Heuschreckenkatastrophe, die über Katalui herniedergegangen war, konnte vorläufig von dort nichts erhofft werden. Das aber warf die ganze Berechnung um; Kühn glaubte, es werde größere Ordnung und Regelmäßigkeit in diesen Zahlungen stattfinden, wenn er die Beiträge selbst einzöge. Aber das war ein Fehlgriff; denn an diesen Sammelgängen haftete der peinliche Eindruck, daß der Pfarrer sie für seine eigene Tasche unternähme. Und eine Verzögerung oder Vernachlässigung der Zahlung führte zu unerquicklichen Auseinandersetzungen, die Mißstimmung erregten und Gereiztheiten hinterließen. Es wäre wohl richtiger gewesen, dem Dorfgericht, das mit dem Schulzen an der Spitze eine von den türkischen Behörden anerkannte Dienststelle war, das Eintreiben der Beträge zu überlassen. Dadurch, daß aber die Gehaltsbeiträge unregelmäßig oder gar nicht eingingen — der Gemeinde Katalui machte die durch die Heuschreckenplage vernichtete Ernte und die als Folge davon entstandene Verarmung, lange Zeit jegliche Zahlung unmöglich —, wurde seine pekuniäre Lage bedrängt; es bestand nicht nur die Gefahr, daß die Arbeitsfreudigkeit gelähmt wurde, sondern daß auch Bitterkeit entstand, die das Verhältnis zur Gemeinde zu vergiften drohte. Im Sommer 1857, als die ersten noch ganz allgemein gehaltenen Berechnungen über das Pfarrgehalt aufgestellt wurden, hatte ein konsularischer Bericht reichlich überschwänglich geschrieben, „daß die Existenz eines Predigers nicht allein bis auf Weiteres als gesichert angesehen werden könnte, sondern daß seine Stellung auch, was das Einkommen anbelangt, so mancher Landpredigerstelle im Vaterlande vorzuziehen wäre“; das mochte ihm in der wirklichen Lage, in die er verschuldet und unverschuldet geraten war, wie ein Hohn vorkommen. Es war ein durchaus richtiger und glücklicher Gedanke Kühns, die Bauern für die Errichtung einer Kirche zu gewinnen, sie für eine große gemeinsame Angelegenheit zu erwärmen, um mit der Stärkung des Gemeinsamkeitsbewußtseins die Streitigkeiten untereinander und den latenten Gegensatz gegen ihn zu überwinden. Die Notwendigkeit, ein würdiges Gotteshaus zu errichten, konnte niemand bestreiten. „Seit zehn Jahren, solange das Dorf besteht, hat die Gemeinde in einem nach hiesiger Art aus Stroh und Lehm errichteten Gebäude ihre Gottesdienste gefeiert. Aus mehrfachen Gründen stellt sich aber jezt das Bedürfnis 57 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 058 ============================================================================ nach einem anderen Versammlungsorte heraus. Einmal ist das bis jetzt dazu dienende Gebäude baufällig. Es für ferneren Gebrauch auszubessern, ist deshalb nicht zu raten, weil es, und das ist ein zweiter Grund für den Neubau, für die Gemeinde zu klein geworden ist. Der dritte und vornehmste Grund aber ist das Ungesunde und Unwürdige eines solchen Gebäudes für gottesdienstliche Versammlungen einer deutschen evangelischen Gemeinde.“ Zunächst mußte jedoch festgestellt werden, ob die türkische Regierung den Bau einer Kirche, zu der natürlich auch ein Turm gehören solle, genehmigen würde. Auf eine entsprechende Anfrage bei der preußischen Gesandtschaft in Konstantinopel traf beruhigende und ermutigende Antwort ein; darauf ging die Bitte um Bauerlaubnis an die türkische Regierung ab. Zum Baukapitale trugen einzelne deutsche Kolonien in Bessarabien wie auch die evangelische Gemeinde in Konstantinopel bei. Es lag nahe, auch die protestantische Welt Deutschlands dafür zu gewinnen; dies konnte jedoch am wirksamsten nur durch eine persönlich unternommene Kollektenreise geschehen. So verdichetete sich ein Gedanke, der Pfarrer Kühn schon seit langem bewegte: einen längeren Heimaturlaub anzutreten. Die vielfachen Reisen bei jedem “Wind und jedem Wetter hatten schließlich ihre nachteiligen Folgen gezeigt. Wenn er auch einmal schreibt, daß auf einer Fahrt von Echipolis nach Ismail (12 Meilen) ein mehrfacher Wolkenbruch ihn, der auf offenem Wagen fuhr, überraschte, und er unter freiem Himmel auf dem nassen Wagen nächtigen und trotzdem am nächsten Morgen in Ismail predigen mußte, ohne irgendeinen unmittelbaren Schaden davon zu tragen, so muß er doch im Frühjahr 1860 zur Begründung seines Urlaubsgesuches anführen, daß seit länger als vier Wochen „die heftigsten rheumatischen Schmerzen in Kopf und Gesicht“ ihn quälen. Dazu kam noch eines, was für ihn den Urlaub gebieterisch notwendig machte: „die Einsamkeit, niemand zu haben, der bei der Trauer über die Unempfänglichkeit so vieler Herzen für das Wort Gottes Trost gesprochen hätte, niemand, der die Last des Amtes durch ein freundliches Wort erleichtern, niemand, mit dem ich der herzlichen Gebetsgemeinschaft pflegen, mit dem ich Gedanken austauschen und Rat pflegen könnte —, das ist schwer zu tragen. Der Herr Jesus hat diese Not gekannt; darum berichtet St. Markus: Er habe seine Jünger je zween und zween ausgesandt und Paulus wirkte in Gemeinschaft mit Silvanus und anderen. Doch Christus hat mich auch hierin gestärkt und ist mit seiner Kraft bei mir gewesen, daß ich es habe können ertragen.“ Der erbetene Urlaub wurde bewilligt, um so mehr als der in Galatz stationierte Missionar der freien schottischen Kirche sich erbot, vorkommendenfalls die Vertretung zu übernehmen. Mit einer vom Oberkirchenrat bewilligten reichlichen Reisebeihilfe trat Kühn frohen Herzens die Fahrt in die Heimat an; während seines Aufenthaltes in Deutschland fand eine Kollektenreise durch das Wupperland statt, die erhebliche Spenden für den Kirchenbau brachte. Das Hauptereignis des Urlaubs aber war Kühns Verlobung, der schon, der Kürze der Zeit wegen, nach zweieinhalb Wochen die Hochzeit folgte. Der Ausklang Zunächst waren es schöne Wochen, die dem Einzuge mit der jungen, allerdings erst siebzehnjährigen Pfarrfrau folgten. Zwar brachte die notwendige Umgestaltung der Wohnung allerlei Arbeiten mit sich, die dem Hausherrn ungewohnt und daher anstrengend waren. „Ich bin zugleich Schmied, Zimmermann, Tischler usw., wie mir denn die Hände augenblicklich noch schmerzen vom Handhaben des Beiles und des Hobels.“ Ließ sich solche Mühe durch die 58 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 059 ============================================================================ Freude am eigenen Hausstand auch leicht ertragen, so bekamen die Dinge ein anderes Gesicht, als der erste Winter eintrat, der diesmal besonders schwer und hart war. Die Verbindung mit der Stadt war zeitweise ganz unterbrochen. „So bestanden unsere Lebensmittel öfter vier Wochen lang außer Schwarzbrot nur in Kartoffeln, Sauerkraut und gesalzenem Fleisch.“ Dazu die Wohnung so dürftig, daß das kleine Dienstmädchen und der verlassene Knabe, den Pfarrer Kühn bei sich aufgenommen hatte, in dem Betsaal schlafen mußten, der zugleich als Vorratskammer diente. Und die Geburt eines Kindes stand in Aussicht. In den Gemeinden gab es vermehrte Arbeit. Die Bevölkerung hatte sich durchwegs vergrößert. Nach Katalui waren nicht weniger als 40 Familien, zum großen Teil aus Bessarabien, gekommen; die Einwohnerschaft dieses Dorfes hatte sich daher verdreifacht. Die evangelischen Bewohner von Tschukurow hatten sich durch Zuzug von elf Familien etwa um ein Drittel ihres bisherigen Bestandes vergrößert. Dagegen hatten sich die Stadtgemeinden durch Abwanderung fast vollständig aufgelöst. So bedeutete die Wiederaufnahme der Arbeit zum guten Teil ein neues Anfangen; im übrigen wurde sie da fortgesetzt, wo sie vor dem Urlaub zum Stillstand gekommen war. Pfarrer Kühn durfte es sich als einen Erfolg buchen, daß von Neujahr 1861 an die Schenke an das Ende des Dorfes gelegt wurde. Das dadurch freigewordene und durch seine Lage gegenüber der Kirche gut zu verwendende Gebäude wurde als Schule eingerichtet. Allerdings weigerten sich die Bauern, die den Nutzen eines längeren und gediegenen Unterrichts an sich selbst nicht erfahren hatten und darum auch nicht zu schätzen imstande waren, die nötigen Utensilien beizustellen; Kühn behalf sich, indem er in den Lehmboden Pflöcke einschlagen ließ, auf die Bretter genagelt wurden. Daneben schritten die Vorbereitungen zum Kirchbau rüstig voraus; im Sommer 1860 traf der die kaiserliche Genehmigung enthaltende Ferman ein, und nun konnte endlich angefangen werden. Zunächst wurden von den Bauern die Materialien angefahren. Die Herbst- und Wintermonate vergingen mit der Anfertigung des Planes, der Ausstellung eines Kostenvoranschlages und der Vergebung der Arbeiten, die ein in Galatz wohnhafter italienischer Baumeister übernahm. Am 5. Juni 1861 fand die Grundsteinlegung statt. Aber für den Pfarrer lag auf dieser Feier ein schwerer Schatten. Das ihm Anfang Mai geborene Kind war nach vier Wochen plötzlich gestorben, und die junge, so jäh ihres Mutterglückes beraubte Frau lag mit schwerem Siechtum, das sie durch ungeschickte Hilfe davongetragen hatte. „Wir können 7 Meilen von Tulcea, wo nur Pfuscher sind, 25 Meilen von Galatz keine ärztliche Hilfe herbeiziehen. Wir können auch keine kräftigende Lebensmittel haben; im Dorf ist kein Fleisch zu haben, und aus Tultscha langt es bei dieser Jahreszeit hier an, wenn es schon in Fäulnis übergeht.“ Für eine Reise in die Heimat war die Frau zu schwach, eine Begleitung durch ihren Mann war ausgeschlossen; der einzige Ausweg war eine vorübergehende Übersiedlung nach Tultscha. Auch die mancherlei Schwierigkeiten und Gefahren seiner vielen Reisen bekamen für den Pfarrer jetzt, da er verheiratet war, ein anderes Gesicht. Zweimalige Lebensgefahr im Winter 1860/61 — einmal wurde der Wagen auf dem schlechten Wege umgeworfen, und ein anderes Mal stürzten die Pferde auf dem Glatteis, und Kühn war gezwungen, im Schneesturm den Weg von Katalui nach Tultscha zu Fuß zurückzulegen — mußte ihm bange Sorge für die Zukunft seiner vermögenslosen Frau einflößen, die er, der beschränkten Mittel wegen, noch nicht hatte in die Witwenkasse einkaufen können. Und nun war der harte Schlag dazugekommen, das Kind, das Sonnenschein und Fröhlichkeit in das einsame und karge Leben hatte bringen sollen, in die fremde Erde legen zu 59 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 060 ============================================================================ müssen. Was Wunder, wenn er seinem verwundeten und gequälten Gemüt einmal in den Worten Luft machte: „Ich bin ohne Trost; das ist der Gipfel des Leidens.“ Es blieb kein anderer Ausweg, als um baldige Abberufung zu bitten. Sie wurde wohl in voller Würdigung der eingetretenen Verhältnisse in Aussicht gestellt, aber sie ließ sich nicht sofort durchführen. Während in den Sommermonaten des Jahres 1861 das Werk des Kirchenbaues rüstig vorwärtsschritt und das Gebäude im Herbst bis zum Dachstuhl vollendet war, trat ein Ereignis ein, das nicht nur die ganze für den Bau aufgewendete Mühe vergeblich zu machen drohte, sondern auch den Bestand der gesamten Gemeinde in Frage stellte. Man hatte gehört, daß in zwei, unweit von Ismail in Südbessarabien, das damals zum Fürstentum der Moldau gehörte, gelegenen Dörfern die bisherigen bulgarischen Einwohner abgezogen seien und daß, wenn die Bauern von Atmadscha und Umgegend dorthin übersiedelten, sie sich in das Volle und Üppige setzen würden. Alte Wanderlust wachte wiederum auf, und mit der Kraft einer fixen Idee setzte sich die Meinung fest, daß man mit der Umsiedlung geradeswegs in das Paradies einziehen würde; wenn auch einzelne innerlich widerstrebten, so wagten sie es doch nicht, der Mehrzahl energisch gegenüberzutreten. Es wurden selbstverständlich eine Reihe von Gründen angegeben, die die Notwendigkeit neuer Wohnsitze beweisen sollten. So hieß es, der türkische Staat wolle das bisher bei seinen christlichen Untertanen üblich gewesene Soldatengeld aufheben und in Zukunft jeden wehrfähigen jungen Mann, gleichviel welcher Religion er sei, zum Heeresdienst einziehen. „Und natürlich, ehe die Deutschen türkische Soldaten werden, verlassen sie lieber das Land.“ Ein zweites Gerücht, das die Bauern in Unruhe versetzte, besagte, der türkische Staat wolle den Besitz eines jeden ohne männliche Erben verstorbenen Grundbesitzes zu seinen Gunsten einziehen, so daß Witwen und hinterbliebene Töchter an den Bettelstab kämen. Ferner machte sich damals eine stark einsetzende Ansiedlung von Krimtataren unliebsam bemerkbar. Ein Teil von ihnen hatten sich bereits in Tschukurow festgesetzt und sich die Häuser abgewanderter Russen angeeignet. „Auch hat die Obrigkeit gedroht, einige in Katalui von nach Rußland zurückgekehrten Deutschen leer gelassene Häuser mit Tataren zu besetzen, wenn die Gemeinde dieselben nicht gegen einen festgesetzten Kaufpreis für sich nähme.“ Zur Unterstützung der einwandernden Tataren hatte die türkische Behörde große Leistungen von den deutschen Dörfern verlangt. „So hat z.B. Atmadscha im vorigen Winter über 100 Kilo (türkisches Maß) Weizen für die Tataren liefern müssen, ohne bis jetzt die geringste Bezahlung. Das Dorf hat etliche fünfzig Familien Tataren im Winterquartier gehabt; es hat dann im Frühjahr für die Tataren acht Kilo Weizen aussäen müssen und im Herbst auch ernten und dreschen müssen.“ Schließlich wurden plötzlich allerlei Willkürlichkeiten und eigenwillige Handlungen der unteren Beamten als besonders drückend empfunden; man redete von der Unsicherheit der Wege, von unberechtigten und unbezahlten Zwangsfuhren, Dinge, die sie seit dreizehn Jahren als etwas Selbstver- ständliches hingenommen hatten. Gewiß waren manche Klagen nicht ohne Berechtigung, und wenn sich jene erwähnten beiden Gerüchte bewahrheitet hätten, so wäre in der Tat das Leben der Bauern von Grund aus verändert worden. Um sie auf ihre Wahrheit zu prüfen, wandte sich Pfarrer Kühn in einem ausführlichen Schreiben an die preußische Gesandtschaft in Konstantinopel. Diese antwortete, daß wegen einer 60 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 061 ============================================================================ Änderung der Gesetze über Erbschaft und Rekrutierung nichts zu befürchten sei und teilte zugleich mit, daß die Regierung des Sultans darauf aufmerksam gemacht worden sei, „wie sehr es ihrem eigenen Interesse entspräche, die Niederlassung und den Bestand protestantischer Gemeinden in der Dobrudscha zu begünstigen und zu erleichtern“. So blieb nur noch die eine Frage zu erörtern, ob denn wirklich in jenen beiden bessarabischen Dörfern das Paradies zu finden sein würde oder ob es nicht bei der alten Wahrheit bleiben müsse, daß der Sperling in der Hand besser sei als die Taube auf dem Dache. In dreizehn Jahren tüchtiger Arbeit waren die Bauern zu Haus und Wohlstand gekommen, keine Ernte war schlecht ausgefallen, und die mancherlei Übergriffe kleiner türkischer Machthaber, die jetzt plötzlich als unerträglich empfunden wurden, hatten früher nichts Bedrückendes für sie gehabt. Dazu kam, daß sie nach dem mißglückten Versuch, aus eigener Kraft ein kirchliches Gemeinwesen zu begründen, jetzt dem großen und starken Verbande der evangelischen Landeskirche Preußens angeschlossen waren und damit Sicherungen jeglicher Art, nicht zuletzt auch finanzieller Natur, erhalten hatten. Ein stattliches Gotteshaus erhob sich in der Mitte des Dorfes; ein großer Teil der Baukosten war durch glaubensbrüderliche Hilfe aufgebracht worden. Pfarrer Kühn war daher nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, hierauf ernstlich aufmerksam zu machen und den Bauern die Frage vorzulegen, ob sie es vor ihrem evangelischen Gewissen würden verantworten können, wenn aus dem fast vollendeten Gotteshaus eine mohammedanische Moschee werden würde. Sie müßten sich doch auch darüber klar werden, daß sie sich für alle Zukunft der Möglichkeit beraubten, fernerhin die Hilfe des Oberkirchenrats in Anspruch zu nehmen, wenn sie alles im Stich lassen würden, was mit seinem Beistand in wenigen Jahren geschaffen worden sei. Außerdem gründeten sich die Vorstellungen von der künftigen Herrlichkeit vorläufig nur auf leere Versprechungen der moldauischen Regierung, und Kenner der Verhältnisse meinten, allen Grund zu eindringlicher Warnung zu haben. Pfarrer Kühn tat nach seiner Möglichkeit alles, um seine Gemeindeglieder anderen Sinnes zu machen, gebetet, gemahnt, gewarnt nach Gottes Wort öffentlich in der sonntäglichen Predigt und in der berufenen Versammlung der Bauern, und privatim im Umgang mit den einzelnen im Hause und auf der Straße; ich habe den Herrn angerufen und mich gesorgt und gekümmert — es ist umsonst.“ Alles Abmahnen, Bitten, Warnen half nichts; es stand für den Großteil der Bauern nun einmal fest, daß es in ihren bisherigen Wohnsitzen nicht mehr auszuhalten sei und daß in den neuen Dörfern das volle Glück sie erwarte. „Wir Deutschen sind so: wenn wir Brot haben, wollen wir Semmel haben.“ Jeder aber, der da glaubte, hinter diese Hoffnungen ein ernstes Fragezeichen setzen zu müssen, wurde als ein Mißgünstiger angesehen. Und in diese Lage geriet Pfarrer Kühn. Heimlich wuchs eine Feindschaft gegen ihn heran, und aus seinen früheren Strafreden gegen ihre Trunksucht und Unverträglichkeit entnahm man nur das eine, daß er von allem Anfang ihr ausgesprochener Feind gewesen sei; mancher grüßte ihn nicht mehr auf der Straße, ja in einer Versammlung wurde er unter Zustimmung der Anwesenden als „Bluthund“ bezeichnet. Diese Feindschaft nahm sogar bedrohliche Formen an. Er hatte einen Mann wegen Trunksucht vom Abendmahl zurückgewiesen; dieser drang, mit einem dicken Knüppel bewaffnet, in die Pfarrwohnung ein, um Rache zu nehmen, ohne jedoch seine Absicht ausführen zu können. 61 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 062 ============================================================================ So waren es sorgenvollste Wochen und Monate, die Pfarrer Kühn durchleben mußte. Zwar gesundete seine Frau während des Aufenthaltes in Tultscha, sie sehnte sich aber nach den gemachten Erfahrungen um so mehr nach der Heimat zurück, als sie neue Mutterhoffnungen hatte. War dies Grund genug, wiederholt um die Abberufung zu bitten, so lag auf der anderen Seite’ der Gedanke quälend auf dem Pfarrer, daß das Ende seiner Amtstätigkeit mit der Auflösung der Gemeinde zusammenfiel. Mußte nicht der Eindruck entstehen, daß er mit seiner pfarramtlichen Tätigkeit nichts anderes erreicht habe als die ganze Gemeinde auseinanderzusprengen? Ende Januar des Jahres 1862 bereiste der Gouverneur von Tultscha, Soliman Bey, auf Bitten Kühns selbst die Gemeinden, und einige Tage später tat Konsul Blücher aus Galatz das gleiche. Den ernsten und eindringlichen Worten und Mahnungen dieser beiden mit starker Autorität ausgestatteten Männer gelang es — jedoch nur ganz vorübergehend — die Bauern umzustimmen, doch wenige Tage darauf schickten sie Abgesandte in die Orte ihrer Wahl. Je mehr ihnen abgeredet wurde, um so fester wurzelte der Abwanderungsgedanke. Das Fieber ließ sie nicht los. Das Gefühl, bei diesen beiden Verhandlungen nicht rühmlich abgeschnitten zu haben, machte sich in weiterer Entfremdung gegen den Pfarrer Luft, der ja diese für sie peinlichen Besprechungen veranlaßt hatte. Nicht einmal das Auseinandergehen konnte etwas Versöhnendes haben, da Pfarrer Kühn von jedem Abwandernden einen Anteil von 5 Dukaten für das zum Kirchlein geschenkte Geld und einen Beitrag zur Deckung seiner Rückreisekosten einfordern mußte. Nachdem die Bauern ihre Vorräte wie auch ihr Vieh zum Teil weit unter Preis schon im Herbst verkauft, auch die Zäune von ihren Grundstücken weggerissen und als Brennholz verwandt hatten, begann mit dem Beginn des Frühjahrs die Abwanderung. Nur wenige Familien blieben zurück. Nun konnte auch der Pfarrer seine Koffer packen. Aber vorher gab es noch schmerzbewegte Abschiedsstunden. Am Karfreitag vormittag fand Konfirmation und Abendmahlsfeier statt, an der sich längst nicht so viele Gemeindeglieder beteiligten wie in den früheren Jahren. „Am Nachmittag sprach ich das letzte Wort zur Gemeinde. Ich stand zum letzten Male auf der Stätte, von der ich vier Jahre hindurch im fernen Lande des Herrn Wort gepredigt hatte. Die Versammlung war, oblgeich schon ein Teil der Colonisten ausgewandert war, sehr zahlreich. O, ich mußte ein ernstes trauriges Wort als das letzte reden. Mein Text war: Lukas 13,34.35. Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten usw. Ich legte der Gemeinde zum letzten Male klar den seit Jahren und Jahren ihnen kundgewordenen Gnadenwillen vor, sie zu sammeln wie eine Henne ihr Nest unter ihre Flügel. Ich zeigte ihr mit klaren Worten ihren Ungehorsam gegen den Herrn, auch das Steinigen derjenigen, die zu ihr gesandt waren in ihrem Verhalten gegen den von ihnen vertriebenen sehr würdigen Pastor Bonekemper und in ihrem Verhalten gegen mich. Ich zeigte ihr die nun auch an ihr in der buchstäblichen Erfüllung begriffene Weissagung des Herrn: Euer Haus soll euch wüste gelassen werden und bat und mahnte mit ganzer Seele, sie möchten bald sagen lernen: Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn. So werde der Herr auch wieder zu ihnen kommen. — Es flossen Tränen, aber am Ostersonnabend und am dritten Ostertage zogen die letzten davon.“ „Am Ostersonnabend früh reiste ich ab nach Tultscha. Die Wenigen, die zurückblieben, hatten sich alle Tage bei mir versammelt; sie waren den Morgen da, Männer, Weiber und Kinder. Der Abschied war schwer. Von den Auswanderern kamen gar wenige zum Abschied. Durch das von ihnen eingezogene Reise- 62 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 063 ============================================================================ und Kirchenbaugeld waren sie denn nicht freundlicher gegen mich gestimmt worden. — Ein gottesfürchtiger Greis, ein vorzüglicher Mann, gab uns das Geleite nach Tultscha. Wir kamen durch Katalui. Es waren nur noch fünf deutsche Familien dort. Fünfzig deutsche Häuser waren mit Tataren gefüllt. Hier traf ich eine Auswandererfamilie aus Tschukurow. Die Frau war auf der Reise entbunden worden. Ich taufte ihr zwei Tage altes Kind und erinnerte sie an des Herrn Wort: Wehe aber den Schwangern und Säugern zu der Zeit. In Tultscha hielt ich Ostergottesdienst mit Abendmahl und am 2. Festtage den Abschiedsgottesdienst. Doch es war nicht der letzte. Die wenigen treuen Seelen aus Atmadscha kamen noch zweimal nach Tultscha, um Gottes Wort zu hören und Abschied zu nehmen. Der Abschied wurde auch ihnen gar so schwer. Ich reiste am Freitag nach Ostern zu einem kurzen Besuch nach Konstantinopel. Als ich am drauffolgenden Sonntag nach Tultscha zurückkam, standen die lieben Treuen von Atmadscha schon am Ufer, um mich zu empfangen. Da hielt ich ihnen die letzte Predigt, und es gab einen schmerzlichen Abschied.“ Es ist ein trübes Bild, das sich vor unsern Augen entrollt hat, trüber vielleicht als die Wirklichkeit war. Gegen Pfarrer Kühn ist gelegentlich: der Vorwurf erhoben worden, als sei seine strenge und herbe Art die eigentliche Ursache zur Abwanderung der Bauern gewesen, und sie wären an Ort und Stelle geblieben, wenn sie von seiner baldigen Abberufung Kunde gehabt hätten. Diese Beurteilung seiner Amtswirksamkeit schießt jedoch weit über das Ziel hinaus. Es ist mehr als unwahrscheinlich, daß kein einziger in dem ganzen großen Kirchspiel etwas davon gewußt hätte, daß Pfarrer Kühn schon seit dem Sommer 1861 seine Abberufung betrieb. Es ist auch mehr als zweifelhaft, daß sie, um den ihnen unbequemen erscheinenden Pfarrer loszuwerden, kein anderes Mittel gewußt hätten, als das mühsam Erworbene preiszugeben und mit Sack und Pack auszuwandern. Der letzte und eigentlich treibende Grund zu jenem verhängnisvollen Entschluß der Bauern ist nichts anderes als die Sehnsucht nach goldenen Zeiten gewesen; wenn aber von ihnen in der Tat eine starke Abneigung gegen den Pfarrer auch als maßgebend für ihr Vorhaben angegeben wurde, so erklärt sich dies durch den Wunsch, eine Tat, von deren Berechtigung sie doch innerlich nicht ganz überzeugt waren, durch möglichst viele Gründe zu stützen. Aber wie in allem ein Fünklein Wahrheit enthalten ist, so auch hier. Kühn litt an demselben Fehler, mit dem wohl alle jungen Pfarrer in den ersten Amtsjahren behaftet sind. Man erwartet, daß die vom Feuer der ersten Liebe getragene Wirksamkeit sofort sichtbare Früchte der Besserung und Bekehrung zeitige. Und Kühn hatte sich unter einer Diasporagemeinde eine Schar von Heiligen vorgestellt und suchte die Ursache seiner Enttäuschung in den Menschen, die seiner Erwartung nur sehr mangelhaft entsprachen. Er kam an Jahren jung und ohne jegliche praktische Lebenskunde in ein besonders schwieriges Amt; diesen Mangel hat er selbst deutlich gespürt und ihm gelegentlich offenen Ausdruck gegeben. „Er war vielleicht in manchen Dingen strenger als nötig und, mit Rücksicht auf die hiesigen Verhältnisse und gegenüber einer Gemeinde, die von Kirchenzucht keine Ahnung hatte, ratsam gewesen wäre.“ Dazu kam der Druck, der auf seinem persönlichen Leben lag; erst die Einsamkeit und dann die steten Sorgen um die Gattin. Aber von keiner Seite ist jemals die Ehrlichkeit seiner Absichten noch die Lauterkeit seines Charakters in Zweifel gezogen worden. Nur allzu rasch war der Traum der Bauern vom Paradiese ausgeträumt. Alle ihre Erwartungen wurden auf das Schmählichste getäuscht, und sie suchten eiligst in ihre alten Wohnstätten zurückzukehren. Semmel hatten sie nicht 63 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 064 ============================================================================ gefunden; sie waren froh, auf der alten Scholle wieder wie früher ein Stück Brot erarbeiten zu können. Durch Vermittlung des Konsuls Blücher erhielten sie die Erlaubnis, ihre ehemaligen Wohnstätten wieder beziehen zu dürfen und waren glücklich, daß sie diese nicht, wie es ihre Absicht gewesen war, niedergebrannt hatten und daß sie inzwischen noch nicht von Tataren eingenommen worden waren. Aber sie waren vollkommen verarmt. Konnte Pfarrer Kühn noch im November 1861 von ihnen schreiben, daß sie „20 bis 30 Stück Rindvieh und 4 bis 6 Pferde im Stalle haben, ohne die schweren blanken Dukaten, die gar mancher in seinem Hause verborgen hält“, so hatten sie ein Jahr darauf nichts zu brechen und zu beißen. Sie hatten nichts ausgesät und konnten darum auch nichts ernten. In dieser Not kamen ihnen die vor der Abwanderung abgenommenen 5 Dukaten, die nunmehr zurückgezahlt wurden, sehr zustatten. So konnten sie wenigstens Saatgetreide kaufen. Und zu dieser bitteren Armut gesellten sich die bitteren Selbstanklagen. Sie selbst waren schuld an dem Elend, das über sie gekommen war, und die zahllosen Warnungen und Mahnungen ihres früheren Seelsorgers erschienen ihnen jetzt nicht mehr als Ausdruck seiner Mißgunst und Gehässigkeit, sondern als tiefe Besorgnis eines um ihr Heil innerlich bekümmerten Mannes. „Jetzt sehen die Bauern ein, wie sehr sie sich versündigt haben, den Segen einer kirchlichen Gemeinschaft von sich zu stoßen. Viele, wohl die meisten seufzen nach einem Geistlichen und erkennen es nunmehr mit Reue, sich gegen den Pastor Kühn so verwerflich benommen und alle seine Mühe so mit Undank gelohnt zu haben 1).“ „Mit Recht sehen die meisten ihren Jammer als eine gerechte Strafe des Herrn an; viele baten mich herzlich und dringend, ihrem früheren Herrn Pfarrer Kühn doch zu schreiben, daß sie jetzt gar sehr bereuten, seinem Rat nicht gefolgt und ihn so tief gekränkt zu haben. Sie bitten um Verzeihung, weil sie nun den Verlust wohl fühlen, der sie durch den Weggang ihres Hirten betroffen hat 2).“ Das war eine späte und schmerzliche Genugtuung für Pfarrer Kühn. Raymund Netzhammer - Erzbischof von Bukarest Eine kurze Biographie Von Dr. Isidor Bachmeier und Prof. Dr. Hieronymus Menges Von 1648 bis 1883 fungierten die Bischöfe von Nicopolis (ad Istrium sive Danubium) in Bulgarien gleichzeitig als Administratoren für die katholischen Gläubigen der Walachei und der Dobrudscha. Seit dem Jahre 1792 residierten die Bischöfe von Nicopolis schließlich in Bukarest. Es waren dies Paulus Dovanlia von 1792 bis 1804, Franziskus Ferreri von 1804 bis 1813, Fortunatus Ercolani von 1815 bis 1822, Josephus Molajoni von 1825 bis 1847, Angelus 1) Brief des Obersten von Malinowski-Tultscha an den Ev. Oberkirchenrat vom 6. August 1862. 2) Bericht des Pfarrers Neumeister-Galatz an den Oberkirchenrat über einen der Gemeinde Atmadscha Mitte August 1862 abgestatteten Besuch. 64 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 065 ============================================================================ M. Parsi von 1847 bis 1863, Antonius Josephus Pluym von 1863 bis 1869 und Ignatius Paoli von 1870 bis 1883. Alle diese Oberhirten führten immer noch den Titel eines Bischof von Nicopolis und eines Administrators für die Walachei, bis Papst Leo XIII. am 27. April 1883 das Erzbistum Bukarest schuf und Ignatius Paoli zum ersten Erzbischof von Bukarest ernannte, Diesem folgten Josephus Palma von 1885 bis 1890, Constantin Costa von 1890 bis 1894 (als Apostolischer Administrator für die (Erzdiözese Bukarest), Otto Zardetti von 1894 bis 1895 und Xaverius von Hornstein von 1896 bis 1905. Der erste Erzbischof von Bukarest, Ignatius Paoli, erstellte die große Kathedrale St. Joseph und eröffnete 1870 ein Priesterseminar in Bukarest. Sein Nachfolger, Erzbischof Joseph Palma, trug wesentlich zur Innenausstattung der neuen Kathedrale bei. Der Apostolische Administrator Constantin Costa erbaute das Priesterseminar und Erzbischof von Hornstein das herrliche Bischofspalais an der Strada Esculap sowie ein Gymnasium an der Strada Calarasilor. Zu diesem Zwecke hatte er auch 1898 die Schulbrüder wieder nach Bukarest gerufen und sie mit der Leitung dieses Gymnasiums betraut. Es ist nicht der Ort, die Verdienste zu würdigen, die sich die genannten Bischöfe um die Diözese Bukarest, die damals noch Missionsgebiet war, erworben haben. Vielmehr wollen wir unser Augenmerk auf den Nachfolger Hornsteins lenken, auf Erzbischof Raymund Netzhammer, der seine Vorgänger auf dem erzbischöflichen Stuhl zu Bukarest durch seine Fähigkeiten auf den Gebieten der Seelsorge und Verwaltung, der Naturwissenschaft, Archäologie und Numismatik an Bedeutung überragte. Bei dieser Lebensskizze soll Erzbischof Netzhammer selbst möglichst häufig zu Wort kommen, indem erstmals Auszüge aus seinen „Memoiren“ abgedruckt werden. Mit Rücksicht auf das Jahrbuch, in welchem diese Biographie erscheint, konzentriert sich die Darstellung vorrangig auf Netzhammers Tätigkeit in und für die Dobrudscha. Der Ordensmann Albin Netzhammer wurde am 19. Januar 1862 in Erzingen (Baden) als Sohn des Josef Netzhammer und seiner Ehefrau Brigitte, geb. Stoll, geboren. Der aufgeweckte und sehr begabte Junge wurde 1876 in das Klosterstift Maria Einsiedeln (Schweiz) geschickt. Dort entschloß er sich, das Gewand des hl. Benedikt zu nehmen und trat im Jahre 1880 in das Noviziat ein. Am 8. September 1884 legte er die feierliche Profeß ab. Den Namen Raymund erhielt er als Mönch bei der einfachen Profeß am 8.9.1881. Zwei Jahre später wurde er zum Priester geweiht (5. 9. 1886) und unterrichtete anschließend von 1887 bis 1900 am Stiftsgymnasium Mathematik, Physik und Chemie. Eines Augenleidens wegen wirkte er ein Jahr lang (1893/94) als Vikar in Montreux am Genfer See. Dort fiel er sehr rasch durch seine hervorragenden Predigten auf. In der Folgezeit beanspruchte man ihn bevorzugt als Festprediger. Netzhammer, dem eine angeborene Eloquenz eigen war, befleißigte sich stets, jede Predigt genau vorzubereiten. Als Gymnasialprofessor tat sich Pater Raymund ebenfalls hervor; nicht zuletzt durch die Veröffentlichung seines „Lehrbuches der ebenen und sphärischen Trigonometrie‘“ (1889) sowie durch Bücher über Arithmetik, Algebra, Geodäsie und Geschichte. Er modernisierte die chemischen und physikalischen Laboratorien des Stifts und half beim Einbau der neuen Orgel für die Klosterkirche und der Uhren für die Kirchtürme sowie bei der Elektrifizierung der Klostergebäude. 65 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 066 ============================================================================ Im Jahre 1899 trat der Bukarester Erzbischof Xaver von Hornstein mit der Bitte an das Kloster Einsiedeln heran, die wissenschaftliche Leitung des Bukarester Priesterseminars zu übernehmen. Kardinal Ledochowski, Präfekt der Propagandakongregation zu Rom und Freund des Stiftes Einsiedeln, unterstützte das Anliegen des Bukarester Erzbistums, das seiner Kongregation unter- stand, mit Nachdruck. Abt Columban Brugger hielt also eine Beratung mit dem Stiftkapitel ab. Zwei Patres sollten für die Bukarester Aufgabe zur Verfügung gestellt werden und zwar die beiden Patres Raymund Netzhammer und Lucius Fetz, zwei Mönche von umfassender Allgemeinbildung und guten Sprachkenntnissen. Netzhammer schreibt in „Mein Sekretär“ S. 9: „Die Nachricht von meiner Berufung nach Bukarest erreichte mich auf telegraphischem Wege in Schottland. Abt Columban hatte mir gütigst Ferien im schottischen Kloster Fort Augustus am Kaledonienkanal erlaubt. Jetzt mußte ich sie allerdings abbrechen und unter Benutzung der raschesten Verbindungen in die Schweiz und in das Kloster zurückkehren. Die Zeit reichte noch knapp zu einem kleinen Abstecher in die Heimat, um mich vom fast achtzigjährigen Mütterchen und den Geschwistern zu verabschieden.“ Der Tag der Abreise wurde auf den 15. September 1900 festgesetzt. Der Stiftsdekan, P. Thomas Bossart, der Bukarest bereits kannte, sollte die beiden jungen Patres begleiten. „Die Reise nach Rumänien wurde zu einer frohen Fahrt! Wir zwei Auserwählten waren voll Hoffnung, Mut und Tatendurst, und unser Begleiter, Dekan P. Thomas, durch und durch ein Idealist und Optimist, unterstützte kräftigst unseren Frohsinn“ (Mein Sekretär, S. 10). Zwischenstationen wurden im Kloster St. Peter zu Salzburg, im Stift Melk und im Schottenkloster zu Wien eingeschoben. Am 20. September 1900 langten die drei Benediktinermönche schließlich in Bukarest an, wo sie von den Seminaristen und Professo- ren herzlich empfangen wurden. Netzhammer und Fetz fühlten sich in ihrem Optimismus rundum bestätigt. Erzbischof Hornstein befand sich, als die Patres aus Einsiedeln ankamen, gerade nicht in Bukarest, so daß er sie erst am 15. Oktober 1900 empfangen konnte. Er ernannte P. Raymund zum Rektor des Priesterseminars und zum Verwalter des erzbischöflichen Gutes zu Cioplea. Netzhammer kniete sich mit aller Energie in seine neuen Aufgaben, fand jedoch noch Zeit, Rumänien zu durchstreifen. Er fotografierte und notierte alles, was sein Interesse weckte. Nachdem er in den Tagen um Allerheiligen 1901 in Malkotsch eine Volksmission abgehalten und sich am 24. Mai 1902 an der Weihe der neuen Kirche zu Karamurat beteiligt hatte, erwachte eine gewisse Vorliebe für die Dobrudscha, über die er in der Folgezeit viel schrieb. Über die Karamurater Feier vom 24. Mai 1902 notierte er: „Jene Weihe (der neuen, unter Pfarrer Mierzowski begonnenen Pfarrkirche) war ein großer festlicher Anlaß, zu dem sich ein zahlreicher Klerus um den Oberhirten (Hornstein) versammelte, und an welcher nicht nur Vertreter der deutschen katholischen Kolonien, sondern auch rumänisch-orthodoxe Behörden teilnahmen“ (Mein Sekretär, S. 31). Schon Anfang Juni 1902 erhielt Netzhammer von seinem Abt wieder die Weisung, nach Abschluß des Schuljahres mit P. Lucius Fetz nach Einsiedeln zurückzukehren. So mußten die beiden Benediktiner am 29. Juni1902 Bukarest „Adieu“ sagen und fuhren über Orsova, Bazias, Budapest, Wien, Villach, Venedig, Padua, Gardasee, Mailand, Bellinzona und Schwyz nach Einsiedeln zurück, das sie am 10. Juli erreichten. P. Raymund übernahm wieder den Unterricht für Naturwissenschaften am Stiftsgymnasium. Im Oktober 1903 erfolgte die 66 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 067 ============================================================================ ehrenvolle Berufung Netzhammers als Professor an das Benediktinerkolleg San Anselmo in Rom und im November des folgenden Jahres als Rektor des griechischen Kollegs St. Athanasius (ebenfalls in Rom). Der Erzbischof von Bukarest Am 31. Dezember 1904 mußte Erzbischof Xaver von Hornstein Rumänien verlassen; er starb am 4. Juni 1905 in Evian les Bains (Frankreich). Papst Pius X. bestimmte Raymund Netzhammer am 16. September 1905 zu Hornsteins Nachfolger. Am 5. November 1905 wurde P. Raymund in der Abteikirche von San Anselmo zu Rom zum Bischof geweiht. P. Lucius Fetz und vier Geistliche aus Rumänien wohnten der Feier bei: Es waren dies die Domkapitulare Baud und Geraud sowie Pfarrer Julius Hering und der rumänisch-unierte Geistliche Bortnowski. Am folgenden Tage wurden sie alle zusammen vom Papst in Privataudienz empfangen. Pius X. ermunterte den neuen Oberhirten der Bukarester Diözese und schenkte ihm ein Brustkreuz. P. Lucius forderte er auf, dem neuen Erzbischof nach Bukarest zu folgen, um dessen Arbeit als Sekretär zu unterstützen. Erzbischof Netzhammer fuhr am 5. Dezember 1905 nach München ab, wo er den Apostolischen Nuntius sowie den Münchner Erzbischof, Kardinal von Stein, und das Mutterhaus der Englischen Fräulein in Nymphenburg besuchte; die Englischen Fräulein wirkten seit 1862 in der Erzdiözese Bukarest und unterhielten .dort fünf Institute mit Mädchenschulen und Internaten. In Salzburg traf Netzhammer mit Kardinal Katschtaler, in Wien mit Kardinal Gruscha und Kaiser Franz Joseph, dem größten Wohltäter des Erzbistums Bukarest, zusammen. Der rumänische Gesandte in Wien, Emil Ghika, ließ es sich nicht nehmen, Netzhammer und Fetz zum Essen einzuladen. In Großwardein stiegen sie beim unierten Bischof Dr. Demeter Radu ab, der vormals Professor und Rektor des Priesterseminars zu Bukarest war. P. Lucius fuhr nun direkt nach Bukarest, um Netzhammers Inthronisation vorzubereiten, während dieser dem unierten Bischof von Lugoj, Vasile Hossu, einen Besuch abstattete. Am 17. Dezember 1905 kam er in Bukarest an, wo er — wie der Bukarester Schematismus von 1933 sich ausdrückt — „mit größter Freude empfangen worden ist“. Netzhammer bemerkt zu diesem Ereignis: „An jenem Tage nahm ich Besitz von dem majestätischen, parkumschlossenen erzbischöflichen Residenzschloß, das Erzbischof Hornstein wunderbar erbauen ließ. Hier harrte P. Lucius an meiner Seite als Sekretär aus von jenem 17. Dezember 1905 bis zum 15. Juli 1924, als ich gezwungen wurde, die Marmortreppe des Palastes herunterzusteigen und die mir angetraute Diözese zu verlassen. Mein Mitbruder hat mir buchstäblich bis zum letzten Atemzug uneigennützigste Liebe und goldene Treue gehalten“ (Mein Sekretär, S. 52). Erzbischof Netzhammer setzte keinen Generalvikar ein, sondern übertrug die diesbezüglichen Aufgaben seinem Sekretär P. Lucius. Dieser stellte eine deutsche Köchin und einen rumänischen Diener ein, „der nur der rumänischen Sprache mächtig, ansonsten aber Analphabet war. Das hatte den großen Vorteil, daß wir unsere Schriften ruhig auf unseren Schreibtischen liegenlassen konnten und uns bei der Tischunterhaltung unbelauscht wußten“ (Mein Sekretär, S. 53). Der Erzbischof beantwortete die an ihn gerichtete Korrespondenz selbst. Außerdem überwachte er das gesamte Rechnungswesen des Ordinariates persönlich. Sein Sekretär P. Lucius hatte alles andere zu regeln: die Beantwortung der Ehedispenzen, die Bitten um MeBintentionen, den Großteil der Verwaltungskorrespondenz, die Abfassung der Zirkulare, der Ernennungsdekrete und 67 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 068 ============================================================================ der lateinischen Briefe. Bei allen wichtigen Entscheidungen holte der Erzbischof den Rat seines Sekretärs ein, der ansonsten voll in die Verwaltung eingespannt war: Die erzbischöflichen Güter, Grundstücke und Häuser waren zu verwalten, die unierte Kirche, das neue Vereinshaus Tomis, das Konvikt „St. Andreas“, die katholische Schule in Craiova und anderes mehr. Die Aufgeschlossenheit des neuen Erzbischofs machte sich schon innerhalb des erzbischöflichen Palais bemerkbar: Fast immer hielten sich hier Gäste auf. Die Diözesanpriester, die zur Berichterstattung und dergleichen zu Netzhammer gekommen waren, wurden hier beherbergt. Bischöfe, sowie geistliche und weltliche Würdenträger benachbarter Diözesen und Länder suchten die Bekanntschaft mit dem klugen und gebildeten Erzbischof. König Karl I. und Kronprinz Ferdinand pflegten zur Sonntagsmesse in die erzbischöfliche Kapelle zu kommen, um sich anschließend mit Netzhammer über Wissenschaft und die politische Lage zu unterhalten. Auch das in Bukarest akkreditierte diplomatische Corps kam, soweit es katholisch war, sonntags in die erzbischöfliche Kapelle und unterhielt freundschaftliche Kontakte zu Netzhammer. Auch hohe Beamte der rumänischen Regierung verkehrten im bischöflichen Palais. Netzhammer stand in Verbindung mit markanten Persönlichkeiten des politischen und wissenschaftlichen Lebens Rumäniens, so mit Sturdza und Carp, mit Ionel Bratianu und Haret, mit Marghiloman und Maiorescu, mit Duca und Disescu, mit Kalinderu und Bianu und vielen anderen. Die Bischöfe von Jassy, Alba Julia und Rustschuk, von Lugoj, Klausenburg und Großwardein kannte er persönlich ebenso gut wie die Oberen der katholischen und orthodoxen Klöster. Im Laufe der Jahre entwickelte sich manch enge Freundschaft. P. Dr. Ildefons Betschart schrieb über den Beginn von Netzhammers bischöflichem Wirken in Bukarest: „Rasch erarbeitete er sich nicht nur das Wohlwollen der Gläubigen, sondern auch des Klerus sowie die Achtung und Hochschätzung der Diplomaten- und Gelehrtenwelt des Königreiches. Vom König hieß es, daß er unangenehmen Besuchern zwei Finger seiner Hand zur Begrüßung reichte. Am Anfang seiner Begrüßungsaudienz erhielt der Erzbischof Netzhammer wirklich nur zwei Finger, am Schluß aber herzlich und freudig die ganze Hand. — Ohne große Worte und Proklamationen, aber durch stille und stramme Arbeit ordnete er die durch den Bau des prachtvollen bischöflichen Palais’ etwas ramponierten Finanzen; durch kluges und vornehmes, aber doch gütiges Stehen-über-den-Dingen und vor allem durch unbestechliche Gerechtigkeit gewann er die politisch und völkisch verschieden interessierte Geistlichkeit, die edeldenkend den guten Willen erkannte und vertrauensvoll sich um den Erzbischof scharte. So folgten Jahre steten Aufbaues und tüchtiger Fortschritte“ (In: Die Ostschweiz am 21.9.1945, S. 1). Nachdem Erzbischof Netzhammer ein halbes Jahr in seiner neuen Residenz verbracht hatte, empfand er das Palais — trotz der vielen Besucher — als zu groß. Mit Erlaubnis der Propagandakongregation zu Rom überließ er einen Gebäudeflügel dem „Kleinen Seminar“, dem die Gymnasiasten angehörten. Das damit freiwerdende Gebäude ließ er zur Schule „St. Joseph“ umbauen und vertraute diese den Schulbrüdern an, die bereits von Bischof Augustin Parsi 1861 nach Bukarest gerufen worden waren, das Land 1871 jedoch wieder verlassen hatten; Erzbischof Hornstein holte sie im Jahre 1898 wieder zurück. Ihre bisherige Schule „St. Andreas“ erweiterte Netzhammer 1909 und fügte 1914 ein großes Konvikt hinzu. Besuchten im Jahre 1906 noch 723 Schüler die Schule, so stieg die Schülerzahl im Jahre 1914 auf 1135, worunter sich 486 katholische Buben befanden. Zu Beginn der Fastenzeit 1906 sandte Netzhammer seinen ersten Hirtenbrief an die Gläubigen. Er befaßte sich hierin mit der Notwendigkeit des christlichen 68 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 069 ============================================================================ Unterrichts. Außerdem war ihm dieser Brief, der in allen katholischen Kirchen des Erzbistums verlesen wurde, Anlaß, sich der ihm anvertrauten Herde vorzustellen. Bezugnehmend auf das Wort Jesu an Simon, das Netz auszuwerfen, wandte er sich folgendermaßen an die Diözesanen: „Auch an mich erging ein ähnliches Wort. Nachdem der erzbischöfliche Stuhl von Bukarest durch das Hinscheiden des Hochwürdigsten Herrn Erzbischofs Franx Xaver von Hornstein verwaist war, bestellte der Heilige Vater Papst Pius X. mich zum Hirten über die Katholiken dieser Erzdiözese. Er befahl mir, als katholischer Erzbischof in das Königreich Rumänien zurückzukehren, das ich vor vier Jahren in der Eigenschaft als Oberer des erzbischöflichen Seminars verlassen hatte. Anfänglich wollte ich mich weigern. Dies freilich nicht mit Rücksicht auf das Land, das ich während meines zweijährigen Aufenthaltes daselbst liebgewonnen hatte, wohl aber wegen der Schwierigkeit der Stellung und der Größe der mit diesem Amte verbundenen Verantwortlichkeit. Als sich aber der Heilige Vater unerbittlich zeigte und auf seinem Befehl beharrte, da schaute ich mutvoll in sein väterliches Auge und — mir bewußt, vor dem Stellvertreter Christi auf Erden zu stehen — sagte ich entschlossen: ‚In verbo tuo laxabo rete!‘ ‚Auf Dein Wort hin will ich das Netz auswerfen!“ Hirtenbrief und Fastenverordnung wurden mit Rücksicht auf die verschiedenen Sprachgruppen auf Deutsch, Französisch, Rumänisch und Ungarisch abgefaßt. Wenige Tage später, am 19. März 1906, gab Netzhammer seinen Seelsorgern und Gläubigen das Programm seiner Hirtenreise bekannt, die er im Mai durchzuführen gedachte. Seine erste Firmreise führte ihn über Campina nach Braila, über Macin zur Italienerkolonie Iacobdeal, nach Malkotsch,, Katalui, Tultschea und Sulina. Von hier aus brachte ihn ein Schiff nach Konstanza. Mit Pferdegespann ging es weiter nach Mandschapunar, Karamurat und Kulelie. Netzhammer beschreibt diese fast dreiwöchige Reise folgendermaßen: „Als der Zug im Bahnhof Braila einfuhr, stimmte der Kirchenchor ein Begrüßungslied an. Es folgten Empfang und Vorstellungen. Neben der katholischen Geistlichkeit und Kirchenvorsteherschaft waren auch rumänische Behörden erschienen ... Die Pastoralreise verlief bezüglich der Empfänge und Besuche, der Visitationen und Zeremonien, der Firmungen und Ansprachen in der gleichen Weise, wie solche von meinem seligen Vorgänger durchgeführt wurden. Landschaftlich brachte sie mir nicht viel Neues, da ich die Pfarreien Braila, Tultschea, Malkotsch und Sulina von früher her kannte und Karamurat und Kulelie anläßlich einer Firmung und Altarweihe mit Erzbischof Hornstein 1902 besucht hatte. Neu war die Donaufahrt mit einem Privatdampfer von Braila, an Matschin vorbei, nach der Italienerkolonie Jakobsberg (Iacobdeal), wo Granitbrüche ausgebeutet werden. Hier gab es eine harte und unerquickliche Arbeit mit den schlecht oder gar nicht unterrichteten Firmlingen. Unverzüglich muß für Seelsorge und Schule gesorgt werden! Ein kulinarisches Unikum erlebten wir im deutschen Dorf Malkotsch. Besuch und Firmungsfeier fielen dort auf einen Freitag. Der Pfarrer Alois Gonska hatte für diesen Tag seine Pfarrangehörigen vom Abstinenzgebot dispensiert, ließ aber seinen Gästen in einer unerhörten Fülle und Mannigfaltigkeit Fische vorsetzen. Feinster Kaviar eröffnete dieses einzigartige Essen. Ihm folgten getrocknete und geräucherte Fische verschiedenen Kalibers und dazu jedesmal ein passendes Gläschen Wein. Als man das Ende des Mahles nahe glaubte, war noch nicht einmal der Kulminationspunkt erreicht, denn jetzt erst wurden die dampfenden Fischsuppen aufgetischt, an welche sich dann die Platten mit gedünsteten, gebratenen und gerösteten Fischen anschlossen. Man sollte offenbar alles kosten, was die Donau und das Delta, die Brackwasserseen und das nahe Meer 69 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 070 ============================================================================ an leckeren Wassertieren bergen. Nicht der Pfarrer hatte die Speisenfolge aufgestellt, sondern der Hauptfischer des Dorfes, der sich zugleich als zünftiger Fischkoch einstellen ließ und die ganze Verantwortung für das Fischessen übernommen hatte. In Sulina fand der Empfang der ‚Drau‘ statt. Alles ist in dieser Stadt auf Hafen und Flotte abgestimmt. Die Prozession zur Kirche führte durch einen interessanten Wald buntfarbiger Flaggen und merkwürdiger Signalwimpeln. Auch die Besuche bei der europäischen Donaukommission und auf den Schiffen hatten internationalen Charakter. Von Sulina ging es auf dem Schwarzen Meer nach Konstanza. Auf der „Bosnia“ hatten wir bei mäßig bewegter See eine wohltuende Abend- und Nachtfahrt. In Konstanza zeigten sich besonders der Franzose Magrin und der Schiffsagent Tozzi, dem auch ein Töchterchen zu taufen war, sehr gefällig. Der Aufenthalt in der aufblühenden Hafenstadt war angenehm. Völlig neu war mir das schön in flacher Bucht des Schwarzen Meeres gelegene deutsche Dorf Mandschapunar, das von Konstanza aus von Pfarrer Bibiella betreut wird. Es war eine wunderbare Wagenfahrt dorthin mit fast beständigem Blick auf das Meer. Reizend war die Begrüßung im Türkendorf Tuzla durch den Bürgermeister, der eine kurze Ansprache hielt, durch den Lehrer, welcher mit den Schülern ein rumänisches Lied sang, und durch die Kingergärtnerin, welche ihre lächelnden Kleinen mit Fähnchen dem katholischen Erzbischof zuwinken ließ. Geradezu rührend war der Empfang in Mandschapunar selbst, wo das Volk am Eingang des Dorfes den von jugendlichen Reitern eingeholten Wagen des Erzbischofs erwartete und den Oberhirten zur schönen, frisch aufgeputzten Kirche geleitete. Hier atmete alles Ernst und stille Freude, welche sich durch verstohlene Tränen in den Augen vieler offenbarte. Welch ein schönes Bild, ein gutgläubiges Volk zu heiligen Handlungen im Gotteshaus versammelt zu sehen! Und wie heimelig und traut war es nach den langen Gebeten und Zeremonien der Kirche am Mittagstisch des einfachen Kirchenvaters! Ähnliche wohltuende Eindrücke hinterließen die zwei nordwestlich von Konstanza gelegenen Pfarreien Karamurat und Kulelie. Diese erste Pastoralreise durch die Dobrudscha, welche in Medgidie ihren Abschluß fand, brachte mir viel Trost und läßt hoffnungsvoll in die Zukunft blicken .. . Die Anzahl der Firmlinge war in Braila 183, in Iacobdeal 94, in Tulcea 27, in Malkotsch 115, in Katalui 83, in Sulina 32, in Konstanză 68, in Mandschapunar 63, in Karamurat 64, in Kulelie 48, in Cioplea 74 und in Popesti 81.“ (Tagebuch 1908, S. 24—26). Den Tagebuchaufzeichnungen kann man entnehmen, daß Netzhammer feierliche Pontifikalämter und offizielle Empfänge in den deutschen Gemeinden liebte. Bei seinem öffentlichen Auftreten war er stets auf größte Pünktlichkeit bedacht; keinesfalls. sollte man auf ihn unnötig warten müssen. Sodann fiel auf, daß Netzhammer auf seinen Pastoralreisen immer auch die wichtigsten Ortschaften der Umgebung aufsuchte, so daß er recht bald alle Sehenswürdigkeiten — seien sie nun landschaftlicher, historischer oder künstlerischer Art — Munteniens und der Dobrudscha kannte. Man wußte das in der rumänischen Regierung, und daher schenkte man ihm und seinem Sekretär alljährlich eine Freikarte für die rumänischen Eisenbahnen. Netzhammer und Fetz nützten dieses Entgegenkommen, um auch solche Landesteile kennenzulernen, die nicht zur Bukarester Diözese gehörten, etwa die Moldau mit den berühmten orthodoxen Klöstern. In den Gemeinden seiner Diözese achtete er darauf, daß für ausreichenden 70 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 071 ============================================================================ Unterricht gesorgt wurde. Auch auf dem Gebiet der Krankenpflege machte er sich durch die Berufung der Vinzenzschwestern verdient, die im Mai 1906 von Konstantinopel kommend in Bukarest eintrafen. Ihre segensreiche Tätigkeit manifestierte sich im Bau des großen Sanatoriums bei der Statuia Aviatorului. Prinz Vladimir Ghika, der zum katholischen Glauben übertrat und Priester wurde, hatte die Berufung der Vinzenzschwestern energisch betrieben. Von 1906 bis 1913 verbrachten der Erzbischof und sein Sekretär die Sommerferien stets im Kloster Einsiedeln zur Stärkung der physischen und psychischen Kräfte. Mit frischem Mut konnte er jedesmal wieder nach Rumänien zurückkehren. Die beiden Söhne des hl. Benedikt, zu dessen Ordensideal u.a. die sta- bilitas loci gehörte, zogen bei den Fahrten von Bukarest nach Einsiedeln und zurück nicht den direkten Weg vor, sondern beschritten jedesmal neue Umwege, die sie durch viele Länder führten. So nahmen sie im Jahre 1907 am Eucharistischen Kongreß in Metz teil und fuhren von dort weiter nach Belgien, wo sie verschiedene Klöster und Sehenswürdigkeiten aufsuchten. „Im folgenden Jahr (1908) machten wir“, so erzählt Netzhammer, „den großen Umweg über Konstantinopel und Saloniki nach Hochmazedonien hinaus. In Rumänien sprach und schrieb man damals viel von den Kutzowalachen, von den Stammesverwandten der Rumänen in Mazedonien. Man nahm sich in Rumänien dieser Leute an, um in den mazedonischen Fragen mitreden zu können. Für uns konnte es nur von Nutzen sein, diese Kutzowalachen in Mazedonien selbst aufzusuchen. P. Lucius und ich fuhren aber gerade von Saloniki nach Monastir (Bitolia) hinauf und weiter im Wagen nach Ochrida, als die von Enverbey in Resna ausgerufene Revolution in vollem Gange war. P. Lucius zeigte viel Unerschrockenheit. Froh waren wir aber doch, als Mazedonien und Uskiib mit den unheimlichen Banden und aus den Gefängnissen losgelassenen Mördern und Sträflingen hinter uns lagen! Über Belgrad, Agram und Graz erreichten wir das Kloster Seckau und nachher das berühmte alte Stift Admont. Welch’ großartige Heiligtümer und Kulturstätten das sind!“ (Mein Sekretär, S. 90). Im Frühjahr 1910 unternahm Netzhammer mit seinem Sekretär eine vierzehntägige Reise nach Smyrna, Ephesus, Tralles, Hieropolis, Laodicea, Sardes und andere historische Stätten Kleinasiens. Dieser Ausflug „auf paulinischem und frihchristlichem Boden“ (Mein Sekretär, S. 94) trug ebenso wie die mannigfachen Ausflüge in andere Länder und Gegenden zur Horizonterweiterung und Bildung des Erzbischofs bei. Die Früchte hiervon waren im Wirken Netzhammers zu spüren, dem jegliche Enge und Verstaubtheit fremd waren. Neben solchen Reisen großen Stils liebte Netzhammer auch Wanderungen, die er bevorzugt in der Schweiz unternahm. Am 30. August 1911 beschrieb er eine solche Wanderung zusammen mit dem Physikprofessor P. Fintan nach Schwyz und zum Dominikanerkloster St. Peter auf dem Bach: „Bevor man sich zum Mittagstische setzte, hat uns P. Martin eine angenehme Überraschung bereitet. Die Türe öffnete sich, und hereintrat P. Willibald Steffen, der Guardian der Kapuziner im hiesigen Kloster. Er wird Tischgenosse sein. Welche Freude! P. Willibald war der erste Seelsorger unserer Karamurater Schwaben in der Dobrudscha. Sein Andenken im deutschen Dorf ist noch sehr lebendig und gesegnet. Er teilte mit den Bauern Freud und Leid, er darbte mit ihnen und war auch glücklich mit ihnen über jede gute Gabe, die Gott und Menschen gespendet hatten. Köstlich erzählte er von jenen fernen Zeiten, welche auf 30 Jahre zurückgehen, als man in Karamurat am Anfang der Dorfbildung stand und als man sich mit einer Kirche aus gestampfter Erde und mit einem Pfarrhaus aus demselben Material behelfen 71 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 072 ============================================================================ mußte. P. Willibald kann kaum glauben, daß heute die Karamurater das schönste Dorf in der Dobrudscha und wohl auch die schönste Kirche besitzen. — Als sich P. Willibald, der der schweizerischen Kapuzinerprovinz angehört, seinen Obern für die orientalische Mission zur Verfügung gestellt hatte, stand die Dobrudscha noch unter türkischer Oberhoheit, und die wenigen katholischen Pfarreien des Landstriches waren von der den Kapuzinern anvertrauten Apostolischen Präfektur von Trapezunt abhängig.“ Im Oktober 1911 kehrten Netzhammer und Fetz aus Einsiedeln mit P. Rupert, dem Ökonom des Stifts, nach Bukarest zurück. Dieser wollte nämlich zur Auffrischung des klösterlichen Pferdebestands vier Zuchtpferde kaufen. Der Erzbischof notierte unter dem 26. Oktober 1911 in seinem Tagebuch: „Von Anfang an hatte ich den Gedanken, daß sich am besten in der Dobrudscha etwas Geeignetes finden lassen werde und zwar bei unseren Musterbauern in Karamurat, die sehr viel auf schöne Pferde halten. Sie lassen ihren Rössern auf den weiten Weiden freien Lauf und wehren ihnen auch nicht stark, wenn sie sich auf den Dorfstraßen tummeln. Für die vorzügliche Qualität war mir der Umstand Beweis, daß sich die Karamurater bei den Pferde- und Wagenrennen in Anadolchioi bei Konstanza oft erste Preise holen. Des Stifts Ökonom und sein Marstaller wagten also am Montag früh unter der Führung von P. Lucius die Reise nach dem Schwarzen Meer und nach dem Schwabendorf Karamurat. In Anadolchioi besuchten sie ein staatliches Pferdedepot mit ordentlichem Material, von dem aber nichts zu kaufen war, und in Karamurat, wo ihnen der beste Bestand gezeigt und vorgeführt wurde, erlebten sie eine Enttäuschung mit dem Resultat, daß die Dobrudschapferde den Transport in die Schweiz nicht rechtfertigten. Sie kehrten also unverrichteter Dinge und ganz entmutigt aus meinem Lieblingslande zurück. Auf der Reise hatten sie aber doch die weiten Felder beobachtet, von deren Fruchtbarkeit die vielen langgestreckten und hochaufgetürmten Strohschober Zeugnis geben; dann waren sie über die riesige Donaubrücke gefahren, hatte das schöne meerumspülte Konstanza mit seinem Ovidsdenkmal und seinem neuen Meerhafen gesehen und durften in Karamurat eine gelungene Bauernhochzeit mitmachen, welche ihnen einen heimeligen Blick in das gemütliche deutsche Volksleben der Dobrudschaschwaben gewährte.“ Die Suche nach geeigneten Zuchtpferden wurde in Bukarest fortgesetzt. P. Rupert entschied sich schließlich für zwei Walachen und zwei sechsjährige Zuchtstuten ungarischen Geblüts und von gleichmäßiger hellbrauner Färbung. Sie kosteten zusammen 5500 Lei. Obwohl Raymund Netzhammer bei seinem Regierungsantritt von Jung und Alt, von den verschiedenen gesellschaftlichen Schichten sowie von den kirchlichen und staatlichen Instanzen mit Beifall aufgenommen wurde, blieben die Schwierigkeiten nicht aus. Schon im Spätherbst 1908 sah er sich im Spannungsfeld innerhalb des Klerus. Hatte doch bereits sein Vorgänger, Erzbischof Franz Xaver von Hornstein, unter einem kirchlichen Prozeß mit Domkapitular Baud, dem Pfarrer der Kathedrale, zu leiden. Netzhammer hatte sich damals neutral verhalten und hatte zu schlichten versucht. Die Wurzel aller Unstimmigkeiten stellte das Nationalitätenproblem dar. Die verschiedenen Volksgruppen pflegten einen überspitzten Nationalismus und gerieten somit unausweichlich in scharfe Konfrontation gegenüber Mitgliedern einer anderen Volksgruppe. Die wichtigsten Gruppen innerhalb der katholischen Bevölkerung waren: die französische Gruppe unter Leitung des Domkapitulars Baud und des Prälaten Geraud sowie der Notre-Dame- und der Vinzenschwestern; die ungarische Gruppe unter Leitung des Prälaten Kuczka mit der ungarischen Schule in der Strada Cuza-Voda als Mittelpunkt; die Unierten mit ihrem Pfarrer Dr. Ion Balan sowie mit Msgr. 72 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 073 ============================================================================ Ghika und dem Rechtsanwalt Theodorian mit der Kirche zum hl. Basilius in der Strada Polona als geistigem Mittelpunkt; die italienische Gruppe mit ihrer Kirche am Bulevardul Bratianu; die deutsche Gruppe mit den Englischen Fräulein und den Schulbrüdern. Zwar kam Netzhammer aus einem Schweizer Kloster, aber er galt als Deutscher. Als solcher wurde er beargwöhnt und konnte es keiner Gruppe recht machen, obwohl er jedem gerecht werden wollte. So sorgte er vor allem für die unierten Gläubigen, die rumänischer Nationalität waren; ihr Seelsorger, Dr. Balan, wohnte in seinem Palais; 1909 legte er nach großen Schwierigkeiten den Grundstein für die unierte Basiliuskirche in der Strada Polona; dieser Kirche wiedmete Netzhammer eine eigene Broschüre. Die Entstehung der Kirche verfolgte er persönlich an Ort und Stelle mit und holte im Frühjahr 1911 die beiden Kirchenmaler Gottfried Schiller und Julius Ostermeier aus Ravensburg samt Gesellen nach Bukarest, um das Gotteshaus, das im Stil der alten rumänischen orthodoxen Kirchen erbaut wurde, innen in Anlehnung an die Beuroner Schule ausmalen zu lassen. Am 1.Juni1912 wurde der Grundstein für das neue Vereinshaus „Tomis“ gelegt; am 2. März 1913 wurde es von Netzhammer in Gegenwart vieler Gläubiger eingeweiht. Der Name des Hauses — „Tomis-Säle“ — „Saloanele Tomis“ — sollte an die antike Stadt Tomis Konstanza erinnern und darüber hinaus eine gewisse Aufgeschlossenheit anderen Konfessionen gegenüber bekunden; das Wort „katholisch“ trat nicht in Erscheinung. In diesem Vereinshaus trat am 11. Januar 1914 der „Verein der Bukarester Katholiken“ ins Leben. Am selben Tage, als der Grundstein zur unierten Kirche des hl. Basilius gelegt wurde — es war am Feste des hl. Constantin und der hl. Helena —, nur fünf Jahre später, nämlich 1914, legte Prälat Kuczka im Namen des Erzbischofs den Grundstein zur Kirche „St. Helena“ an der Strada Cuza-Voda. Vor der benachbarten ungarischen Schule wurde damals ein feierlicher Gottesdienst mit ungarischer Predigt gehalten. Im selben Jahr 1914 entstand die erzbischöfliche Pfarrschule zu Craiova, an welcher Schulbrüder wirkten. In der Dobrudscha half der Erzbischof 1923 den deutschen Gemeinden Groß-Pallas und Tekirghiol Kirchen bauen. Netzhammer notierte am 25. April 1924 über einen Besuch in Tekirghiol: „Um halb neun Uhr hielten wir vor der neuen, schön herausgeputzten Kirche von Tekirghiol an. Vor derselben hatten sich die 24 Familien der Gemeinde zu unserem Empfange aufgestellt. Die Kirche ist einfach, rein und nett, besitzt einen ordentlichen Altar, einen Kreuzweg und rückwärts eine Tribüne für den Gesangschor, Der schönste Schmuck der Kirche ist das zwei Meter hohe Altarbild, eine Kopie der Madonna von Murillo. Der Fabrikdirektor Gaufroy von Cernavoda hat das Bild gemalt und machte es in schöner Umrahmung der katholischen Kirche von Tekirghiol zum Geschenk. Um den Künstler zu ehren, der heute in der Kirche anwesend war, und um der jungen Gemeinde einen neuen Beweis des Wohlwollens zu geben, bin ich hierher gereist, um dem schönen Altarbilde die kirchliche Weihe zu geben. Nach dem Gottesdienst warteten die Bauern vor der Kirche auf Herrn Gaufroy und alle reichten dem Wohltäter, ihren Dank ausdrückend, die Hand.“ Für einen Kirchenneubau in Sinaia, wo die Katholiken meist italienischer Herkunft waren, hatte Netzhammer die Pläne bereits auf dem Tisch liegen, aber es kam zu keiner Realisierung. Anders war es mit der italienischen Kirche am Bulevardul Bratianu in Bukarest; diesen Bau förderte Netzhammer nachdrücklich. 73 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 074 ============================================================================ Es lag dem Erzbischof viel daran, daß seine Priester alljährlich mehrtätige Exerzitien mitmachten. Als Exerzitienmeister lud er gewöhnlich bekannte Persönlichkeiten aus dem Ausland ein. 1912 hielt der 73jährige P. Albert Kuhn, Professor in Einsiedeln, die Exerzitien und predigte zu Ostern in der Kathedrale mit großem Erfolg. 1913 lud Netzhammer seinen Abt aus Einsiedeln, P. Thomas Bossart, zur Ozanamfeier ein. Der Abt feierte in der Kathedrale ein Pontifikalamt und hielt bei einer Feier im Vereinshaus „Tomis“ eine glänzende Rede. Zusammen mit dem Erzbischof wurde der Einsiedler Abt zum König und Kronprinzen zum Essen eingeladen, außerdem zu einem Besuch ins Schloß bei Sinaia. Auch die Patres Prof. Dr. Romuald Banz und Sidler führten gelungene geistliche Exerzitien in Bukarest durch. Es war der Verdienst Netzhammers, daß in den Jahren von 1912 bis 1916 die Vierteljahrschrift „Revista Catolica“ erschien und sich dank der guten Mitarbeiter eines guten Rufes erfreute. Der Erzbischof veröffentlichte in dieser Zeitschrift selbst mehrere interessante Aufsätze. Mit dem Eintritt Rumäniens in den Weltkrieg mußte das Erscheinen der Zeitschrift leider eingestellt werden. Eine andere Zeitschrift, das im Jahre 1913 gegründete und in deutscher Sprache geschriebene „Katholische Bukarester Sonntagsblatt“, überlebte beide Weltkriege, wurde jedoch 1948 vom kommunistischen Regime verboten. Der Herausgeber und Initiator des Sonntagsblattes war Domkapitular Karl Auner, der Pfarrer der Kathedrale. Dank seinem gerechten und ausgleichenden Wirken gelang es dem Erzbischof recht gut, die Nationalitätengegensätze innerhalb seiner Diözesanen zurückzuhalten und von allen Gruppen als unparteiisches Oberhaupt anerkannt zu werden. Das änderte sich mit Beginn des Ersten Weltkrieges, als die Parteinahme für die Mittelmächte einerseits und für die Ententemächte andererseits quer durch die Reihen der rumänischen Katholiken ging. P. Dr. Ildefons Betschart beschreibt die Situation, in welche Netzhammer geriet, folgendermaßen: „Die schwersten Jahre waren die Kriegsjahre 1914—1918. Rumänien, durch Dynastie, Geschäftswelt und Diplomatie in zwei erbittert kämpfende Lager geteilt, trat nach langem Schwanken schließlich an die Seite der Alliierten, wurde aber von Mackensen erobert und okkupiert. Der Feldmarschall wandte sich mehrere Male an den deutschsprechenden Erzbischof, um durch ihn Land und Leute kennenzulernen. Der Erzbischof konnte sich dieser Anstandspflicht um so weniger entziehen, als sein Dazwischentreten und seine Beziehungen zum Feldmarschall weitgehend Schonung der Stadt und der katholischen Werke erreicht hatten. Beide Männer schätzten sich hoch, und ihre Freundschaft dauerte bis in die letzten Lebenstage des Erzbischofs. Die hohe Klugheit des Bukarester Oberhirten kommt einem erst so recht zum Bewußtsein, wenn man an Hand seiner ungedruckten Memoiren den furchtbaren Wirrwarr des Diplomatenkampfes vor, während und nach den Kriegswirren am Geistesauge vorübergehen läßt. Selbst König Ferdinand, der sich vom „deutschen“ Bischof zurückgezogen hatte, suchte wiederum an seiner Geradheit und Unbeugsamkeit sich aufzurichten. Der große Bratianu zeichnete — wie andere Ministerpräsidenten auch nach dem Kriege — den Erzbischof mit ihrer Hochachtung mehrfach und ungezwungen aus“ (Die Ostschweiz, 1945, S. 1). Netzhammers Bericht über Mackensens ersten Besuch im bischöflichen Palais am 6. Februar 1917 zeugt vom historischen Interesse dieser beiden Männer: „Abends überraschte mich Generalfeldmarschall von Mackensen.... Er kam, um sich persönlich für übersandte Bücher zu bedanken und für die angenehmen Stunden, die ihm dadurch bereitet worden seien. Der Kriegsmann interessiert 74 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 075 ============================================================================ sich besonders für die Dobrudscha und für die antiken Städte derselben sowie für die altrömischen Militärstraßen, Burgen, Befestigungen und Schanzgräben der römischen Reichsgrenzlinie entlang. Vieles kennt er aus eigenem Augenschein. Ein deutscher Gelehrter hat sich bei ihm erkundigt, ob nicht etwa das berühmte antike Siegesdenkmal von Adamklissi gelitten habe. Glücklicherweise hat ihm Mackensen schreiben können, daß nicht nur nichts am Denkmal beschädigt sei, sondern daß sich dem alten Ruhm noch der neue anreihe, daß bei der großen Schlacht von Topraisar-Kobadin der den linken Flügel Kommandieren- de beim Siegesdenkmal seinen Beobachtungsposten hatte. Auch der Feldmarschall war beim Denkmal, konnte aber zur antiken Stadt Tropaeum nicht hinuntersteigen, weil eine Nachricht kam, welche zu rascher Rückkehr ins Quartier veranlaßt hatte. Der Feldherr führte bezüglich der antiken Festungen aus, daß man im Grunde auch heute noch die gleichen Punkte zum Angriff und zur Verteidigung aufsuche, wie es die Römer getan haben; als Beispiel machte er hierfür das antike Axiopolis in der Nähe der Donaubrücke bei Cernavoda namhaft. Er ließ auch die Bemerkung fallen, daß man doch schon von Ovid wisse, daß die Gegend um Tomi herum baumlos war, weshalb man die Behauptung in das Reich der Fabel verweisen müsse, die Türken hätten in der Dobrudscha die Wälder ausgerottet“ (Tagebuch 1917, S. 217 f.). Netzhammer fuhr mit Mackensen schließlich durch Bukarest, um ihm die Sehenswürdigkeiten der Stadt zu zeigen. Auch die antiken Stätten der Dobrudscha ließ sich Mackensen vom Erzbischof an Ort und Stelle erklären. Mag das Verhalten Netzhammers einen primären Grund im historischen Interesse gehabt haben, jedenfalls war es politisch unklug. Selbst engste Freunde und Mitarbeiter, wie der unierte Priester-Dr. Balan, verübelten dem Erzbischof die freundschaftlichen Kontakte zum deutschen Feldmarschall und distanzierten sich von ihm. Netzhammer litt unter diesen Mißverständnissen dermaßen, daß seine Gesundheit stark angegriffen wurde. Schon am 15. Juni 1915 empfing er im Beisein vieler Geistlicher aus der Hand des P. Lucius die hl. Ölung. Er litt an einer gefährlichen Lymphagitis im rechten Fuß sowie an starken Herzkomplikationen. Zwar erholte er sich wieder, aber vom September 1917 bis zum Februar 1918 stellte sich schmerzhafter Gelenkrheumatismus ein. Während dieser Zeit hielt er sich meist auf dem Gut in Cioplea auf. Am 27. Dezember 1920 erkrankte der Erzbischof aufs neue an Grippe und Lungenentzündung und schwebte bis zum 15. Februar 1921 in beständiger Lebensgefahr. Am 31. Dezember wurde ihm daher wieder die hl. Ölung gespendet. Das Hinscheiden Netzhammers schien so sicher, daß ein Domherr von P. Lucius bereits die Übergabe der Schlüssel verlangte. Doch der Kranke erholte sich abermals und wurde gesund und arbeits- froh wie eh und je. Netzhammers Verbindung zu Mackensen gehörte zu den umstrittensten Punkten im Wirken des Bukarester Erzbischofs und hat diesem üble Verleumdungen eingebracht. Obwohl Netzhammer diese Verbindung nicht primär unter politischen Gesichtspunkten sah, wurde sie allgemein unter solchen interpretiert. Indirekt griff Netzhammer dennoch — ob er es wollte oder nicht — in der Angelegenheit Mackensen ebenso in die Politik ein wie im Bemühen vom Februar 1916, eine Zusammenkunft Erzbergers mit König Ferdinand herzustellen. Matthias Erzberger gehörte als Zentrumsabgeordneter zu den einflußreichsten Mitgliedern des Deutschen Reichtstags. Als solcher beteiligte er sich 1917 an der Friedensresolution des Deutschen Reichstages, wurde im Oktober 1918 Staatssekretär und am 13. Februar 1919 Reichsminister; die Durchführung einer einschneidenden Finanzreform gehörte zu seinen Verdiensten. Netzhammer schreibt: „Wir kannten den sogenannten „Vizekanzler“ des Reiches nur dem 75 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 076 ============================================================================ Namen nach, ließen ihn aber sofort zu uns einladen, als wir durch seinen Agenten, R. Geiß, Erzbergers Wunsch kannten, im erzbischöflichen Palais abzusteigen. Er kam am Freitag, den 18. Februar 1916, von Sofia her bei uns an und bat um Vermittlung einer Audienz beim König Ferdinand. Dies wurde sogleich bewilligt und auf Sonntag, den 20. Februar, im erzbischöflichen Palais nach der hl. Messe, welcher auch Seine Majestät beiwohnen werde, festgesetzt. Die stattzufindende Unterredung war geheim zu halten. Der König kam wie gewohnt in der Strada Esculap, von einem Adjutanten begleitet, in der Hofkutsche angefahren. Der Adjutant wurde auf eine Stunde mit dem Wagen in das königliche Schloß zurückgeschickt. Seine Majestät wohnte oben auf dem Balkon, Erzberger unten im Schiffe der gut besuchten Sonntagsmesse bei. P. Lucius fiel die Rolle zu, nach dem Gottesdienst Herrn Erzberger unauffällig von der bischöflichen Kapelle in einen kleinen Salon zu führen, wo ich ihm zur gegebenen Zeit zur Audienz abzuholen hatte. Alles war so angeordnet, daß niemand wissen konnte, daß nicht der Erzbischof, sondern ein anderer mit Seiner Majestät im Hauptsalon in Gespräch verweile. Die Unterredung dauerte über eine Stunde. Als der König, Erzberger im Salon zurücklassend, mit mir ins Vestibül trat, ging er auf P. Lucius zu, reichte ihm die Hand und trug Grüße nach Einsiedeln auf. Ich hatte Seiner Majestät von der bevorstehenden Reise des P. Lucius gesprochen. — Herr Erzberger war von der Begegnung mit dem König von Rumänien befriedigt“ (Mein Sekretär, S. 96 f.). Als ehemaliger Lehrer behielt sich Netzhammer eine Vorliebe für die Schule und Fragen der Bildung und Kultur. Hierin unterstützten ihn vor allem die Schulbrüder — was die Erziehung der Knaben — und die Englischen Fräulein sowie die Notre-Dame-Schwestern — was die Erziehung der Mädchen anbetraf. Während die Schulbrüder und die Englischen Fräulein die deutsche Sprache bevorzugt pflegten, so die Notre-Dame-Schwestern die französische Sprache. Am 24. Oktober 1923 schrieb Netzhammer in sein Tagebuch: „Im Institut Notre Dame de Sion wurde das 25jährige Jubiläum des Bestandes der Kongregation in Bukarest gefeiert. Unter Erzbischof Hornstein wurde den Sionsdamen im Jahre 1898 die Eröffnung eines Hauses in Bukarest gestattet. Die Damen mieteten sich in einem Hause der Vineristraße ein und unterrichteten im ersten Jahre unter der Oberin M. Irenaea 24 Schülerinnen. Schon im folgenden Jahre mieteten sie ein größeres Gebäude in der armenischen Straße, wo von Jahr zu Jahr die Zahl der Zöglinge stieg, und sowohl die Anzahl der Lehrfrauen als auch jene der Laienschwestern vermehrt werden mußte. Man suchte nochmals ein größeres Mietshaus und fand es in der Calea Victoriei neben der deutschen Gesandtschaft und unweit der rumänischen Akademie. Hier blieb Sion, bis sein eigenes großes Institut am Boulevard Tache Protopopescu gebaut war, das am 28. August 1912 die kirchliche Weihe erhielt, und wo die Damen heute ihr Fest feierten. Um halb 4 Uhr war im großen Saal Festvorstellung der Zöglinge, welche in einer Anzahl von weit mehr als dreihundert die Sionsschulen besuchen.“ Die Englischen Fräulein unterhielten Häuser in der Strada Pitarmos und General Berthelot sowie in Braila, Craiova und Turnu Severin. All diese katholischen Schulen konnten auf die kraftvolle Unterstützung Netzhammers bauen. Sie wurden erweitert und modernisiert; es kam zu Neugründungen. Leider blieben verschiedene Pläne durch den Weggang Netzhammers von Bukarest in der Schublade liegen. Im Tagebuch des Erzbischofs lesen wir unter dem 17. Juli 1923: „Gestern kamen wir in Konstanza an, und heute früh um 5 Uhr fuhr uns ein Bauer namens Wolf, mit dem heute ein Kaufvertrag abzuschließen ist, über Groß Palas und Canara nach Karamurat. In Groß Palas sprach ich einige Bauern und teilte ihnen mit, daß die von mir für den Kapellenbau versprochenen 76 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 077 ============================================================================ 10 000 Lei auf unserem Pfarramt in Konstanza liegen und daselbst für die Bezahlung laufender Rechnungen abgeholt werden können. Nach beinahe dreistündiger Fahrt kamen wir in Karamurat an. Es ging sofort an das Geschäftliche. Herr Wolf verkauft dem erzbischöflichen Ordinariat gegenüber der Pfarrschule und die Kirche einen kleinen Eckgrund. Er soll für Klosterfrauen oder für ein caritatives, von Klosterfrauen zu leitendes Werk verwendet werden. Pfarrer Overbeck hat alles in die Wege geleitet und alle Akten vorbereitet. Es handelt sich nur noch darum, auf dem Amtsgericht, das im Dorfe neben der orthodoxen Kirche liegt, dem Verkäufer die Kaufsumme auszubezahlen, die Kaufsteuer zu entrichten, die Kaufakten zu unterschreiben und den erfolgten Kauf von dem Richter bestätigen zu lassen .. . Nachher begaben wir uns zum alten Bekannten Arnold. Dieser legte uns in Anwesenheit seiner Frau den Plan vor, seinen Hof Barmherzigen Schwestern verschreiben zu wollen, sofern ich solche nach Karamurat bringen werde. Herr Wolf führte uns um 5 Uhr nach Konstanza zurück und zwar nahm er den Weg dem Tasaulsee entlang über Cicrici, Mamaia-Dorf und die lange Sandbank, welche den Süßwassersee Siutghiol vom Schwarzen Meer scheidet. Bei den Bädern Mamaia stiegen wir aus, genossen den wundervollen Abend am Meere und sahen zu unserer größten Freude, daß der von uns drüben in Groß Palas in Aussicht genommene Platz, auf welchem eine klösterliche Niederlassung erstehen soll, am ganzen Siutghiol der schönste ist.“ Im nächsten Monat gelang es dem Erzbischof endlich, diesen Baugrund von drei Hektar zu erwerben. Am 16. August 1923 wurde der Kauf auf dem Distriktgericht von Konstanza amtlich bestätigt. Netzhammer war überglücklich und überzeugt, daß damit der Grundstein für ein neues Kulturzentrum in der Dobrudscha gelegt worden sei. Im folgenden Jahr hatte er bereits das nötige Geld für ein Gebäude in Groß Palas bereit. Architekt Linz aus Konstanza hatte auch schon einen Plan entworfen, aber der Verwaltungsrat sprach sich — wie Netzhammer am 3. April 1924 in seinem Tagebuch notierte — für eine Verschiebung des Projektes aus. Anscheinend war der Verwaltungsrat über die Intrigen um Netzhammer gut informiert und wußte, daß die Tage des Erzbischofs in Bukarest gezählt waren. Der Schriftsteller, Archäologe und Numismatiker. Kaum war Netzhammer zum Professor für Mathematik, Physik und Chemie an der Stiftsschule zu Maria Einsiedeln ernannt worden, schrieb er 1887 seine erste Arbeit über „Die Ordnung im Fraterstock (Trakt) gemäß der alten Traditionen.“ 1889 erschien bei Schönigh in Paderborn sein „Lehrbuch der ebenen und sphărischen Trigonometrie“. Jahr für Jahr veröffentlichte P. Raymund nun ein weiteres Werk, u.a. über die schweizerische Landvermessung, die Tiefenmessungen der Schweizerseen, über Arithmetik und Algebra und vieles andere. All diese Schriften sind von Netzhammers eigenem Stil geprägt, der nüchtern dachte und seine Gedanken klar und präzise auszudrücken verstand. Als P. Raymund Netzhammer OSB kurz nach der Jahrhundertwende nach Rumänien kam, wurde er mit einer neuen Welt konfrontiert. Wissenshungrig durchstreifte er das ganze Land und die angrenzenden Staaten. Schließlich war es die Dobrudscha, die diesen gebildeten und weitgereisten Mann für sich einnahm. Immer mehr liebte Netzhammer diesen Landstrich zwischen der breiten Donau und dem nimmermüden Schwarzen Meer mit all’ den Seen und Hügeln, mit den schmucken deutschen Dörfern und deren fleißigen Bewohnern, mit den stummen Zeugen der Antike. — Viele Bände bergen die Eindrücke, die Netzhammer in der Dobrudscha empfing. In einem Toast bei einem großen Essen im Hause von Frau Flam in Tultscha gestand er am 23. Mai 1912 seine „Schwäche 77 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 078 ============================================================================ (Bild) Noul Don Quichotte Angriffe gegen Erzbischof Netzhammer in den Zeitungen, weil er sich 1907 während des Bauernaufstandes für die unterdrückten Bauern ausgesprochen hatte. (Bild) Netzhammer als Professorin Bukarest für die Dobrudscha“. „So ist es! Die Dobrudscha hat es mir angetan, seit ich sie im Jahre 1901 zum ersten Mal betrat. Jede Gelegenheit, in die Dobrudscha zu fahren, die sich bietet, ergreife ich stets mit größter Freude!“ (Tagebuch vom 23.5.1912). Über Netzhammers schriftstellerische Tätigkeit schreibt P. Idlefons: „Niemals ruhte die Feder des schreibkundigen Erzbischofs. Es verging kaum ein Jahr, ohne daß nicht diese oder jene wissenschaftliche Publikation aus der Hand des Erzbischofs sein Volk und seine Freunde erfreute, Viele seiner Schriften erregten großes Aufsehen, so vor allem „Die rumänische Landeskirche und die Bauernaufstände von 1907“. Verdienstvolle Anerkennung fanden seine archäologischen Arbeiten über die altchristlichen Reste der Dobrudscha, die er wie kein Zweiter kannte. Seine beiden Bände „Aus Rumänien“ zeugen von seinem liebevollen Interesse für Land und Volk der ihm anvertrauten Diözese. Jeder freie Augenblick wurde für die Vermehrung der Kenntnisse gebraucht. Sein Tagebuch — er führte es seit seiner Bischofsweihe mit solcher Genauigkeit, daß er, wie er mir einmal sagte, über jeden Tag seit 1905 Rechenschaft bis ins einzelnste hinein geben konnte — ist voll von interessantesten Erlebnissen mit Königen, Kardinälen, Prinzen, Diplomaten, Erzbischöfen, Gelehrten, einfachen Zigeunern und schlichten Bauersleuten. Er verstand es mit benediktinischer Ruhe und Gelassenheit die Dinge an sich herankommen zu lassen, um dann maßvoll und weise sein Urteil abzugeben. Er sprach relativ wenig, er verstand besser Hörender zu sein, ohne indessen einer unangenehmen Wortkargheit zu verfallen“ (Die Ostschweiz, 1945, S. 1). 78 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 079 ============================================================================ Die beiden Bände „Aus Rumänien“ wurden in den Jahren 1909 und 1913 veröffentlicht, die Abhandlung über den „Bau der rumänisch-unierten Kirche in Bukarest“ 1910. Weitere Veröffentlichungen tragen die Titel: „Die christlichen Altertümer der Dobrudscha“, „Auf der Firmungsreise durch die Dobrudscha“, „Die Verehrung des heiligen Menas bei den Rumänen“, „Mein Sekretär“ usw. Seine Tagebuchaufzeichnungen hat Netzhammer druckreif zurückgelassen; das Manuskript umfaßt fünf dicke Bände. Wie in seinen veröffentlichten Werken besticht in seinen Memoiren der unkomplizierte, klare Stil des Naturwissenschaftlers und Archäologen, dem Gefühlsduselei fremd ist. Blättert man Netzhammers Aufzeichnungen über die Dobrudscha durch, so begegnet man neben dem Seelsorger bevorzugt dem Archäologen, der immer wieder die antiken Stätten dieses Landesteiles besucht, sich mit Geduld und Ausdauer an Ausgrabungen beteiligt und eigene Forschungen anstellt. Aus diesem Interesse heraus unterhielt Netzhammer gute Beziehungen zu führenden Archäologen seiner Zeit und war in der Fachliteratur ganz zu Hause. Freilich konnte er sich diesem Steckenpferd nur nebenbei widmen, aber er verstand es, diese Liebhaberei mit seinen Pflichten als Erzbischof zu verbinden: Öfter als seine Vorgänger weilte er zu Firmungsreisen in der Dobrudscha, kümmerte sich um seine Diözesanen und sah sich nebenher in der Umgebung um. Am 13. Juni 1907 konsekrierte er den Hochaltar der Kirche von Karamurat, das er von Braila her erreichte. Zusammen mit Domkapitular Auner war er damals von Braila mit dem Dampfer nach Isaccea gefahren, wo er das Männerkloster Cocos besuchte. Mit dem Pferdewagen ging es dann über Niculetel nach Tultscha. Für diese Reise hatte der Generalsekretär des Domänenministeriums, Dr. Antipa, gesorgt, daß der Fischereiinspektor von Isaccea, Brenner, und der Administrator Dr. Ionescu in Tultscha dem Erzbischof behilflich seien. Der Ingenieur Polonik stellte ihm Pläne zur Verfügung, die Aufschluß über die antiken Festungen bei Prislava und Bestepe, auf Salsovia und den Ruinenfeldern um Murighiol sowie am Halmyris-See gaben. Netzhammer schreibt hierüber: (2 Bilder) Netzhammer in den Ruinen von Axiopolis (hier Ruinen einer altchristlichen Doppelkirche) 79 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 080 ============================================================================ „Als Domherr Auner, Pfarrer Gonska und ich nach dem Sonntagsgottesdienst auf Bauernwagen unter Hurrarufen der Bevölkerung und begleitet von strammen Reitern Malkotsch verließen (am 9. 6. 1907), trafen wir schon auf dem Wege nach Prislava mit Dr. Ionescu zusammen. Er wurde begleitet von Gymnasialprofessor Constantin Moisil, der als Forscher und Altertumsfreund die Fahrt ebenfalls mitmacht. Die ganze Gegend über Mahmudia hinaus bis nach dem Dorfe Dunavetz wurde archäologisch abgesucht.“ Von dort gelangten sie zum Russendorf Jurilofca. „Am Frühmorgen des dritten Tages waren unsere Malkotscherwagen in Jurilofca zur Stelle. Dr. Ionescu ließ es sich nicht nehmen, uns zu der nicht leicht erreichbaren, mitten in den Lagunen und Sümpfen liegenden Stelle zu führen, wo nach der Ansicht gewichtiger Archäologen die Stadt Istros lag. Alles ist hier überwachsen. Es zeigen sich aber Erhebungen, unter denen Schutt und Ruinen liegen können. An einer Stelle kommen in der Tat Steine zum Vorschein, und es kann keinem Zweifel unterliegen, daß solche von hier weggeschleppt worden sind. Nach einem kräftigen Picknick auf dem Gebiet der völlig verschwundenen Stadt ging die muntere Reisegesellschaft auseinander. Die Geistlichkeit fuhr südwärts Karamurat zu, während die beiden Weltkinder nördlichen Kurs hielten. In Karamurat gab es wenig Zeit zum Ausruhen. Die Konsekration des Hochaltars, bei welcher sieben Priester mitwirkten, nahm fast den ganzen Vormittag in Anspruch. Nachmittags und abends waren etwa vierhundert Personen die Beichte abzunehmen, denn auf den folgenden Tag, das ist auf gestern, fiel das St. Antonius-Patrozinium, das in Karamurat hochfeierlich begangen wird. Ich hielt Pontifikalamt, Predigt und Prozession und weihte auf dem Friedhof ein großes Kreuz ein. Bei dieser Gelegenheit legte ich den Dorfbewohnern unter anderem ans Herz, sie möchten doch auch vom Dort zum Friedhof einen Schattenweg anlegen und den Friedhof mit einigen Bäumen zu beleben suchen. Nach der Nachmittagsfeier in Karamurat nahmen wir über Cicrici, Mamaia und die Landbank den Weg nach Konstanza. Selbst hier gab es keine Ruhe, denn auch der heutige Tag wurde zu einer Fahrt benutzt und zwar nach dem archäologisch wichtigen Mangalia, der alten griechischen Kolonie Kallatis, welche zeitweise bedeutender war als Tomis. Jetzt sitze ich spät abends im Pfarrhaus von Konstanza und schreibe an den Reisenotizen, damit Wesentliches nicht vergessen werde. Morgen machen Auner und ich vorläufig Schluß mit der Auskundschaftung der Dobrudscha; wir wollen nur noch der versunkenen Griechenstadt Axiopolis bei Cernavoda einen Besuch machen. Diese hatte auch noch Bedeutung im christlichen Zeitalter und wird in den Martyrologien als Ort von Blutzeugen für den Glauben an Christus aufgeführt“ (Tagebuch vom 14. Juni 1907). Bei seinen archäologischen Streifzügen fand Netzhammer die ein oder andere alte Münze oder ein anderes Relikt aus der Antike. „Dobrudscha, Münzen und Altertümer sind meine beständigen Begleiter bei Tag und bei Nacht!“ gestand er daher. Sie seien es, die ihm Zerstreuung von seinen Amtsgeschäften brächten (Tagebuch vom 16. 1. 1908). Als er von einer vornehmen Dame eine ganze Schachtel voll Münzen geschenkt erhalten hatte, packte ihn das Sammlerfieber. Er zeigte seine Schätze dem königlichen Gartenmeister, Direktor Knechtel, Professor an der Ackerbauschule zu Bukarest, der ein leidenschaftlicher Münzsammler und ein anerkannter Numismatiker war. Professor Knechtel beriet den Erzbischof und verwies ihn auf Behrend Picks Buch über „Die antiken Münzen von Dacien und 80 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 081 ============================================================================ Moesien“ (Berlin 1898). Von nun an wurde Netzhammer zum systematischen Sammler (Tagebuch vom 1. 1. 1908). „Mein Münzfieber war seit Ende des vorigen Monats um einige Striche gefallen“, schrieb er am 18. Februar 1908 in sein Tagebuch, „schnellte aber neulich infolge der Bekanntschaft mit dem rumänischen Numismatiker Michael Sutzu wieder bedeutend in die Höhe. Dieser Herr gehört einer alten Bojarenfamilie an, welche dem Lande nicht nur Staatsmänner und Gelehrte, sondern auch zwei regierende Fürsten geschenkt hat. . . Neben dem Ministerpräsidenten D. Sturdza, dem Begründer der rumänischen Numismatik, gilt M. Sutzu als der hervorragendste Numismatiker Rumäniens.“ Professor Sutzu war von der Sammlung Netzhammers begeistert und gab diesem für seine weitere Sammlertätigkeit wertvolle Tips. Vor allem riet er, die Sammlung — eventuell mit Hilfe von Freunden — fortzusetzen. „Seit dem Besuche dieses begeisterten Numismatikers war es mit meiner Ruhe wieder einmal aus“, lesen wir im Tagebuch des Erzbischofs. „Jede amtsfreie Stunde benutzte ich zum Studieren der Münzen“. Als am 16. Februar 1911 der neuerschienene Halbband „Die antiken Münzen von Dacien und Moesien“ von Behrendt Pick und Kurt Reglin aus Berlin bei ihm eintraf, vergaß er über der Lektüre gar, zu Bett zu gehen. Als im Frühjahr 1910 vier Münchner Geistliche, unter ihnen der katechetische Schriftsteller Stieglitz, auf der Fahrt nach Konstantinopel in Bukarest Halt machten, erbot sich Netzhammer, ihnen die Dobrudscha zu zeigen. Besonders das Trajansdenkmal Adamklissi und die ausgegrabene Stadt Tropaeum beeindruckte seine Gäste aus München. Während seiner Firmungsreisen seit dem Jahre 1909 schärfte sich das archäologische Auge Netzhammers immer mehr. Lesen wir, was der Erzbischof am 22. Mai 1911 über seinen Besuch in der Norddobrudscha in sein Tagebuch schrieb: „Einige Tage Firmungsfahrten durch die weiten Gefilde der Dobrudscha während des schönen Maimonats gehören keineswegs zu den Unannehmlichkeiten meines Amtes! Wie reizend war nicht am vorigen Mittwoch die vierstündige Morgenfahrt von Medgidie über Panaghir und Bilar nach Kulelie (17. 5.1911)! Wundervoll glänzten in der Morgensonne die Tautropfen an den Grashalmen, an den Weizenähren und an den jungen, dunkelgrünen Maispflanzen, und mit welcher Wonne atmeten wir die kühle und würzige Luft ein, welche wir in Bukarest missen müssen... Beim Dorf Pantelimon genossen wir eine prachtvolle Rundsicht über weite Strecken der waldlosen Dobrudscha und bestaunten ringsum am Horizont die lange Reihe jener Tumuli, welche in die entferntesten Zeitperioden der Menschengeschichte zurückweisen. Unser Rosselenker machte uns neben dem Dorfe auf einen künstlich aufgeworfenen Erdwall aufmerksam und auf einen großen Inschriftstein, welcher nicht weit vom Wege lag. Da unser Ziel bald erreicht war, und wir fürchten mußten, zu früh in dem Pfarrdorfe Kulelie anzukommen, stiegen wir ab und besichtigten das Gelände und den Stein. Es bedurfte keines Mommsens oder sonst eines Epigraphiers von Namen, um die guterhaltene Inschrift auf dem schön profilierten Stein lesen zu können. Die Buchstaben sind noch von klassischem Schnitt und können dem Zeitalter Trajans angehören. Fein säuberlich schrieb ich zur Bereicherung des Tagebuchs Zeile für Zeile ab. Der Inhalt der Inschrift besagt, daß Caius Julius Quadratus noch zu seinen Lebzeiten durch die Fürsorge seiner Kinder zur Erinnerung an ihn selbst und an seine Gemahlin Julia Terentia das Grabmal erstellen ließ. Quadratus wird als der Vornehmste des Ortes und als das auf fünf Jahre bestellte Oberhaupt des Landbezirkes Capidava bezeichnet. 80 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 082 ============================================================================ Was werden die Archäologen nicht alles aus diesem Stein und seiner Aufschrift herauslesen und herausbeweisen! Weit herum soll man bei Pantelimon auf altes Gemäuer stoßen, und die Bauern sollen dieses reichlich als bequeme Steingrube für den Bau ihrer Häuser benutzt haben. Wie man uns sagte, war der Inschriftstein im alten Mauerwerk eingesetzt gewesen. Die Gelehrten werden vielleicht beim Forschen nach dem Namen des antiken Ortes, in welchem Quadratus der Erste war, Teile desselben durch systematische Grabungen freilegen. Eines ist sicher merkwürdig, daß schon zu Kaiser Trajans Zeiten hier eine vornehme römische Familie Landbesitz hatte und auf demselben ansässig war. Das alte Skythien zeigte genau wie die heutige Dobrudscha ein Mischmasch von Völkerschaften, damals einheimische Stämme gemischt mit Griechen und Römern, und heute Türken und Tataren, Lipowanern und Zigeunern, Bulgaren und Rumänen, Italienern und Schwaben ... Ein solcher völkischer Splitter reinen Deutschtums ist unsere, mitten in der Dobrudscha angesiedelte Schwabenkolonie Kulelie. Weit eilten uns die deutschen Burschen auf ihren feurigen, ohne Sattel gerittenen Pferden entgegen, und am Anfang des Dorfes stand die ganze Gemeinde mit ihrem aus Oberschlesien stammenden Pfarrer Franz Schindzielorz an der Spitze. Auf dem Prozessionsweg zur einfachen Lehmhauskirche sangen die paar Kirchensänger deut- sche Lieder aus einem Gesangbuch, das schon ihre Eltern bei der Abwanderung aus Südrußland in die Dobrudscha mitgebracht hatten. Gottesdienst und Firmung (47 Firmlinge) vollzogen sich in gewohnter Weise. P. Lucius und ich teil- ten uns in Predigt und Firmungsansprache. Ähnlich wie in Kulelie verliefen die Empfänge und die feierlichen Funktionen im großen Schwabendorf Karamurat (119 Firmlinge), in dem idyllisch am Meer gelegenen Mandschapunar (56 Firmlinge) und in Konstanza (88 Firmlinge). In Karamurat und in Konstanza gab es Überraschungen. Am Abend des Firmungstages veranstalteten die Karamurater eine Dorfbeleuchtung. Diese Auf- merksamkeit verlangte von unserer Seite einen Abendspaziergang durch die drei beleuchteten Hauptstraßen des Dorfes. Die glücklichen Leute standen oder saßen an ihren Hoftoren. Viele Bauern sprach ich an und einigen besonders gut bekannten drückte ich die Hand. Am nächsten Tage nahmen die den Erzbischof fortbegleitenden Reiter und fünf mit Bauern beladenen Wagen nicht den gewöhnlichen Weg nach Konstanza, sondern über Cicrici nach den Dörfern Mamaia, hübsch über den Ufern des Siutghiols und des Schwarzen Meeres gelegen. Hier hatten Karamurater Bauern ein hübsches, auf einem Hügel stehendes Sommerhaus mit umlaufender Veranda gekauft. Der Erzbischof sollte es auch sehen! Unsere ganze Gesellschaft zog in das Haus ein. Rasch flogen nach den vier Himmelsgegenden die grauen, verwetterten Schutzläden und die Fenster auf, Luft und Sonne reinigten die dumpfen Räume, und großartig war der Blick auf den ruhigen See Siutghiol, auf die am Ende der weißen Sandbank weit in das Wasser vorgeschobene Stadt Konstanza und auf das Gewoge des rauschenden Meeres, das zu unseren Füßen mit Gezisch in ewig gleicher Bewegung das Ufergestein übergießt. Ein ideales Plätzchen für Sommerfrische mit Badegelegenheit sowohl im Süßwasser als auch in der salzigen Flut! — Tische und Bänke wurden zurechtgeschoben, die vom Dorfe mitgebrachten Würste, Bratenstücke, Käse und Brotlaibe ausgepackt und Weinflasche an Weinflasche gereiht. Bald knisterte in der Küche lustig das Feuer, und schmorten prächtige Fische in der Pfanne. In der Villa begann ein fröhliches Leben und Treiben, Essen und Trinken. Der erste Kirchensänger stimmte mit kräftig-rauher Stimme deutsche Volkslieder an, Alt und Jung fielen mächtig ein, und der wachsame Schulze 82 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 083 ============================================================================ sorgte dafür, daß die Fröhlichkeit nicht überbordete. Leider mußten wir schon nach anderthalb Stunden die heitere Gesellschaft verlassen und über die weiche, vom Meere stets bespülte Sandbank der Stadt Konstanza zueilen. Hier in der stolzen Hafenstadt überraschte mich König Karl mit einer Einladung zum Frühstück bei der Königin in ihrem Holzpavillon draußen auf dem langen Wellenbrecher. . . Im Speisezimmer erwartete mich die in Weiß gekleidete Königin-Dichterin Carmen Sylva. . . Jetzt erschien gemessen und ernst der König, wie immer in kleiner Generalsuniform; ihm folgten die Tafelgäste... Nach der Aufhebung der Tafel setzten sich die Königin und die Hofdamen auf der breiten Laube in Korbstühle, die Herren gesellten sich zu ihnen mit den Kaffeetassen in den Händen, und die lebhafte Unterhaltung kam nie ins Stocken. Der König aber nahm mich an das Geländer und erzählte von der prachtvollen, seit einigen Tagen hinter ihm liegenden Donaureise .. .“ Im Mai 1914 besuchte Netzhammer jenen südlichen Teil der Dobrudscha, welcher Rumänien durch den Balkankrieg zugefallen war. Wiederum hielt er seine Eindrücke in seinem Tagebuch fest. An dieser Stelle sei nur das wiedergegeben, was sich auf Ali Anife, Kalfa, bezieht. Pfarrer Schönmakers führte den Oberhirten in die Kirche und in die Häuser der Gläubigen. „Die Häuser sind: durchwegs niedrige Türkenhäuser, aber doch mit gemütlichen, heimeligen Stuben. In der Kirche wohnten wir der Maiandacht bei und waren gerührt, so weit ab von deutschen Landen das Lied singen zu hören: ‚Maria, wir dich grüßen! Oh, Maria, hilf!’ Zum Nachtessen waren wir mit dem Pfarrer in einem Bauernhause eingeladen. In der Stube sah ich das Bild des Bischofs Kessler von Tiraspol und erfuhr, daß die hiesige kleine Schwabenkolonie aus seiner Diözese hierher ausgewandert sei. In Ali Anife, Kalfa, war der Morgen so kalt (6. 5. 1914), daß die Kartoffeln erfroren sind. In meiner Messe wurden deutsche Lieder gesungen, so daß man sich ganz in die alte badische Heimat versetzt fühlte. Nachher drängten noch viele Leute an uns heran und brachten allerlei Klagen vor. Sie bedauerten sehr, daß sie nicht mehr unter den Bulgaren stünden, mit denen sie gut ausgekommen waren, sondern daß sie unter die Rumänen gekommen seien, die sich brutal benehmen und deren Sprache schwer zu lernen sei. Sie sind auch ungehalten über die Postverältnisse; die „Stadt Gottes“ und andere Blätter und Zeitschriften seien früher ganz regelmäßig angekommen, was jetzt aber nicht der Fall sei. In einem wahren Triumphzug wurden wir, von vielen Reitern und zahlreichem Volk begleitet, langsam durch das Dorf und dann in wilder Jagd bis zur Feldgrenze geführt. Dort verabschiedeten wir uns von dem freundlichen Pfarrer, dem Holländer P. Alexius Schönmakers, und den lieben Leuten. Den nächsten Halt machten wir bei den gewaltigen Ruinen der antiken Stadt Abrittus. Der Stadtmauerzug ist leicht erkennbar, und in diesem die eingestürzten Befestigungstürme und die Stadttore. Abrittus lag an der großen Straße, welche von Markianopolis heraufkam und mitten durch Kleinskythien, die heutige Dobrudscha, nach Noviodunum an der Donau führte. Große Freude bereiteten uns die Grundmauern einer altchristlichen Kirche, welche allem Anschein nach erst kürzlich freigelegt worden waren. Es handelt sich um eine dreischiffige Basilika mit halbkreisförmiger Chorapsis; die Kirche war 21 Meter lang und besaß eine Vorhalle“ (Tagebuch 1914, S. 233). Nach diesem Besuch in der Süddobrudscha weilte Netzhammer in Konstanza, wo er am 9. Juni 1914 den 600 qm großen Kirchengrund inspizierte, der bebaut, werden sollte. Wiederum war er beim König und der Königin zu Tisch, wo er u.a. Prof. Tigara-Samurcas traf. Das Gesprächsthema war ganz auf den 83 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 084 ============================================================================ bevorstehenden Zarenbesuch in Konstanza am 12. Juni 1914 ausgerichtet. Netzhammer interessierte sich indes mehr für die neuesten Ausgrabungen. Von seinen Veröffentlichungen sei ein Aufsatz über die „Dioskuren in Tomis“ erwähnt, den Netzhammer im Spätjahr 1913 für Prof. Misils numismatisches Bulletin schrieb. Inzwischen zog die Kriegsfurie über Europa und die Welt und brachte das politische Gefüge des Balkans ins Wanken. Erst im Frühjahr 1918 bat Netzhammer die deutschen Besatzungsbehörden um Erlaubnis, wieder zu einer Firmungsreise in die Dobrudscha fahren zu dürfen. Als er den Adjutanten des Generalfeldmarschalls von Mackensen, Major Krahmer, darum anging, traf ihn Mackensen und lud ihn in sein Arbeitszimmer ein. Der Erzbischof unterhielt sich mit dem Feldherrn über die Dobrudscha. Am nächsten Tag erhielt Netzhammer den ausgefertigten Passierschein. So konnte er am 27. April 1918 die Firmungsreise antreten, die wegen der Kriegszerstörungen viel beschwerlicher war als frühere Reisen. In Konstanza sprach Netzhammer bei der deutschen Etappenverwaltung vor und suchte den General von Unger und den Verwaltungschef Oberst van der Bergh auf. Auch die bulgarischen Besatzungsbehörden durfte er nicht übergehen. Im „Jahrbuch der Dobrudschadeutschen“ für 1972 ist auf den Seiten 191 f. der triumphale Empfang des Erzbischofs am Konstanzer Bahnhof durch die Groß-Palasser beschrieben. Durch diesen Empfang bewegten die Groß-Palaser den Erzbischof, auch ihre Gemeinde zu besuchen, was am 29. April 1918 geschah. Zuvor besuchte Netzhammer aber das Gartenkasino im Stadtpark von Konstanza, wo vor dem Krieg das städtische Altertumsmuseum untergebracht war: „Es war nun völlig ausgeraubt. Unter den Relikten fand Netzhammer jedoch einen altchristlichen Grabstein, der einst vor den Toren des alten Tomi einem Neophyten Alexander zum Andenken gesetzt war. Wir übergaben ihn zur Rettung für die Wissenschaft dem Stadtgärtner. Als wir die Vorstadt Anadolchioi mit ihrem langen Pferdekrankenhaus und ihrem ausgedehnten Platz für Pferde- und Wagenrennen hinter uns hatten, fesselten unsere Aufmerksamkeit rechts und links der Straße die großen und kleinen Tumuli, diese sicheren Wahrzeichen der versunkenen skythischen Städte. Besonders schön nimmt sich hier eine Gruppe von drei Tumuli aus. Ein großer Hügel war von Prof. Schuchardt aus Berlin, der sich gegenwärtig in der Dobrudscha prähistorischen Grabungen und Studien widmet, frisch angeschnitten worden; er soll darin ein Höckergrab festgestellt haben. In dieser Gegend wird man auch einmal die Reste der antiken Vorstadtfestung Constantiana finden, welche uns aus zwei alten Verzeichnissen skythischer Orte bekannt ist, und von der auch eine altchristliche Grabschrift Erwähnung tut. Merkwürdig ist gewiß, daß nach dem Untergang der Stadt Tomi nicht diese, sondern deren Vorort Constantiana der auf ihrem Boden erstandenen neuen Niederlassung den Namen gegeben hat“ (Tagebuch vom 29. 4. 1918, S. 301). Der Aufenthalt Netzhammers am 29. April1918 in Groß-Pallas ist im „Jahrbuch der Dobrudschadeutschen“ für 1972 auf den Seiten 192 f. beschrieben, jener in Karamurat (am 1. Mai 1918) im Artikel über P. Nötges. Auch der Besuch in Mandschapunar, wo 64 Kinder gefirmt wurden, wurde mit einer Besichtigung von historischen Stätten verbunden: „Da in Mandschapunar mehr als die Hälfte des Weges von Konstanza nach Mangalia gewonnen war, durfte die günstige Gelegenheit zu einem ganz kurzen Besuche dieser historisch sehr wichtigen Örtlichkeit, die man im Altertum Kallatis hieß, nicht unbenützt bleiben. Was uns 84 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 085 ============================================================================ besonders dorthin zog, war der Umstand, daß der Glanz nicht des heidnischen, sondern des altchristlichen Kallatis zu erscheinen begann, und zwar infolge der von der Bukarester Museumsdirektion vor dem Kriege begonnenen Ausgrabungen. In der Tat! Nachdem, was wir da zu sehen bekamen, nämlich eine ausge- grabene dreischiffige Säulenhalle und viele herumliegende Kapitelle mit Kreuzen, hat sich die Fahrt vollauf gelohnt“ (Tagebuch 1918, S. 305). Der Weg führte den nimmermüden Erzbischof wieder nordwärts von Konstanza am Suitghiol vorbei nach Mamata und am Tasaul- und Gargalik-See vorbei zum türkischen Dorf Caraharman bis zur Halbinsel, die sich in den Brackwassersee Sinoe hineinschiebt. Überall findet er die Klagen des in der Verbannung lebenden römischen Dichters Ovid bestätigt: über den Mangel an gutem Trinkwasser, über die kahlen Felder und die Öde der dem Meer vergleichbaren Gegend, über den Boden, der weder Kräuter noch Obstbäume nähre, den nicht einmal Buschwerk ziere, über die Flußränder, die kein Weideland begrenzten und über die baumlosen Hügel. Nur viele Tumuli waren anzutreffen, so daß man den Eindruck gewann, auf einer Gräberstraße dahinzuziehen. Netzhammers Ziel war die einst mächtige Stadt Istros, „welche eine lange und große Geschichte sieben Jahrhunderte vor und sieben Jahrhunderte nach unserer Zeitrechnung hatte . . . Heute steht auf der ganzen Halbinsel kein Haus und keine Hütte; Schafe und Rinder weiden auf dem alten Stadtgebiet. Bis vor vier Jahren schlummerte hier noch alles den ewigen Schlaf unter dem Rasen. Heute ist es schon anders. Man hat damit begonnen, das Grab dieser antiken Stadt aufzuschaufeln und man machte dabei die erfreuliche Entdeckung, daß sie in Form von Inschriftsteinen wertvolle Schriften und Urkunden über ihr Leben und ihre Geschichte mit ins Grab genommen hatte. Heute stehen wir hier, nach- dem die Museumsdirektion von Bukarest systematische Ausgrabungen unternommen hat, vor den schönsten und großartigsten antiken Mauern, welche man bis jetzt in der Dobrudscha kennt. Es war 12 Uhr, als wir mit unserem Wagen unter den freigelegten Stadtmauern von Istros anlangten, die an vielen Stellen bis auf die Höhe von 6 Meter tadellos erhalten sind und in ihrer weißen Farbe den Eindruck erwecken, als wären sie gestern erstellt worden. Zwei Stunden liefen wir in dem alten Gemäuer der Stadtbefestigung und der Türme herum und suchten nach den uns aus Veröffentlichungen bekannten Inschriftsteinen, besonders nach dem 4 Meter hohen Steinpfeiler aus dem Jahre 138 n. Chr., welcher eine Liste von 157 Senatoren von Istros enthält, dann nach zwei anderen Steinen, von welchen der eine die Gemarkung des Landbezirkes der Stadt angibt, und der zweite die Privilegien und die Freibriefe mitteilt, welche Istros von den Gouverneuren der römischen Provinz Untermoesien bekam. Die Steine waren nicht zu finden. Ob sie wohl von den Bulgaren weggeschleppt worden sind? Mehr als alles andere interessierte mich in Istros ein altchristlicher Fund. Als die Ausgraber außerhalb der Zitadelle für ein Unterkunftshaus Fundamente ausheben ließen, stießen sie auf die Überreste einer kleinen altchristlichen Basilika mit quadratischem Grundriß des Kirchenschiffes und mit stark entwickelter Apsis. Das alte Heiligtum wurde sorgfältig ausgegraben, die Säulenbasen an Ort und Stelle gelassen und der Fußboden, der mit quadratischen Ziegelplatten belegt war, freigelegt. Wenn man bedenkt, daß in der viel weniger wichtigen Stadt Tropaeum in der unteren Dobrudscha vier große Basiliken gefunden wurden, darf man gewiß hoffen, daß auch unter dem Schutte von Istros altchristliche Kirchen und Inschriften begraben liegen. Die christlichen Archäologen dürfen hier noch auf eine reiche Ernte aus den Ausgrabungen, welche man vor dem Kriege auf 15 Jahre berechnete, hoffen“. (Tagebuch 1918, S. 308). Und weiter 85 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 086 ============================================================================ (Bild) Junge aus Katalui 1938 (Bild) Mädchen aus Kobadin 1938 (Bild) Rumänisches Mädchen in Vadul 1931 (Bild) Links: Deutsches Mädchen in Tariverde 1931 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 087 ============================================================================ ging es in die Norddobrudscha zum Dorfe Slava Russa. „Hierher zog es uns gestern, weil auf der Ostseite des Dorfes die antike, noch nicht aufgedeckte Stadt Ibida liegt, welche einst mit 30 Türmen befestigt war. Ihre Umfassungsmauern liefen im Osten und im Westen quer durch das Tal, auf der Nordseite über einen Hügel und im Süden über den Grat eines Berges. Ihre Lage muß reizender gewesen sein als die jeder anderen Stadt Skythiens. Sie wartet noch auf die Auferstehung durch die Ausgraber. Der Krieg hat von der alten Stadt einen interessanten Fund zutage gefördert. Der hier stationiert gewesene bulgarische Offizier Iconomoff ließ nämlich durch seine Soldaten einen Versuchsgraben im alten Festungsgebiet ziehen. Das erste, was er dabei fand, waren die drei aus Quadern gemauerten Apsiden einer großen altchristlichen Kirche, welche 22 Meter breit war, und die ein Mosaikboden geschmückt hatte.“ Über Slava Tscherkesa erreichten sie das „ganz deutsche Dorf Tschukurow, wo wir im gastlichen Hause des Herrn Ulbricht freundlichste Aufnahme fanden. Er ist vor dem Kriege wohl der reichste Bauer in der Umgbung gewesen. Heute früh besichtigten wir das Anwesen Ulbrichts. Wie überall stehen auch seine Stallungen leer, und der Großbauer von früher muß zufrieden sen, daß man ihm eine Kuh, ein Schwein und für den Feldbau zwei Pferde gelassen hat. Alles andere hat der unselige Krieg verschlungen. Herr Ulbricht sagte zudem, daß Tschukurow besser weggekommen sei als andere Dörfer.“ Netzhammer fuhr mit seiner Reisebegleitung nach Nalbant weiter und sah die „malerische und hochragende Burgruine Heraklea bei Enisala und daneben die Wasserfläche des Razelmsees, im Altertum Halmyrissee genannt. Dort in der Gegend ist der Märtyrerort und das Grab der beiden skythischen Heiligen Astion und Epiktet“ (Tagebuch vom 10. 5. 1918, S. 311 f.). Im September 1918 zog es den Erzbischof wieder in die Dobrudscha, diesmal in Begleitung des deutschen Bildhauers Gorsemann. Die beiden Geschichtsbegeisterten besuchten Adamklissi und Tropaeum Traiani und machten interessante Entdeckungen. Doch lassen wir Netzhammer wieder selbst erzählen: Am 29. September langten sie in Kobadin an und übernachteten im Hause der Familie Michael Leyer. Sofort erschienen der frühere Schulze Klett und der jetzt amtierende Schulze Rösner zur Begrüßung. Am nächsten Morgen, es war der 30. September 1918, fuhren die beiden nach Süden. „Von Adamklissi ist die Gegend baumlos, gerade so, wie Ovid das Land seiner Verbannung geschildert hat. Gegen 10 Uhr kamen in einer breiten Bodensenkung zwei Gutshöfe und daneben ein kleines Dörfchen zum Vorschein; es ist Sofular, ein Besitz der Familien Leyer, die in der Gegend etwa 1000 ha Ackerland ihr eigen nennen. Einer der jungen Herren Leyer begrüßte uns und stellte auch seine Frau vor. Im Hofe regte sich kaum etwas; die Stallungen standen leer, die Schuppen und Magazine waren teils niedergebrannt und teils zerschossen, die großen Getreideerntemaschinen waren zusammengeschlagen und die Pflüge, Eggen und andere Ackerbaugeräte lagen zerschlagen auf einem wirren Haufen. Im Wohnhause standen nur wenige Möbel, und den Türen und Fenstern sah man es an, daß sie ursprünglich nicht hier ihren Platz hatten. Überall Spuren und Folgen des wilden Krieges, dessen Front hier längere Zeit hin und her wogte. Herr Leyer führte uns in genau westlicher Richtung durch ein kleines Tal. Bald befanden wir uns in einem breiten Kessel, in dem man nach Aussage des Begleiters beim Graben überall auf Gemäuer stößt. Von hier ging es über einen Sattel in einen zweiten Talkessel hinunter. Bald hielt Herr Leyer mit den Worten an: „Jetzt sind wir bei der Cetate von Cavaclar!“ Wir standen vor einem 87 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 088 ============================================================================ steilen Hang, hinter welchem sich gleichmäßig ausgeebnet ein gegen Süden schwach geneigtes Terrain ausbreitet. Es ist der Standort einer verschwundenen Stadt, von welcher man nicht einmal den Namen kennt. Dieser Ort, welcher eine Siedlung aus konstantinischer Zeit sein dürfte, gehörte natürlich zur berühmten Eparchie Skythien. Grabungen in ihr würden mit Sicherheit die Grundmauern altchristlicher Kirchen zutage fördern. Nachmittags ging unsere Fahrt weiter durch die Dörfer Casicci, Enghez, Carachioi und Azaplar, wo Gorsemann überall seine Soldatenfriedhöfe nachsah, und dann zum deutschen protestantischen Dorfe Sarighiol. Es war dem Zunachten nahe, als Herr Leyer das Gefährt in den Hof des alten Vaters Strom lenkte. Wir fanden bei ihm gastliche Aufnahme. Bald saßen wir zwei Dobrudschatrotter mit dem Alten allein in der Stube. Er wiegte eine kleine Enkelin auf den Knien und erzählte dabei aus alten Zeiten, wie er als zehnjähriger Bub mit seinem Vater und vielen Familien aus einem Dorfe Galiziens nach dem Süden Bessarabiens ausgewandert sei. Ganz romanhaft war es anzuhören, wie das Dorf vor der Auswanderung den Unterschütz, den Bäcker und den Pfeiffer zur Kundschaft ausgesandt hatte, wie diese auf der wechsel- und gefahrvollen Fahrt nach Jassy, Bolgrad und Ismail kamen, wie sie überall belogen und betrogen wurden und wie sie endlich mit leerer Geldkiste, welche auf ihrem Wagen aufgenietet war, heimkehrten. In lebhaftesten Farben schilderte dann Strom die eigentliche Auswanderung, die in drei Gruppen erfolgte. . .“ Hernach hörte sich der Erzbischof die Klagen der Bevölkerung an: Es fehlte an Kleidung und Nahrung. Netzhammer schlief bei dem Bauern Müller und setzte am nächsten Morgen (1.10.1918) seine Reise fort. „Jetzt mehren sich schon ringsum am östlichen Horizont die Tumuli, die eigentlichen Wahrzeichen von Mangalia, dem antiken Kallatis. Um keine Stadt stehen sie so dicht wie hier, nicht einmal um das alte Tomis; sie verkünden klar und deutlich, daß Kallatis einst die mächtigste Stadt an dieser Küste des Pontus Euxinus war. Wir fahren in das durch den Krieg unsäglich hergenommene Städtchen Man- galia ein, das uns heute viel trostloser erscheint als im Frühjahr. Es sollen gegenwärtig kaum 400 Leute hier wohnen ... Lange besichtigten wir die Ausgrabungen, welche Dr. Jacobs seit dem Frühjahr wesentlich gefördert hat, und nehmen verschiedene Messungen vor. Nachdem wir auch das Meer reichlich genossen, welches heute nur sanft und leicht gekräuselte Wellen an das Ufer trieb, nehmen wir den Weg auf unser Dorf Mandschapunar zu. Aufs beste werden wir aufgenommen, und in aller Augen zeigt sich Freude über unsern Besuch. Gleich nach der Ankunft in der kleinen Gemeinde erscheinen Schulze, Beisitzer und Bauern. Diese und alle Dorfbewohner befinden sich wegen des plötzlichen Abmarsches der deutschen Soldaten in großer Aufregung. Sie fürchten jetzt, den Bulgaren ausgeliefert zu werden. . .“ Auch der Soldatenlehrer und Pater Nötges haben sich bereits verabschiedet. Netzhammer und Gorsemann übernachteten in Mandschapunar und fuhren am nächsten Morgen, es war der 2. Oktober, nach Konstanza weiter. Gorsemann blieb dort. Netzhammer langte um Mitternacht in Bukarest an (Tagebuch 1918, S. 337—340). Im April 1922 hielt sich Erzbischof Raymund Netzhammer wiederum anläßlich einer Firmungsreise in der Dobrudscha auf. Am 26. April firmte er in Malkotsch 90 Kinder. Am nächsten Tag fuhr er mit Herrn Türk auf den Raselmsee zu. „In Caraibil stiegen wir ab und besuchten den türkischen Grundbesitzer. Bei einem 88 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 089 ============================================================================ Täßchen türkischen Kaffees brachte ich meine Fragen, welche archäologische Ziele verfolgten, vor. Der gefällige Türke versicherte, daß sich auf seinem ausgedehnten Grunde keine Cetate und keine Tumuli befänden, und daß er nie von Altertümern oder Ruinen auf seinem Gebiet gehört habe. Er verwies mich nach Murighiol und nach Dunavetz, wo man an Trümmer- und Scherbenhaufen reich sei. Dort hatte ich selbst viel abgesucht.“ Die Fahrt ging weiter über die Festungsruine Heraklea und zur ehemaligen Griechenstadt Istros und dann weiter über Tariverde und Kodschalak nach Kulelie, wo Nachtruhe gehalten wurde. In Karamurat fand der Erzbischof am 29. April 1922 „alles echt karamuratisch: Die Straßen rein und mit Kränzen und Fahnen geschmückt, drei hohe Trimphbogen aufgerichtet und die Pfarrkirche schmuck herausgeputzt! „Das können nur die Deutschen!“ heißt es in der Dobrudscha!“ (Tagebuch vom 29. 4. 1922, S. 33 £.) Mit den Karamuratern ist Netzhammer am 30. April „wieder sehr zufrieden gewesen. Schon die wohlvorbereitete Kommunionmesse der Kinder ging mir tief zu Herzen! Welch’ natürlich frommen Sinn und welch’ gläubige Augen sah man da besonders bei den Knaben! Der prozessionsweise Aufzug und Einzug in die Kirche, woran sich die ganze Gemeinde, auch das alte Weiblein, beteiligt, ist ein augenfälliger Beweis für den Sinn der Ordnung der Deutschen. Bischof Cisar von Jassy pontifizierte und legte in faßlicher Weise das Reich Gottes dar. Die Gläubigen hingen förmlich an den Lippen des Redners. Bis noch die 94 Kinder gefirmt und die letzten Worte der Mahnung und Aufmunterung verklungen waren, stand der Uhrzeiger schon über 1 Uhr. An unserem Mittagstische saßen auch drei Bauern, der Dorfschulze und seine beiden Beisitzer. Feurige junge Reiter begleiteten unsern Wagen bis an die Gemarkung des Dorfes. Nachdem Canara passiert war, ließ ich unser Gefährt nach dem deutschen Dorf Groß-Pallas am Siutghiol fahren, da ich mich dort um einen Baugrund interessiere. In der immmer schönen Hafenstadt Konstanza kamen wir gegen Abend an,... und der Nachtzug brachte den Erzbischof und seine Begleiter am 1. Mai nach Bukarest zurück!‘ (Tagebuch vom 30. 8. 1922, S. 302). Nach zwei Wochen kehrte er in die Dobrudscha zurück. Am 15. Mai kam er zusammen mit P. Lucius in Ali-Anife, Kalfa, an, wo am nächsten Tag die Firmung vorgenommen wurde. Am Tage seiner Ankunft unternahmen die beiden geistlichen Herren einen Ausflug zur Römerstadt Abrittus. „Unserem Gefährte der Priester folgte ein langer, mit vielen Bauern beladener Wagen, die uns begleiten wollten . . . Die Fahrt war sehr angenehm, und die Bauern hatten große Freude, mit uns die Schutthügel der Umfassungsmauern und der Festungstürme von Abrittus abschreiten und über das Hochplateau spazieren zu können, auf welchem die Tempel und Häuser, die Markthallen und Gerichtsgebäude standen. Sie fingen mit Interesse jedes Wort auf, das über die Bauart und die Stadteinteilung, über die Befestigung und die Torzugänge fiel. Aus der Geschichte dieser Stadt ist sehr wenig auf uns gekommen; von ihren Urkunden liegen vielleicht noch einige in der Form von Inschriftsteinen unter dem Boden. So viel weiß man aber, daß bei Abrittus die Goten den Römern gefährliche Schlachten geliefert haben, und daß der Kaiser Decius, der Christenverfolger, im Jahre 251 in einer Schlacht fiel, als er den Tod seines von den Goten getöteten Sohnes rächen wollte. Vor den Stadtmauern suchten wir die Überreste einer christlichen Kirche der ersten Jahrhunderte auf, die hier schon vor den Balkankriegen von den Bulgaren freigelegt worden war. Heute sind von dieser heiligen Stätte alle behauenen Steine und Säulen weggeschleppt, welche ich bei einem früheren Besuche noch 89 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 090 ============================================================================ hier liegen sah. Auch selbst von der Rundung der Apsis sind nur noch wenige Elemente vorhanden“ (Tagebuch vom 15. 5. 1922, S. 309). Am Tage nach der Firmung — Pfarrer Overbeck aus Karamurat hatte die Festpredigt gehalten — fuhr Erzbischof Netzhammer nach Warna weiter (17.5. 1922), wo er von dem Passionistenpater Dunstan begrüßt wurde. „Bald nach unserer Ankunft wurde der Museumsdirektor Hermenegild Skorpil, den ich von unserem Besuche in Varna brieflich unterrichtet hatte, angemeldet. Es freute mich außerordentlich, diesen hervorragenden Archäologen, Forscher und Sammler persönlich kennenzulernen. Sofort legten wir für den morgigen Tag ein Programm fest; für den Vormittag wurde die Fahrt zu der zuletzt ausgegrabenen Basilika in Aussicht genommen. Wir verstanden uns, als würden wir schon seit Jahren miteinander gearbeitet haben... .“ (Tagebuch vom 17.5.1922, S. 310). Im Mai 1923 hielt sich Netzhammer zum letzten Mal anläßlich einer Firmungsreise in der Dobrudscha auf. Am 10.Mai war er in Tultscha, dann in Malkotsch und Kulelie. Dazwischen besuchte er den Abt des Lipowanerklosters zu Uspenia. Firmungen in Karamurat, Mandschapunar, Konstanza und Cernavoda schlossen sich an. Am 18. Mai 1923 war Erzbischof Raymund Netzhammer wieder in Bukarest zurück (Tagebuch vom 17.5.1923, S. 421 f.). Im Oktober desselben Jahres inspizierte er in Groß-Pallas und Tekirghiol den Bau der Kirchen, für welche Architekt Fackler aus Bukarest Pläne erstellt hatte. Die guten Leute hatten sich indes nicht an die Pläne gehalten und nach eigenem Gutdünken gebaut. Im Mai 1924 besuchte Erzbischof Netzhammer nochmals seinen Freund Museumsdirektor Pârvan, der seinem Gast seine Wohnung in Istros zur Verfügung stellte. Pârvan nahm regen Anteil an der Untersuchung Netzhammers über die „Christlichen Altertümer der Dobrudscha“ und lieferte u.a. hierfür einen Plan von Istros (Tagebuch 1924, S. 485—487).“ In diesem Kapitel haben wir ausgiebig im Tagebuch des Erzbischofs geblăttert, um einen Blick in die Gelehrtenstube dieses Mannes zu werfen. An Hand dieser Aufzeichnungen könnte man den Eindruck gewinnen, Netzhammer sei in erster Linie Archäologe und Numismatiker gewesen. Sein Priester- und Bischofsamt ging ihm immer vor, aber er wußte es geschickt mit seiner Neigung für die Archäologie zu verbinden: Beide Bereiche standen sich nicht gegenseitig im Wege, sondern bewirkten eine Bereicherung des Wissens und Wirkens des Bukarester Oberhirten. Während seiner Amtszeit genoß Raymund Netzhammer daher hohes Ansehen. An ehrenden Auszeichnungen fehlte es nicht: Die rumänische numismatische Gesellschaft wählte ihn 1913 zu ihrem Ehrenmitglied, die numismatische Gesellschaft von Wien zu ihrem ordentlichen Mitglied. Schon als Rektor des Bukarester Seminars war er von Erzbischof Hornstein 1901 zum Ehrenkanoniker der Erzdiözese Bukarest ernannt worden. König Karl I. von Rumänien verlieh dem Erzbischof am 23. Mai 1906 die Jubiläumsmedaille und am 1. Januar 1912 den rumänischen Kronenorden im Range eines Großoffiziers. Kaiser Karl von Österreich-Ungarn dekorierte Netzhammer am 6. August 1918 gar mit dem Großkreuz des Franz-Josef-Ordens. Nach seiner Resignation ernannte ihn der Heilige Vater am 23. Juni 1925 zum päpstlichen Thronassistenten und römischen Grafen. Raymund Netzhammer hielt nichts von Orden und blieb im persönlichen 90 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 091 ============================================================================ Bereich stets der schlichte Benediktiner. Er wußte um die Vergänglichkeit irdischer Macht und Ehre; sein Bukarester Wirken lieferte ihm den Beweis für diese Wahrheit. Abschied von Rumänien Obwohl Erzbischof Raymund Netzhammer sowohl mit den rumänischen Behörden als auch mit der Bevölkerung sehr gut auskam, betrieben drei Geistliche seiner Diözese in Rom seine Absetzung. Als Gründe führten sie an, Netzhammer betreibe deutsche Politik, kümmere sich nicht um seinen Klerus und vernachlässige die Verwaltung der erzbischöflichen Güter und Finanzen. Die beiden ersten Anklagepunkte stellten Ermessensangelegenheiten dar. Nichtdeutsche Gruppen innerhalb der Diözesanen konnten natürlich den Eindruck haben, Netzhammer neige dem Deutschtum zu, obwohl sich der Erzbischof immer bemüht hatte, jede Volksgruppe zu verstehen und zu fördern. Ein nichtdeutscher Bischof setzte sich umgekehrt bei den deutschen Katholiken Rumäniens dem Verdacht aus, antideutsche Gefühle zu hegen und diejenige Volksgruppe, welcher er selbst angehörte, vorzuziehen. Der zweite Anklagepunkt war ebenso vage, da es keinen gültigen Maßstab gibt, wie sehr sich ein Oberhirte um seine Priester kümmern müsse. Dieser Punkt bewegte den Erzbischof dennoch, sein Bukarester Amt niederzulegen, da er nicht mehr das volle Vertrauen der Priester genoß. Den dritten Punkt vermochte er mit Leichtigkeit zu widerlegen, als er dem Domkapitel am 14. Juli 1924 die Diözesanverwaltung übergab. Netzhammer hatte die Diözesanrechnungen vom ersten bis zum letzten Tag eigenhändig aufgeschrieben und damit dicke Bände gefüllt. Als er die Barbestände der Diözese auf der Bank Marmorosch, Blank & Co. mit dem Betrag von fast einer Million Lei angab, staunten die Domherren. Doch nicht genug damit. Netzhammer fuhr fort: „Ferner übergebe ich, die einzelnen Nummern abzählend die Wertpapiere der verschiedenen, unter meiner Regierung angelegten Diözesanfonds, welche sich nominell auf anderthalb Million Lei belaufen. Dabei liegen Bemerkungen über die Verwendung der Fonds und die Inventare der Effekten“ (Tagebuch 1924, S.512). Auf die Frage des Protokollführers Auner nach den Schulden und Lasten der Diözese, konnte Netzhammer antworten, daß solche nicht vorhanden seien. Diese Bilanz war um so erfreulicher, als Netzhammer bei seinem Amtsantritt zerrüttete Finanzen angetroffen und eine Reihe von beachtlichen Bauten durchgeführt hatte. Mit gutem Gewissen konnte er versichern: „Wir reisen ab, wie wir gekommen sind.“ Den Domherren wird bei diesem Rechenschaftsbericht zum Bewußtsein gekommen sein, daß die Vorwürfe gegen Erzbischof Netzhammer auf wackeligen Beinen standen. So gestaltete sich der Abschied des scheidenden Erzbischofs von seinem Domkapitel freundlich. „Die Übergabe hat in ruhiger und in der denkbar schönsten Weise, in Liebe und Frieden stattgefunden“, betonte Netzhammer in seinem Tagebuch (1924, S. 513). Der Abschied von seinen Freunden, von Ion Bratianu, Sturdza und von verschiedenen rumänischen Politikern und Gelehrten, von den Schulbrüdern, den Englischen Fräulein und den Sionsschwestern fiel recht schwer. Als er am 14. Juli bei den Sionsschwestern letztmals eine hl. Messe feierte, war die „versammelte Gemeinde nichts anderes als eine große Trauerversammlung“. Nachmittags fuhr Netzhammer nochmals nach Cioplea und dann zum Konvikt. „Diese 91 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 092 ============================================================================ (Bild) Erzbischof Netzhammer im „Ruhestand“ auf Werd (Rhein) Abschiede sind schwer“, gesteht er, „obwohl man sich beherrscht und nach außen hin ruhig bleibt und sogar noch eine gewisse Heiterkeit zur Schau trägt“ (Tagebuch 1924, S. 513). Von seinen Diözesanen nahm er im Sonntagsblatt mit folgenden Worten Abschied: „Geliebte Diözesanen! Vom Heiligen Vater Papst Pius XI. von meinem Amte als Erzbischof von Bukarest abberufen, verlasse ich in einigen Tagen meine geliebte Herde, welche ich seit 19 Jahren geleitet habe. Wohl tue ich diesen Schritt mit einer gewissen Wehmut, da mich engste Bande der Liebe an die Katholiken meiner Erzdiözese knüpfen, aber ich tue ihn auch in der Überzeugung, daß ich kommenden Schwierigkeiten gegenüber nicht mehr standhalten könnte, da meine Gesundheit durch mehrere Krankheiten geschwächt ist. Zudem braucht es für neue Zeiten auch neue Männer, und einem solchen neuen Manne überlasse ich mit größter Seelenfreude den erzbischöflichen Sitz von Bukarest. Euch aber, geliebte Diözesanen, bringe ich in Erinnerung das Wort des hl. Paulus an die Hebräer (13, 17): ‚Gehorchet euren Vorstehern und seid 92 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 093 ============================================================================ ihnen untertan, denn sie wachen als solche, die für eure Seelen Rechenschaft geben sollen, damit sie dies mit Freuden tun und nicht mit Seufzen’. Bei meinen häufigen Besuchen in den einzelnen Pfarreien und Missionsstationen habe ich die mir anvertrauten Schafe kennengelernt, und öfters haben alle in mir ihren Hirten gesehen und seine Stimme gehört. Es war stets mein redlichstes Bestreben gewesen, allen meinen Diözesanen das Wort Gottes in der Muttersprache zu verkünden und verkünden zu lassen und allen, ohne Unterschied der Nationalität, besorgter Vater und wachsamer Hirte zu sein. Heute, geliebte Diözesanen, komme ich, um von euch allen und von jedem einzelnen Abschied zu nehmen. Als letztes Wort und als letzte Aufmunterung sage ich euch das, was ihr in allen meinen Predigten und Ansprachen gehört habt: Haltet treu fest am Glauben an Jesus Christus, den Sohn Gottes, unsern Herrn, stellt euch in allen Verhältnissen eures Lebens vertrauensvoll unter den Schutz der lieben Muttergottes, bekennt euch in Offenheit und Entschiedenheit als gute fromme Mitglieder unserer heiligen katholischen Kirche, schämt euch nie, Anhänger und Untertanen des Papstes in Rom zu sein, betätigt euren katholischen Glauben durch die Beachtung der Gebote Gottes, durch Werke der Nächstenliebe, durch die Erfüllung der Sonntagspflicht und durch den öftern Empfang der heiligen Sakramente! Das sind Hauptpflichten eines katholischen Christen. In herzlicher Weise, geliebte Diözesanen, nehme ich Abschied von euren Kindern. Es war mir stets eine besondere Genugtuung, wenn ich für deren Unterweisung und Erziehung in unseren katholischen Schulen etwas tun konnte, und ich empfand eine Herzensfreude, wenn es mir vergönnt war, in katechetischen Predigten und Unterweisungen zu den lieben Kindern zu sprechen. Mögen die in die zarten und reinen Kinderherzen gestreuten Samenkörner des religiösen Unterrichts aufgehen und gedeihen! Mögen durch diese dem Herzen Jesu ganz nahestehenden Kinder die katholischen Familien immer mehr geheiligt und zu einem tatkräftigen Glaubensleben geführt werden! Abschied nehme ich von Rumänien. Dieses Land, dessen Schönheiten und Reize mich auf ungezählten Fahrten beglückt haben, hielt mir während meines langjährigen Aufenthaltes zuvorkommendste Gastfreundschaft. Rumänien wurde mir zur zweiten Heimat, und ich verlasse es mit den Gefühlen tiefsten Dankes. Diese Gefühle drücke ich in besonderer Weise auch S. M. unserem geliebten König und Herrn aus und verbinde damit den aufrichtigsten Wunsch für Hoch- dessen Glück und Wohlergehen und flehe den Segen des Allerhöchsten auf die gesamte allverehrte Dynastie herab. Vor dem Scheiden sende ich noch einen Gruß in die Dobrudscha. Sie ist mir Lieblingsland. Dort leben in Städten und Dörfern katholische Stammesgenossen, die in Wahrheit zu den Treuen und Guten meiner Herde gehören. Was mich aber jährlich in jenen hochinteressanten Landstrich am Schwarzen Meere zog, ist der Pulsschlag der altchristlichen Welt, den man dort, ungeschwächt durch die Länge der Jahrhunderte, heute noch deutlich hören und fühlen kann. Dort ist Erde, die reichlich durch Märtyrerblut getränkt ist, dort sind verschüttete Städte, Dörfer und Landsitze, in welchen heilige Bischöfe von Tomis gepredigt haben, und dort liegen unter Schutt und Erde begraben Reste altchristlicher Kultgebäude und Heiligtümer. Den heiligen Blutzeugen der Dobrudscha und den heiligen Bischöfen von Tomis sei zu besonderem Schutze die Erzdiözese Bukarest anempfohlen. Was mir noch als Pflicht obliegt, ist das, daß ich innigsten und tiefgefühlten 93 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 094 ============================================================================ Dank auszusprechen habe: in erster Linie dem Klerus, der mir treuer Mitarbeiter war, dann den zahlreichen Ordensleuten, welche in unseren Schulen und Anstalten unermüdlich und erfolgreich für das Wohl der Diözese arbeiten und endlich all den ungezählten Katholiken und den vielen Freunden auch anderer Konfessionen, welche mir Beweise ihrer Opferwilligkeit, ihrer Liebe und Anhänglichkeit gegeben haben. Als der hl. Paulus in Milet Abschied nahm, kniete er nieder, betete mit seinen Getreuen und rief ihnen zu: ‚Und jetzt befehle ich euch dem Herrn und dem Worte seiner Gnade’ (Apg. 20, 32). So rufe ich auch euch zu, meinen geliebten Diözesanen. Vereint im Gebete, um das ich auch künftighin für mich bitte, segne ich euch alle aus der Fülle des Herzens im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.“ (Zit. nach Tagebuch 1924, S. 502 £.). Im Vertrauen auf die siegende Gerechtigkeit legte Raymund Netzhammer am 3. Juli 1924 die Resignation mutig vor dem Tabernakel auf den Altar nieder. Am 15. juli 1924 verließ er mit P. Lucius, seinem treuen Mitarbeiter, als einfacher Mönch — wenn auch mit bischöflichem Rang — sein Bistum und zog sich nach Maria Einsiedeln in der Schweiz zurück. Seit dem 8. März 1927 wohnte Erzbischof Netzhammer auf der Insel Werd bei Stein am Rhein. Dort ging er wie eh und je seinen archäologischen Interessen nach und betätigte sich weiterhin, freilich in kleinem Rahmen, im Weingarten Christi. Sein Herz blieb jedoch in Rumänien bei seinen Diözesanen und vor allem in seinem Lieblingsland, der Dobrudscha. Der Herr nahm den Hochbetagen am 18. September 1945 zu sich. Die Benediktiner des Stiftes Einsiedeln betteten die sterbliche Hülle ihres bischöflichen Mitbruders in der Gruft der Äbte zur letzten Ruhe. Rumänien und vor allem die Dobrudscha hatten einen treuen Freund verloren. Zum Schluß sei der Nachruf des Herrn Direktors Constantin Moisil angeführt, der in „Cronica Numismatica si Archeologicä“ (Bukarest, Juli-Dezember 1945), erschienen ist: „Eine Nachricht aus der Schweiz hat uns das Hinscheiden des alten und berühmten Mitglieds unserer Gesellschaft und des Mitarbeiters unserer Zeitschrift, Msgr. Raymund Netzhammers, des ehemaligen kathalischen Erzbischofs von Bukarest, gemeldet. Als Mann von hoher Kultur und Bildung hat der bekannte Oberhirte, obwohl er Naturwissenschaftler war, doch mit viel Eifer Geschichtswissenschaft getrieben, indem er sich für Numismatik und Archäologie begeisterte. Mehr als 20 Jahre, die er in unserer Heimat verbrachte, war er bemüht, unser Land kennenzulernen und hat er mit großem Interesse die alten Spuren unserer Vergangenheit, die Altertümer und die alten Kirchen, Festungen und Kampffelder erforscht. Besonders hat ihn aber die Dobrudscha angezogen, die so reich an antiken Denkmälern aller Art ist, und wo einst ein altes christliches Bistum existierte, und wo so zahlreiche Spuren des frühen Christentums entdeckt worden sind. Die Geschichte dieses Bistums mit dem Sitz in Tomis (Konstanza), Biographien von Märtyrern der Dobrudscha und die ausgegrabenen altchristlichen Denkmäler dieser Gegend haben ihm interessantes Material für Veröffent- lichungen geboten, die großen Wert für die Erforschung der christlichen Geschichte an der unteren Donau besitzen. Aber zugleich mit den christlichen Denkmälern hatte Raymund Netzhammer Gelegenheit, die Münzen der alten pontischen Städte Istros, Kallatis, Tomis und Dionysopolis kennen- und liebenzulernen sowie auch die interessanten Blei- und Bronzegewichte dieser Städte. Die Studien, die er hierüber in der katholischen Zeitschrift (1912—1916) und im Bulletin der Rumänischen Numismati- 94 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 095 ============================================================================ Numismatischen Gesellschaft (1913, 1921, 1927, 1934) veröffentlicht hat, sind nicht nur geprägt von neuen Erkenntnissen sowie reichen und präzisen Informationen, sondern auch von edler Leidenschaft für diese Relikte einer verflossenen Kultur. Nach dem Ersten Weltkrieg auf eine kleine Insel auf dem Rhein bei Eschenz/ Thurgau, in der Schweiz zurückgezogen, hat unser gelehrter Mitbruder nicht aufgehört, sich mit numismatischen und archäologischen Problemen zu beschäftigen. Eine seiner letzten Veröffentlichungen beschäftigte sich mit den Wappen der antiken Städte der Dobrudscha. Durch den Tod des Erzbischofs Raymund Netzhammer hat unsere Gesellschaft eines ihrer gelehrtesten und aktivsten Mitglieder verloren und die numismatische Wissenschaft einen aufrichtigen Verehrer und Erforscher der antiken Münzen und Gewichte.“ Persönliche Erinnerungen an den Bukarester Erzbischof Raymund Netzhammer Von Prälat Prof. Dr. Hieronymus Menges, Karamurat Meine ersten Erinnerungen an den ehemaligen Bukarester Erzbischof Raymund Netzhammer reichen zum 30. April 1922 zurück, dem Tag, als mir von Erzbischof Netzhammer in der Kirche zu Karamurat die hl. Firmung gespendet wurde. Der Bischof von Jassy, Alexander Theodor Cisar, begleitete damals den Erzbischof und hielt auch die Festansprache. Das Pontifikalamt mit der langen Predigt und der Firmung von 94 Kindern dauerte etwa drei Stunden lang. Damals entschied ich mich — ebenso wie Dr. Joh. Florian Müller —, Priester zu werden. Pfarrer Overbeck bereitete uns beide fortan auf den Besuch des Gymnasiums vor. Am 23. September 1923 brachten uns unsere Väter nach Bukarest ins erzbischöfliche Palais, wo die Seminaristen untergebracht waren. Von nun an konnte ich den Erzbischof fast täglich sehen. Um 5 Uhr standen wir Seminaristen auf, gingen um 5 Uhr 30 zur Kapelle zum Morgengebet und zur hl. Messe und nach dem Frühstück zum Gymnasium der Schulbrüder „St. Joseph“. Wenn wir in der Frühe zur Kapelle gingen, hörten wir den Erzbischof in seinem Büro, das neben der Sakristei der erzbischöflichen Kapelle lag, bereits eifrig auf der Schreibmaschine tippen. Die Frühmesse in der Kapelle zelebrierte der Erzbischof selbst. Bei den Pontifikalämtern in der Kathedrale durften die Seminaristen dem Erzbischof oder dem Nuntius ministrieren. Ich erinnere mich, wie unser Präfekt Sebastian Huber beim Predigen in der Kathedrale einmal so durcheinanderkam, daß er abbrechen mußte. Der anwesende Erzbischof war zunächst sehr erstaunt, konnte aber, bevor er wieder ganz ernst wurde, ein leichtes Lächeln kaum verbergen. Erzbischof Netzhammer predigte stets deutsch, obwohl er auch fließend französisch, italienisch und rumänisch sprach. Als er jedoch zu Ostern 1924 einmal in rumänischer Sprache predigte, fiel sein ausländischer Akzent stark auf, etwa wenn er das Wort „Dumnezeu“ das „z“ deutsch aussprach. Zu Weihnachten 1923 brannte es im erzbischöflichen Palais. Da gerade das oberste Stockwerk, in welchem die Seminaristen schliefen, betroffen war, schickte uns der Erzbischof über die Weihnachtsferien nach Hause. Auch die Sommerferien von Ende Juni bis 95 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 096 ============================================================================ (Bild) Erzbischof Netzhammers Ruhestandssitz (Bild nach einer Karte des Erzbischofs an den Herausgeber des Jahrbuchs - 1939) Mitte September durften wir zu Hause verbringen. Wir Seminaristen waren hierüber sehr glücklich. Als wir Seminaristen im September 1924 nach Bukarest zurückkamen, hatte der beliebte Erzbischof Rumänien bereits verlassen. Msgr. Durcovici empfing uns als Direktor des Seminars, Hochwürden Edmund Barciovschi als Präfekt. Zu den Begrüßungsworten des neuen Erzbischofs, Alexander Theodor Cisar, gehörte die Ankündigung, daß wir bis zur Priesterweihe in den Ferien nicht mehr nach Hause fahren dürften. Diese Worte wirkten auf uns niederschmetternd und trugen nicht zu überschwenglichen Sympathien für den neuen Oberhirten bei. Für viele Jahre hatte ich nun Erzbischof Netzhammer aus den Augen verloren. Erst nachdem ich 1937 in Münster (Westfalen) promoviert hatte, ergab sich eine Gelegenheit für mich, meinen ehemaligen Oberhirten aufzusuchen. Ich verbrachte zwei Wochen in Gersau am Vierwaldstätter See und fuhr von dort nach Einsiedeln, wo ich Erzbischof Netzhammer anzutreffen hoffte. Dieser lebte jedoch seit März 1927 auf der Insel Werd bei Stein am Rhein. Im Kloster Einsiedeln machte ich jedoch Bekanntschaft mit einem Benediktinerpater, der ein reines Sprachentalent war: Er beherrschte die bekannteren Sprachen fast alle perfekt. An Hand einer Grammatik, die er von Netzhammer erhalten hatte, eignete er sich auch die rumänische Sprache an und war nun glücklich, jemanden kennengelernt zu haben, der rumänisch sprach. Nach Ablauf von zwei Tagen, die ich in Einsiedeln verbrachte, sprach er fehler- und akzentfrei rumänisch. Als ich anschließend nach Stein fuhr, erwartete mit Erzbischof Netzhammer auf der 180 Meter langen Holzbrücke, die zur Insel Werd führte, in einfacher Benediktinerkutte. Stämmig und vital, wie ich ihn in Erinnerung hatte, war seine Erscheinung, sein herbes Gesicht war freilich eingerahmt von seinem schneeweißen 96 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 097 ============================================================================ Haupt- und Barthaar. In rührender Herzlichkeit hieß er mich willkommen, nahm mir den Koffer ab und führte mich in sein Domizil, einem einstöckigen Häuschen, wo seine Nichte Paula den Haushalt für ihn besorgte. Neben dem Häuschen befand sich nur noch eine Kapelle auf der Insel, außerdem ein Hühnerstall, ein kleiner Garten und eine Ausgrabungsstätte: hier betrieb der greise Erzbischof seine archäologischen Studien und förderte viele wertvolle Funde ans Tageslicht. In seinem Arbeitszimmer lagen viele Scherben, auf Tischen und Schränken standen rekonstruierte Töpfe und Vasen. Die Insel Werd, die zwischen dem Städtchen Stein und der thurgauischen Ortschaft Eschenz mitten im Rhein liegt, gehöre, so erklärte mir Netzhammer, zu den reichsten archäologischen Fundstellen für römische und frühmittelalterliche Geschichte. Diese Insel, seit dem 10. Jahrhundert im Besitz des Klosters Einsiedeln, birgt die Sterbe- and Grabstätte des hl. Otmar, des Gründers von Kloster St. Gallen. Voll Stolz zeigte mir Erzbischof Netzhammer seine Schätze, worunter sich auch eine wertvolle Münzsammlung befand. Als er Rumänien verlassen mußte, schenkte er dem rumänischen Staat eine ähnlich wertvolle Münzsammlung. Es war am 1. August 1937, als ich Erzbischof Netzhammer besuchte. Dieser notierte in seinen Memoiren folgendes: „Drei ganz interessante Herren brachte mir die zweite Hälfte des Jahres 1937 in mein Heim. Der erste war der junge Diözesanpriester Dr. Hieronymus Menges, gebürtig aus dem Schwabendorf Karamurat in der Dobrudscha. Während drei Jahren machte er mit noch einem Bukarester Kollegen theologische Studien in Münster in Westfalen und hatte sie kürzlich mit dem Doktorat abgeschlossen. Menges befindet sich jetzt auf der Heimreise, brachte auf eine Einladung hin einige Ferientage bei den Englischen Fräulein in Gersau am Vierwaldstättersee zu und begab sich dann nach Maria Einsiedeln, wo er mich zu finden glaubte. Er wurde im Kloster gut aufgenommen, zelebrierte zweimal in der Gnadenkapelle und wurde dann hierher gewiesen. Menges kam am frühen Nachmittag des 1. August, also am schweizerischen Nationalfeiertag an, der damals auf den Sonntag fiel und deshalb besonders feierlich begangen wurde. Während das Werd in den vorhergehenden Jahren abends dunkel blieb, wollte ich diesmal die Nachbarschaft mit einer Beleuchtung überraschen. Von Einsiedeln hatte ich 500 Engelweih-Kerzenlämpchen ausgeliehen. Nun aber regnete es bis in den Abend hinein. Wir hatten uns kaum recht zum Nachtessen gesetzt, hieß es, der Regen habe aufgehört und in Stein und auf Hohenklingen beginne man die Lichter anzuzünden. Sofort fahren wir die Kiste mit den Kerzenlämpchen auf den Steg. Wir sind unser fünf Personen; jede, auch Menges, hat ihre Funktion beim Legen und Anzünden der Lämpchen; in kurzer Zeit ist das Wunder vollbracht und weithin durch die rabenschwarze Nacht zeichnen die vielen Lichtlein die Konturen des 180 Meter langen Rheinsteges ab. Erst nach 11 Uhr werden die Lichter gelöscht, die Lämpchen gesammelt und heimbefördert. Der ganze Spuk ist vorbei und verschwunden! Jener Abend war auch für unsern Gast ein großes schönes Erlebnis.“ „Am folgenden Morgen spiegelte sich eine hübsche Sonne in den Wellen des Rheins; diese Juden nach dem Frühstück zur Fahrt ein. Menges saß mir in der Gondel gegenüber und erzählte. Er sprach auch von den Verhältnissen am Priesterseminar in Bukarest, an welchem ihn der Erzbischof voraussichtlich verwenden werde. Ich freute mich über seine Ruhe und den Takt, als er auch Kritik übte. Verwundert war ich, wie gut er über Therese Neumann unterrichtet ist und daß er auch den Ritter Friedrich von Lama, den Herold von Konnersreuth, kennt. Ich durfte deshalb meinem jungen Freund sagen, daß ich auch hier Mystisches zu betreuen habe. Nach dem Mittagläuten verließen wir 97 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 098 ============================================================================ die Insel und mit Kutsche, in welcher auch P. Wolfgang Eschbach und der Pfarrer Leodegar Widmer von Eschenz saßen, wurden wir zur Mittagstafel nach Schloß Freudenfels gefahren. Es war dort eine recht angenehme Tischgesellschaft beisammen, zu der von Sonnenberg her auch der Liturgiker und Choralkenner P. Pirmin Vetter stieß. An der Tischunterhaltung nahm Menges regen Anteil und machte recht guten Eindruck. Da er den ersten Nachmittagszug in Richtung Bodensee benutzen wollte, begleitete ihn P. Leodegar auf die Station Eschenz hinunter. In die Diözese zurückgekehrt, schrieb mir der junge Doktor bis in die allerletzte Zeit hinein viele und sehr interessante Briefe, war er doch auch während des Krieges in Transnistrien seelsorglich tätig gewesen.“ Hierzu noch einige Ergänzungen. Als ich am frühen Nachmittag auf der Insel anlangte, führte mich der Erzbischof sofort ins Gästezimmer und zeigte mir das Haus und die Insel. Anschließend hatte er einen Krankenbesuch zu machen, von dem er ganz aufgewühlt zurückkam. Erst später fand ich die Erklärung für sein Benehmen. Wir unterhielten uns lange und intensiv über Rumänien. Netzhammer zeigte mir dabei auch sein Memoirenwerk mit Auszug und Verzeichnis; er hatte es auf Grund seiner Tagebücher angefertigt. Kurz vor Mitternacht legte ich mich zur Ruhe, der Erzbischof erst um 1 Uhr, da er noch die Eindrücke des Tages zu Papier brachte. Am Morgen des 2. August ministrierte ich dem Erzbischof bei der hl. Messe, worauf er das gleiche während meines Meßopfers tat. Beim Frühstück fragte er mich: „Welchen Wunsch haben Sie: Möchten Sie mit dem Auto Schlösser in den Bergen besichtigen oder mit mir eine Bootsfahrt auf dem Rhein ünternehmen?“ Ich antwortete: „Besser mit Eurer Exzellenz im Boot als allein in den Schlössern!“ Das freute den Erzbischof: „Gut! Wir unternehmen zuerst eine Bootsfahrt auf dem Rhein und dann fahren wir zusammen zum Mittagessen ins Schloß Freudenfels!“ Gegen 7.30 Uhr saßen wir in einem kleinen Boot. Der Erzbischof ließ es sich nicht nehmen, selbst stromaufwärts zum Untersee zu rudern. Die Leute am Ufer winkten und grüßten freundlich; der rudernde Erzbischof in der schwarzen Mönchskutte war ihnen wohl ein gewohnter Anblick. Netzhammer seinerseits erklärte mir die Landschaft, die abwechselnd zu Deutschland und zur Schweiz gehörte. Während unserer Unterhaltung fragte er mich nach meinen weiteren Reiseplänen. Ich sagte ihm, ich werde nach Konnersreuth fahren, um Therese Neumann zu sehen. Netzhammer erwidert: „Ich glaube, daß in Konnersreuth alles übernatürlich ist. Doch, wie der Heiland dem Apostel Thomas gesagt hat, so sage ich Ihnen: ’Selig, wer nicht sieht und doch glaubt!“ Dann zeigte er mir vom Fluß aus ein Haus in Stein am Rhein, das hoch auf einem Felsen lag: „Dort wohnt Barbara Brütsch, die dasselbe Wunder wie Therese Neumann erlebt. Ja noch mehr: Sie erlebt das ganze Leben Jesu.“ Er erzählte mir, daß diese Frau nun 50 Jahre alt sei und aus einer streng protestantischen Familie stamme. Von einer schweren Krankheit im Jahre 1906 habe sie sich nicht mehr recht erholt. Nachdem ein Rückenleiden hinzugetreten sei, habe sie seit 1913 das Bett nicht mehr verlassen können. Sie habe jedoch das “Leiden geduldig aus der Hand Gottes angenommen, so daß sie anderen zum Beispiel und zum Trost geworden sei. Sie habe lange Jahre hindurch geforscht, gebetet und eine starke Sehnsucht nach der hl. Eucharistie entwickelt bis sie schließlich zum katholischen Glauben übertrat und am 7. Januar 1936 die hl. Kommunion empfing. Schon am 8. Juni 1935, am Herz-Jesu-Fest, hatte Barbara Brütsch ein brennendes Herzleiden gefühlt. Am 28. August 1935 erschien ihr der Heiland und sprach mit ihr. Am Freitag, dem 20. September 1935 legte sie eine Lebensbeichte 98 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 099 ============================================================================ beim katholischen Pfarrer Zuber ab, der dem Erzbischof am 25. Oktober über Barbara Brütsch berichtete. Am 21. November kam Ritter von Lama zu dieser Frau und erfuhr, daß der Heiland sie aufgefordert habe, keine Nahrung mehr zu sich zu nehmen. Am 12. Dezember 1935 trat der Heiland mit der gleichen Forderung an sie heran und versprach ihr, sie auch ohne Speise zu ernähren. Zu Weihnachten erlebte Barbara Brütsch die Geburt Christi mit und durfte das Jesuskind selbst in die Arme schließen. Am 31. Januar 1936 litt sie mit Christus die ganze Passion mit; von 12 Uhr bis 16 Uhr lag sie wie gekreuzigt da. Am 5. Februar 1936 gestand sie ihrem Pfarrer Wiesmann, katholisch geworden zu sein. Daraufhin wurde sie aus ihrer Familie verstoßen. Katharina Lüthi, ihre Patin, nahm sie jedoch in ihr Haus in Stein am Rhein auf (am 22. Mai 1936). Seitdem übernahm Erzbischof Netzhammer ihre Seelenführung. Er versicherte mir, daß „Barbettli“ weder Speis und Trank zu sich nehme noch schlafe. Am 20. Juni 1936 zelebrierte er eine hl. Messe im Zimmer von Barbara Brütsch und spendete ihr die hl. Firmung. Am 17. Juni war er erstmals Zeuge ihres Freitagsleidens. Er forderte sie auf, ein Tagebuch zu führen, was sie seit dem 31. Juli tat. Am 4. Juni 1937 nahm Netzhammer den Arzt Dr. med. Schirmer als Beobachter zum Freitagsleiden mit. Er sollte u.a. das Blut analysieren, das die Kranke reichlich brechen mußte. Erzbischof Netzhammer beeindruckte die Begegnung mit der stigmatisierten Barbara Brütsch dermaßen, daß er gestand: „Jetzt verstehe ich, warum ich Rumänien verlassen mußte, ich sollte die Seelenfüh- rung dieser begnadeten Seele übernehmen.“ Am 17. September 1936 war Netzhammer beim Hl. Vater Pius XI. in Castel Gandolfo zur Berichterstattung. Als er mit den Worten begann: „Hl. Vater, ich möchte Ihnen über eine Stigmatisierte berichten!“ hob dieser das Haupt und wies mit dem Finger zur Tür: „Hinaus!“ sagte er und wollte nichts weiter hören. Netzhammer gestand mir: „Ich meinte, er habe den Verstand verloren, weil er schon so alt war“ (80 Jahre). Netzhammer wurde jedoch bald verständigt, am nächsten Tag wiederum zur Audienz zu kommen. Der Papst erklärte ihm seine Impulsivität: „Ich kenne Sie als Naturwissenschaftler und Archäologen, als einen vernünftigen Mann. Daß Sie nun herkommen, um mir über eine Stigmatisierte zu berichten, konnte ich einfach nicht fassen. Täglich soll ich Kommissionen von Klosterfrauen aus aller Welt empfangen, die mir über Stigmatisierte berichten.“ Zu Recht mußte er skeptisch sein. Nun ließ er sich aber doch geduldig von Erzbischof Netzhammer über Barbara Brütsch berichten. Als dieser geendet hatte, sagte er sehr ernst: „Ich glaube, daß alles übernatürlich ist. Aber in dem Augenblick, in dem Sie darüber auch nur ein Wort öffentlch sprechen oder schreiben, sind Sie ipso facto suspendiert.“ Netzhammer versprach es und hielt sich daran. Ich war der erste, den er ins Vertrauen zog, und fühlte mich ebenfalls an die Schweigepflicht gebunden. Nach einigen Jahren erlaubte es der Papst dem Erzbischof, ein Gelehrtenteam von Theologen, Ärzten und Philologen heranzuziehen, um das Phänomen der Stigmatisation von Barbara Brütsch zu ergründen. Unter anderem wurde ihm gestattet, ihre Worte auf Tonband aufzunehmen; Barbettli sprach öfters in fremden Sprachen, was zu höchst interessanten Konklusionen führte. Von der Rheinfahrt zurückgekehrt, zeigte mir Netzhammer die Notizen der Kranken, die Netzhammer nach deren Tod veröffentlichen wollte. Ich staunte, mit welchen Plänen für die Zukunft sich der 75jährige immer noch trug. Während meines Besuches kamen wir unter anderem auf seine Tagebücher zu sprechen. Netzhammer sagte mir, daß er die beiden Bände „Aus Rumänien“ und seine übrigen Veröffentlichungen größtenteils auf Grund seiner Tagebuchnotizen 99 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 100 ============================================================================ angefertigt habe. Leider könne er seine Memoiren nicht veröffentlichen, da sie zu viele bittere und finstere Seiten enthielten. Er gab mir manche Andeutung und fragte auch mich über meine Meinung über den ein oder anderen Priester, über die ein oder andere Persönlichkeit in Rumänien. In Netzhammers Tagebuch fand ich unsere Unterhaltung wieder vor: „Dr. Menges macht den Eindruck eines bescheidenen und intelligenten Mannes. Er sprach nie mit erhobener Stimme und immer ohne Leidenschaft. Er gab von vielen Herren gute und interessante Charakteristika . . .“ Am meisten interessierten ihn meine Aussagen über Emanuel Kreis, Kanonikus Julius Hering, den abgefallenen Priester Markali und Josef Polgari. Diese vier Priester hatten ihm viel Kummer bereitet. Die ersten drei klagten ihn sogar in Rom an: er kümmere sich weder um die Priester noch um die Verwaltung der Diözese; er habe während des Ersten Weltkrieges deutsche Politik betrieben, indem er zusammen mit dem deutschen General Mackensen durch Bukarest gefahren sei, um ihm die Stadt zu zeigen. In Rom fanden diese Anschuldigungen offene Ohren, vor allem, nachdem sich ein weiteres Mißgeschick eingestellt hatte: Der Erzbisckf versäumte es, den neuen Nuntius am Bahnhof abzuholen. Netzhammer weilte gesundheitshalber eben in Cioplea und wußte nichts von der Ankunft des Nuntius Marmaggi. Als dieser am 17. Oktober 1920 mit Sekretär und Diener um 5 Uhr am Hauptbahnhof ankam, erwartete ihn niemand. Der Kutscher, den der Nuntius genommen hatte, fuhr die Neuankömmlinge bei großer Kälte fast eine Stunde in der Stadt herum, bis er endlich das erzbischöfliche Palais fand. Der Nuntius war sehr verärgert, weil er hinter dieser Angelegenheit Schikane und Absicht witterte. Natürlich eilte Netzhammer sogleich nach Bukarest als er von der Ankunft Marmaggis erfuhr, aber er konnte die Verstimmung nicht mehr aus der Welt räumen. Der Sekretär gab seiner Verwunderung Ausdruck, daß man wohl in Temesvar und Lugoj von ihrer Durchreise, in Bukarest aber nichts von ihrer Ankunft gewußt habe. Der Nuntius machte aus seinem Unmut kein Hehl und gab zu verstehen, daß er mit dem deutschen Erzbischof nicht unter einem Dach wohnen wolle, um nicht dessen Prestige zu erhöhen. Netzhammer stellte dem Nuntius eine Reihe von Räumen im Palais zur Verfügung und zog sich später gekränkt nach Cioplea zurück. Ein Telegramm aus Rom, das Kardinalstaatssekretär Gasparri am 26. September abgesandt hatte, trug jedoch erst den Poststempel vom 16. Oktober; es mußte auf der Post liegengeblieben sein. Da man nun in Rom vergeblich auf eine rechtzeitige Antwort gewartet hatte, nahm man schon im vorhinein an, daß der neue Nuntius in Bukarest nicht willkommen sein werde. Es handelte sich also um eine ganze Reihe von unglücklichen Zufällen, die Erzbischof Netzhammer in Ungnade fallen ließen. Er selbst schrieb am 17. Oktober 1920 in sein Tagebuch: „P. Lucius (sein Sekretär) und ich taten alles, um den Nuntius zufriedenzustellen, nahmen aber auch den Vorsatz, den Eifer in Erfüllung der Amtspflichten zu verdoppeln. Viel Gutes konnten wir von Leuten nicht erhoffen, die sich mit solcher Unzufriedenheit in unser Haus setzten.“ Alle diejenigen, die gern einen Wechsel in der Führung der Erzdiözese gesehen hätten, nützten diese Sachlage aus: Sie besuchten den Nuntius, der sich alle Beschwerden anhörte und auch mit Geldhilfe nicht sparte. Dennoch war er so ehrlich, die Klagen, die er nach Rom weiterleitete, dem Erzbischof zu melden, so daß sich dieser wenigstens verteidigen konnte. Oft sah der Nuntius auch ein, daß er sich anlügen ließ und Intrigen zum Opfer gefallen war. Aber — wie es gewöhnlich so ist — blieb von den Verleumdungen doch etwas an der Person Netzhammers hängen, bis dieser schließlich Rumänien verlassen mußte. Dieses und so manch anderes Herzeleid vertraute mir der alte Oberhirte an. In der Folgezeit blieb ich mit Erzbischof Raymund Netzhammer in ständiger 100 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 101 ============================================================================ Briefverbindung. Ich hütete Netzhammers umfängreiche und zahlreiche Briefe wie einen Schatz wichtiger Dokumente. Leider wurden sie mir bei meiner Verhaftung am 18. November 1952 abgenommen und dann vernichtet. Als ich im Sommer 1940 im Zusammenhang mit der in Aussicht genommene Umsiedlung in die Dobrudscha geschickt wurde und in Groß-Pallas Wohnung nahm, offenbarte mir Netzhammer seine Pläne hinsichtlich der Dobrudscha. Erwähnt sei die Angelegenheit mit einem etwa 3 ha großen Grundstück, das als Landzunge in den Südghiol hineinragte. Netzhammer hatte es über einen Bauern aus Groß-Pallas für einen hohen Preis, ca. 450 000 Lei, von dem Bojaren Butoianu gekauft. In seinem Tagebuch zitiert er aus einem Brief von mir vom 6. August 1940 unter anderem: „Dr. Menges schreibt: ’... Von den Palazern soll ich die besten Grüße ausrichten und besonders von Wendelin Kuckert, der das Land gekauft hat. Gestern fuhr mich dieser Herr in die Stadt und erzählte mir die ganze Geschichte von dem Land, das heute für 300 bis 400 Lei pro Hektar jährlich vermietet wird. Es wird wohl noch konfisziert, wie auch anderes anderswo, weil es nicht eingezäunt wird. Ich meine, diese Lösung sollte die erzbischöfliche Kanzlei nicht außer Acht lassen, zumal die Umzäunung 30 bis 40 000 Lei kostet .....!“ Ausführlich verbreitet sich Erzbischof Netzhammer in seinem Tagebuch über das Projekt am 16. August 1923: „Endlich haben wir heute auf dem hiesigen Distriktgericht für das erzbischöfliche Ordinariat den Baugrund in Palaz Mare im Ausmaß von 3 Hektar käuflich erworben. Der Grund gehörte dem General Butoianu, von diesem kauften ihn mit unserm Gelde die Brüder Konrad und Wendelin Kuckert in Palaz Mare und heute wurde er auf unsern Namen geschrieben. Am 27. Juli hatte der Diözesanverwaltungsrat dem beabsichtigten Kaufe zugestimmt und das betreffende Protokoll unterzeichnet. Kanonikus Dr. Durkowitsch, der seit dem 17. Juli hier unsern in Ferien abwesenden Pfarrer vertritt, hat einen zuverlässigen Advokaten beraten und die Abfassung der Akten veranlaßt. — Nach dem Abschluß der heutigen Kaufformalitäten nahmen wir eine Lohnkutsche nach unserm katholischen Dorfe Palas Mare und freuten uns, den schönen Baugrund, der bis an den Siutghiol hinunterreicht, erworben zu haben. Prächtig ist von hier aus der Blick über den See mit dem idyllischen Ovidsinselchen, hinüber an die nahe Sandbank mit den Bädern von Mamaia und hinaus auf das wogende Meer, das heute stark erregt ist. Selbst für den Fall, daß die beabsichtigte klösterliche Niederlassung nicht zustande kommen sollte, wird der Wert dieses teuer gekauften Baugrundes immer mehr steigen, denn er ist weit und breit der schönste und der von Fiebern gesichertste.“ An dieser Stelle sollte ein Institut der Englischen Fräulein entstehen als Bildungsstätte der Mädchen aus der Dobrudscha. Noch bei der Übernahme der Diözesanverwaltung am 14. Juli 1924 wollten die vier Kathedralkanoniker vom scheidenden Erzbischof Auskunft über den „großen, teuren Grund in Palas Mare“ haben. Netzhammer konnte nicht nur angeben: „Auch dieser ist bis zum letzten Bani bezahlt!“ sondern mitteilen, „daß von den Barbeständen von mir 400 000 Lei für den Bau in Palas Mare bestimmt worden sind . . .“ Da jedoch im Ordinariat kaufmännisches Denken abging, wurde das Grundstück im September 1940 an den militärischen Wasserflughafen verschenkt. Es läßt sich leicht erraten, welch segensreiche Wirkung für die Hebung des kulturellen und sozialen Standards der Dobrudschadeutschen ein Institut, wie es Erzbischof Netzhammer geplant hatte, gezeitigt hätte. In Anerkennung seiner Verdienste gedachte P. Pieger im Sommer 1940 den Erzbischof Netzhammer nach Rumänien und in die katholischen Dörfer der Dobrudscha einzuladen. Auch die rumänische 101 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 102 ============================================================================ Regierung hatte gegen einen solchen Besuch nichts einzuwenden. Ich machte dem 78jährigen hiervon Mitteilung. Erzbischof Netzhammer freute sich riesig auf ein Wiedersehen mit seinen ehemaligen deutschen Diözesankindern in der Dobrudscha und wartete täglich auf eine offizielle Einladung. Dazu kam es jedoch nicht mehr, da die Vorbereitungen für die Umsiedlung der Deutschen nach Deutschland anliefen. Die Greuel des Krieges machten den Erzbischof immer sorgenvoller. Er bangte beständig um mich und glaubte, wenn ich ihm nicht sofort antwortete, es sei mir etwas zugestoßen; so auch bei seinem letzten Brief von 1945: da ich ihm nicht sofort antwortete, erkundigte er sich über die Englischen Fräulein in Bukarest nach mir. Kurz darauf erfuhr ich über den Rundfunk vom Tod des ehemaligen Bukarester Erzbischofs Raymund Netzhammer, der ein Freund und Förderer der Rumäniendeutschen war, durch dessen Hinscheiden auch ich einen aufrichtigen, väterlichen Freund verloren hatte. Divisionspfarrer P. Jakob Nötges SJ und die Dobrudscha Von Monsignore Dr. Adolf Bachmeier, Karamurat „Die Dobrudscha hat für den, der sie kennt und liebgewann, allerhand heimliche Reize. Man kann so schön träumen, wenn man auf den grünen Grabhügeln liegt und den Blick schweifen läßt auf das blaue, rauschende oder silbern spiegelnde Meer; es lösten sich die tiefen wehmütigen Lieder der Seele, wenn man an einem Herbstabend, Gott weiß woher, die Hirtenflöte bald wie sanftes Weinen und Schmeicheln, bald wie losbrechenden Sturm urwilder Leidenschaft über die weiten Ebenen klagen, lachen, jubeln, schreien hört; und es gibt keine farbigere, duftigere Pracht, als wenn in geheimnisvoll flüsternder Maienabendstunde die Sonne Abschied nimmt . . . aber über all das geht mir noch das schlichte Stückchen Heimat in den Dörfern am See und in der Steppe... .“ Diese angeführten Sätze bilden die Einleitung zu einer Betrachtung über „Deutsches Bauernleben in der Dobrudscha“ von Divisionspfarrer Nötges, die er im „Dobrudscha-Boten“ Nr. 207—211, 2. Jg., jeweils S. 2f., ab 27. 7. 1917, in Fortsetzungen geschrieben hat. Meinem kleinen Beitrag über Pfarrer Nötges für das Jahrbuch 1973 möchte ich jedoch eine Befragung voranstellen: Frage: „Frau Margarete Müller und Sie, Frau Katharina Politzki, Sie sind beide Dobrudscha-Deutsche, Sie sind Karamuraterinnen. Sie haben beide den Ersten Weltkrieg (1914—1918) in der Dobrudscha erlebt; Sie haben damals im Karamurater Kirchenchor gesungen. Können Sie sich noch an Divisionspfarrer Jakob Nötges erinnern, der in den Jahren 1916—1918 sehr oft in der schönen Karamurater Kirche Gottesdienste gehalten hat?“ Frau M. Müller: „Jawohl, ganz gut kann ich mich an ihn erinnern. Er war ein sehr guter Pfarrer und während seiner schönen Predigten sind uns oft genug die Tränen gekommen.“ 102 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 103 ============================================================================ Frau K. Politzki: „Er hat auch Trauungen gehalten, weil unser Pfarrer Heinrich Overbeck, als Reichsdeutscher, von den Rumänen interniert war. So hat er getraut: Zachäus Heidrich mit Johanna Müller, Michael Baumstrak mit Therese Gedak, Adam Gedack mit Irene Politzki.“ Frau M. Müller: „Er war auch unser Schutz gegen die Übergriffe der bulgarischen Soldaten. Besonders aber nahm er sich der Kinder und der armen Leute an. Damals starb Frau Rust, während ihr Mann beim rumänischen Militär war. Sie hinterließ fünf Waisenkinder. Pfarrer Nötges hielt das Begräbnis und übergab die fünf Kinder der alleinstehenden Frau Mattilde Kreis, mit der Bitte, die Kinder betreuen zu wollen. Er gab ihr auch Geld und brachte immer wieder Kleider aus der Stadt Konstanza, auch Nähzeug oder Flecken, und wir jungen Frauen mußten dann nähen und flicken für die hinterbliebenen Waisenkinder.“ Frau K. Politzki: „Damals starb auch das erwachsene Mädchen Hilaria Ruscheinski, Tochter des Jakob Ruscheinski, und wurde von P. Nötges begraben. Frau M. Müller: „Der Divisionspfarrer lehrte uns auch das schöne Marienlied „Meerstern, ich dich grüße“ Divisionspfarrer Jakob Nötges und die Dobrudscha Die Dobrudscha ist der schmale Landstrich, der sich zwischen der unteren Donau und dem Schwarzen Meer hinzieht bis hinunter zur bulgarischen Grenze. Zur Römerzeit hieß dieses kleine Ländchen „Skythia Minor“. Die Geschichte kennt verschiedene Städte, die hier von Griechen und Römern gegründet wurden und die eine große Rolle im Verkehr und Handel mit dem Mittelmeer und dem Nahen Orient gespielt haben. Wir nennen einige dieser Städte: Tomis (Konstanza), einst Sitz der Bischöfe von Skythien, Kallatis, Handelsstadt (heute: Mangalia), Durostorum (heute: Silistria), Residenzstadt arianischer Bischöfe. Dionysopolis (heute: Baltschik), Axiopolis (heute: Cernavoda) usw. Seit 1878 gehört die Dobrudscha zu Rumänien. Heute ist dieser kleine Landstreifen während des langen Sommers ein Tummelplatz für Urlauber, die als „Sonnenanbeter“ die Strände des Schwarzen Meeres,, von Mamaia angefangen über Eforie und Costinesti, bis hinunter zur „Silbernen Küste“ bevölkern. Im Jahre 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, wurde die Dobrudscha Schauplatz blutiger Kriegsereignisse. Nachdem die rumänische Regierung im Sommer 1916 Österreich-Ungarn den Krieg erklärt hatte, kam es im Herbst desselben Jahres zu einer Großoffensive gegen Rumänien. Deutsche und österreichische Armeen fielen von Siebenbürgen her in die Kleine und Große Walachei ein und besetzten sie, während die Heeresgruppe Mackensen, welcher deutsche, bulgarische und türkische Einheiten angehörten, vom Süden her in die Dobrudscha vorstießen. Nach den Schlachten von Turtukaia, Kobadin und Topraisar wurde auch diese rumänische Provinz besetzt. Sie blieb es bis zum Kriegsende im Jahre 1918. Mit dem Vorrücken der Heeresgruppe Mackensen kam auch der Divisionspfarrer Jakob Nötges in die Dobrudscha und bezog in Konstanza, der Hauptstadt des Ländchens, Quartier. Der junge Jesuitenpater war bis dahin, seit Beginn des Krieges, an der Westfront als Militärgeistlicher tätig. Dort lernte er die Schrecken des Krieges gründlich kennen und verabscheuen. Tiefbeeindruckt von dem unsinnigen Sterben junger Soldaten, schreibt er am 1.12.1914 an seine Mitbrüder in der Heimat: „... Ach es wird mir manchmal so schwer bei den Todesbetten, oder wenn der Karren wieder antritt, mit den Särgen, oder wenn 103 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 104 ============================================================================ wieder ein Brief ankommt von einer Mutter mit der Bitte, ihren Sohn zu suchen und ihm einen Brief zu übergeben, der schon im kühlen Grabe liegt, oder wenn man einen in schmutziger Uniform müde durch die Straße ziehen sieht, bleich und eingefallen mit todestraurigen Zügen, wie er sich zögernd zum Seuchenlazarett schleppt und am Eingang gerade auf einen Wagen mit vier Särgen stößt.“ 1) Im Oktober 1916 ist Pater Jakob Nötges bereits in der Dobrudscha. Er hat es inzwischen zum Divisionspfarrer gebracht, „eine Stellung, die ihm einen großen Einfluß sicherte, zumal seine männlich-kernige Art, die jedem äußerlich frommen Getue abhold war, alle anziehen mußte, die mit ihm in Berührung kamen. Mit Klugheit und Schlagfertigkeit wußte er schwierige Situationen zu meistern.“ 2) Am 30.10.1916 schreibt Divisionspfarrer Nötges aus einem Tatarendorf der Dobrudscha in die Heimat: „Ich bin dem Etat des Stabes des AOK Mackensen hinzugetreten, einer deutschen Abteilung zugewiesen und mit der Seelsorge der deutschen Truppen der Dobrudscha-Front und am Schwarzen Meer betraut. Eine recht schwierige Aufgabe. Ich kann den einzelnen Truppenteilen wegen der großen Entfernungen und des schnellen Vorrückens der Front nur selten Gottesdienst halten. In dieser Woche muß ich z.B. nach Konstanza (wo ich am 22. Oktober schon war) und nach Cernavoda und dann nach Warna. In Kost und Logis bin ich bei Feldlazarett 2, wo die schwerverwundeten Soldaten hinkom- men. Gegenwärtig liegen wir in einem Tatarendorf der Dobrudscha.“ 3) Divisionspfarrer Nötges und die deutschen Kolonisten der Dobrudscha In den Jahren 1917 und 1918 ruhten die Waffen in der Dobrudscha. Jetzt konnte sich Pater Nötges auch mit der Betreuung der Zivilbevölkerung der Dobrudscha befassen. Wie freute er sich, als er erfuhr, daß in der Dobrudscha auch deutsche Siedlungen seien. Er nahm sofort Rücksprache mit dem katholischen Erzbischof von Bukarest, Raymund Netzhammer, zu dessen Diözese die Dobrudscha gehörte, und wurde mit der Seelsorge der dortigen, schwerbedrängten deutschen Kolonisten betraut. Welche Freude hatte der an blutige Kriegsgeschehnisse gewohnte Militärpfarrer, als er zum ersten Mal in solch ein deutsches Dorf kam, wo Kinder ihn mit dem schönen Gruß „Gelobt sei Jesus Christus“ begrüßten. Er schreibt darüber im 2. Jahrgang des „Dobrudscha-Boten“ (1917) folgendes: „Das war etwas Neues und Liebes. Man konnte also wieder in einer heimlichen Stube hocken, konnte nach all den harten, einsamen Jahren wieder in deutsche Kinderaugen sehen; ein Stück Heimat war plötzlich wie von Engelshand in wehevolle Freude gezaubert. . .“ Nach einem Jahre erfolgreicher und lehrreicher Seelsorgearbeit in der Dobrudscha schreibt der eifrige Militärpfarrer in die Heimat (im Jahre 1917 am 4. September): „Ich habe wieder Wochen angestrengter Arbeit für Soldaten und Kolonisten hinter mir. Ich habe Gottesdienst gehalten, an der Front und in dem gesamten Gebiet bis Warna hinunter. Was diese Fahrten in Bahn und Wagen 1) In: „Aus der Provinz“, Nachrichtenblatt der deutschen Jesuiten, als Manuskript gedruckt, 1915, Nr. 15. 2) In: „Aus der Provinz“, 1917, Nr. 55. 3) In: „Aus der Provinz“, Artikel „Feldseelsorge in der Dobrudscha“, 1916, Nr. 43. 104 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 105 ============================================================================ hier bedeuten, kann man sich denken, wenn man weiß, daß wir bis 65 Grad in der Sonne hatten. Mit der Verpflegung steht es hier allerdings besser als anderswo. Ich bin nun ein Jahr meist in der Dobrudscha und habe viel, viel ge- lernt und erfahren. Die Soldaten erhalten nun regelmäßig ihren Gottesdienst, ebenso die Zivilgemeinden und die aus Tultscha evakuierten in diverse Ortschaften zerstreuten Katholiken. Überall habe ich fleißig Katechismusunterricht gehalten und habe nun fast alle Kinder von acht bis 14 Jahren zur ersten heiligen Kommunion geführt. Gesundheitlich geht es mir ausgezeichnet, bin fest und wettergebräunt.“ Firmungsreise durch die Dobrudscha Der Erzbischof von Bukarest hielt im Jahre 1918, in Begleitung von Divisionspfarrer J. Nötges, eine längere Firmungsreise durch die Dobrudscha. Der Bischof besuchte dabei folgende katholische Ortschaften: Konstanza, Groß-Pallas, Karamurat, Mandschapunar, Tekirghiol, Kulelie, Tultscha und Malkotsch. In seinen Tagebüchern schreibt der Bischof am 27.4.1918 folgendes über seinen Empfang in. Konstanza: „Um halb sechs Uhr sind wir in Konstanza und werden am Bahnhof begrüßt von Pater Jakob Nötges SJ, Militärpfarrer des Stabes der Heeresgruppe Mackensen und vom Etappenpfarrer Quickert. Die Anfahrstiege vor dem Bahnhof ist dicht besetzt und auf dem Platze steht eine Volksmenge, welche bei unserem Erscheinen mit Hoch- und Hurrarufen nicht geizt. Eine ganze Bauernreiterei steht bereit. Kräftige Burschen mit Schärpe und Fähnchen sitzen sattellos auf den mit Teppichstücken bedeckten Pferden. Da und dort sieht man in der Menge Männer mit breiten Bauernmützen und Weiber mit schwarzen Kopftüchern und mit an Kettchen getragenen Brustkreuzen. Pfarrer Nötges hat das ganze katholische Dorf Groß-Pallas neben Konstanza zu unserem Empfang auf die Beine gestellt. Hell dröhnt jetzt der Hufschlag der Pferde durch die Straßen und über den Ovids-Platz hin und lockt viele Neugierige aus ihren Wohnungen heraus. Nach allen Seiten ist der Gruß zu erwidern und bleibt ein Weilchen Zeit, das Auge mit einem Blick auf die blaue Flut des Schwarzen Meeres zu beglücken, das da und dort als Abschluß einer Straße erscheint und das schon lange wieder das Ziel der Sehnsucht war. Bei unserer Pfarrei am nahen Merresstrande wird die junge; mutige Reiterei verabschiedet und ihr die Versicherung unseres baldigen Besuches in Groß-Pallas mit auf den Heimweg gegeben.“ Besuch bei Pfarrer Jakob Nötges Der Erzbischof Netzhammer schätzte sehr die seelsorgliche Arbeit des tüchtigen Militärpfarrers. Er nannte diese Arbeit „Mitarbeit in Freundschaft“. Der Bischof unterließ es nicht, Pfarrer Nötges in Konstanza, in dessen Wohnung zu besuchen. Er schreibt darüber folgendes: „Wir machten einen Besuch bei Pfarrer Nötges und bei seinem Freund und Hausgenossen Prof. Ernst Gorsemann, einem jungen Berliner Bildhauer. Schöner als diese beiden Herren kann man in Konstanza nicht wohnen. Sie sitzen im Hause des Dr. Sadoveanu, das beim Einmarsch der Truppen leer stand und zu dem sein Herr bis heute nicht zurückgekehrt ist. Das Haus steht steil über dem Meer, man kann aber von der Wohnung aus über schmale Blumenterrassen und auf reizenden Treppen bis zu den Felsen und zu einer kleinen Badebucht hinuntersteigen, an denen die Meeresfluten branden. Die Wohnzimmer gestatten den ungehemmten Weitblick auf die Meeresfläche. Daß im Angesicht des ewig schönen und ewig bewegten Flut der 105 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 106 ============================================================================ Künstler Gorsemann und der Philosoph und Theologe Nötges täglich miteinander plauschen und disputieren, wissenschaftliche und künstlerische Pläne und Projekte aushecken und auch ernste Arbeit leisten, ist nicht zu verwundern. Der Hausbesiter muß ein Liebhaber alter Geschichte und Kunst sein, denn sorgsam und wohlgeordnet hat Dr. Sadoveanu in den verschiedenen Außen- und Innenhöfen seiner Hausanlage viele antike Steine, schöne und reiche Kapitelle, Friese und Säulen aufbewahrt; ganz herrliche und gut erhaltene Überreste der alten Kulturzeit. Unstreitig standen auf diesen schönsten und aussichtsreichsten Punkte die hauptsächlichsten Paläste und Tempel des antiken Tomi, und dem zufolge auch in der christlichen Zeitepoche der Hauptkirche der skythischen Bischöfe.“ Firmung in Groß-Pallas Das deutsch-katholische Dorf Groß-Pallas liegt in der Nähe von Konstanza, an einem Süßwassersee. Der Bischof hielt auch hier Firmung. Die Kinder wurden von Pater Nötges vorbereitet. Über diesen Besuch in Groß-Pallas schreibt der Bischof in seinem Tagebuch am 29. 4.1918 folgendes: „Bald kam der Süßwassersee Siut Ghiol, der vom Meer nur durch eine schmale Sandbank getrennt ist, in Sicht und mit ihm auch das lieblich am Wasser gelegene Groß-Pallas. Die guten Leute hatten zum Empfange ihr Dorf mit Fahnen und Girlanden geschmückt; prozessionsweise geleiteten sie uns unter Absingung des „Großer Gott, wir loben Dich“ durch die breite Dorfstraße. Die Kinder wurden in die Schule, das ist in das große Zimmer eines Bauernhauses, hineinkommandiert und Pfarrer Nötges nahm sofort die Religionsprüfung ab. Die Eltern standen an den Fenstern und im Hausgang und drängten auch in die vollgepfropfte Stube hinein; sie hatten sichtlich Freude, daß ihre Kinder, die erst seit einem Jahre unter einem deutschen Soldatenlehrer Schulglück genossen, unerschrocken und gut antworteten. Firmung in Karamurat Am 1.Mai1918 kam Erzbischof Netzhammer zur Firmung in das schönste Dorf der Dobrudscha, nämlich Karamurat, wo der Militärpfarrer Nötges die Kinder zur Firmung vorbereitet hatte. Darüber schreibt Netzhammer am 1. Mai 1918 in seinen Tagebüchern folgendes: „Der erste Mai führte uns in der Morgenfrühe nach dem Dorfe Karamurat, das in nordwestlicher Richtung 25 km von Konstanza entfernt liegt und als eines der schönsten Dörfer der Dobrudscha gilt. Dessen deutscher Teil besteht aus fünf breiten Straßen, an denen die Bauernhöfe mit Wohnhaus, Brunnen und Garten, mit Stallungen und Schuppen, mit Tenne und Tennenhof liegen. Aus der Mitte des in einen Akazienwald gehüllten Dorfes ragt die Kirche mit einem schlanken Turm empor, in dem klangvolle Glocken hängen und auf dem sogar eine Turmuhr die Stunden schlägt, was in der Dobrudscha als eine Seltenheit gilt. Der Empfang des Erzbischofes gestaltete sich erhebend. Beim großen Herrgott am Dorfeingang ist das Volk aufgestellt. Der Pfarrer hält eine Begrüßungsansprache, ein weißgekleidetes Mädchen trägt ein Gedicht vor, andere reichen Blumen und vier weitere Mädchen halten einen breiten Kranz, in den der Bischof steigen muß und in dem er unter dem Baldachin zur Kirche geleitet wird. Es werden Fahnen und Statuen getragen, man geht unter Ehrenpforten durch, die Glocken läuten, Mädchen streuen Blumen, der Chor singt, das Volk betet laut den Rosenkranz und vor jedem Hause steht ein Bursche, der seine Flinte 106 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 107 ============================================================================ abfeuert. Man fühlt sich ganz zu Hause wie in deutschen Ländern. Der Gottesdienst in der hübschen geschmückten Kirche entfaltet sich in feierlicher, streng liturgischer Weise und vom Orgelchor herunter wird eine ernste lateinische Messe gesungen. Die Furcht, daß die Kinder durch Krieg und Hunger stark gelitten haben, war unbegründet, denn die 215 Firmlinge sahen so munter und so rotbackig aus wie in der besten Friedenszeit. Nachmittags vor der feierlichen Maiandacht war in der Pfarrschule das Religionsexamen. Beim Gang durch das Dorf besuchten wir einige alte Bekannte und abends 7 Uhr traten wir die Rückfahrt nach Konstanza an. Auf dem Gemeindegebiet von Karamurat lag im Al- tertum das Dorf Elementianum, was wir von einem hier gefundenen Inschriftstein wissen. Mit Sicherheit kann man annehmen, daß hier auch sehr früh Christen gelebt haben.“ Firmung in Mandschapunar Am Sonntag, den 5. Mai 1918 reiste Erzbischof Netzhammer von Konstanza, in Begleitung von Divisionspfarrer Nötges in das südlich von Konstanza am Meer gelegene deutsche Dorf Mandschapunar. Darüber schreibt der Erzbischof in seinem Tagebuch am 5.5.1918 folgendes: „Ein frischer und gesunder Tag mit einem wolkenlosen Himmel und einer goldenen Sonne war aus dem Meere aufgestiegen, als wir um 6 Uhr in Konstanza mit geschmückten Pferden abfuhren ... Es ging gegen 9 Uhr, als sich unten am Meere das in grünen Baumschmuck gehüllte deutsche Dorf Mandschapunar zeigte. Lustig flatterten dort vom Kirchturm die Fahnen. Der Empfang und die Prozession zur Kirche, der Gottesdienst und die Firmung von 64 Kindern vollzogen sich ordnungsgemäß und feierlich. Vor dem Mittagessen, an dem auch mehrere Bauern teilnahmen, wurden vor unserem Quartier die Buben und Mädchen und die Erwachsenen in drei gesonderten Gruppen fotografiert. Genau um 12 Uhr standen wir vom Tische auf, denn nur unter genauer Einhaltung der abgemachten Programmstunden konnten die für den Nachmittag in Aussicht genommenen Fahrten ausgeführt werden. Da in Mandschapunar schon mehr als die Hälfte des Weges von Konstanza nach Mangalia gewonnen war, durfte die günstige Gelegenheit zu einem ganz kurzem Besuch dieser historisch sehr wichtigen Örtlichkeit, die man im Altertum Kallatis hieß, nicht unbenützt bleiben. Was uns besonders dahinter zog, war der Umstand, daß sich der Glanz nicht des heidnischen, sondern des altchristlichen Kallatis zu heben begann und zwar infolge der von der Bukarester Museumsdirektion vor dem Kriege begonnenen Ausgrabungen. In der Tat, was wir da zu sehen bekamen, nämlich eine ausgegrabene dreischiffige Säulenhalle und viele herumliegende Kapitelle mit Kreuzen, hat die Fahrt vollauf gelohnt.“ Firmung in Tekirghiol Unter den Berichten in Erzbischof Netzhammers Tagebüchern vom 5.5.1918 steht unter anderem auch eine Eintragung über das deutsche Dorf Tekirghiol: „In Tekirghiol gab es noch einen recht lieben Aufenthalt. Pfarrer Nötges, der von Mandschapunar hierher gekommen war, erwartete uns an der Spitze der kleinen katholischen Gemeinde deutscher Ackerbauern. Ihre Kinder hatten sie entweder in die Pfarrkirche nach Konstanza, oder heute in die Filiale Mand- schapunar zur Firmung geschickt. In einem Bauernhaus mit weinumrankter Vorlaube war hochzeitlich gedeckt. Man würde den braven Menschen wehe getan haben, hätte ich mich nicht an ihren Tisch gesetzt. Nachdem man den ganzen Tag über das aufgestellte Programm bis auf die Minute genau eingehalten 107 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 108 ============================================================================ hatte, durfte man bei der letzten Etappe schon eine Verspätung von einer halben Stunde zugeben. Diese wurde ausgeführt durch eine kleine Feier in der Kapelle, die in einer Ansprache, in einer kurzen Maiandacht und in der Spendung des bischöflichen Segens bestand. Hirt und Herde waren gleich glücklich. Bei der Abfahrt war schon Dunkelheit eingebrochen und, als wir in Konstanza ankamen, war 10 Uhr vorüber. Ich hatte einen meiner schönsten Tage in der Dobrudscha hinter mir.“ : Firmung in Kulelie In seinem Tagebuch schreibt der riihrige und gelehrte Erzbischof von Bukarest am 7. 5. 1918 folgendes über die Firmungsreise nach Kulelie: „Wie lieb die Kulelier auf den Feldern grüßten, als wir in ihren Bereich kamen. Das freundliche Lächeln galt in erster Linie meinem Begleiter, dem Pfarrer Nötges. Dieser war in den schlimmsten Zeiten, nachdem meine Priester interniert oder von ihren Posten fern waren, nicht nur in Kulelie sondern in allen katholischen Dörfern der Dobrudscha ein wahrer Schutzengel. Allüberall sammelte er die zerstreuten Herden, hielt in jeder Pfarrgemeinde zweimal monatlich Gottesdienst, tröstete die Betrübten und stand den Armen und Bedrängten hilfreich bei. Beständig war er mit seinem Wagen auf der Fahrt und keine Witterung war ihm zu schlecht und kein Weg war ihm zu weit, wenn es galt, da oder dort Hilfe und religiöse Tröstung zu bringen. Wohl nirgends war seine Anwesenheit so notwendig wie in Kulelie, weil dieses von allen katholischen Dörfern am meisten gelitten hatte. Bevor das Dorf in die Feuer- und Frontlinie kam, mußten die Leute die Gegend verlassen und als sie wieder zurückkamen, fanden sie die Hälfte der Häuser in Asche gelegt, darunter auch die Schule und das Pfarrhaus. Am heiligen Orte waren schreckliche Greueltaten verübt worden; die Herz-Jesu-Statue fand man ohne Kopf und die hl. Jungfrau Maria ohne Arme vor. Die guten Leute waren untröstlich, daß ihnen solch namenloses Unglück zugestoßen war.“ Den Tag darauf, am 8.5.1918 lesen wir im Tagebuch des Erzbischofs: „Der Anblick des früheren schönen Dorfes stimmt heute traurig, denn gar viele kahle Giebelmauern ausgebrannter Häuser ragen zum Himmel. Zum Glück hilft man sich gegenseitig aus, stellt den Unglücklicheren einen Teil des eigenen Hauses zur Verfügung, bis diese wieder aufbauen können. Mut und Zuversicht scheinen zurückzukehren.“ Tags darauf, am Himmelfahrtsfest, wurden in Kulelie, nach einer gründlichen Religionsprüfung, die alle gut bestanden haben, 77 Kindern die heilige Firmung gespendet.“ Firmung in Tultscha und Malkotsch Nachdem der Erzbischof Netzhammer die Dörfer um Konstanza mit Pfarrer Nötges besucht hatte, fuhr er in den Norden der Dobrudscha. Er hielt dort die Firmung zuerst in Tultscha und dann in Malkotsch ab. Er schreibt folgendes über die Firmung in Malkotsch: „Sobald die Funktion in Tultscha beendet war, fuhren wir nach Malkotsch ab. Für halb elf war in diesem deutschen Dorfe, das sieben Kilometer östlich von Tultscha liegt, unser Eintreffen erwartet. Diesmal gaben es die Malkotscher besonders vornehm. Sie hatten die kräftigsten, unter dem Militäraltar stehenden Burschen und die schönsten Pferde bis in die Stadt vorgeschickt. Den Wagen zog ein Viergespann. Unter einem Hurraruf wurde von der Kirche in Tultscha losgefahren und die Reiterei und der Wagen sprengten drauf los, so rasch wie nie zuvor durch die Straßen. Fast wäre ein Unglück geschehen, denn man rannte ein Fuhrwerk förmlich um. Unsere 108 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 109 ============================================================================ Malkotscher schauten aber nicht einmal zurück, sondern ritten drauf los. Die stolzen Burschen haben eben nur jedes vierte oder fünfte Jahr Gelegenheit, sich in so großer Anzahl mit ihren Pferden und ihrem Reiten in der Stadt zu zeigen. Und heute galt es, nicht nur in der Stadt, sondern bis in das Dorf hinein stramm auf den Pferden zu sitzen, denn die Straße entlang standen zahlreiche bulgarische Soldaten und Offiziere der dritten Armee, die hier hinter den Kanonen, in den Unterständen und in den Schützengräben liegen. Auf der breiten Dorfstraße in Malkotsch erwarteten uns der Ortspfarrer, der uns voraus geeilt war, der Militärgeistliche Nötges und das zahlreiche Volk. Eine Unmasse von Soldaten und Offizieren, die hier ein Hauptquartier haben, schauten mit großen Augen dem Empfange zu. Unter den Klängen einer starken bulgarischen Regimentmusik fand der Aufzug zum Gottesdienste statt. Gut, daß ein katholischer Bischof in diesen Ländern eine internationale und neutrale Stellung hat, sonst könnten ihm derartige Empfänge, wenn er sie auch weder veranstaltet noch gewünscht hat, das Genick brechen. Beim Gottesdienst in den Schulsälen hielt Pater Nötges an die Malkotscher, denen er im Verlauf von anderthalb Jahren in jeder Weise hilfreich zur Seite gestanden, eine zündende Predigt voll Belehrung und Aufmunterung. Der Gemeinde wurde die herrliche Pfarrkirche bis zur Unbrauchbarkeit zerschossen und die Leute hatten auch in anderen Beziehungen unselig viel zu leiden. Zur Firmung wurden 164 Kinder mit ihren Paten auf dem geräumigen Schulhof halbkreisförmig aufgestellt. Es (Bild) Ovid-Denkmal in Konstanza (Ein Werk desitalienischen Bildhauers Ettore Ferrari, 1887) (Bild) Von l. n. r.: Divisionspfarrer Jakob Nötges mit einem bulgarischen Kollegen 1917 in Konstanza 109 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 110 ============================================================================ war ein wundervoll malerisches Bild. Der Besuch in Malkotsch war ein glücklicher Abschluß der Kriegsfirmungsreise durch die Dobrudscha.“ Pfarrer Nötges und Ovid Das eigentliche Wahrzeichen der Stadt Konstanza ist das schöne, überlebensgroße Denkmal des römischen Dichters Ovidius Naso (43 v. Chr—17 n. Chr.). Der berühmte Dichter Ovid steht auf einem granitenen Sockel, sein Kinn auf die rechte Hand gestützt, nachsinnend über sein trauriges Verbannungsschicksal. Wegen seiner jugendgefährdenden Schriften („Ars amandi“) wurde der geliebte Dichter von Rom nach Tomis, in Skythien verbannt. Sein Talent wurde ihm so zum Verhängnis. (Ingenio perii meo“). Nachdem wiederholte Gesuche des verzweifelten Dichters beim Kaiser Augustus keine Gnade gefunden hatten, wußte der kranke und labile Dichter, daß er bei den Skythen sterben müsse. In Todesahnung schreibt er an seine Frau in Rom: „Was denkst du, wie mir zumute ist, in schrecklicher Umgebung unter Sarmaten und Geten krank darniederliegend. Weder ertrage ich das Klima, noch habe ich mich an das Wasser gewöhnt, und auch das Land stößt mich irgendwie ab.“ Der Dichter schreibt weiter (3. Buch 3, 5, 65) „Doch sorge dafür, daß man meine Überreste in einer kleinen Urne nach Hause nimmt, so werde ich im Tod wenigstens kein Verbannter mehr sein .. . Mische sie mit Blättern und Amomus-Balsam und bette sie in einem Grab draußen vor der Stadt zur Ruhe. Auf die Marmorplatte des Hügels laß in großen Lettern diese Verse einhauen, die ein Wanderer eilenden Blickes lesen kann: „Hic ego qui jaceo, tenerorum lusor amorum Ingenio perii Naso poeta meo, At tibi qui transis ne sit grave quisquis amasti; Dicere, Nasonis mollitter ossa cubent.“ Das heißt auf deutsch: „Hier ruhe ich, der Dichter Naso, spielender Sänger zarter Liebeselegien, der an seinem eigenen Talent zu Grunde ging. Wanderer, der du je geliebt hast, sei es dir nicht zuviel, zu sprechen: Asche Nasos, ruhe sanft!“ Der unglückliche Dichter fügt hinzu: „Du aber sollst dem Verblichenen immer Grabgeschenke bringen und Kränze, von deinen Tränen benetzt. Hat auch das Feuer die Leiche in Asche verwandelt, fühlt doch der Staub den frommen Liebesdienst.“ (Übersetzt von Georg Luck, Heidelberg 1967 Universitätsverlag). Unzählige Male hat Divisionspfarrer Nötges dieses für einen „Lateiner“ erregende Denkmal gesehen — es steht auf dem Ovidplatz der Stadt Konstanza — er hat ebenso oft die lateinische, von Ovid selbst verfaßte Inschrift gelesen und hat sich dabei der unbeschwerten Jahre seiner Gymnasialstudien erinnert und sich für die großen Klassiker Roms und Athens begeistert. Daß die deutschen Offiziere, die während des Ersten Weltkrieges in Konstanza weilten, fleißig Ovid gelesen haben, bezeugt auch Erzbischof Netzhammer in seinen Tagebüchern: (4. V. 1918) „Alle Herren Offiziere mit Major Bletzinger sind Bewunderer von Konstanza und viele schwärmen förmlich für die Stadt des Ovid, der gegenwärtig fleißig gelesen wird.“ Während aber der Dichter Ovid an seinem Schicksal zerbrach, konnte Divisionspfarrer Nötges, der ja in gewisser Hinsicht auch 110 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 111 ============================================================================ ein „Verbannter“ war, in der Kraft Christi und mit großer Begeisterung großartige seelsorgliche Arbeit unter den deutschen Kolonisten der Dobrudscha leisten. Daten über Divisionspfarrer Nötges Divisionspfarrer Nötges, über dessen Erlebnisse in der Dobrudscha während des Ersten Weltkrieges, wir oben berichteten, wurde zu Hülls bei Krefeld am 2. März 1880 in einer tiefchristlichen Familie geboren und verlebte im Kreise seiner Geschwister eine an frohen Erinnerungen reiche Jugend. Der junge Knabe war sehr begabt aber auch temperamentvoll und eigensinnig. Als der spätere Divisionspfarrer seinen gewesenen Lehrer gelegentlich eines Urlaubes besuchte, legte dieser seine Hand auf die Schultern des Militärspfarrers und sagte: „Jakob, du warst mein schlimmster, aber auch mein bester.“ (Hüllser Heimatblätter, Heft 2, 1964 Seite 14) Einmal schenkte dem jungen Jakob sein Großvater zum Andenken eine kleine Bibel. Der Junge aber sagte: „Nein, Großvater, die kannst du behalten, denn die anderen lachen mich damit ja nur aus.“ Der Großvater sagte bestürzt: „Die willst du nicht haben, die dein Oheim Jakob 40 Jahre lang getragen hat und alle schauten ihn an, so schön ist sie ihm gestanden.“ Ich aber blieb bei meinem Protest, erinnert sich in späteren Jahren der Jesuitenpater Jakob Nötges. Der Großvater aber sagte enttäuscht: „Das ist die Jugend von heute!“ (Hüllser Heimatblätter, Heft 2, 1964, Seite 15) Nach vorbereiteten Gymnasialstudien in Hülls überlegte der Jüngling, ob er nicht Lehrer werden sollte. Er entschied sich jedoch für das Priesterstudium und trat in das Noviziat der Gesellschaft Jesu ein. Nach zwei Probejahren begann er die Auffrischung seiner Kenntnisse in den klassischen Sprachen und ging dann nach Valkenburg in Holland wegen seiner philosophischen und theologischen Studien. Im Jahre 1914 wurde er als Jesuitenpater zum Priester geweiht, bekam aber auch zugleich die Einberufung zum Militär. Im Jahre 1916 kam er als Divisionspfarrer von Bulgarien aus in die Dobrudscha, wo er als Militärpfarrer gleichzeitig die dobrudschadeutschen katholischen Gemeinden seelsorglich betreute. Nach Kriegsende mußte er noch einmal seine Studien aufnehmen, um sein Abschlußexamen vorzubereiten, daß er dann im Jahre 1919 mit gutem Erfolg ablegte. Es folgte darauf eine langjährige Tätigkeit als Volksmissionar und Prediger. Vom Jahre 1929 bis 1936 ist er Professor der geistlichen Beredsamkeit in der Ordensschule Valkenburg und Herausgeber der Zeitschrift „Chrysologus“. In dieser Zeit war Pater Nötges auch schriftstellerisch tätig. Von seinen Schriften seien hier erwähnt: 1. Männer-Apostolats-Ansprachen, 3 Bändchen, 1924/25 (Schnell); 2. Mgr. M. Gonzalez y Garcia, Hirtentrost im Hirtenleid, aus dem Spanischen, 1925, Wangen i. Allgäu — 2. Aufl. 1925 (Warendorf, Schnell); 3. Nationalsozialismus und Katholizismus, 226 S., 1931 (Köln, Gilde), 2. Aufl. 1932 (Köln, Kathol. Tat-Verlag); 4. Katholizismus und Kommunismus, 183 S., 1931 (Köln, Gilde), 2. Aufl. 1932; 5. Casti Connubii, Sechzehn Predigtentwürfe über die christliche Ehe nach dem Rundschreiben . . ., 189 S., 1932 (Köln, Kathol. Tat-Verlag); 6. Caritate Christi compulsi, 14 Predigten nach dem Rundschreiben Pius XI. für eine Sühnewoche gegen die Gottlosenbewegung, 64 S.; 7. Mitarbeit in der Zeitschrift „Chrysologus“ (für geistliche Beredsamkeit); 8. Zeitweilig Herausgeber der Zeitschrift „Männerapostolat“. Nachdem im Jahre 1937 die Schließung der Niederlassung Valkenburg durch 111 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 112 ============================================================================ die Gestapo beschlossen wurde, weilte Pater Nötges in Essen. Kaum ist wieder Friede, ruft ihn Pater Provinzial in die Kölner Residenz, wo er bis zu seinem Lebensende blieb. Er starb im Jahre 1963 am 11. Dezember. Wir Dobrudscha-Deutschen werden die Tätigkeit Pater Nötges während des Ersten Weltkrieges in der Dobrudscha nie vergessen. Der tüchtige Prediger und Missionar ist doch, wie es sein Wunsch war, ein Lehrer im höheren Sinne geworden. Er verkündete die Lehre Christi und verbreitete sie unter die Massen des Volkes. Von ihm gelten die Worte des heiligen Apostels Paulus an die Kolosser 1.29: „Christus zu verkünden und jedermann zu ermahnen und zu lehren, dafür habe ich gearbeitet und gekämpft in seiner Kraft.“ Gleich wie Erzbischof Netzhammer hatte auch Divisionspfarrer Nötges guten Kontakt zu den evangelischen Dobrudscha-Deutschen. Er war überall bekannt und geschätzt. Herr Oberstudienrat Otto Klett, verdienter Herausgeber des „Jahrbuches der Dobrudscha-Deutschen“, erzählte dem Schreiber dieses Artikels, daß sein Großvater mit Hochachtung von Pater Nötges gesprochen habe. Desgleichen hat der Herausgeber unseres Jahrbuches obenstehenden Artikel über Divisionspfarrer Jakob Nötges SJ angeregt. Als deutscher Soldat während des Ersten Weltkrieges in der Dobrudscha Von Gustav Rühl, Hungen in Oberhessen (Eingesandt von I. G. Stiller, geb. Leyer, Sofular) Es ist für uns Dobrudschadeutsche immer wieder erstaunlich, daß sich nach mehr als 50 Jahren ehemalige deutsche Besatzungssoldaten aus dem Ersten Weltkrieg bei uns melden. So zum Beispiel Herr Bergemann aus Thüringen im Jahre 1970, der seine Wirtsleute von 1917 aus Sarighiol gesucht hat. Wie groß war seine Freude, als er Herrn Christian Strom, ein Sohn seiner Wirtsleute, der damals ungefähr 16 oder 17 Jahre alt war, gefunden hatte. Stundenlang konnte Herr Bergmann hocherfreut und innerlich sehr bewegt, über seine Erlebnisse in Sarighiol erzählen. Aus Dankbarkeit, diese Familie gefunden zu haben, überreichte er Familie Strom als Geschenk das große Werk „Bilder aus der Dobrudscha“, an dem selbst sein ganzes Herz hing. Ein weiteres Beispiel: der heute über 80 Jahre alte und im Westerwald lebende Herr Joseph Schneider, der in Kobadin stationiert war, suchte die Familie August Klett aus Kobadin. Und so können wir noch fünf andere alte Herren nennen, die die Verbindung mit uns aufgenommen haben. Sie gehören mit zu den treuesten Lesern des Jahrbuches der Dobrudschadeutschen. Im folgenden Artikel möchte ich nun die Erinnerungen des Herrn Gustav Rühl, die ich im Jahre 1971 aufgezeichnet habe, wiedergeben. Es war im Ersten Weltkrieg. Meine Kompanie stand von Juli 1915 bis Anfang November 1916 in Frankreich im Einsatz. Dann wurden wir verfrachtet, um in der Dobrudscha eingesetzt zu werden. Ende November 1916 kamen wir gut in der Dobrudscha an. Die 21 Tage dauernde Reise war wunderschön, zumal wir ununterbrochen ein ideales Wetter hatten. Wäre es keine Reise im Krieg gewesen, wäre sie wohl noch schöner in der Erinnerung. Wir sahen verschiedene 112 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 113 ============================================================================ Länder und lernten mitunter auch ihre Bewohner kennen. Von Frankreich aus führte unser Weg durch Süddeutschland, Österreich, Ungarn, Serbien, Bulgarien und von Warna aus nach Kobadin. Unsere Einheit, die Eisenbahn-Betriebskompanie 34, unterstand dem Chef des Feldeisenbahnwesens. Unsere Aufgabe war, die Eisenbahnstrecke von der bulgarischen Grenze bis Medgidia — die sehr stark befahren wurde — zu betreiben und zu unterhalten. Diese Aufgabe war für uns besonders interessant, hatten wir doch Gelegenheit, die Landschaft und ihre Menschen recht gut kennenzulernen. Da der Eisenbahnbetrieb so rasch wie möglich aufgenommen werden sollte, mußten erst alle betriebstechnischen Vorbereitungen geschaffen werden. Aus diesem Grunde konnten wir zunächst nicht in Kobadin bleiben, sondern mußten noch in der gleichen Nacht, nach der Ankunft in Kobadin, weiter. Die Zugmelde- und Telegraphenleitungen und deren Apparate waren auf allen Stationen vollkommen verwahrlost. Unsere Leitungen, aus Feldkabel bestehend, wurden aber des nachts von den türkischen Soldaten herausgeschnitten, das heißt, geklaut. So hatten wir alle Hände voll zu tun und kamen zuerst einmal nicht in unseren Standort nach Kobadin. Das Vorrücken nach Medgidia war einerseits sehr interessant, andererseits aber auch mit manchen Schwierigkeiten verbunden. So zum Beispiel war es auf jeder Station ein mühevolles und sehr zeitraubendes Rangieren, da ja für den gesamten Bahnbetrieb nur ein Gleis und ein Abstellgleis zur Verfügung standen. Kohlen mußten beschafft werden und das Wasser eimerweise aus dem tiefen Brunnen geschöpft, um den Tender damit zu füllen. Ankunft in Kobadin Als wir endlich nach Kobadin kamen, erfuhren wir von unseren Kameraden, daß Kobadin ein deutsches Dorf ist. Das konnten wir jedoch kaum glauben, so unschön und verwahrlost war alles! Da es lange Zeit geregnet hatte, waren alle Straßen und Wege derart aufgeweicht, daß uns der Schmutz oben in die Stiefel drang! Hinzu kam, daß die Bulgaren schon wochenlang aus Kobadin und den umliegenden Dörfern alles transportierbare Gut als Kriegsbeute abgefahren und somit alle Straßen und Wege unpassierbar gemacht hatten. Als auch das Weizenabfahren aufhörte, wurde es allmählich besser. Winter in Kobadin Die ersten Wochen waren für die meisten unserer Soldaten ein wirkliches Erlebnis. Bis Anfang Dezember war das noch vorhandene Vieh auf der Dorfweide, und wir konnten bis kurz vor Weihnachten ohne Rock im Freien arbeiten. Aber dann kam der Winter. Der Schnee lag für unsere Begriffe sehr hoch. Unsere Züge schneiten ein und mußten von uns wieder freigeschaufelt werden. Mein Freund Peter und ich wurden auch zu diesem Dienst befohlen. Wir nahmen unsere Geräte und auch Draht mit, um notfalls gerissene Leitungen wieder in Ordnung zu bringen. Durch den Schnee stapften und kämpften wir uns Bülbül zu durch und prüften die Leitungen nach beiden Seiten. Sie waren glücklicherweise auch nach beiden Seiten — nach Kobadin und nach Medgidia — betriebsfähig. Ohne daß wir geschaufelt hatten, machten wir uns wieder auf den Weg zurück nach Kobadin; nach einiger Zeit bekamen wir sogar eine Prämie dafür ausgezahlt. In der großen, warmen Stube Den Winter über brachten wir unsere Geräte und das Material in Ordnung. So mancher unter uns erlernte das Morsen. Im warmen Quartier war die 113 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 114 ============================================================================ (Bild) In Kodschalie (Bild) In Kobadin Winterzeit in Kobadin eine schöne Zeit. Lange wohnten wir im Hause des Herrn Emanuel E. Leyer. Seine Frau Mathilde, geborene Würth, war mit ihren Kindern auf der Flucht und kam erst an einem der letzten Novemberabende wieder zurück. Wir saßen gerade gemütlich in der großen und warmen Stube. Frau Leyer trat ein und stellte sich uns als die Frau des Hauses vor und frug, ob ihr jemand beim Abladen ihrer geretteten Habe helfen wolle. Von den älteren Kameraden war leider keiner hierzu bereit. Wir beiden Unzertrennlichen — mein Freund Peter und ich — boten ihr unsere Hilfe an. Und mehr als ein Viertel Jahr konnten wir die Familie Leyer mitverpflegen. Im neuen Quartier Da unser Quartier jedoch für die Herren Offiziere freigemacht werden mußte, zogen wir um die Weihnachszeit in das Haus des alten Herrn Herrmann. Wir durften mit dem neuen Quartierehepaar wirklich sehr zufrieden sein. Sie sorgten wie ein Elternpaar für mich und Freund Peter. Fräulein Lydia Herrmann hielt unser Zimmer in bester Ordnung. Unser Hauptmann, der auch zu uns ins Herrmannsche Haus kam, sagte einmal nach einer Quartierrevision zu seinem Hund, den er immer bei sich hatte: „Komm, Mutz, da brauchen wir nicht mehr her, hier ist alles in bester Ordnung!“ Zu Weihnachten buk uns Frau Herrmann einen sehr großen Zopf, und Fräulein Lydia legte uns eine schöne Tischdecke auf. Fürwahr, auch zu Hause in Deutschland hätten wir Weihnachten nicht schöner feiern können! Die Weihnachtsfeier der Kompanie wurde im Kobadiner Stationsgebäude gehalten. Das Heizen mit Stroh Da unsere Verpflegung sehr reichlich und gut war, konnten wir auch unserer lieben Familie Herrmann von unserem Essen und der sonstigen Verpflegung etwas abgeben. Dank auf beiden Seiten. Mein Freund Peter würde wohl die gleichen Worte des Dankes finden wie ich, durften wir doch so viel Gutes und Schönes empfangen. An den langen Winterabenden spielten wir ein harmloses 114 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 115 ============================================================================ Kartenspiel. Geldeinsätze gab es grundsätzlich nicht. Wir luden auch die Söhne des Hauses dazu ein. Jedoch aus religiösen Gründen untersagte ihnen Vater Herrmann das Mitspielen. Wie wahr ist doch das Wort: „Des Vaters Segen baut den Kindern Häuser.“ Mancher Kamerad durfte hier so allerhand sehen und auch lernen, vieles war uns überhaupt neu. Neu war uns zum Beispiel, daß die Hühner im Sommer nicht im Hühnerstall schliefen, sondern hoch in die Bäume flogen, um dort zu übernachten. Mit Erstaunen nahmen wir wahr, daß die Lokomobilen großer Mühlen mit Stroh geheizt wurden und dies bei Tag und Nacht! Die Wohnungen wurden nur mit Stroh geheizt. Die selbstgebauten Öfen strahlten nicht nur Wärme, sondern sogar sehr starke Hitze aus. Deutsche in der Süddobrudscha Sehr überrascht waren wir, als wir in der Nähe von Dobritsch (Basardschik), in Musubei, unter Bulgaren, Türken, Tataren und Russen 12 deutsche Familien vorfanden. Darunter war der Mühlenbesitzer Christian Frank. Es war uns eine sehr große Freude, inmitten dieses Sprachengewirrs eine deutsche Familie angetroffen zu haben, in der wir gut aufgenommen wurden und ein- und ausgehen durften. Mein Freund Peter hatte bald an der Tochter Pauline Gefallen gefunden. Doch, wie es im Leben so oft geht, hörte der Umgang im Frankschen Hause auf, als wir nach einem Jahr (1917) von Kobadin fort mußten. Schreinermeister Friedrich Würth Mit unseren lieben Nachbarn — Familie Grieb zur Linken und Familie Drefs zur Rechten unseres Quartiers — hatten wir eine sehr gute Nachbarschaft. Überhaupt war unser Verhältnis zu Kobadins Einwohnern, auch zu den dortigen Tataren und Türken, ein denkbar gutes. Sehr gerne denke ich auch an den Schreinermeister Friedrich Würth, der heute über 90 Jahre alt, bei Stuttgart lebt. So manche Stunde habe ich in seiner Werkstatt zugebracht und mir viel Interessantes von ihm erzählen lassen. Seine Frau war eine Tochter unseres Quartierwirtes Herrmann. Unsere Kompanieküche war bei einem der Söhne des Herrn Herrmann untergebracht, und wir haben uns mit allen recht gut verstanden. Noch andere Frankfurter in Kobadin Außer uns Eisenbahnern waren noch Landstürmer, eine Nachrichtenabteilung und eine Feldpoststation in Kobadin. Außer mir waren noch einige Kameraden aus Frankfurt am Main. Zum Beispiel der sogenannte „Amtsvorsteher“ der Kobadiner Feldpoststation, der ein „PG“ war (,„Postgehilfe“ nicht „Parteigenosse“!). In unserem Telegraphentrupp war Edmund Ernst, der Lokführer Karl Spieler und die beiden Verwalter unserer Kobadiner Kantine, Fritz Zahn und Unteroffizier Schlicker. Mit dem Einspänner nach Bülbül Sehr oft denke ich auch an einen anderen Frankfurter Kameraden. Er war in meiner Nachrichten-Abteilung. Wenn in seinem Bezirk Leitungen beschädigt waren, kam er stets zu uns und bat um Hilfe, denn er verstand nicht mit Steigeisen umzugehen. So mußte er auch einmal eine Störung hinter Bülbül beseitigen. Natürlich kam er wieder, um uns zu Hilfe zu holen. Wir aber sagten, daß dies nicht so ohne weiteres ginge. Erstens müsse er ein Fuhrwerk besorgen und 115 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 116 ============================================================================ zweitens wollten wir eine Entschädigung. Mittlerweile aber hatten wir mit dem jungen Kobadiner Helmut Leyer (ein Sohn des Emanuel E. Leyer, unseres ersten Quartiergebers) bereits ausgemacht, daß wir dem Nachrichtenmann mal eins auswischen wollen. Wir hatten also ein wenig nachgeholfen, daß er sich so „zufällig“ mit Helmut Leyer traf, der einen Einspänner besaß. Helmut Leyer kam mit seinem Einspänner, setzte uns mit unserer Ausrüstung auf das Wăgelchen und den Nachrichtenmann auf den rückwärtigen Notsitz, und zwar so, daß seine Beine herunterhingen. Da es zuvor stark geregnet hatte, standen große Wasserpfützen auch auf der von uns befahrenen Chaussee, die nicht gerade arm an Schlaglöchern war. Und durch diese schlammgefüllten Schlaglöcher mußten wir bis Bülbül fahren und wurden dabei unbarmherzig hin und her geworfen. Helmut Leyer fuhr zügig, ja, er fuhr sogar einen scharfen Trab, die Pfützen zu wahren Schmutzfontänen aufwerfend. Ohne daß wir uns nach unserem Nachrichtenmann auch nur einmal umsahen, konnten wir uns unseren Erfolg schön ausmalen. Er hatte zwar den Schaden, er war von oben bis unten voller Schlamm, wir aber hatten unseren vielversprechenden Spaß und verzichteten großzügig auf eine weitere „Entschädigung“. Ein weiterer Schabernak Und noch ein Schabernak, ebenfalls in Kobadin zugetragen, sei hier niedergeschrieben. Unser Zahlmeister, Otto Merensky, wohnte bei Familie Grieb, die neben unserem Quartier wohnte. Er unterhielt einen wahren Zoo. Unter anderem Getier hielt er auch Schweine, Truthühner und -hähne. Einer seiner Truthähne hatte sich auf das Grundstück unseres Quartiergebers verlaufen. Meine Kameraden Peter und Edmund fingen den Vogel und schlachteten ihn. Sie baten hernach Frau Herrmann, sie möge so freundlich sein und den Truthahn für uns braten. Frau Herrmann aber wußte, daß der Zahlmeister den Truthahn bereits vermißte und lehnte ganz entschieden ab. Peter und Edmund sagten ihr dann,daß das eine Trappgans (Trappe) sei und kein Truthahn. Sie bedrängten Frau Herrmann so lange, bis sie schließlich ihrer Bitte, den Truthahn zu braten, nachgegeben. Mich hatten sie in diese Truthahngeschichte nicht eingeweiht. An diesem Tage war ich am Essen holen. Wie schon erwähnt, war unsere Feldküche auf dem Hofe eines Sohnes von unserem Quartiergeber. Da ich ahnungslos war, frug ich, wieviele Portionen ich holen soll. Beide erwiderten, sie hätten keinen Hunger. Und ein gar herzhafter Bratengeruch durchzog bereits unser (Bild) Links: Gustav Adolf Rühl und ein Sanitätsunteroffizier 1917 in Kobadin 116 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 117 ============================================================================ Zimmer. Ich holte trotzdem, wie gewöhnlich, unsere drei Kochgeschirre voll mit einer guten Bohnensuppe. Als ich zurückkam, hatte Fräulein Lydia bereits den Tisch sehr schön gedeckt. Frau Herrmann stiftete uns die Kartoffeln, und wir ließen es uns nicht nehmen, die Familie als unseren Gast einzuladen. Nachher stellten wir auch unsere Bohnensuppe ihnen zur Verfügung. Zahlmeister Merensky heiratete nach dem Kriege eine Tochter des ihm damals benachbarten Wilhelm Klett. In großer Bedrängnis Da wir am Anfang unseres Aufenthaltes in Kobadin, wie schon erwähnt, im Hause des Emanuel E. Leyer gewohnt hatten, bildete sich ein schönes Vertrauensverhältnis heraus. Ich erfuhr, daß die junge Frau Mathilde Leyer, geborene Würth, ihre Eltern in Thierenberg, Kreis Fischhausen, Ostpreußen hatte. Sie waren einst aus Bessarabien ausgewandert und besaßen nun in Ostpreußen ein Gut. Trotz strengen Verbotes gab ich dem Drängen Frau Leyers nach und schrieb an ihre Eltern. Über meine Feldpostahschrift kamen dann Briefe und Päckchen aus Thierenberg nach Kobadin an Familie Leyer. Der Vater von Frau Leyer, Herr Würth, bat mich, ihn zu benachrichtigen, wenn ich einmal bei meiner Mutter und den Geschwistern in Frankfurt am Main auf Urlaub sein werde. Und während des Urlaubs, von dem ich Herrn Würth geschrieben hatte, kam er von Ostpreußen nach Frankfurt. Er brachte einen großen Koffer mit Wäsche, Kleidern und Schuhen für Familie Leyer mit. Es war jedoch strengstens verboten, derartige Sachen ins Feindesland zu nehmen. Mit großem Bedenken, ja, sogar mit Angst nahm ich dennoch diese Sachen mit, waren mir die Menschen in Kobadin schon sehr ans Herz gewachsen. In Nisch, in Serbien, hieß es: „Alle raus aus dem Zug, Gepäckrevision!“ Ich befand mich in großer Bedrängnis, meine Lage war sehr mißlich und der Leser dieser Zeilen wird verstehen, welchen Spannungen ich in den kommenden Minuten ausgesetzt war. Ein Landsturmmann war an meinem Gepäck, und ich mußte von ihm hören, daß ich der einzige sei, der so viel bei sich hätte. Und während er sich noch an meinen Sachen zu schaffen machte, kam ein Oberstleutnant heran und fragte den Durchsuchenden, ob er etwas gefunden hätte. Auf meinen Koffer deutend, sagte er: „Dieser Mann hat das meiste mitgebracht.“ Und während ich schon mein Todesurteil aus dem Munde des Oberstleutnants zu hören glaubte, bedeutete er dem Landsturmmann: „Lassen Sie das den Leuten! Die Löhnung ist gering, sie sollen sich noch etwas verdienen können!“ So konnte ich wieder alles einpacken und kam wohlbehalten damit in Kobadin an. Seltsame Schicksalswege Frau Leyer schrieb über meine Feldpostnummer auch an ihre Schwester Emma, die noch bei ihren Eltern auf Gut Thierenberg lebte. Einmal dachte ich, daß das Mädchen sich sicherlich Gedanken darüber macht, wer dieser unbekannte Soldat sein könnte, der sich so für die Familie ihrer Schwester einsetzt. Um nicht ganz wie ein Stoffel dazustehen, schrieb ich diesem mir unbekannten Fräulein Emma Würth einen erläuternden Brief. Aus diesem einen Brief wurden es viele und schließlich, seltsame Schicksalswege!, holte ich mir über Kobadin von Gut Thierenberg in Ostpreußen dieses Fräulein Emma als meine liebe Frau heim nach Frankfurt am Main. Sehr oft denke ich heute noch — fast mit Wehmut — an die in Kobadin als Soldat verbrachte Zeit. Der Krieg war zwar eine harte, aber doch gute Schule für so manchen von uns. Vieles haben wir im Ausland gesehen und auch 117 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 118 ============================================================================ gelernt, gar manche schöne Stunde erleben dürfen, die ich in meinem Leben nicht missen möchte, Leider habe ich in all den Jahren von meinem Freund Peter Ehlen, der bald nach dem Ersten Weltkrieg nach Amerika gegangen ist, nichts mehr gehört. Ich lebe mit meiner lieben Frau — beide sind wir schon betagt — in Hungen, Schottener Straße 19, Oberhessen. Herr Friedrich Würth, in dessen Schreinerwerkstatt in Kobadin ich 1916—1917 so viele interessante und nette Stunden erlebt habe, hat mich mit seinem Sohn Gerhard hier in Hungen einmal besucht. Wer hätte damals gedacht, daß ich eines Tages seine Base Emma als meine Frau heimführen werde?! Hin und wieder kommen auch Frau Gerlinde Stiller und ihr Bruder Volkmar Leyer — Base und Vetter des Helmut Leyer — zu uns auf Besuch. Auch hier ist das Schicksal sehr seltsame Wege gegangen. Wie ich schon schrieb, lernten mein Freund Peter und ich in Musubei bei Do- britsch den Mühlenbesitzer Christian Frank kennen, in dessen Haus wir gute Aufnahme gefunden hatten. Mein Freund Peter Ehlen hatte an der Tochter Pauline Gefallen gefunden. Doch als wir von Kobadin fortkamen — zuerst nach Bukarest und von dort kam ein Teil meiner Kompanie nach Asien und der andere Teil, dem ich angehörte, nach Piatra Olt — riß diese Verbindung ab. Und nun sind Pauline Franks Kinder in der Nähe von Frankfurt am Main, der Heimat meines Freundes Peter Ehlen. Es ist mir jedesmal eine Freude, wenn sie einige Stunden zu Besuch bei uns weilen. Leider hat sich mein Wunsch, noch einmal nach Kobadin zu kommen, nicht erfüllt. Wenn ich heute, nach mehr als fünfzig Jahren, an diese dort verbrachte Zeit zurückdenke, muß ich den Mut, die Ausdauer und die Geduld, die diese Menschen beseelte, noch immer bewundern. Erst jetzt in den späteren Jahren wurde mir so richtig klar, was es heißt, Deutscher im Ausland zu sein. Ganz besonders gefiel mir der kirchliche Zusammenhalt und die ausgeprägte Nächstenliebe unter den Leuten. Auch zwischen den Deutschen und den dort lebenden Tataren fand ich dieselbe Haltung. Sehr beeindruckt hat mich ebenfalls, daß die jungen Leute sich von ihren Eltern liebe- voll und widerspruchslos leiten ließen und ordentliche, brave Menschen waren. Damals galt dort noch, was Vater und Mutter sagten, ja, die jungen Leute waren ihren Eltern sogar dankbar, daß sie sich deren Lebenserfahrungen aneignen durften. Meine Erinnerungen an die als Soldat in Kobadin verbrachte Zeit sind damit zu Ende. Ich freue mich, der Aufforderung von Frau Gerlinde Stiller nachgekommen zu sein. Ich wünsche, daß wenigstens einige Kobadiner noch am Leben sind und, gleich mir, gerne an diese mit ihnen dort verbrachte Zeit zurückdenken. Alle Kobadiner, die sich meiner noch erinnern können — besonders die Familien Herrmann, Drefs und Grieb — seien auf diesem Wege recht herzlich gegrüßt. Auf der Suche nach der besseren Heimat 1) Von Karl Roth, Lichtental In der „Heimatgeschichte Lichtental“ lesen wir auf Seite 144 unter anderem: 1) Erschienen in der „Heimat, Stimme des Vereins zur Förderung des Schrifttums der Deutschen aus Bessarabien“, Stuttgart 1972, Folge 7, S. 73 bis 75. Mit freundlicher Genehmigung des Verfassers sowie des Schriftleiters der „Heimat“, OStR Friedrich Fiechtner. — Als Ergänzung zu dem vorhergehenden Beitrag von Gustav Rühl (J. G. Stiller) gebracht. 118 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 119 ============================================================================ „Der deutsche Gutsbesitzer August Würth verkaufte sein Landgut, um nach Deutschland auszuwandern.“ Der folgende Ausschnitt aus der Familienchronik der Familie. August Würth weist Züge auf, die verwoben sind mit der Geschichte Rußlands und Deutschlands, wie die aller Rußlanddeutschen. Diese Tatsache rechtfertigt die vorlie- gende Veröffentlichung. Von sechs großgewordenen Kindern dieser Familie lebt nur noch die jüngste Tochter Emma, verheiratete Rühl, wohnhaft in Hungen in Hessen. Durch mündliche und schriftliche Mitteilungen übermittelte sie mir nachstehenden Ausschnitt aus ihrem bewegten Familienleben. Oft hörte sie ihrer Großmutter zu, die so viel und so gern von der alten Heimat Württemberg und der neuen Heimat Bessarabien zu erzählen wußte, „Waisch, Kend, die Omschtänd und die Zeit zwangen uns, endlich dazubleiben, wo wir heute sind. Das große Heimweh nagt immer noch an meinem Herzen. Weil es allen so erging, schickten wir Ansiedler in den ersten Jahren einen Postboten nach Deutschland, und der brachte aus der alten Heimat ebenfalls Post mit zurück. War das allemal eine Freude! So isch die Verbindung mit der alten lieben Heimat nie abgerissen. Andersch wäret mir vor Heimweh in dieser öden Steppe gestorben.“ Wenn die Großmutter darauf zu sprechen kam, liefen mir dicke Tränen über die Wangen. In den ersten Jahren mangelte es an allem, sogar an Nahrung und genießbarem Wasser. Von den Russen und anderen fremden Völkern wurden sie nie behelligt, aber oft hatten sie unter Seuchen zu leiden, und dabei kein Arzi weit und breit und keine Arznei. Im Sommer quälte sie Hitze und Trockenheit, im Winter Schneestürme und Frost. Auch die Steppenwölfe machten ihnen in der kalten Winterszeit zu schaffen. Aber trotz allem Schweren oder auch gerade deshalb hielt man zusammen; wuchsen daraus Gewohnheiten und Brauchtum, mit deren Hilfe sie die Natur zu beherrschen lernten. Hinzu kamen andauernder Fleiß und Genügsamkeit, so daß sich mit den Jahren das wirtschaftliche Leben der jungen Gemeinde Lichtental sichtlich hob. So ist es zu verstehen, daß die Eltern, Johann Christoph Würth aus Güglingen zu Württemberg und seine Frau Anna Katharina, geborene Rebmann, aus Fellbach bei Stuttgart, ihren Sohn August in die „Wernerschule zu Sarata“ schicken konnten, wo er seine Ausbildung als Lehrer bekam. Von 1875 bis 1878 war er Lehrer in Benkendorf, 1878 bis 1885 Lehrer in Mannsburg und von 1885 bis 1890 Lehrer in Fere-Champenoise I. Dann stellte ihn sein Onkel Friedrich Baier aus Alt-Arzis auf seinem Landgut „Jurowka“ bei Neu-Sarata als Verwalter ein. Damit begann für ihn ein neuer Lebensabschnitt. 1894 machte er sich selbständig. In der Nähe seiner Heimatgemeinde Lichtental erwarb er ein Landgut von 125 Deßjatinen. Darauf errichtete er nach und nach Wohnungen für seine große Familie und Gesinde, Stallungen für das viele Vieh, Magazine für das Getreide, Scheunen und Schuppen für Wagen und landwirtschaftliche Maschinen. Einen Weingarten von 28 Morgen legte er an und in der Nähe des Hauses einen Obst- und Ziergarten. Als alles fertig war, zog er mit Kind und Kegel 1901 auf sein schönes Landgut, das zu erwerben und einzurichten sein sehnlichster Wunsch war. August Würth sah nun die Zeit für gekommen, sich mehr für die Belange seiner Mitmenschen einzusetzen. So bekleidete er das Amt des Oberschulzen in 119 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 120 ============================================================================ Sarata von 1899 bis 1902. Im Jahre 1905 wurde er von den deutschen Ansiedlern als Synodaler gewählt. In demselben Jahr brachen in Rußland die Judenpogrome aus. Darum durften die Synodalen ihren Tagungsort in Odessa für drei Tage nicht verlassen. Schließlich wurde die Synode behördlich verboten. August Würth hatte gute Chancen in die Duma (russisches Parlament von 1906 bis 1917) zu kommen. Dadurch entstand jedoch eine harte Rivalität mit einem anderen deutschen Gutsbesitzer, die schließlich zur Feindschaft führte. Hinzu kamen Mißgunst und Neid seiner Mitmenschen und die beginnende Deutschenhetze. Nach reichlicher Überlegung faßte er den schwerwiegenden Entschluß, Rußland für immer zu verlassen und nach Deutschland auszuwandern, wo er in gesicherten Verhältnissen zu leben hoffte. Es fiel ihm nicht leicht, seine Wahlheimat Bessarabien zu verlassen, wo er auch gute Freunde hatte wie den nachmaligen Fabrikanten Karl Layher, der, bevor er in das Unternehmen einstieg, 1898 nach Deutschland reiste, um Industrieanlagen näher kennenzulernen. Weiter gab es da die landwirtschaftlichen Ausstellungen, die von der russischen Regierung ins Leben gerufen wurden. Da gab es jeden Herbst eine Ausstellung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und landwirtschaftlicher Maschinen. Viele deutsche Bauern und Fabrikanten erhielten erstklassige Auszeichnungen. Und schließlich lebten da alle seine und Seiner Frau Verwandte und Freunde. Einige seiner Kinder standen schon in Amt und Würde in Rußland, Rumänien und Amerika. Im April 1911 traten die Eltern mit ihrer jüngsten Tochter Emma die Reise nach Deutschland an. (Bild) Stehend: Lydia und Emanuel Em. Leyer, August Würth, Theodor Würth, Michael Em. Leyer; sitzend von links nach rechts: Karoline Leyer, Mathilde Leyer geb. Würth, Frauen von Theodor und August Würth; die Kinder von links nach rechts: Helmut, Berthold und Elsa Leyer. 1908 in Kobadin 120 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 121 ============================================================================ In Ostpreußen, in Thierenberg, erwarb Herr Würth ein großes Landgut; 1912 fing er an, es selbst zu bearbeiten. Von den Gutsnachbarn wurde Familie Würth nicht als Deutsche, sondern als „Polacken“ angesehen, weil sie aus dem Osten kam. Neugierige Leute kamen ins Haus, um zu sehen, ob sie auch mit Messer und Gabel beim Essen umzugehen verständen. Andere fürchteten um ihr Vieh, andere wieder hatten Sorge, ob die Familie Würth auch imstande sei, so ein großes Gut zu bearbeiten. All das tat den Neuankömmlingen weh, und sie fühlten sich gar nicht wohl in ihrer neuen Umgebung in Deutschland. Nach einigen Monaten schickte die Regierung eine Kommission, bestehend aus 23 Herren, um prüfen zu lassen, ob ein zurückgekehrter Kolonist auch in der Lage sei, ein 1000 Morgen großes Gut fachgemäß zu bewirtschaften. Die Herren der Kommission waren überrascht von dem, was die Familie Würth in verhältnismäßig kurzer Zeit geleistet hatte. Was hatte denn der neue Gutsherr schon getan? Als erstes schaffte er neue landwirtschaftliche Maschinen an. Für die Dienstleute ließ er menschenwürdige Wohnungen einrichten und bezahlte ihnen bes- sere Löhne, was ihm bei seinen Nachbarn spöttische Bemerkungen und sogar Anklagen einbrachte. Aber der Landeshauptmann hatte von August Würth eine andere Meinung. Er war von den Errungenschaften und Plänen des Herrn Würth so eingenommen, daß er ihn wiederholt bat: „Schreiben Sie den deutschen Kolonisten, sie sollten wieder zurückkommen.“ Während des Ersten Weltkrieges wurde Herr August Würth von der deutschen Regierung beauftragt, bei den russischen Kriegsgefangenen deutscher Volkszugehörigkeit für Deutschland zu werben. Durch seine Vermittlung erhielten die Gefangenen insgesamt manche Erleichterungen. Einige Landsleute und ehemalige Dorfgenossen beschäftigte er bei sich selbst. So arbeiteten zum Beispiel Gustav Würth, Otto Schwaderer und Georg Weber bis zu ihrer Entlassung auf seinem Gut. Nicht nur er, sondern auch seine Kinder beherrschten die russische Sprache. Sein ältester Sohn Theodor wurde zu den Vorfriedensverhandlungen in Brest-Litowsk als Dolmetscher herbeigezogen. „Von seiner Mitwirkung bei den Verhandlungen ist die damalige Weltpresse unberührt geblieben, da er ja nur den Dolmetscher spielte“, bemerkte bei einem Gespräch Frau Rühl. „Ja, es kommt im Leben immer auf den Standpunkt an, den man einnimmt“, beschloß sie ihre Unterhaltung mit mir. Unser Landsmann August Friedrich Würth, wie er bei vollem Namen hieß, wollte im Leben vorwärtskommen. Darum nahm er eine Unsumme von Arbeit, Verzicht und Fleiß auf sich, zahlte manches Lehrgeld, war auch von Fehlleistungen und Irrtümern nicht frei, aber der Erfolg blieb nicht aus. Sein Traum ging in Erfüllung: Er konnte sich ein eigenes Landgut anschaffen, einrichten und ausweiten und mehren. Den Ertrag dieses Schaffens setzte er zum größten Teil bei seinen Kindern in Bildung um. Doch „Neider sind Feinde“, sagt Goethe. Herr Würth hatte davon mehr als genug. Das war letztlich der wahre Grund seiner Auswanderung nach Deutschland. Mit dem neuerworbenen Gut in Ostpreußen ging es gut voran. Doch seine Kinder waren inzwischen alle selbständig geworden, verließen das Vaterhaus und die Heimat und suchten sich, ihrer Bildung entsprechend, neue Betätigungsfelder in Rußland, Rumänien, Deutschland und Amerika. Und es kam der Tag, wo der alte, kranke Mann mit fremden Hilfskräften allein auf seinem Gute 121 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 122 ============================================================================ stand. Es wollte nicht mehr so recht gehen.Das Alter und die Krankheit hatten in seinem Hause Einkehr gehalten, Freundschaften wurden durch den Tod aufgelöst. Sein Lebensabend begann sich zu verdunkeln. Enttäuschungen des Lebens. Auf Drängen seiner Kinder entschloß er sich, sein Landgut zu verkaufen und den Erlös auf sicheren Banken zu deponieren. Allein von den Zinsen könnte er seinen Lebensabend in Ruhe verbringen. Den größten Teil seines Geldes gab er seinen Kindern. Doch eines Tages kam die Inflation, und sein Vermögen wurde zu Wasser. So ging die Frucht einer Lebensarbeit wie vieler, vieler anderer deutschen Menschen über Nacht verloren. Doch ein stolzes Bewußtsein hielt ihn aufrecht: Seinen Kindern durch Schulbildung eine sichere Lebensgrundlage verschafft zu haben. Aber noch etwas: Seine Enttäuschung mit den Gütern dieser Welt und das Leid, das er damit in Kauf nehmen mußte, brachte ihn nicht zur Verzweiflung. Im Glauben an Gott schied August Friedrich Würth 1922 aus dieser Welt. Friedrich Würths Lebensweg Von Gerhard Würth, Kobadin Was hat es auf sich, daß an dieser Stelle der Lebensweg des Kobadiner Ansiedlers Friedrich Würth nachgezeichnet werden soll? Sicherlich nicht den Zweck, die Seiten des vorliegenden Jahrbuches zu füllen. Er soll lediglich einen Strich darstellen an dem großen Gemälde, das noch über das ehemalige Schwarzmeerdeutschtum anzufertigen ist. Friedrich Würths Lebensweg zeigt nichts außergewöhnliches auf, das ihn aus seiner Umgebung hervorheben würde — oder soll man seine Gelassenheit als setwas Rühmenswertes ansehen? Er war stets ruhig und freundlich zu jedermann. Diese Eigenschaften zeichnen ihn auch heute noch aus, bei seinen 91 Jahren, da diese Zeilen niedergeschrieben werden. Die deutschen Kolonisten aus dem Schwarzmeerraum nannten sich Ansiedler. Es hat mich noch als Kind immer so beeindruckt, wenn in der Kirche von der Kanzel ein Eheaufgebot an drei aufeinanderfolgenden Sonntagen verlesen wurde: „Es werden aufgeboten ... NN, ehelich lediger Sohn des Kobadiner Ansiedlers NN und dessen Ehefrau... mit NN, ehelich ledige Tochter des ... Ansiedlers ... .“ Aufgefallen waren einem dabei die verschiedenen Herkunftsorte der genannten Personen. Auffallen werden im folgenden die vielen Orte, in denen Friedrich Würth in seinem Leben einen Aufenthalt gemacht hat oder einen Aufenthalt machen mußte. Sie seien vorweg genannt: Lichtental, Gnadental, Eigenfeld und Sarata in Bessarabien; Kobyn unweit von Brest Litowsk und Charbin in der Mandschurei; Kobadin in der Dobrudscha; Umsiedlerlager Sonntagberg in Niederösterreich; Blatz bei Olmütz in Mähren; Kirchheim/Ries, Unteraichen bei Stuttgart und heute Bruch im Kreis Backnang im Württembergischen. Friedrich Würh war Untertan bzw. Bürger unter den russischen Kaisern Alexander II., Alexander III., Nikolaus II.; unter den rumänischen Königen Karl I., Ferdinand I., Karl II., Michael I.; wurde unter Adolf Hitler eingebürgert (seine dritte Staatsbürgerschaft), dann der Zusammenbruch des Reiches und die Flucht-Aufnahme in Westdeutschland mit den Bundespräsidenten Theodor Heuß, Heinrich Lübke und Gustav Heinemann. 122 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 123 ============================================================================ Friedrich Würth erlebte vier Kriege: 1. Als russischer Soldat kam er in der Mandschurei an, als der Russisch-Japanische sich seinem Ende näherte. 2. Während des zweiten Balkankriegs wurde er nicht eingezogen, dafür leistete er aber Aushilfe für die Eingerückten. 3. Im Ersten Weltkrieg Teilnahme als rumänischer Soldat gegen die Deutschen. 4. Im Zweiten Weltkrieg kamen seine Söhne zum Einsatz (ein Sohn vermißt, der älteste kam aus russischer Kriegsgefangenschaft unheilbar krank zurück). — Seine Frau liegt in Mähren begraben. Herkunft Die Würths haben ihre Familiengeschichte noch nicht geschrieben, doch ist ihnen bekannt, daß Friedrich Würths Urgroßvater, Johann Friedrich Würth, geb. am 23.2.1781 in Güglingen (Zabergäu, Württemberg), von Beruf Wagner, im Jahre 1832 mit seiner Familie nach Gnadental (Bessarabien) ausgewandert ist. — Sein Großvater, Johann Christoph Würth, geb. 1818 in Güglingen, war bei der Auswanderung 14 Jahre alt. Johann Christoph erlernte in Gnadental das Zimmermannhandwerk und zog 1842 nach Lichtental, wo der Vater von Friedrich Würth, Georg Würth, am 31.12.1850 geboren wurde. Georg Würth wurde Wagner und heiratete Dorothea Barbara Benninger aus Gnadental, deren Vorfahren aus Kornwestheim (zwischen Stuttgart und Ludwigsburg) stammten. Friedrich Würth wurde am 9. Februar 1881 in Lichtental, Bessarabien geboren. Dort ging er zur Schule und erlernte als einer der ersten Kolonisten der Schwarzmeerdeutschen das Russische schon in der Schule. — Mit 15 Jahren kam er als Lehrling in die Schreinerei des Christian Deiß nach Gnadental. Seine Gesellenjahre verbrachte er bei den Schreinermeistern Weiler in Lichtental, Tomski in Eigenfeld und ein halbes Jahr vor Ableistung seiner Militärdienstpflicht arbeitete er in der Maschinenfabrik des Friedrich Lütze in Sarata. Die Firma Lütze stellte landwirtschaftliche Maschinen wie Putzmühlen, Weinpressen, Traubenmühlen usw. her. Beim Militär Ab den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden den deutschen Kolonisten in Südrußland so nach und nach alle ihnen verbrieften Rechte entzogen, eine Entwicklung, die dann mit der Aufhebung der wesentlichsten Menschrenrechte unter Stalin ihren grausamen Abschluß fand. Ab 1872 mußten auch die deutschen Bauernsöhne russischen Militärdienst ableisten. Friedrich Würth kam Anfang 1902 in die Garnisonsstadt Kobryn bei Brest Litowsk zur Ausbildung. Seine russischen Sprachkenntnisse halfen ihm dabei über so manche Klippen hinweg. In den nahezu drei Jahren Aufenthalt bei der aktiven Truppe in Kobryn errang er sich die Achtung seiner Vorgesetzten und die Sympathie seiner Kameraden. Nach Abschluß dieser Ausbildungszeit wurde er zum Unteroffizier (Dienstgradbezeichnung auf russisch: „Unterofizer“) befördert. Im Jahre 1904 brach der Russisch-Japanische Krieg aus. Auch das Regiment, in dem Friedrich Würth diente, wurde nach dem Fernen Osten in Marsch gesetzt. Bei Samara, heute Kuibyschew, wurde die Wolga überauert und über Orenburg zur transsibirischen Eisenbahn gefahren. War der Weg durch das europäische Rußland schon recht eintönig, so wurde es in Sibirien noch eintöniger und noch langweiliger. Nach Nowosibirsk hatte das Auge wieder mehr zu sehen und nach Krasnojarsk nahmen die riesigen Gebirgswälder den Blick 123 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 124 ============================================================================ gefangen. Schön war auch die Fahrt von Irkutsk um den Baikalsee nach Ulan-Ude. Eintönig und langweilig war es während dieser Fahrt. Aber das wäre nicht einmal so schlimm gewesen. Schlimmer war, daß die Soldaten in Güterwagen zusammengepfercht ihren Platz suchen mußten. Das Sitzen konnte in dieser Enge keine Bequemlichkeit sein, und an ein Ausstrecken zum Liegen war nicht zu denken. Sollte es da jemanden wunder nehmen, daß die Stimmung in der Truppe von Tag zu Tag schlechter wurde? Friedrich Würth war der einzige Deutsche in seinem Wagen und weil er ein gern gesehener Kamerad war, wurde auf ihn gehört. Es gelang ihm, mit seinem Humor auf die erhitzten Gemüter entspannend zu wirken, doch hatte er in jenen Wochen auf der transsibirischen Eisenbahn ein ungutes Gefühl mitbekommen, daß es mit dem Frieden in diesem Riesenreich nicht zum Besten bestellt sei. Nach einer Fahrt von 35 Tagen war Charbin, die Hauptstadt der Mandschurei, erreicht. Die Soldaten waren es zufrieden, vielleicht auch noch mehr: sie waren glücklich, als sie hörten, daß sie nicht mehr in den Kampf geworfen werden, denn Rußland hatte den Krieg in der großen Schlacht von Mukden gegen Japan endgültig verloren. Für die neuangekommenen Truppen kam nun ein mehr oder weniger strenger Dienst in der Mandschurei. Der Rücktransport der Einheit von Friedrich Würth verzögerte sich von Monat zu Monat, so daß nahezu ein ganzes Jahr daraus wurde. Während dieser Zeit hatte er Gelegenheit, Land und Leute näher kennenzulernen. Zu bestaunen waren vor allen Dingen die buddhistischen Tempel mit den Götter- und Dämonenbildern. Bei den Menschen erschien der lange chinesische Zopf als beachtenswert, dessen Bänder und Schnüre manchmal bis zu den Waden des Trägers reichten. Und dann die Füße der chinesischen Frauen! Man sah ihnen die Tortur mit den engen Schuhen geradezu an. — Hier in der Mandschurei traf Friedrich Würth auch seinen Bruder Otto, der in Wladiwostok als russischer Soldat Dienst tat. Die Wiedersehensfreude war groß, zumal beide heil aus diesem Krieg davongekommen waren und für beide bedeutete dieses Treffen ein seltenes Erlebnis. Die Zeit der Rückkehr kam heran. Wieder mußten sie mit Güterwagen als Transportmittel vorliebnehmen und wieder fuhren sie die gleiche Strecke, die sie gekommen waren, nur in umgekehrter Richtung. Die Läuse nahmen wieder überhand, so daß sie wenigstens einer „nützlichen“ Beschäftigung nachgehen konnten. Die Wäsche, jeder Soldat mußte auf dieser langen Fahrt seine Wäsche selber waschen, flatterte außerhalb der Wagen im Fahrtwind — ein ziemlich lustiges Bild, denn im Wageninnern gab es für sie keinen Platz. Knapp vier Jahre war Friedrich Würth von zu Hause fort; rund drei Jahre in Kobryn und ein Jahr in der Mandschurei, bis endlich der Augenblick der Entlassung gekommen war. In der Dobrudscha Aber zu Hause in Lichtental hielt es ihn nicht lange. 1907 wanderte er nach Kobadin in die Dobrudscha aus, wo er ein Jahr lang als Schreiner bei Emanuel Leyer arbeitete. Am 3. Februar 1909 heiratete er Maria Herrmann, die Tochter des Ansiedlers Christian Herrmann aus Kobadin, der schon früher aus Mischuna in Bessarabien nach Kobadin gekommen war. Als sich nun die Gelegenheit bot, kaufte 124 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 125 ============================================================================ Friedrich Würth von den Waisenkindern Zaiser, die nach Amerika auswanderten, deren Haus und Hof (über 4000 qm groß). Hier errichtete er eine der ersten mechanischen Werkstätten in der Dobrudscha. Neben Möbel, Fenstern und Türen fertigte er noch Putzmühlen, Weinpressen und Pferdewagen an. Das Geschäft ging gut, es ging aufwärts. So schien er aller Sorgen enthoben zu sein. Im Jahre 1913 jedoch kam es zwischen Rumänien und Bulgarien zum Zweiten Balkankrieg. Friedrich Würth wurde dazu nicht eingezogen, weil er noch keine zehn Jahre im Lande lebte und somit noch nicht rumänischer Staatsbürger geworden war. Als gesuchter Handwerker erhielt er aber doch schon 1914 die Staatsbürgerschaft. Dann brach der Erste Weltkrieg aus. 1916 mußte er zum zweitenmal in den Krieg ziehen, nun als rumänischer Soldat. Bei Nehoi in den Karpaten, südlich von Hermannstadt, wurde seine Einheit in den Kampf geworfen. Er als Schreiner mußte zurückbleiben, um Kästen zum Transport von Munition herzustellen. In dieser Schlacht sind viele Soldaten seiner Kompanie gefallen, darunter auch Kobadiner Deutsche: sein Schwager Friedrich Thillmann, Eduard Gabert, August Schalo und Daniel Seefried. Ob er wohl diese Schlacht überlebt hätte, wenn er nicht abgeordnet gewesen wäre? Noch immer klangen ihm die Worte seines Offiziers am Abend vor der Schlacht in den Ohren: „Neamtzule“ (Deutscher), dein Glück, wir gehen einer schweren Schlacht entgegen. (Bild) Friedrich und Maria Würth 1910 In den nächsten Tagen kam er an die Front. Links und rechts fielen seine Kameraden. Er selbst bekam einen Schuß durch die Mütze und blieb dabei unverletzt. Er konnte dieses Glück kaum fassen, nur um Millimeter war es am Tod vorbeigegangen. Bald darauf kam Friedrich Würth in österreichisch-ungarische Gefangenschaft, wo er Otto Leyer, Lehrer aus Kobadin, traf, dem das gleiche Schicksal beschieden worden war. Mit weiteren Schicksalsgefährten wurde er in ein Kriegsgefangenenlager nach Bukarest transportiert, wo er zunächst mit anderen Gefangenen Unterkunftsbaracken erstellen mußte. Nach kurzer Zeit wurde er nach Buzeu verlegt und erkrankte an Typhus. Das Lazarett, in dem er Aufnahme fand, befand sich in einem großen Pferdestall, in dem die Kranken auf Stroh reihenweise lagen. Doch er überstand auch dieses. Das Pflegepersonal im Lazarett war knapp und so half er, noch nicht ganz genesen, überall, wo er nur konnte. Die Kenntnisse zweier Fremdsprachen kamen ihm jetzt zugute, da sich außer rumänischen auch russische Kriegsgefangene im Lager befanden. Er fand bei der deutschen Truppe als Dolmetscher Verwendung. 125 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 126 ============================================================================ Nach einjähriger Kriegsgefangenschaft konnte er endlich im Jahre 1918 heimkehren, wo seine Frau mit drei kleinen Kindern auf ihn wartete. Doch die Wiedersehensfreude wurde stark getrübt. Kobadin war während des Krieges hart umkämpft und so manche Gebäude waren durch Artilleriebeschuß vernichtet worden. Dort, wo früher seine Werkstatt stand, lag nun ein einziger Trümmerhaufen. Seine ganze Existenz schien verloren zu sein. Die Maschinen der Werkstatt konnte er nicht mehr gebrauchen. Mit neuem Mut jedoch ging er an den Wiederaufbau. Das war nicht leicht, da sämtliche Holzvorräte sowie die landwirtschaftlichen Maschinen, die er auf Vorrat gearbeitet hatte, vernichtet worden waren. Nach einigen Jahren harter Arbeit konnte Friedrich Würth wieder aufatmen, er hatte alles wieder aufgebaut. Doch als dann im Jahre 1928 auch noch die große Wirtschaftskrise seinen Betrieb lahmlegte, entschloß er sich, Landwirtschaft zu betreiben. Zu seinen 10 Hektar eigenem Land pachtete er noch etwa 60 Hektar von Emanuel Leyer dazu, das „zur Hälfte gesät“ wurde. Dadurch hatte er sein 'gutes Auskommen. Gemeindearbeit In einer Gemeinde gibt es viel zu tun, es tauchen immer neue Probleme auf, die gemeistert sein wollen. So auch in Kobadin. Um diese Aufgaben besser lösen zu können, gründete man die verschiedensten Gremien, in denen die Belange der Gemeinde erörtert und Entscheidungen zugeführt wurden. Friedrich Würth hatte in der Zeit zwischen 1920 und 1940 immer irgendein Gemeindeamt inne. Sechs Jahre lang, von 1928 bis 1934, war er einer der beiden Kirchenvorstände, außerdem verwaltete er die Armenkasse der Gemeinde. Der Krieg hatte Waisenkinder hinterlassen; von der Gemeinde wurde er zum Vormund von drei Waisen ernannt. Bei der Volksbank von Kobadin war er Vorstandsmitglied. Als 126 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 127 ============================================================================ der erste Jugendverein in Kobadin gegründet wurde, wählte man ihn in den Aufsichtsrat. Die Umsiedlung Im Herbst 1940 trat die große Wende im Leben der Dobrudschadeutschen ein: die Umsiedlung ins Großdeutsche Reich. Von heute auf morgen sollte man seinen Haushalt, seine Wirtschaft, seinen Betrieb auflösen. Dafür bekamen die Kobadiner drei Wochen Zeit. Textilien (Kleider, Bettwäsche) und Hausrat wurden sorgfältig in Koffer und Kisten verpackt. Der bewegliche Besitz wurde. zu Schleuderpreisen verkauft. Das unbewegliche Vermögen erfaßte eine deutsch-rumänische Kommission. Es sollte in der neuen Heimat, in Deutschland, ersetzt werden. Eines Tages war es soweit. Die große Fahrt mußte am 23. 11. 1940 angetreten werden. Mit einem letzten Blick in die Wohn- und Schlafstuben, einem letzten Gang zu den Pferden und Kühen in den Ställen wurde vom bisherigen Besitz für immer Abschied genommen. Dann ging die ganze Familie, mit Koffern bepackt, zum Bahnhof. Allen war die Kehle wie zugeschnürt. Der Hund an der Kette jaulte, das Vieh im Stall war zu hören, ein Kätzchen lief miauend bis zum Bahnhof mit. Jener graue Novembermorgen war so unwirklich, daß wir selbst heute für das damalige Geschehen keine Worte finden. Am Bahnhof war ganz Kobadin versammelt. Tataren, Rumänen und Türken hatten sich eingefunden, um ihren deutschen Freunden lebewohl zu sagen. Jahrelang hatte man mit diesen Menschen zusammengelebt und nun trennte man sich für immer... Der Zug brachte die rund 950 Seelen zählenden Deutschen aus Kobadin nach Cernavoda an der Donau, wo das Passagierschiff „Stadt Wien“ bereitstand, um diese Menschen ins Reich zu verfrachten. Friedrich Würth befand sich nun auf seiner zweiten großen Reise, die aber „nur“ acht Tage und Nächte dauern sollte. Das Schiff fuhr donauaufwärts, einem den Umsiedlern unbekannten Ziel entgegen. Am zweiten Tag erlebten sie den einmalig schönen Durchbruch der Donau durch die Karpaten. In Semlin bei Belgrad endete die Schiffahrt. Einige Tage wurden im dortigen Durchgangslager verbracht, bis es mit der Eisenbahn über Graz und Waidhofen bis nach Rosenau, Kreis Amstetten, weiterging. Hier verließen wir den Zug und erstiegen den über 700 Meter hohen Sonntagberg, wo das Umsiedlerlager für einen Teil der Kobadiner eingerichtet worden war. Nun begann ein eintöniges und beschwerliches Lagerleben, das für viele Umsiedler zur Tortur wurde und in schlechter Erinnerung blieb. Man mußte sich in vielen Dingen einschränken — das enge Zusammenleben erforderte es — und das fiel den freiheitsgewohnten Dobrudschanern recht schwer. Wohl sah man das Lagerleben als ein not- wendiges Übel an, hoffte aber täglich, daß es bald zu einer Ansiedlung käme. Aber bis dahin sollten fast zwei Jahre vergehen. Zuvor hatten die Würths noch etliche Umsiedlerlager zu durchwandern: Mauer-Öhling bei Amstetten, Schloß Mayerling bei Baden/Wien und das Kloster Heiligenkreuz auch bei Baden/Wien. Im Herbst 1942 wurde Friedrich Würth mit den noch ledigen Kindern in Blatze, Kreis Ölmütz. in Mähren angesiedelt. Alle drei ledigen Söhne, zwei waren verheiratet, wurden eingezogen und kamen zum Einsatz, so daß er den 15 Hektar großen Bauernhof allein mit seinen zwei Töchtern betreiben mußte. Am 7.Dezember 1943 starb nach langem Leiden seine Frau. Das traf ihn 127 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 128 ============================================================================ schwer. Die seelische Last schien ihm fast unerträglich: fünf Söhne an der Front und nun der Tod seiner geliebten Frau; er selbst mit zwei Töchtern in einem fremden Land, dessen Bewohner jedem Deutschen feindlich gesinnt waren. Er wußte, daß den Umsiedlern hier kein langes Bleiben beschieden sein würde, zudem wurden an allen Fronten die deutschen Truppen zurückgedrängt. Die Russen eroberten allmählich Polen und drangen auch in der Tschechoslowakeı ein. Im April 1945 bereiteten sich die deutschen Ansiedler zur Flucht nach dem Westen vor; sie wollten nicht in die Hände der russischen Truppen fallen. So auch Friedrich Würth. Er zimmerte über seinem Bauernwagen ein Dach aus Holzstangen, spannte eine Plane darüber und der Zigeunerwagen war fertig; Vorbilder solcher Wagen hatte er in der Dobrudscha genug gesehen. Die notwendigsten Sachen wurden aufgeladen: Kleider, Nahrungsmittel, darunter zwei Sack Mehl und ein ganzes zuvor geschlachtetes Schwein. Wer wußte denn, wie lange diese Fahrt ins Ungewisse dauern würde? So gerüstet, fuhr er mit seinen Töchtern eines Nachts los und traf sich mit den anderen Siedlern der Umgebung. Ein Treck wurde gebildet: 70 bis 80 Pferdewagen, mit Frauen, Kindern und alten Männern. Durch Mähren ging es über die Böhmisch-Mährische Höhe in Richtung Budweis. In einem der Wälder wurde sein Neffe Andreas Herrmann von tschechischen Partisanen hinterrücks erschossen. Für kurze Zeit befand sich der Treck in der Gewalt der Partisanen, doch eine kleine Einheit deutscher Truppen konnte die Flüchtlinge aus deren Händen befreien und weiter ging es dem Westen zu. Inzwischen war der 8. Mai 1945, der Kapitulationstag, herangekommen. Wenn die Flüchtlinge noch länger auf tschechischem Boden verweilt hätten, wären sie schutzlos der Willkür der tschechischen Mörderbanden ausgesetzt gewesen. Jetzt setzte man alles daran, die deutsche Grenze zu erreichen. Endlich konnten sie aufatmen. Sie kamen in deutsche Dörfer. Aber jetzt erhob sich die Frage: Wohin sollte man sich wenden? Da entsann sich Friedrich Würth eines weiten Verwandten, Georg Würth in Stuttgart-Möhringen, dessen Vorfahren im Gegensatz zu den seinen, im 19. Jahrhundert nicht ausgewandert waren. Mit seinem Sohn Otto und dessen Schwiegereltern machte er sich auf den Weg dorthin. Unterwegs erfuhr er aber, daß Stuttgart von den Franzosen besetzt sei und man hörte nichts Gutes von den damaligen französischen Besatzungssoldaten. So entschloß er sich, sich vorläufig auf einer Domäne in Kirchheim/Ries niederzulassen. Hier arbeitete er und seine zwei Töchter zwei Jahre lang. 1947 zog er zu seinem Sohn Otto, der in der gleichen Ortschaft einen Bauernhof gepachtet hatte. Auf diesem Hofe machte er sich, nun 66jährig, durch allerlei Arbeiten nützlich. Seine zwei jüngsten Söhne sowie sein ältester Sohn Fritz waren unterdessen aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrt. Der Sohn Rupprecht blieb verschollen. 1949 kaufte sein Sohn Albert in Unteraichen/Fildern ein Haus, das Friedrich Würth und seine ledigen Kinder bezogen. Die Tochter Frieda führte den Haushalt. Im Mai 1953 heiratete Albert Ella Metzger, die Tochter des Emanuel Metzger aus Kobadin. Die Schwiegertochter versorgte nun Friedrich Würth elf Jahre lang. Er war sehr rüstig und Müßiggang kannte er nicht. Jede Arbeit, die im Haus oder auch außerhalb anfiel, brachte ihm Freude. Als sein jüngster Sohn Gerhard sich ein Haus gebaut hatte, nahm dieser seinen damals 83jährigen Vater zu sich. Gerhards Frau Gisela, geb. Widmann aus Allmersbach im Tal, eine Schwäbin, sorgt nun für ihn. Vater Würth fühlte sich auch kräftig genug und ließ es sich nicht nehmen, seinem Sohn beim Hausbau 128 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 129 ============================================================================ zu helfen. Heute, 92jährig, ist er immer noch frohen Mutes und zeigt ein reges Interesse an den täglichen Begebenheiten. Die Tageszeitung ist, außer der Bibel, seine tägliche Lektüre. Zu seinem 90. Geburtststag waren alle Kinder, Kindeskinder und viele Gratulanten gekommen. Frühmorgens schon stand der Jubilar auf den Beinen, um die ersten Gäste zu begrüßen. Den ganzen Tag über feierte er mit, ohne Ermüdungserscheinungen zu zeigen. Auch heute noch fühlt er sich wohl und kann noch manches in Haus und Garten bewerkstelligen. Seine relativ starke Schwerhörigkeit nimmt er gelassen hin. Er hofft, daß er noch weiterhin im Kreise seiner Kinder verweilen darf. Friedrich Würth hat einen langen Lebensweg hinter sich. Wie er ihn gegangen, wie er ihn durchgestanden, das alles schreibt er nicht sich selbst zu, sondern einzig und allein der Führung unseres Gottes. Das Gebet von Eduard Mörike könnte als sein Gebet angesehen werden: „Herr, schicke, was du willt, Ein Liebes oder Leides; Ich bin vergnügt, daß beides Aus deinen Händen quillt. Wollest mit Freuden Und wollest mit Leiden Mich nicht überschütten! Doch in der Mitten Liegt holdes Bescheiden.“ Prediger Martin Ißler, Katalui Den folgenden Lebenslauf hat Martin Ißler im Mai 1924 selbst niedergeschrieben. — Nach dem Original aus dem Archiv der deutschen Baptistengemeinden Rumäniens in Bukarest im Wortlaut übernommen: Meine Jugendzeit Ich wurde im Jahre 1853, am 15. Oktober alten Stils, in Lichtental, Bessarabien, geboren. Die Ißlers stammen aus dem Dorfe Gebersheim, OA Leonberg bei Stuttgart. Mein Vater hieß Konrad und meine Mutter Anna Luise, geborene Mallaetz, aus Leipzig, Bessarabien. Sie war meines Vaters zweite Frau. Meine Mutter hatte mich sehr lieb, hielt mich zum Guten an und erzog mich zum Gehorsam. Bis zu meinem 15. Lebensjahr ging ich in unsere Dorfschule. Das Lernen machte mir große Freude und ich strebte danach, mir so viel als möglich von all dem Gebotenen anzueignen. Ich konnte besonders viel Bibelsprüche und geistliche Lieder auswendig. — Unser Lehrer war ein alter Mann vom rechten Schlag. Sein Unterricht in Biblischer Geschichte geschah mit solchem Nachdruck, daß mich alles, was er sagte, zutiefst ergriff und der göttliche Same zu meiner späteren Bekehrung wurde. Seine Belehrungen erzeugten in mir die nötige Gottesfurcht und die Liebe zu Gottes Wort. Als meine Schulzeit zu Ende ging, wäre auch ich gerne in die Wernerschule, in unsere Höhere Schule, nach Sarata gegangen, doch dafür stand mir kein Weg 129 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 130 ============================================================================ offen. Erstens war unsere Familie zu arm und zweitens hatte mein Vater keinen Sinn dafür. So kam ich in die Lehre und erlernte das Schuhmacherhandwerk. Bei meinem Meister ging es mir gut. Nach dem ersten Jahr meiner Lehre starb meine liebe Mutter an Wassersucht und zwar im Armenhaus in Sarata. So lange sie dort war, konnte ich sie nur einmal besuchen, und es waren liebe Worte, die sie damals an mich richtete, Worte der Ermahnung, die mich in meinem ganzen späteren Leben begleiteten. Meine Mutter habe ich danach nie wieder gesehen und auch bei ihrer Beerdigung konnte ich nicht dabei sein. Wir Kinder waren nun verwaist und uns selbst überlassen, da sich unser Vater um uns sechs Geschwister von der Mutter her kaum kümmerte. An uns sechs hat sich der Herr als der Vater der Waisen erwiesen; er hat uns alle versorgt, auch mit seiner Gnade, bis auf zwei meiner Brüder. Doch auch sie leben in guten Verhältnissen. Einer ist dem Herrn in Buenos Aires in der Taufe gefolgt. Mir gab der Herr die Gnade, daß meine Jugendzeit reingehalten wurde. Ich war ja auch in der Gesellschaft, doch hielt ich mich zurück, wo es über mein Gewissen ging. Auch hat der Herr für mich gesorgt, leiblich und geistlich. Ich ging gewöhnlich zweimal am Sonntag zur Kirche, denn ich hörte gerne Gottes Wort. Oft habe ich dem Herrn gedankt, daß er mich, als ich so alleine stand, so gnädig beschützt hat vor den Gefahren der Jugend. Als ich ausgelernt hatte, blieb ich noch eine kurze Zeit bei meinem Meister. Dann machten wir uns auf und gingen in die Fremde, nämlich mein Schul- und Jugendfreund Friedrich Gentner. Wir reisten von Odessa über das Schwarze Meer, an der Krim vorüber bis Bertiansk im Taurischen Gubernement. Es war im Jahre 1871 im Frühjahr. Dort in der Nähe liegen einige deutsche Dörfer, Schwaben (Reformierte und Lutheraner). Hier arbeiteten wir bei einem Kaufmann für sein Geschäft. Es waren recht liebe Leute und hielten uns gut. Wir gingen sonntäglich zur Reformierten Kirche, denn die Sache war einfacher als bei den Lutherischen, und es gab auch Orgelspiel. Zur jugendlichen Gesellschaft gingen wir dort nicht mehr, denn die Leute hier waren gemütlich und an guter Unterhaltung fehlte es nicht. In der Zeit spürte ich sehr stark den Zug des: Vaters zum Sohne, doch ich wußte nicht, was ich hätte tun sollen. Eines Tages erhielt ich einen Brief von einem Jugendfreund von zu Hause. Es deucht mir, ich hatte ihm geschrieben. Er berichtete mir manches Gute von zu Hause. Der Schluß seines Briefes lautete: „Lieber Martin, halte was Du hast, daß niemand Deine Krone raube.“ Als ich dies Wort las, da rief es in meinem Herzen; du Armer, du hast ja gar nichts, was sollst du denn halten? Mit einem Ruck hat dieses Wort Gottes mein Herz aufgetan und ich sah meine tiefe Armut und mein schweres Elend. Nun traten meine Sünden vor, die mehr waren als Haar auf meinem Haupt. Der Brief kam zur rechten Zeit, es war die Pockenkrankheit im Dorf ausgebrochen und viele junge Leute starben weg, so auch unser Nachbar mit seiner Frau. Da wurde die Not im Herzen immer größer. Nun suchte ich den Herrn von ganzem Herzen etwa 14 Tage. Da, eines Mittags, gerade bei Tisch, senkte sich der Friede Gottes in meine Seele, so voll und frei mit völliger Gewißheit der Vergebung meiner Sünden. Mein Herz war voller Seligkeit und Wonne. Jesus war mein. Ich konnte mit Paulus sagen: „Es hat dem Vater gefallen, in mir den Sohn zu offenbaren.“ Meine Auswanderung nach der Dobrudscha Doch es war dort weder eine Versammlung, noch Brüder, und ich hatte somit keine Gemeinschaft. Ich war so ganz allein für mich, nur mein Jugendfreund 130 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 131 ============================================================================ und die nächste Umgebung sahen, daß in mir eine Veränderung vorgegangen war. Von dieser Zeit an war ich ein frohes Gotteskind und wollte so gerne etwas tun für meinen Herrn, doch hatte ich dafür gar keine Aussicht. Ich war damals 19 Jahre alt. Dieses war 1872/1873 geschehen. Im Frühling 1873 rief. Rußland zum ersten Mal die Deutschen zum Militärdienst und wir mußten nach Hause, denn es traf unseren Jahrgang 1853. Einige gingen nach Amerika, um nicht zu dienen, und ich sagte zu meinem Freund, gehen wir auch mit ihnen; doch er meinte, nach Amerika ginge er nicht. Wenn ich gehe, so gehe ich nach der Türkei, denn mein alter Nachbar sagte immer, dort drüben in der Dobrudscha, bei Tultscha sind deutsche Dörfer und da gehe ich hin. Ich sagte dann, daß ich mitgehe, denn wir trennen uns nicht. Wir besorgten uns Pässe, und als die anderen zur Losung mußten, gingen wir im November 1874 über die Grenze und kamen wohlbehalten über Ismail nach Tultscha und von da nach Katalui, wo wir über Nacht blieben, vernahmen aber nichts davon, daß hier Baptisten seien. Am Morgen fanden wir einen Wagen nach Atmadscha und zum Glück dem Bruder Johann Adam seinen Knecht. Als wir zu ihm auf den Hof kamen und er uns so freundlich entgegenkam und grüßte, da war mir, als sähe ich eines Engels Angesicht. Er gewann unsere Herzen beim ersten Begegnen. Er sorgte für uns wie ein Vater, besorgte uns eine Wohnung, auch bei einem Bruder und fuhr auch mit uns nach Tultscha, um Ware zu kaufen, damit wir arbeiten konnten in unserem Handwerk. Wir wußten aber nicht, daß er Baptist war. Erst hernach haben wir es erfahren, doch das hat uns nicht gehindert, wir wußten, wir haben einen guten Freund. Somit war alles gut, der Herr hatte uns treu geführt. Bruder Adam sagte uns weiter nichts und lud uns auch nicht ein zur Versammlung. Zum ersten Mal in unserem Leben hörten wir, daß es auch Baptisten gibt. Wir gingen weiter zur Kirche mehrere Wochen. Da ich nun gläubig war und in Rußland keine Bruderschaft und geistliche Gemeinschaft pflegen konnte und doch so großes Verlangen danach hatte, nach geistlicher Pflege und Nahrung für mein verlangendes Herz, diese aber leider in der Kirche nicht fand, sondern nur tiefere Armut und größeres Verlangen, faßte ich unter der letzten Predigt an der ich teilnahm, den festen Entschluß, nächsten Sonntag in die Versammlung zu den Baptisten zu gehen. Ich sagte es meinem lieben Freund, und wir gingen am nächsten Sonntag zu den Brüdern in die Versammlung. Was ich nun hier erlebte und genoß, war gerade das, was ich brauchte, wonach meine Seele verlangte. Ich hatte sofort die Überzeugung, hier ist dein Platz, hier ist Gottes Wort, die Wahrheit, das Gebet und geistliches Leben. Es hieß in mir: hier ist Gottes Haus. Kurz, wir waren das letzte Mal in der Kirche gewesen. Der Herr hatte mir den Weg gezeigt, nach dem ich lange gesucht hatte. Gleich nach meiner Bekehrung hatte ich den Herrn angerufen: Herr führe du mich zum rechten Weg, gib mir die rechte Wahrheit zu erkennen und leite mich auf rechtem Weg. Dieses Gebet ward vom Herrn erhört. Wir sollten nicht in Bessarabien bleiben, wir durften nicht nach Amerika, sondern nach der Türkei gehen. Was hatten wir dumme Jungens denn damals von der Welt gewußt? Viel weniger noch von der Türkei. Und sonderbar, gerade der Weg Atmadscha, wobei alles so glatt, ohne einen Widerstand oder ein Hindernis gegangen, ist es, das mich heute noch wundert und freut, wie wunderbar die Führung des Herrn. Wie hätten wir auch selbst nach der Türkei gefunden? Mit den kirchlichen Dingen war ich längst im Zweifel: durch Gottes Wort. Daher machte mir das Überwechseln auch gar keinen Kampf. Gottes Wort ging mir über alles. Wir hielten uns treu zur Versammlung und das innere Leben erstarkte. Mit meiner Taufe stand es noch eine Zeit an, doch nötigten mich die 131 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 132 ============================================================================ Brüder an der Sonntagsschule mitzuarbeiten was ich gerne tat und auch öfters Gebetsstunden gehalten habe. Es war für mich eine große Freude endlich eine geistliche Heimat gefunden zu haben, wo mein inneres Leben wachsen konnte. Am 18. April 1875 verehelichte ich mich in Atmadscha mit der Tochter von Br. Michael Wagner, Elisabeth Wagner, die mir eine sehr gute und fromme Gehilfin war. So kam ich bald nach meiner Aufnahme in die Gemeinde. Meine Taufe erfolgte am 21. Mai 1876 in Katalui durch Bruder Ludwig Liebig. Ich kaufte in Atmadscha eine Wirtschaft, betrieb mein Handwerk und etwas Ackerbau. In Katalui Die Verbindung mit den Brüdern war herzlich, so daß ich immer mehr zur Mitarbeit im Werk des Herrn herangezogen wurde. Ich las gute Bücher, Zeitschriften und besonders die Bibel. Auf diesem Wege eignete ich mir eine bessere Erkenntnis der Schrift an. Das ging so bis zum Jahre 1880. Damals war Tariverde (1878) angelegt worden neben Kodschalak. Ich sagte zu meiner Frau, daß wir auch nach Tariverde gehen, denn hier haben wir kein Land. Wir verkauften die Wirtschaft und ließen Türen und Fenster machen, um bauen zu können. Als das Frühjahr näher kam, da hieß es in mir, du gehst nach Katalui und nicht nach Tariverde. Ich wollte nicht einwilligen, doch die innere Stimme ließ nicht nach. Ich konnte nicht sagen, warum ich nach Katalui gehen sollte. Da der Drang immer stärker wurde, gab ich schließlich nach und wiederholte meiner Frau gegenüber: „Wir gehen nach Katalui“. „Warum“, war ihre Antwort? Ich sagte, ich wüßte es nicht, aber ich müsse dorthin gehen. So verkauften wir Türen und Fenster und zogen im Frühjahr 1882 nach Katalui. Habe daselbst mein Handwerk betrieben und auch etwas Ackerbau. Die Brüder in Katalui nahmen uns mit Freuden auf. Damals war Bruder Ferdinand Massier Prediger der Gemeinde; doch beschloß er, im Jahre 1883 wieder nach der Bukowina in seine Heimat zurückzukehren. Nun war die Gemeinde predigerlos. Ich wurde mehr zur Arbeit herangezogen, neben Bruder L. Liebig, und zwar in der Sonntagschule und Versammlung. Schließlich wurde mir auch die Leitung der Gemeindestunden übertragen. Meine Wahl zum Prediger Die Gemeinde suchte nun einen Prediger, doch fand sich so schnell niemand. Mir kam nicht der leiseste Gedanke in meinem Herzen auf, daß ich dieses Amt übernehmen könnte, auch sprach keiner der Brüder ein Wort mit mir darüber. Im Mai 1884 wurde eine allgemeine Gemeindestunde einberufen, die sehr stark besucht war, und ich hatte die Pflicht, dieselbe zu leiten. Man sprach hin und her, kam aber zu keinem Ergebnis. Da standen einige Brüder von den Diakonen auf und sagten der Gemeinde: „Was suchen wir noch lange herum, wir haben einen Bruder unter uns, den wir zum Prediger berufen, Bruder Martin Ißler. Ich war ganz bestürzt und lehnte entschieden ab, da ich mich hierzu nicht fähig fühlte. Es half alles nichts, es wurde abgestimmt, die ganze Versammlung (weniger zwei Stimmen) gab den Ausschlag. Mit schwerem Herzen nahm ich schließlich die Berufung an. Ich dachte, es ist unmöglich. Ich fand mich wie ins Wasser geworfen, entweder schwimmen oder ertrinken. Nach Beendigung der Versammlung ging ich nach Hause mit schwerem Herzen und sagte zu meiner Frau: „Was soll ich jetzt machen?“ Sie sagte: „Lieber Mann, sei ruhig, das ist vom Herrn und nicht von Menschen.“ Dieses Wort stärkte mich und ich gewann eine Zuversicht und kam endlich zur Überzeugung: der Herr hat es getan! Was 132 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 133 ============================================================================ ich in meiner Jugend anstrebte und was ich nach meiner Bekehrung vom Herrn erbat, das hat der Herr mir in meinen reifen Mannesjahren gegeben, da die rechte Zeit für mich gekommen war. Und ich darf es bis heute, als ein rechtes Gnadengeschenk Gottes — ich war damals im 31. Lebensjahr — hinnehmen. Meine Ordination zum Predigt- und Ältestenamt geschah dann im Jahre 1884, durch Bruder August Liebig, der dazu aus Rußland eingeladen wurde. Ich fing die Arbeit mit großer Schwachheit an, doch im Vertrauen zum Herrn, und der Herr hat treulich geholfen, mir Gesundheit und Geisteskraft verliehen. Von der Zeit an, ist das Werk in der ganzen Dobrudscha ausgebreitet worden und hatte sich zu seiner höchsten Blüte entfaltet, in den 15 Jahren, in denen ich der Gemeinde damals gedient habe. Dazu hat auch beigetragen, daß viele aus Rußland eingewandert sind und die führenden Brüder tüchtige Arbeitskräfte waren und einen Wandel im Geist und göttliches Leben mitbrachten. In jenen Jahren durfte ich 260 Seelen durch die Taufe der Gemeinde zuführen, ohne diejenigen, die von Vater Ludwig Liebig noch getauft wurden. Doch dem schönen Werk drohte Gefahr. Bei den Einwanderern waren auch ein Teil Adventisten. Diese machten den ersten Schaden. Ein Teil unserer Glieder in der Dobrudscha schlossen sich ihnen an. Dann begann die Auswanderung. Mehrere gingen wieder nach Rußland zurück, nach Bulgarien, Argentinien und Nordamerika. Die Auswanderung hörte erst im Jahre 1907 bis 1908 auf. Das Werk hat sich aber doch getragen und wurde gestärkt, durch Zunahme bis zu meinem Weggehen nach Rußland. Bei der Auswanderung, und das war das Betrübliche, zogen immer die stärksten Familien weg: das sowohl was die irdischen als auch die geistigen Güter betrifft. Die Schwachen blieben zurück. Im Chersonschen Ein weiteres Ereignis. Meine erste Frau starb am 20. Oktober 1890 an Kindbettfieber. Sie ist selig im Glauben heimgegangen. Da nun vier kleine Kinder da waren, so sah ich mich genötigt, wieder zu heiraten und diesmal mit Anna Liebig (Ludwig Liebigs Tochter) und zwar am 24. Februar 1891 in Katalui. Die Waisen hatten nun eine gute Mutter. Es ist vom Herrn geschehen. So arbeitete ich also weiter in der Gemeinde, und der Herr gab immer wieder Erfolg bis zum Jahre 1899. Hiermit war das 15. Jahr erfüllt, daß ich den Gemeinden in der ganzen Dobrudscha diente. Im Sommer 1899 kam ein Ruf von der Gemeinde Johannestal und Neufreudental-Rußland, ob ich nicht hinüber kommen wollte und der Gemeinde dienen. Ich trug die Sache im Gebet dem Herrn vor und gewann die Überzeugung, daß ich gehen sollte. Ich sagte der Gemeinde zu, kündigte der Gemeinde Katalui und nahm am Weihnachtsfest von der Gemeinde Abschied. Zu Neujahr übersiedelte ich gleich nach Rußland. Ich hatte dort eine große Gemeinde und daher viel und schwere Arbeit. Aber auch tüchtige Leute als Diakone und Arbeitskräfte. Die Gemeinde zählte an 300 Glieder, der Durchmesser des Gemeindegebietes betrug nahe 200 Werst und an 20 und mehr Stationen und später wurden es 30. Doch eins war gut, denn ich wohnte mitten im Arbeitsgebiet, Neufreudental. Reiste ich nach der einen Seite, so brauchte ich 14 Tage. Dann kam ich nach Hause, ruht acht Tage, dann ging es weiter nach der anderen Seite. In dieser Zeit mußte ich sehr viel predigen, doch wir hatten auch große Erfolge, so daß wir die Gemeinde teilen mußten. Ich habe bis zu meinem Weggehen stets das ganze Feld bedient, da die Teilung erst im letzten Jahr geschah. Doch eins war auch daran gut, denn ich wurde immer gefahren. Pferde und Wagen waren gut. In diesem Dienst hatte ich mich so abgearbeitet, daß Stimme und Hals fast völlig versagten und mein Hals mir oft sehr weh tat. Ich 133 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 134 ============================================================================ ließ mich vom Arzt untersuchen und dieser riet mir: Sie müssen aufhören, so viel zu predigen, wenn sie nicht Schaden leiden wollen. Doch ich setzte die Arbeit noch fort. Wir hatten dort großen Zulauf von lutherischen Menschen. Bei mehreren Begräbnissen und Trauungen wurde ihre Kirche zur Verfügung gestellt. Man war dort nicht so engherzig wie hier bei uns. Die Leute haben dort mehr begriffen von Glaubenssachen, und ein guter Prediger wird gerne gehört. Ich konnte in der Zeit von zehn Jahren nahe an 200 Seelen durch die Taufe der Gemeinde zuführen. Wir hatten in jener Zeit in Rußland ein großes und gesegnetes Werk. Große Konferenzen. Einen herzlichen und regen Bruderverband mit tüchtigen Brüdern: Füllbrandt, Brauer, Müller, Pritzkau (und Sohn), Lehmann, Keßler, Mohr, Wirch, Götze, Schimka und viele andere. Einmal war ich auch in Wolhynien (Neudorf) bei einer großen Konferenz um das Werk dort kennenzulernen. Immer noch gedenke ich an die schönen Zeiten, die wir dort hatten. Wieder in Katalui Im Jahre 1909 kam ein Ruf durch Bruder Schlipf von der Gemeinde Katalui, worin die Gemeinde bat, ich sollte doch wieder zurückkommen, um die Arbeit in der Gemeinde neu aufzunehmen. Ich erwog die Sache wieder vor Gott im Gebet und da mein Halsleiden nicht nachließ, sondern sich verschlimmerte, so sagte ich zu und kündigte der Gemeinde schon im Sommer, besorgte aber noch einen Prediger für die Gemeinde aus Wolhynien, Bruder Waljas, der sofort nach meinem Weggehen eintrat. Im Oktober schied ich von der Gemeinde und kam wohlbehalten in Katalui an. Die Krankheit von Vater Liebig erforderte es auch, daß wir zurückkehrten. Seit dieser Zeit arbeite ich wieder hier in der Dobrudscha und habe öfters das ganze Feld bereist. Mancher Same ist gesät worden, der seine Früchte trägt. Seitdem Bruder Johann Fleischer weg ist, habe ich nach Möglichkeit die Gemeinde Kodschalak bedient. Der Erfolg ist nicht zu vergleichen mit den früheren Jahren in der Dobrudscha. Das Werk lag darnieder und verkümmert. So hatten sich die lutherischen Leute gänzlich zurückgezogen von unseren Versammlungen. Der Gemeinde fehlte es in meiner Abwesenheit an geistlicher Pflege und war dadurch in sich selbst sehr geschwächt. An Gliederzahl war die Gemeinde klein geworden und man mußte ganz von neuem aufbauen. Der Herr gab auch einigen Erfolg, vor der Kriegszeit in Katalui und Kodschalak im Jahre 1911 bis 1912. Während des Krieges konnten wir hier in Katalui alle Sonntage Versammlung halten und hatten fast immer volle Versammlungen mit bulgarischen Soldaten und auch Offizieren, sowie deutschen Soldaten. Es war eine Freude zu sehen, wie Menschen sich herzu drängten, um Gottes Wort zu hören. Doch der sichtbare Erfolg blieb aus. Dem Herrn aber ist er bekannt. Nach dem Krieg Als nun der Krieg beendet war und unsere Leute alle wieder nach Hause kamen, auch die Internierten, da sammelten wir uns wieder und beschlossen die Arbeit wieder aufzunehmen und zwar: Abendmahl, Gebetstunden, Sonntagschule wurde wieder eingeführt. Wir scheuten auch keine Auslagen. Liebes- mahle, Kinderfeste, Arbeitervereine eiferten um des Herrn Sache. Wir beteten fort um ein Erweckung und schon vor Jahresfrist, ehe die Konferenz hier tagte, hatten wir zu Neujahr ein Liebesmahl, wo uns der Herr eine mächtige Bewegung und Erweckung schenkte. Von der Zeit an war wieder ein anderer Geist da. Die Konferenz hier, hat dann den Erfolg ernten dürfen. In der Kriegszeit war ich öfters in Kodschalak und habe auch unsere Stationen oft besucht und 134 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 135 ============================================================================ (Bild) Prediger Martin Ißler (sitzend in der Mitte) 1930 in Katalui (Bild) Martin Ißler mit Frau, mit ihren Söhnen, Töchtern, Schwiegersöhnen und Schwiegertöchtern in Tultscha 1934 135 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 136 ============================================================================ mit dem Nötigsten versehen. Nach dem Krieg diente ich mehrere Mal in Kodschalak, Kodschali, Horoslar, Mangalia und Sarighiol mit Bruder Eisemann. Wir hatten sehr gesegnete Versammlungen, viel Fremdenbesuch. Auch andere Brüder von auswärts besuchten uns: Bruder Gromen, Teutsch, Theil so auch unsere jungen Brüder Jakob Derman und Wilhelm Ißler. Der Herr gab für alle diese Arbeit Segen, und der Geist der Erweckung ist überall eingekehrt und Seelen wurden erweckt und bekehrt. Doch darf ich sagen, die Anregung zu dieser gesegneten Arbeit ist zum größten Teil von Katalui ausgegangen. Es war eine gute Vorarbeit getan. Der Samen war gesät. Wir haben gesät und andere haben geerntet. Der Name des Herrn sei gelobt. Ich freue mich, daß der Herr sich zu der geringen Arbeit bekannt hat. Auch diesen Winter hat uns der Herr in unserer Arbeit gesegnet. Wir riefen unsere Brüder von Atmagea und Tschukurow zu einer Gemeindestunde und beschlossen, auf jeder Station ein Liebesmahl abzuhalten. Kodschalak hat sich angeschlossen. Auf jedem Liebesmahl wurden Seelen bekehrt, und es sind fast auf allen Stationen in der Dobrudscha Seelen bekehrt worden. Wir werden zu Pfingsten auch ein Tauffest haben. Wir sind in der frohen Hoffnung, daß der Herr das Werk in der Dobrudscha neu beleben und aufrichten wid. Bis jetzt konnte ich, seit ich von Rußland zurück bin, 55 Seelen der Gemeinde durch die Taufe zuführen. Der Erfolg reicht lange nicht an die früheren Jahre heran, was mich oft sehr betrübt. Der Erfolg aber ist stets des Herrn Sache. Noch ein Jahr und ich stehe 40 Jahre im Dienst des Herrn. Ohne Unterbrechung konnte ich in diesen Jahren arbeiten, ohne einmal durch Krankheit oder sonst etwas ausgesetzt zu haben. Das ist vom Herrn geschehen und auch ein Wunder vor meinen Augen. Ich danke meinem Herrn für diese Gnade. Meine übrige Zeit gehört auch dem Herrn, solange es die Kräfte erlauben, will ich „Ihm“ dienen. Er mache wie es ihm wohl gefällt. Von meiner Familie Aus meinen beiden Ehen sind 20 Kinder hervorgegangen. Acht davon sind in ihrer Unschuld gestorben. Zwei Töchter von der ersten Frau sind in Amerika gestorben, im Glauben an Ihren Herrn und haben große Familien hinterlassen. Zwei Töchter aus der ersten Ehe leben noch, eine in Tultscha und die andere in Amerika. Von der zweiten Ehe sind acht Kinder am Leben. Alle sind gläubig und in der Gemeinde bis auf unseren jüngsten Sohn Otto. Wir hoffen aber, der Herr wird ihn uns auch bald schenken. Gustav hat sich diesen Winter bekehrt und wird zu Pfingsten getauft. So haben wir also zehn Kinder im Himmel und zehn auf Erden. Eine große Familie mit großer Nachkommenschaft. Alle Töchter sind mit gläubigen Männern verehelicht und in der Gemeinde. Vier Kinder sind von der jetzigen Ehe verheiratet und vier sind noch zu Hause. Auch hierin sehe ich des Herrn herrliches Walten und seinen reichen Segen, den er uns zugeteilt hat. Das Geschlecht der Frommen will er segnen bis ins tausendste Glied. Ich vertraue dem Herrn, er wird sie alle selig machen. Dann ist mein höchster Wunsch erfüllt. Noch ein Kleines! Es betrifft meine Versorgung im Irdischen. Von meinem väterlichen Erbe, einer Wirtschaft mit 60 Desjatinen Land, bekam ich nichts. Was ich mir in der Jugend erarbeitet hatte, das hatte ich. Meine beiden Ehen haben mir nur wenig zugebracht. Zu erben gab es auch nichts. Nie habe ich von der Gemeinde gefordert: So und so viel müßt ihr mir geben. Meine Rede war immer: Was die Gemeinde gutwillig geben ‚will, das nehme ich. Nie habe ich ein Wort in der Gemeindestunde wegen meinem Gehalt gesprochen, ob es da war oder nicht. Katalui gab mir mehrere Jahre 800 Lei jährlich. Die letzten Jahre, ehe ich 136 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 137 ============================================================================ nach Rußland ging, 1000 Lei. In der Gemeinde Johannestal, war es ebenso. Eine reiche Gemeinde. Als ich gefragt wurde, was meine Forderung sei, sagte ich, was die Gemeinde gutwillig gibt. So gab man mir 800 Rubel jährlich und die letzten Jahre 1000 Rubel. Und bei den Bauern gibt es keine Geschenke. Ich fragte nie nach Lohn und Vermögen, sondern vertraute dem Herrn. Und wie gut hat er mich mit meiner großen Familie versorgt! Wir begnügten uns einfach und karg und waren stets zufrieden und vergnügt. Stets vertrauten wir dem Herrn, und er hat es bis heute nicht fehlen lassen und nach seinem Wort gehandelt, da er spricht: „Ich will dich und deine Kinder versorgen.“ Dieses ist auch heute noch meine Stellung in der Gemeinde und dabei will ich auch bleiben. Der Herr also soll mein Lohn sein. Dann habe ich genug. Überblicke ich die ganze Sache mit meiner Versorgung, so sehe ich seine reiche Güte, gnädig und freundlich über mich und mein Haus ausgegossen, und ich kann ihm von ganzem Herzen danken. Wie einst Samuel richte ich ein Ebenezer auf und rufe: Bis hierher hat der Herr geholfen, Amen, Amen. (Bild) Martin Ißler 1932 Nachwort des Leiters der Bukarester deutschen Baptistengemeinde, der für das Jahrbuch der Dobrudschadeutschen die Fotokopie des Lebenslaufes Martin Ißler zur Verfügung stellen durfte: „Beim Lesen obiger Autobiographie wurde ich an diesen alten Missionsarbeiter erinnert, der im Hause meiner Großeltern und Eltern stets, wenn er nach Bukarest kam, einkehrte. Lebhaft steht dieser treue Diener seines Herrn vor meinen Augen. Wie konnte er aus seinen reichen Erfahrungen manches Froh machende erzählen, und man wurde nie müde ihm zuzuhören. Als er einmal im Kreise der Brüder, im Falle eines Bruders, der der Gemeinde Betrübnis bereitete, um seine Meinung gefragt wurde, da war seine Meinung kein Verurteilen, auch keine Härte, sondern er sagte ein sehr weises Wort: Ich kenne den Bruder erst seit kurzem. Ich müßte mit ihm ein Scheffel Salz aufessen, erst dann würde ich ihn genau kennen. Darin lag eine große Liebe zum Nächsten und die Bereitschaft, ihm zu helfen, damit er zurechtkomme. Solche Männer waren der Gemeinde zum Segen und das Wort Gottes nennt sie Väter in Christo. Martin Ißler starb am 10. Oktober 1939 in Katalui und ist daselbst begraben. Eine seiner Nichten, Anna Grenaderov, hat noch bis vor zwei Jahren die Grab- stätte ihres geliebten Großvaters pflegen dürfen.“ 137 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 138 ============================================================================ Vom Schicksal der Familie Adam Sezonov aus Braila Von Victoria Zielinski geb. Sezonov, Braila Meine erste Erinnerung an meine Eltern? Ich habe keine erste Erinnerung, die Eltern waren für uns Kinder von Anfang an einfach da. Kein Anfang also und auch kein Ende. Auch das letzte behaupte ich ganz fest. Ihre Fürbitten haben jetzt noch Gültigkeit, lange nach ihrem Heimgang. Gebete gehen nicht unter, sie verlöschen nicht, sie haben Kraft und bleiben lebendig vor Gottes Thron, auch wenn der Mund schweigt, der sie aussprach. Meine schönste Erinnerung an meine Eltern? Auch eine schönste Erinnerung kenne ich nicht. Alles war schön und gut und wir fühlten uns geborgen. Es sind wohl frohe und traurige Erinnerungen, aber bei weitem :mehr frohe. Selbst die traurigen haben etwas Frohes in sich. Zum Beispiel die Kopfschmerzen meiner Mutter. Mir tat es als Kind weh, zu sehen, wie die Migräne ihr oft große Not brachte und ich ihr dabei nicht helfen konnte. Mama band sich dann ein kaltfeuchtes Taschentuch um die Stirn, legte sich aufs Sofa und schloß die Augen. In ihrer Nachttischschublade hatte sie blauweiße runde Schächtelchen mit Nevralgine-Jurist-Tabletten. Wie froh machte es uns, wenn sie nach einer Zeit aufstand und sagte: „So langsam geht es mir wieder besser.“ Mein Vater sah manches voraus. Den Träumen wurde früher viel mehr Bedeutung zugemessen als heute. Das „Träume süß!“ war ernst gemeint, ein guter Traum gehörte zu einer guten Nacht. Und wenn einer im Familienkreis einen schrecklichen Traum der vergangenen Nacht erzählte, dann nahmen alle daran teil und sprachen ihre Deutungen aus oder versuchten ihn zu entkräften. Einige Male träumte es meinem Vater, daß der Fabrikschornstein umgefallen sei. Kurz darauf geschahen auch Unglücke im Betrieb; entweder brach ein Feuer aus oder es erfolgte eine Explosion. In den letzten Jahren träumte er, daß er barfuß gehen mußte. Ein Soldat hatte ihm die Schuhe weggenommen. Ich höre noch Papa sagen: „Es wird eine sehr schwere Zeit über uns kommen, Armut und große Not.“ Meine Mutter war eine wunderbare Frau, eine ganze Christin. Als sie 15 Jahre alt war, hatte sie sich während des Konfirmandenunterrichts ganz zu Gott gekehrt. Auf Gottes Wege gehen und seine Gebote halten, war und blieb ihr immer die Hauptsache im Leben. Eines Tages kam ich nach dem Frühstück und der Morgenandacht nochmal ins Eßzimmer. Papa war schon in der Fabrik und die Geschwister in der Schule. Sie wähnte sich alleine. Ich machte die Türe auf. Sie kniete vor der aufgeschlagenen Bibel und betete, tränennaß war ihr Gesicht. Sie stand auf. „Warum weinst du, Mama?“ — „Ach so, ich habe für euch Kinder gebetet, daß doch keins von euch verloren gehe.“ Meine Mutter hatte nur gute Eigenschaften. Ich kenne keine andere Frau, die mir ein besseres Vorbild hätte sein können. Schon als Kind wollte ich genau so werden wie Mama. Nicht aus Pietät oder aus einem gewissen Abstand heraus, der die Menschen mit einem gewissen Glanz überzogen sieht und die Fehler vergessen macht, sage ich das. Jeder, der sie gekannt hat, wird es mir bestätigen können. Als sie 1947 mit meinem Vater in Rumänien verblieben, nach einem schweren Leiden verstarb, schickte mir mein Bruder Emanuel, der nach seiner Flucht sich gerade in Paris aufhielt ein Telegramm: „Unsere Mutter ist heimgegangen. Sie war eine Heilige.“ 138 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 139 ============================================================================ Ihr Leben war nur auf Liebe, Verzeihen, Schlichten, Mitleiden und Helfen eingestellt. Sie wußte, was im Leben wirklich Wert hat und was wertlos ist; was jetzt getan werden muß und was unwichtig ist. Schwatzen, Übelreden oder gar Lügen waren ihr ebenso fremd, wie Hochmut, Putzsucht und Stolz. Sie war fleißig und hatte Freude am Garten und an schönen Handarbeiten. Sie las gerne und führte einen regen Briefwechsel. Ihre Liebe zu den Armen kannte keine Grenzen. So nahm sie zu uns vier Kindern noch ein Waisenkind Iliuscha auf. Und als eines Tages dessen Bruder Grischa seinen Pflegeeltern davongelaufen war, nahmen meine Eltern auch ihn auf. Als Iliuscha zu uns kam, weigerten sich die Hausangestellten den Dreijährigen zu baden, so jämmerlich sah er aus! Schmutzig, im höchsten Grade rachitisch, unterernährt, der Körper und die Kopfhaut voller Eitergeschwüre. Der Arzt, Dr. Vargha, entfernte ihm vor der Behandlung erst sämtliche Haare. Bis dahin war seine Nahrung Tee und eingeweichtes Brot. Jetzt lernte er Lebertran, Obst und Milchbrei kennen. Er kam zum erstenmal in eine Badewanne. Er streichelte das warme Wasser und sagte: „Ce moale!“ (wie weich!) Vorher machten sich viele lustig über ihn. Wenn man ihn gefragt hatte: „Eşti un rus?“ (Bist du ein Russe?), antwortete er entrüstet: „Sunt lamin (român)“ (Ich bin ein Rumäne). Dabei guckte er einen schief von der Seite an, weil er nur mit einem Auge sehen konnte. Er war sehr intelligent. In der Schule wurde er der Klassenbeste und bekam im dritten Schuljahr den „premiul întăi“ (1. Preis). Auch Onkel Fischer gehörte zu unserer Familie. Ein alter, kleiner, sehr lebendiger, freundlicher Herr mit einem Spitzbart, der eines Tages bei uns auftauchte. Er war Bibelkolporteur und missionierte in der Türkei und in Bulgarien. Er sprach mehrere Sprachen und war auch mal als Schiffskoch tätig. Er konnte alles: mauern und tischlern, im Garten arbeiten, auf dem Wochenmarkt prima einkaufen und wunderbare Geschichten erzählen. Er fand bei uns eine Heimat. So waren unsere Eltern. Oft habe ich so eine Sehnsucht nach ihnen, besonders nach meiner Mutter. Obwohl ich doch schon selbst inzwischen Großmutter geworden bin. Ich frage mich, haben wir Kinder die Elternliebe nicht allzu selbstverständlich hingenommen? Hätten wir ihnen unsere Liebe und Verehrung nicht noch besser zeigen sollen? Ich fand ein Gedicht im Tagebuch meiner Mutter, das zu denken gibt: „Lieb mich jetzt, solang ich hier bin, Kurz vielleicht nur, sonst wirst du Reue fühlen, wenn die Erde Mich umschließt zur letzten Ruh. Dann hab ich die Lieb des Heilands, Die die deine mir ersetzt. Darum, wenn du willst mich lieben; Bitte, lieb, und zeig mir’s jetzt.“ Erzählt doch mal, wie es früher war! Wie oft kamen wir Kinder so zu den Eltern! Es gab ja noch kein Radio und kein Fernsehen. Wenn wir die Schularbeiten fertig hatten oder wenn wir müde vom Spielen waren, gab es nichts Schöneres, als zuzuhören. Wir wurden in eine andere Welt versetzt, eine fremde und doch nicht fremde Welt. Ein Anlaß zum Erzählen war schnell gefunden. Immer dachten wir mit Verlangen an Mutters Schreibtisch, der für uns so begehrte Wunderdinge enthielt, in der Hoffnung Mama würde nach dem Erzählen die Schublade aufschließen und den Packen 139 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 140 ============================================================================ Postkarten herausnehmen und uns jede einzelne zeigen. Auf der einen Seite ein wunderschönes Bild, auf der anderen eine alte Briefmarke und die Adresse: Fräulein Lydia Rösner (der Mädchenname meiner Mutter) sowie der Absender. Und dann würden wir fragen und neue Geschichten hören. Von Bertha und Emma Hess, Sophia Fränzel und Alida Graf, Namen aus ihrem Konstanzaer Jungfrauenverein. Oder sie zeigte mir ihre Häkelmuster aus der Schulzeit und fing zu erzählen an. Oder wir kamen durch den Salon und schauten lange das alte Familienbild an der Wand an; unsere Mama umgeben von fünf jungen Menschen, die in ihrer Kleidung so fremd aussahen. „Mama erzähl doch!“ Und sie ließ sich nicht lange bitten. Sie war ja für uns Kinder da, nie sagte sie nervös: „Geht weg, ich hab jetzt keine Zeit!“ Sie nahm sich von dem Berg Strümpfen ein Paar, suchte Stopfgarn, Pilz, Fingerhut und Nadel, und wir Kinder scharten uns um sie herum. „Ihr seid meine zweiten Kinder. Ich hatte vor- her schon einmal fünf. Bis auf Adolf, der in der Schweiz wohnt, kennt ihr sie alle. Die Anna, sie ist Kindergärtnerin in Bukarest; der Albert ist Lehrer in Berlin, Willy wohnt in Kobadin und Fritz, der Mediziner, ist studienhalber gerade in Amerika. Ich war noch unverheiratet, als meine Schwester Therese und ihr Mann kurz hintereinander starben. Was sollte aus den fünf Waisenkindern werden? Ich zog zu ihnen nach Konstanza ins Haus und vertrat an ihnen die Mutterstelle. Das war plötzlich eine Arbeit! So manche Jungenhose mußte genäht und gestopft werden! Meine anderen Geschwister standen mir alle hilfreich bei. Die Ferien wurden auf dem Land, mal bei Onkel August in Horoslar, mal in Kobadin bei Tante Eva oder bei Tante Karoline verlebt. Einige Jahre ging das so, bis alle aus dem Haus waren. Und dann kam unser Papa. Ich war schon 31 Jahre alt.“ Wir wußten nun ganz genau wie es weiter ging. Diese Episode erzählte mein Vater immer wieder und mit tiefer Dankbarkeit. Immer wieder, wenn Besuch kam und wenn dieser gerne wissen wollte, wie meine Eltern wohl zueinander gefunden haben, sagte er: „Meine Familie wohnte in Tultscha am Donaudelta. Meine Eltern stammen aus der Ukraine. Aus Glaubensgründen flohen sie in die damals noch türkische Dobrudscha. Sie waren sehr arm und bekamen ein Stückchen Land zugewiesen. Die Familie Sezonov war groß, acht Söhne und zwei Töchter. Zu mehreren schliefen wir zusammen. Ich war der jüngste. In der Schule war ich ein aufmerksamer Schüler. Erdkunde und Geschichte hatte ich am liebsten. Viel zu schnell vergingen die Schuljahre. Nun mußte ich zu Hause mithelfen beim Dreschen, Hacken oder in der Mühle. Mein Vater fing mit zwei Mühlsteinen an. Auch die Brüder unternahmen Versuche. Eine Ölpresse kam dazu. Als ich soweit war und auch selbständig etwas anfangen wollte, dachte ich an das Heiraten.“ Er lachte dann und sagte: „Schön war ich nicht, aber jung war ich.“ Mein Vater wollte kein Dorfmädchen. Sie sollte anders sein. Unbedingt eine Christin — und eine Deutsche sollte es sein. Aber wo findet man so ein Mädchen? Wie oft mag er Gott um Hilfe gebeten haben! Da kam ihm ein Gedanke. Ob er nicht den Papa Sembat Bagdasarians, den Missionar aus der Schweiz fragen sollte, der in so viele Familien hineingeschaut hatte. Und wirklich, er nannte einen Namen: Lydia Rösner aus Konstanza. „Du mußt dich aber beeilen, sie ist sehr begehrt. Bisher hat sie alle Bewerber abgewiesen, weil sie Pflegekinder hatte.“ Und dann strahlte unser Papa voller Stolz: „Siebzehn Heiratsanträge hat Eure Mama abgeschlagen. Ich bekam ihr ‚Ja.‘ So machte er sich eines Tages auf 140 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 141 ============================================================================ den Weg zu ihr. Er war voller Pläne, Schon von seinem Vater erzählte er, daß dieser gerne in der Zeitung gelesen und regen Anteil genommen hatte an den Geschehnissen außerhalb seines Dorfhorizontes. Die so verschiedenen Lebenswege interessierten ihn und er sann über den Verlauf der Dinge nach. Dieses Streben nach Höherem, das nicht Zufriedensein mit der erreichten Stufe, hatte Papa von ihm geerbt. Wie groß und wunderbar war doch die Welt! Sie stand ihm offen. Die Eisenbahn und die Elektrizität, all’ die Fabriken und Maschinen hatten es ihm angetan. Er war beseelt vom Weiterkommen, um etwas Großes zu schaffen. Nun war er aber zunächst einmal auf dem Weg, seine Auserwählte kennenzulernen. Er brachte ihr ein paar Äpfel, in ein Tuch gewickelt, mit. Ob es bei Mama eine Liebe auf den ersten Blick war, ist kaum anzunehmen. Als sie nämlich den fremden Mann in der Türe sah und die Äpfel in seiner Hand, wurde es ihr erst einmal schwarz vor Augen, wie sie selbst erzählte. Sie fühlte sich recht elend, weil sie sich gerade den Magen an grünen Äpfeln verdorben hatte. Doch sie bat ihn freundlich herein. Sie lernten sich kennen, achten und lieben und kaum ein halbes Jahr danach heirateten sie und zogen zuerst nach Tultscha und von dort nach Braila. Papa baute eine Ölfabrik. Eine Ölpresse genügte meinem Vater nicht, es kamen mehrere hinzu. Später baute er eine Raffinerie und nach weiteren Jahren eine Extraktion auf. Er stellte Speiseöl, Brenn- und Anstreichöl her. Er ließ sich Bücher aus Deutschland kommen und machte so manche Versuche. Aus den Nebenprodukten könnte doch noch etwas fabriziert werden! Er träumte von einer Seifen- und Kerzenfabrik. Er dachte an Margarineherstellung und ließ einen Ingenieur aus Heilbronn/Neckar mit Familie kommen: Karl Beck. Papa war glücklich, daß später auch sein Sohn Emanuel ihm treu zur Seite stand. Ein gutes Gespann, beide fleißig, der Vater mit langjähriger Erfahrung, der Sohn mit neuen Ideen und Vorschlägen. Die Eltern liebten uns Kinder sehr. Wir wurden streng erzogen. Mich, als einzige Tochter, hatte mein Vater als kleines Mädchen verwöhnt. Er liebkoste mich und lachte: „Wenn dich später jemand heiraten will, ich gebe dich nicht her, nicht für tausend Millionen Quadrillionen!“ Sein Leben war durch Fleiß geprägt. Einen Faulenzer (trantor), der in den Tag hineinlebte und die Zeit vertat, war ihm zuwider. Unsere Eltern strebten vorwärts. Sie waren Menschen voller Erwartung, keine Satten, keine Genießer. Sie wollten „ganze“ Menschen sein. Ich erlebte einmal, wie mein Vater in Tränen ausbrach bei dem Lied: „Ach, Blätter nur!“ Ein Erlebnis aus seiner Soldatenzeit ging mit ihm durch sein ganzes Leben. Ein Wachsoldat stand in Konstanza in seinem Wachhäuschen mit aufgestütztem Gewehr. Er war in Bereitschaft, doch plötzlich überfiel ihn der Schlaf und er nickte stehend ein. Ein anderer merkte es und nahm ihm das Gewehr aus den Händen. Das Wichtigste verpassen zu können, ließ ihm keine Ruhe. Eine der eindrucksvollsten biblischen Geschichten war ihm das Gleichnis von den fünf törichten und den fünf klugen Jungfrauen. Die Sehnsucht seines Lebens war es, zu den bereiten Menschen zu gehören. Die Eltern waren im Grunde ihres Wesens einfache Menschen, demütig und kindlich gläubig. Wir gehörten zur rumänischen Baptistengemeinde. Sonntags gingen wir morgens und nachmittags zum Gottesdienst. Auch Donnerstagabend versäumten wir keine Bibelstunde. Sonntagvormittag war in Braila der Hauptmarkt. Es wurde gekauft und verkauft. Die Bauern aus den umliegenden Dörfern kamen mit ihren Erzeugnissen und wollten unter anderem in unserer 141 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 142 ============================================================================ (Bild) Ölfabrik des Adam Sezonov in Braila 1923 Fabrik auch Öl kaufen. Mein Vater wurde oft gewarnt, er solle doch diese gute Geschäftszeit nicht verpassen. Aber er blieb dabei. Am Fabriktor hing das Schild „Dumineca absolut inchis!“ (Sonntags grundsätzlich geschlossen) Als Geschäftsmann war er sehr angesehen. Er hat in Braila, Kischinew und Konstanza Versammlungshäuser bauen lassen. Die Baptisten waren damals in Rumänien unterdrückt. Nicht nur verlacht und verspottet, sondern wurden auch hin und wieder geschlagen und ins Gefängnis geworfen, besonders auf den Dörfern. Etwa im Jahre 1930 suchte mein Vater als Präsident der baptistischen Union mit zwei Predigern König Karl II. auf und bat um Freiheit des Glaubens. Auch er selbst predigte im Gottesdienst hin und wieder. Die Kriegszeit 1939—1945 Wie gewonnen, so zerronnen! Das klingt hart. Ich will es lieber mit einem Liedvers ausdrücken: „Alles vergehet, Gott aber stehet ohn alles Wanken; seine Gedanken, sein Wort und Wille hat ewigen Grund. Sein Heil und Gnaden, die nehmen nicht Schaden, heilen im Herzen die tödlichen Schmerzen, halten uns zeitlich und ewig gesund.“ 1939 Ende Oktober! Meine Brüder Emanuel und Paul waren seit Weihnachten und Silvester verheiratet. Seit einigen Wochen war der Zweite Weltkrieg ausgebrochen. In Rumänien selbst noch Frieden. Zu Hause alles im Überfluß. Mich zog es aber gewaltsam nach Deutschland. Ich war mit einem Reichsdeutschen verlobt. Hans, mein Auserwählter, hatte gerade noch sein Studium beenden können, dann wurde er eingezogen. Er befand sich in der Infanterie-Kaserne 142 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 143 ============================================================================ Mühlheim a. d. Ruhr wartete jedoch täglich auf seinen Abtransport nach Polen. Ich hatte keine Ruhe mehr zu Hause, mich zog es in seine Nähe. Der Abschied zerriß meinem Vater schier das Herz. Auch meiner Mutter muß es furchtbar gewesen sein. Sie konnten es einfach nicht verstehen, wie ich aus einem behüteten Zuhause in ein Land zog, in dem Krieg war. Oberhausen, wo Hans’ Eltern wohnten, lag doch unweit der französischen Stellungen. An Bombenangriffe hatte damals noch keiner gedacht, aber an eine mögliche Flucht ins Innere des Landes, an ein Ausbreiten des Krieges. Aber das war ja gerade der Grund meines Entschlusses. Wenn auch in Rumänien der Krieg ausbrechen würde, dann doch wohl gegen Deutschland. Hans in Deutschland, ich in Rumänien? Ein vorläufiges Wiedersehen und ein Briefwechsel wären ausgeschlossen. Wo du bist, will ich auch sein, sagte ich mir. Mir war mein Weg so klar, ich wußte, diesen gehen zu müssen, das war Gottes Wille. Und so kannte ich weder Angst noch ein Hin- und Herschwanken. Doch meine Eltern sagten: „Du hast dort doch nichts von deinem Hans, er ist Soldat. Und du eine Auslandsdeutsche mit einem rumänischen Paß.“ Ich erwiderte: „Ich bin im Herzen eine Deutsche und werde dort Rot-Kreuz-Schwester. Und wenn Hans verwundet werden sollte, kann ich ihn pflegen.“ Mein fester Entschluß beruhigte meine Eltern schließlich. In einer stürmischen, kalten Regennacht verließ ich mein liebes Elternhaus, zum Bahnhof begleitet von meinem Bruder Emanuel. Noch ein letztes Mal versuchte mich mein Vater am Tor umzustimmen: „Schau, wie dunkel und kalt es draußen ist. Du stürzt dich noch ins Unglück!“ Mit den Worten: „Ja, der Weg mag wohl dunkel sein, aber dort ist es hell‘, trennte ich mich vollends und ging meinen eigenen Weg. Gott gab uns beiden seinen Segen. Am 1. November 1939 fand überraschend schnell unsere Kriegstrauung in Oberhausen statt und ich wurde Reichsdeutsche. (Bild) In der Mitte Frau Lydia Sezonov mit Kindern und Gästen in Braila 1935 143 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 144 ============================================================================ 1940 zu Weihnachten in Braila Im Februar starb nach langer Krankheit in Braila mein Bruder Willy. Im Juli wurde mein Mann als Soldat entlassen und als Ingenieur zu der Kriegsmarinewerft kommandiert. Einige Monate wohnten wir in Wilhelmshaven, im November zogen wir nach Kiel. Wie durch ein Wunder konnten Hans und ich über Weihnachten und Neujahr meine Eltern und Geschwister in Braila besuchen. Es ging alles so plötzlich und unverhofft, daß wir uns gar nicht erst anmelden konnten. Am 23. Dezember kamen wir um Mitternacht in Braila an. Es war ein tolles Schneegestöber. Der Zug hatte einige Stunden Verspätung. Eigentlich sollte der Schnellzug Bukarest—Galatz, kurz vor 10 Uhr in Braila sein. Am Bahnhof standen weder Taxis noch Kutschen. Ich rief meine Eltern an. Ich konnte es noch gar nicht fassen, nach 14 Monaten wieder zu Hause zu sein und alles war hier wie früher; keine Verdunkelung, keine Lebensmittelkarten! Da hörte ich schon die Stimme meines Vaters: „Wer ist dort, Victoria? Von wo sprichst du denn? Was, hier aus Braila? Wieso, das ist doch nicht möglich!“ Ja, es war wie ein Traum. Und wie im Traum vergingen auch die Tage und vollbepackt mit elf Koffern und Paketen fuhren wir wieder nach Kiel zurück. Die Jahre 1941—1943 Im Oktober wurde unser Günter geboren. Hans war gerade in Brest. Er war oft unterwegs, manchmal wochenlang, überall wo es galt, Schiffe wieder in Stand zu setzen. Trotz den vielen Luftangriffen auf Kiel, ließ ich mich mit dem Kind nicht evakuieren. Das lange Schlangestehen in den Lebensmittelgeschäften und beim Abholen unserer Lebensmittelkarten war noch zu ertragen. Auf manches Haus in unmittelbarer Nähe fielen Spreng- und Brandbomben. Wie oft blieben wir nach einem Angriff mit abgedecktem Dach und leeren Fensterrahmen. Man konnte stündlich mit dem Tod rechnen. Aber eigenartig, ich kannte keine Angst. Wenn ich im Luftschutzkeller saß, denn bis zum sicheren Bunker waren es 15 Minuten zu laufen, Günterchen auf dem Schoß, eine Wolldecke über uns als Schutz gegen das Dröhnen der Motore und gegen den herabfallenden Staub, konnten wir getröstet ein Lied nach dem anderen singen. Ich wußte uns in Gottes Armen geborgen. Ich wußte, uns würde nichts geschehen, was Er nicht zuließ. Ich war bereit, Gutes und Schweres von Ihm anzunehmen. Wozu sich sorgen! Auch aus Braila von den Eltern und Emanuel und aus Buzau von Bruder Paul hatten wir gute Nachrichten. Sie hatten oft Einquartierung von deutschem Militär, die ihnen frohe Abwechslung brachten. Wir konnten einen regen Briefwechsel führen. 1944 Im Dezember 1943 bekamen wir die Nachricht von einer schweren Erkrankung meines Vaters. Er bekam eine kleine Wunde im Gesicht. Für ihn als Diabetiker bedeutete das Lebensgefahr. Ich wollte meinen Vater so gerne noch einmal wiedersehen. Und das Erstaunliche geschah. Auf Grund eines ärztlichen Attestes bekam ich für mich und für unseren kleinen Günter die Reisegenehmigung. Auch diesmal wieder über Weihnachten und Neujahr, wie vor drei Jahren. Aber welches Glück, sieben ganze Wochen durfte ich zu Hause sein! In Kiel blieb Hans zurück, betreut von Frau Lembke. Im ersten Kieler Jahr wohnten wir in Untermiete bei ihr. Als eines Tages ihr Haus von Spreng- und Brandbomben zerstört wurde, konnten wir ihr helfen. Nun wohnte sie bei uns 144 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 145 ============================================================================ in Untermiete. Die Tage zu Hause waren für uns wunderschön. Mein lieber Vater, von den Ärzten schon aufgegeben, wurde durch die Wiedersehensfreude gesund. Günterchen war der Sonnenschein der Großeltern. Eigentlich hätten wir noch länger dableiben können. Aber eines Tages im Februar sagte mein Vater sehr bekümmert: „Die Front rückt immer näher. Ich weiß nicht, was mit uns geschieht, aber du mit Günter, ihr müßt auf alle Fälle weg. Trotz der Bombenangriffe seid ihr in Kiel sicherer.“ Ach, warum haben meine Eltern nicht alles stehen und liegen gelassen und sind mit mir nach Deutschland gefahren!? Nie wieder haben wir uns gesehen. Kein einziges Mal war es ihnen gegönnt, ihre Tochter in Deutschland zu besuchen. Wieviel Reisen haben sie in ihrem Leben vorher gemacht: in die Schweiz, nach Italien, Schweden, Frankreich und Deutschland! Aber nie konnte ich ihnen mein Zuhause zeigen. Nie konnten sie an meinem Familienleben teilnehmen. Ich habe meine Eltern sehr geliebt, darum tut es mir so weh, und ich frage, warum war ihr Ende so schwer? Warum mußte meine Mutter so leiden? Warum mußte mein Vater so allein zurückbleiben? Nun überstürzte sich das Geschehen in Rumänien. Im August flohen Hals über Kopf meine Brüder mit ihren Familien aus Braila und Buzau. Sie zogen sich mit dem deutschen Militär zurück über die Karpaten. Keiner wußte recht wohin und wie lange. Die V-Waffen sollten eingesetzt werden und die Kriegswende bringen. Dann würde man bald wieder zurückkehren können. Aber es kam anders. Immer weiter ging es in westlicher Richtung. Eines Tages im Oktober standen meine Brüder, ohne eine Verbindung miteinander gehabt zu haben, vor unserer Tür in Kiel. Wir waren einige Tage beisammen. Dann kehrten sie zu ihren Familien zurück, die sich in Berlin und in Wittenberge an der Elbe aufhielten. 1945 Die Front rückt noch näher. Emanuel verläßt Wittenberge und hofft in der Schweiz eine Heimat zu finden, da seine Frau Ina geb. Höhn eine Schweizerin ist. Sie mit den kleinen Töchtern Manuela und Erika dürfen dort bleiben, aber Emanuel wird nicht aufgenommen. Nur besuchsweise kann er sich dort aufhalten, ein Heimatrecht wird ihm nicht gewährt. Das war sehr ungerecht von den Schweizern! Die Familie gehörte doch zusammen. Vier Jahre lang hofften sie vergebens, Emanuel in Paris und die Familie in Solothurn bei Familie Steinke. Sie wanderten schließlich nach Chile aus. Zwölf Jahre lang war Südamerika ihre Heimat. Jetzt leben sie in den Vereinigten Staaten in Houston/Texas. Noch in Frankreich wurde ihnen ein Werner geboren, in Santiago de Chile das vierte Kind Robert. Paul lebte mit seiner Frau Gerda geb. Borkenhagen und ihren beiden Kindern Norbert und Virginia vier schwere Nachkriegsjahre in Berlin. Sie hatten die „Stalinorgel“, den Einmarsch der Russen, Hunger, Krankheit und Elend dort erlebt. Sie haben ihre neue Heimat in Melbourne/Australien gefunden. Und unsere Eltern? Sie blieben in Braila. Das Vermögen wurde verstaatlicht. Ich danke Gott, daß er wenigstens nicht zuließ, daß sie von Haus und Hof vertrieben wurden. Sie durften im eigenen Hause, str. Grivitei 202, wohnen bleiben. Man überließ ihnen ein Zimmer, für das sie Miete zahlen mußten. Lange Zeit wußten wir nichts voneinander. Keine Post, keine Nachricht, zwei Jahre waren wir wie abgeschnitten voneinander. Während dieser Zeit hat Mama ein Tagebuch geführt, das nach ihrem Tode in unsere Hände gelangte. Oktober 1947 145 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 146 ============================================================================ starb unsere Mutter, November 1951 unser Vater. Hier einige Auszüge aus den Tagebuchblättern: April 1947. — „Frühjahr ist es geworden. In unserem Hof steht ein kleines Aprikosenbäumchen, das ist voller Blüten. Unsere Kinder können es nicht sehen, da nicht eins zu Hause ist. Das ist traurig.“ 19. Mai. — „Wir sitzen beide im Hof und warten auf den Postboten. Ich möchte doch zu gerne wissen, wie es euch geht.“ 1. Juni. — „Es ist nachts halb drei Uhr, Ich kann nicht schlafen. Bald werdet ihr wohl hier sein. Ich freue mich ja so sehr. Ich habe immerzu Schmerzen. Aber ich bitte Gott um Genesung.“ (Die Mutter wurde sehr krank und mußte zweimal operiert werden.) (Bild) Lydia und Adam Sezonov 1945 in Braila 15. Juni. — „Ich will mich auf die Barmherzigkeit meines Heilandes stützen.“ 9. August. — „Ich muß weinen, daß mein Heiland mir diese Krankheit auferlegt hat. Will er mich denn schon so langsam heim holen? Es ist 11 Uhr nachts. Papa ist mit deadea Luke drüben im Zimmer,sie erzählen. Ich kann nicht schlafen, habe Schmerzen, sie kommen von der Galle.“ 12. September. — „Werde ich euch noch sehen hier auf Erden? Wahrscheinlich nicht. So soll es im Himmel sein, beim Vater im Licht. Da strebet danach! Ich bitte für euch.“ 14. September. — „Schmerzen habe ich etwas mehr heute. Doch ist es Gottes Wille, so kann er mir Gesundheit geben. Ich bitte ihn darum.“ 16. September. — „O, es geht der Heimat zu! Sehen wir uns hier nicht mehr, so haben wir eine ewige Heimat. Dort gehe ich hin, der Herr Jesus ist mein Erlöser. Haltet ihr euch auch zu Gott, meine Kinder.“ 30. September. — „Ich habe ohne Aufhören Schmerzen. Immer schwächer werde ich. Mein Gott, steh mir bei, hilf mir tragen, lindere meine Schmerzen. Ich bin ja dein Eigentum.“ 2. Oktober. — „Wenn ihr doch nur bald kommen könntet! Ich wünsche so, daß ihr bald kommt.“ 5. Oktober. — „Es ist mir schwer, so im Bett zu liegen. Doch, Gott sei Dank, große Schmerzen habe ich nicht. Bin allein zu Hause. Papa ging zur Versammlung.“ 9. Oktober. — „Gott über alles und in allem, Jesus Christus unser Heiland, sei du mit uns alle Tage, leite uns auf deinem Wege. Sei du der Wegweiser meiner Kinder, damit auch nicht eines verloren geht. Öffne ihnen ihre Herzen, Augen und Ohren für Dich. Sei du gnädig und barmherzig, vergib Sünde und Übertretungen nach deiner großen Güte. Steh mir bei in meiner schweren Krankheit. Amen!“ 146 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 147 ============================================================================ 10. Oktober. — „Heute morgen mußte ich immerzu stöhnen, es ist mir so schwer. Der Herr wird mich ja weiterführen, durch all’ das Schwere hinüber ins Vaterland, wo ich dann alle meine Lieben erwarte. Hier ist unser Bleiben nicht, unsere Heimat ist droben beim Herrn Jesu.“ An einem Mittwoch Abend, dem 22. Oktober um halb 8 Uhr, ist unsere Mama entschlafen. Freitag nachmittag 4 Uhr wurde sie in die Erde gebettet. Die Mutter ihrer Schwiegertochter, Frau Elly Höhn und unsere Cousine Elena Savin standen ihr treu in ihrer Krankheit bei und waren unserem Vater eine Hilfe in seiner Not. In Deutschland ging es langsam aufwärts. Wir zogen ins Ruhrgebiet und fingen ganz von vorne wieder an. Wir wohnten zuerst in einem möblierten Zimmer, dann in einer kleinen Mansardenwohnung. Wie habe ich meinen lieben Vater herbeigesehnt! Er überlebte vier Jahre meine Mutter. Zwei Wochen nach seinem Heimgang erreichte mich erst die Nachricht. Er starb an einer Lungenembolie. So endete sein irdisches Leben: ein Aufstieg und ein Niedergang! Ich gestehe, daß ich manchmal mit Neid andere Familien sehe, wie sie, trotz Krieg und Flucht, beieinander geblieben sind oder nach Jahren wieder zueinander gefunden haben. Unsere Familien blieben getrennt: Rumänien, Australien, Vereinigte Staaten und Deutschland. Mit Wehmut denke ich an den Evangelischen Friedhof in Braila. Drei Gräber, verwildert und verlassen! Wie trostlos, wenn ich nicht an ein Weiterleben nach dem Tod glauben würde! So ist unser Leben: hier vergänglich und umsonst gelebt? Nein! Es hat sich gelohnt. Ich bin dankbar für jedes Wort, für jeden Blick, für jede Tat. Ein Leben reich an Liebe und Güte. Ich danke, daß ich solche Eltern haben durfte und ein so schönes Zuhause. „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen; der Name des Herrn sei gelobt.“ Ich will versuchen, das weiterzugeben an Kinder und Kindeskinder, was ich geschenkt bekommen habe. Der Kirchgang Von Alida Schielke, geb. Brenner, Fachri Wie muß die Bäuerin sich sputa, Sie will doch au in d’Kirch mitgeha; Sie holt sich's Kleid vom Schrank on s'Tüchle, Wenn’s Sonntag isch, laßt se sich seha. Sie kämmt sich d’Hoor, guckt in dr Spiegel, Dr Scheitel muß se ganz grad ziega; Die dünne Strümp! on d’Schuh sen sauber, Sie hat se gwichst on blänkrich grieba. Wann’s Zweite leit, isch se fascht fertig, Hat s’Gsangbuch aus dr Schublad gnomma; On s’Opfergeld, a saubres Nastuch, Zu spät will se in d’Kirch net komma. Kaum isch se dort, no leit’s schon zamma, Dr Pastor muschtert seine Schäfla; Sie singen mit on hören d’Predigt, On halten nebabei noch Schläfla. 147 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 148 ============================================================================ Dar Fortschritt in d'Fabrik Von Alida Schielke, geb. Brenner, Fachri Der Mann, wo domols rüschtig war, Wo d’Sens hat könne schwinga, Wo g’ackert hat on gsät on gmäht, Kann jetzt kei Liedle singa. — Heit isch r alt on steif on dick, er schafft halt au in dr Fabrik. Was r hat könne, war grad recht, S hat glangt zum Bauraleba; Von ihm war d’ Arbeit, d'Miih on d'Plog, Von Gott aber dr Sega. — Er denkt so manchesmol zurück, S war schöner wie in dr Fabrik. Heit hat r Geld on hat a Haus On braucht nemme so spara; Doch ischt r nicht mehr eigner Herr, Trotz allem „Urlaub fahra“. — Vorbei isch s mit seim Baura-Glück, Weil es ein Fort-Schritt in d’Fabrik. 148 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 149 ============================================================================ Otto Mauch, Arzt und Volksratspräsident in der Dobrudscha Von Dr. Gerhard Mauch, Konstanza Dr. med. Otto Mauch, der Bessarabier, war durch seine Niederlassung in Konstanza zum Dobrudschaer geworden, ebenso wie alle anderen seiner Landsleute, die vor und nach ihm in die Provinz zwischen der Donau und dem Schwarzen Meer übergewechselt waren. Er hatte nicht die Absicht, aus der schönen Stadt am Meer wieder wegzugehen, im Gegenteil, er war darauf bedacht, in ihr so fest als möglich Fuß zu fassen, damit seine Familie auch nach seinem Ableben eine gesicherte Existenz haben sollte. — Das Jahr 1940 jedoch, mit der Umsiedlung der Bessarabien- und Dobrudschadeutschen ins Reich, setzte seinem Planen und Wirken dort unten einen Schlußstrich. Den folgenden Abschnitten möchte ich voranstellen, daß unserer Familie sämtliche Urkunden, Erinnerungsstücke usw. durch den Krieg und durch Nachkriegseinwirkungen verloren gegangen sind; so daß ich für das Überlassen der Unterlagen aus dem Archiv der Dobrudschadeutschen doppelt dankbar bin. In Bessarabien Mein Vater, Dr. med. Otto Mauch, wurde am 12. 11. 1889 in Tarutino, Bessarabien, geboren. Er starb am 28.8.1958 in Stuttgart. — Die Stationen seines Lebens führten ihn von seiner Heimat am Schwarzen Meer wieder zurück in seine Urheimat, ins Schwabenland. Seine Niederlassung im Jahre 1947 in Stuttgart bedeutete für ihn das Finden einer neuen und alten Heimat zugleich. Nach langen Umwegen war er wieder dahin zurückgekehrt, woher seine Vorfahren gekommen waren. Der Kreis hatte sich geschlossen. Otto Mauch war das zwölfte Kind des Lehrers und Küsters von Tarutino und von Arzis, Christian Mauch und dessen Frau Karoline, geb. Rasch. Er war fünf Jahre alt, als sein Vater starb. Die Schule besuchte er in Arzis und Großliebental bei Odessa. In Großliebental kam er in die „Zentralschule“, einer höheren Schule, die sein Bruder Albert leitete, der schon Lehrer war, als mein Vater geboren wurde. Albert Mauch ist der weit über die Grenzen Bessarabiens hinaus bekannte Leiter der Lehrerbildungsanstalt, der „Wernerschule“, in Sarata und eine der bedeutendsten Persönlichkeiten des Schwarzmeerdeutschtums überhaupt. — Aus dieser „gemeinsamen“ Zeit der beiden an der Zentralschule, auf recht verschiedener Ebene stehenden Brüder, ist bekannt, daß der Lehrer Albert Mauch seinen Schüler Otto Mauch keineswegs bevorzugt behandelte, sondern, etwa nach der Maxime: „gerade weil du mein Bruder bist“, sich seiner besonders streng angenommen hatte. Und das dürfte das Übelste nicht gewesen sein; denn es wurde dem begabten Schüler ein Stipendium für das Theologiestudium angetragen. In Dorpat Vor dem Ersten Weltkrieg standen den deutschen Kolonistensöhnen in Rußland nur wenige Aufstiegsmöglichkeiten zur Verfügung. Sie konnten Lehrer, Pastor oder Arzt werden. Das war so ziemlich alles. Nun war es auch der große Wunsch seiner Mutter, daß Otto Mauch Theologie studieren sollte. So wurde er 149 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 150 ============================================================================ nach Dorpat geschickt, um zunächst das dafür nötige Abitur abzulegen. Nachdem er das mit gutem Erfolg bestanden hatte, wurde es Zeit, das in Aussicht genommene Theologiestudium an der dortigen „Gustav Adolf-Universität“ aufzunehmen. Da meinem Vater das Theologiestudium aber nicht recht zu behagen schien, entschloß er sich nach kurzem Beginn in den theologischen Kollegs, der Medizin sein Interesse zuzuwenden. Leider war dies mit einem Verzicht auf das Stipendium verbunden. Die finanzielle Sicherung seines Fortkommens konnte auch seine Mutter, Karoline Mauch, nicht in vollem Umfange gewährleisten. Da sein Herz offenbar an der Medizin hing, war mein Vater nicht bereit aufzugeben. Vielmehr verschaffte er sich die fehlenden Mittel durch Unterrichtsstunden und allen nur möglichen Arbeiten. Das war kein leichtes Unterfangen. Seine Energie verwendete er aber nicht nur auf die Wahrung der eigenen Interessen. Zugleich kümmerte er sich um die Unterstützung anderer, indem er (Bild) Hochzeitsfeier von Otto Mauch und Helene geb. Rümmel in Dorpat 1912 150 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 151 ============================================================================ seinen Kommilitonen mit Rat und Tat zur Seite stand. Er half mit, die Studentenverbindung „Teutonia“ aufzubauen, die in der Hauptsache Söhnen von Deutschen aus Südrußland und Bessarabien während des Studiums eine Grundlage für ihre Existenz in Dorpat bieten sollte. Die studentische Aktivität gab meinem Vater Gelegenheit, mit Kommilitonen anderer Verbindungen so manchen Strauß auszufechten, aber auch, sich in Organisation und Leitung einer Gemeinschaft zu üben, eine Tätigkeit, die später, während seines Aufenthalts in der Dobrudscha, in anderem Rahmen ihre Fortsetzung finden sollte. — Obwohl dieser Einsatz, wie man sich vorstellen kann, einen ganzen Mann erforderte, konnte mein Vater am 1. 11. 1913 sein Studium erfolgreich abschließen. Während des Studiums hatte er meine Mutter, Helene Rümmel, geb. am 24.1.1890, Gutsbesitzerstocher aus der Krim, kennengelernt. Sie studierte ebenfalls in Dorpat. Doch währte ihr Studium nicht allzulange, da mein Vater sie am 12. 12. 1912 in Dorpat vor den Traualtar führte. Die Hochzeitsfeier wurde an dem Ort gemeinsamer Studien, zu einem, wie meine Eltern mir berichteten, echten studentischen Fest. Besonders meine Mutter ist bis zum heutigen Tage beeindruckt von den gekreuzten Schlägern der Verbindungsbrüder meines Vaters, die den Weg des jungen Paares beim Auszug aus der Kirche beschützten. Einen Eindruck von der studentischen Atmosphäre des Festes vermittelt eines der Hochzeitsfotos. Darauf ist im Wappen der „Teutonia“ ein Akazienbaum, Wahrzeichen der Bessarabier, zu erkennen. Das Glück des jungen Paares währte jedoch nicht lange, da 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach. Während des Krieges war mein Vater Arzt bei dem russischen Militär. Die Erfahrungen, die er während seines Einsatzes als Arzt sammeln konnte, kamen ihm später zustatten, als er im Jahre 1918 die Stelle des leitenden Arztes am staatlichen Krankenhaus in seiner Heimatgemeinde Arzis annahm. Diese Stelle hatte er, unterbrochen durch eine Hospitantenzeit an der Universitäts-Frauenklinik in Berlin, etwa acht Jahre lang inne. In der Dobrudscha. . . Es war im Sommer 1926, als die Oberin des Diakonissenverbandes Berlin-Lichtenrade an meinen Vater mit dem Vorschlag herantrat, er möge die Leitung eines Diakonissen-Sanatoriums übernehmen, das in Konstanza, in der Dobrudscha eingerichtet werden sollte. Das rumänische Gesundheitsministerium hatte die Erlaubnis zur Errichtung des Sanatoriums erteilt, und die rumänische Königin Maria hatte sich zur Übernahme der Schirmherrschaft über dieses Sanatorium erboten. Auf der Suche nach einem deutschen Arzt, der nur als rumänischer Staatsbürger die Krankenanstalt zu leiten befugt war, hatte die Oberin des Mutterhauses von meinem Vater gehört. Über ihn hatte die Diakonissenschwester Maria Walter berichtet; sie hatte in den Jahren 1920 und 1921 als Krankenschwester bei ihm in Arzis gearbeitet. Nach einigen Verhandlungen willigte mein Vater ein, die Einrichtung und Leitung des Sanatoriums in Konstanza zu übernehmen. Auch das rumänische Gesundheitsministerium gab seine Zustimmung. Es verfügte die Versetzung meines Vaters von dem staatlichen Krankenhaus in Arzis an das Diakonissen-Sanatorium in Konstanza. Noch im gleichen Jahr wurde der Umzug an die neue Stätte seines ärztlichen Wirkens in die Wege geleitet. Konstanza sollte für lange Zeit der Mittelpunkt seines Lebens werden. Dafür sorgte mein Vater auch durch zahlreiche Aktivitäten, die er außerhalb des Sanatoriums entfaltete. Vor allem betrieb er mit Hingabe auch seine Privatpraxis, 151 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 152 ============================================================================ die er nach seiner Niederlassung in Konstanza unweit des Sanatoriums eröffnet hatte. Jedoch nicht nur der ärztlichen Kunst hatte er sich verschrieben, sondern er versuchte auch seiner Familie eine gesicherte wirtschaftliche Existenz zu verschaffen. Als Kolonistensohn war er bedacht, nicht nur zu einem Haus, sondern auch zu Landbesitz zu gelangen. Nachdem das erste Ziel, das Haus, geschafft war, kaufte er Land und ließ z. B. gegenüber Mamaia, am Siutghiol (See) einen Weingarten anlegen. Später erwarb er eine Ölmühle, und schließlich wurde er Eigentümer einer Ziegelei. Die Versicherungsverhältnisse waren damals anders als heute. Es gab weder eine Rente noch eine kassenärztliche Versorgung. Man besaß nur das, was man sich erarbeitet hatte, man mußte eine Rücklage bilden. ...als Arzt Schon kurz nach seiner Niederlassung in Konstanza trat mein Vater die Leitung des Sanatoriums vorrübergehend an einen Vertreter ab, um dann im September 1928 den Posten als Chefarzt bis zur Umsiedlung nach Deutschland im November 1940 vollständig auszufüllen. Diese Aufgabe und seine Praxis nahmen ihn in immer größerem Umfang in Anspruch. Er versorgte nicht nur die in Konstanza lebenden Deutschen, sondern auch auf den Dörfern hielt er Sprechstunden; er hatte großen Zulauf. Lassen wir hier einen Freund meines Vaters, Otto Enßlen, früher Lehrer in der Gemeinde Tariverde, zu Wort kommen: „Dr. med. Otto Mauch praktizierte in der Stadt Konstanza als Arzt und genoß als solcher hohes Ansehen sowohl bei der deutschen als auch bei der rumänischen Bevölkerung der Dobrudscha. Seine Berufstätigkeit war allgemein so ersprießlich und vielseitig, daß sein Name auch heute noch bei allen in bestem Andenken ist und nur in Dankbarkeit und Verehrung genannt wird.“ Mit seiner Tätigkeit trug mein Vater wesentlich zur ärztlichen Versorgung, besonders der deutschen Bevölkerung bei, um die es damals wohl nicht zum besten stand. Er selbst berichtete darüber in dem „Handwörterbuch des Grenz- und Auslandsdeutschtums“, Bd. II., S. 290: „Die Errichtung des ländlichen öffentlichen Gesundheitsdienstes liegt vollständig in den Händen des Staates. Daher gibt es auf dem Lande weder selbständige deutsche Ärzte noch Krankenschwestern und keine organisierte Wohlfahrtspflege. Allerdings ist in Kobadin seit 1934 eine Schwester des Bukarester Diakonissenhauses tätig. Unter diesen Umständen ist die Gesundheitspflege sehr mangelhaft und besonders die Säuglingssterblichkeit groß. Private deutsche Einrichtungen, die nur den wirtschaftlich besser gestellten Kreisen zugute kommen, sind das Sanatorium in Konstanza (gegründet 1926 als Zweigstelle des Bukarester Diakonissenhauses) und ein zweites deutsches Krankenhaus in der ehemaligen deutschen evangelischen Schule in Konstanza (Dr. Bittau). Ein der wirtschaftlichen Lage der breiten deutschen Bevölkerung in der Dobrudscha angemessenes Krankenhaus ist ein dringendes Bedürfnis. In der Dobrudscha arbeiten vier deutsche Ärzte, aber deutsche Zahnärzte gibt es auch in Konstanza nicht... .“ Ließen ihn schon die Bedürfnisse und Wünsche der ansässigen Bevölkerung nicht ruhen und rasten, so konnte er sich auch nicht den Nöten der fluktuierenden kranken Menschen verschließen. So benötigten die Besatzungen deutscher Schiffe, z.B. die im Hafen von Konstanza, meist zur Aufnahme von Rohöl lagen, häufig einen Arzt. Auf diese Weise entstanden Kontakte auch zu Reichsdeutschen. Manchen der damaligen Patienten lernte ich persönlich kennen und habe heute noch freundschaftliche Beziehungen zu ihnen. Immer wieder 152 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 153 ============================================================================ sprechen sie von meinem Vater als einem großartigen Menschen und Arzt. Ich glaube, daß es kaum einen seiner vielen Patienten gibt, der nicht bestätigen könnte, welch begnadeter Arzt Dr. Otto Mauch war. Noch heute höre ich so manchen Ausspruch über seine Menschlichkeit, Exaktheit seiner Behandlung und der Treffsicherheit seiner Diagnosen. Wenn Dr. Mauch untersucht hatte, stimmte die Diagnose. Fast grenzenloses Vertrauen wurde ihm von seinen Patienten entgegengebracht. Sie wußten, daß sie in zuverlässigen Händen waren. Ob das nun seine Patienten auf der Krim, auf dem Kriegsschauplatz, in Bessarabien oder in Konstanza waren oder später in Graudenz, bei Magdeburg oder in Stuttgart, stets war es der Mensch und Arzt, der sich dieses Vertrauen verdiente. — Er war zuerst Helfer, gleichgültig ob für Deutsche, Russen, Juden oder Rumänen. Besonders Juden waren sowohl in Bessarabien als auch in Konstanza treue Verehrer seiner ärztlichen Kunst. Seine Beliebtheit brachte es mit sich, daß wir meinen Vater kaum mehr sprechen konnten, wenn wir zusammen mit ihm die alte Heimat Bessarabien besuchten: Sogleich war er von seinen früheren und von neuen Patienten umlagert. Dasselbe trug sich zu, wenn er sich in die umliegenden Dörfer in der Dobrudscha begab. ...und als Volksratspräsident Dr. Otto Mauch war nicht nur der geachtete und gesuchte Arzt, sondern er war auch ein Mann, der sich für seine Landsleute verantwortlich fühlte. Da die Dobrudschadeutschen, wie er zum größten Teil Bessarabier waren, empfand er sich ihnen zugehörig. Durch seine Tätigkeit war er mit der Not und den dringlichen Belangen der deutschstämmigen Bevölkerung in Berührung gekommen und hatte sie kennengelernt. Und er handelte danach: an ihn wurde die Bitte herangetragen, sich doch der Volksgruppe auch auf dem Gebiete der Politik zur Verfügung zu stellen. Dieser Bitte verschloß er sich nicht, obwohl er wußte, wieviel zusätzliche Arbeit auf ihn zukommen würde. Fast vollständig ausgefüllt von seinem Beruf und von seinen verbandspolitischen Aktivitäten, vermochte mein Vater zwangsläufig kaum noch Zeit für die Familie aufzubringen, zumal die Gastlichkeit in meinem Elternhaus auf Grund der vielen Kontakte und Freundschaften immer ausgedehntere Formen annahm. Seine Tätigkeit für die deutsche Volksgruppe und sein Ruf brachten es mit sich, daß ihm eines Tages der Vorsitz des „Verbandes rumänischer Staatsbürger deutscher Abstammung in der Dobrudscha“ kurz der „Volksrat“ genannt, angetragen wurde. Dieser Verband mochte wohl als die politische Organisation der Dobrudschadeutschen gelten, letzten Endes fristete er aber ein nur kümmerliches Dasein. Es gab keinen hauptamtlichen Angestellten des Verbandes, weil die Bauern nicht bereit waren, für ihre Organisation Gelder aufzubringen. Sie versuchten, ihre Interessen auf eigene Art zur Geltung zu bringen, d.h. in Einzelaktion, aber sie kümmerten sich wenig um ihre politische Vertretung. Im übrigen suchten sie sich einen Volksratspräsidenten, der entstehende Auslagen möglichst aus eigener Tasche beglich. Kurzum, es war ein langer Weg von einem desolat zu nennenden Zustand des politischen Lebens bis zu einem einigermaßen schlagkräftigen Verband der Dobrudschadeutschen zurückzulegen, worum sich die jeweiligen Vorsitzenden des Volksrates nach Kräften bemühten. Ein Stück dieses Weges beschreibt mein Vater in dem bereits erwähnten Handwörterbuch, S. 287 f., mit folgenden Worten: „Der eigentümliche 153 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 154 ============================================================================ Werdegang der deutschen Kolonien in der Dobrudscha und der Umstand, daß die Deutschen nicht in geschlossenen Siedlungen leben, haben es mit sich gebracht, daß trotz ausgeprägtem volklichen Bewußtseins im einzelnen sich ein politisches Leben bis zum Ersten Weltkrieg nicht entfalten konnte. Erst 1924 wurde nach dem Beispiel der deutschen Siedlungen in den anderen nach dem Kriege Rumänien angegliederten Gebieten der „Verband rumänischer Staatsbürger deutscher Abstammung in der Dobrudscha“ gegründet, der sich die politische Zusammenfassung der Deutschen aus der Dobrudscha und die Vertretung der Belange der deutschen Gemeinden zur Aufgabe machte. Gelang es dem Verband auch nicht durch Abschluß von Wahlpakten mit der jeweiligen Regierungspartei .einen eigenen Vertreter ins Parlament zu entsenden, so verwirklichte er doch verschiedentlich wichtige Angelegenheiten deutscher Gemeinden, Zuteilung von 10 ha Land an nahezu jede Kirchengemeinde; einige Schulbauten; Anstellung deutscher Lehrer und anderes mehr. — 1931 schloß er sich dem „Verband der Deutschen in Rumänien“ an. Da das volkspolitische Leben der Deutschen in der Dobrudscha noch in den Anfängen seiner Entwicklung steht, ruht die Arbeit des Verbandes im wesentlichen auf den führenden Männern.“ Weit mehr als vier Jahre lang gehörte mein Vater zu diesen „führenden Männern“. Schließlich, im Jahre 1930, wurde er zum Präsidenten des Volksrates der Dobrudschadeutschen gewählt. Er hatte dieses Ansinnen nicht abschlagen können. Seine Vorgänger im Amt waren Michael Emanuel Leyer von 1924—1927, Eduard Brenner von 1927—1929 und Dr. Hans Wenzel von 1929/1930. Mein Vater widmete sich mit ebenso großem Fleiß und derselben Zuverlässigkeit seinen hinzugekommenen Aufgaben als Volksratsprăsident, wie er es in seiner ărztlichen Praxis und im Diakonissensanatorium zu tun gewohnt war. Unzählige kleine Dinge galt es zu bewältigen: es waren die Verbindungen zu anderen Minderheitsgruppen zu pflegen; die rumänischen Behörden mußten bei Laune gehalten werden; Widerstände so manches starrköpfigen Kolonisten waren zu überwinden, insbesondere wenn es um das liebe Geld ging oder wenn Zusammenarbeit oder eine Kontaktaufnahme erforderlich waren, was nicht selten Ärger und Verdruß bereitete; Ärger gab es wohl auch mit rumänischen Politikern. Trotz der gerade wegen dieser Scherereien verlor er aber über all der Kleinarbeit seine hauptsächlichen Ziele für die Deutschen in der Dobrudscha nicht aus den Augen. Vor allem ging es ihm um den Bestand und die Erhaltung der deutschen Kultur. Daher sorgte er sich besonders um die deutschen Schulen und die soziale Sicherung der Deutschen in der Dobrudscha. Er versuchte, für diese Zwecke Geld aufzubringen, die deutsche Sprache als Lehrfach einzuführen oder Lehrmittel für die Ausbildung zu beschaffen. Denn die Situation der deutschen Bevölkerung war nicht gut zu nennen. Sehr eindrucksvoll wird uns dies vor Augen geführt in einem Artikel, der in der „Deutschen Zeitung Bessarabiens“, Beilage „Dobrudscha-Nachrichten“ Nr. 57 vom 16.7.1932, 14. Jahrgang, S. 3, enthalten ist: „Der Kampf um die Erhaltung unseres Volkstums wird in der Dobrudscha ebenso wie in den anderen Gebieten unseres Landes von Jahr zu Jahr schwerer. Mit Recht hat man immer wieder darauf hingewiesen, daß die bisherigen Mißerfolge nicht so sehr auf die schweren Verhältnisse im Lande, als vielmehr auf den Mangel an geschlossenem Vorgehen zurückzuführen sind. Solange unsere Gemeinden einander fremd bleiben und der Meinung sind, alle Fragen des Gemeindelebens allein für sich lösen zu können, werden die zum Teil traurigen Zustände auch weiterhin bestehen bleiben. Wenn es den ersten deutschen Ansiedlern in der Dobrudscha auch gelungen ist, ohne ein Fürsorgekomitee, etwa wie in Bessarabien, Dörfer anzulegen 154 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 155 ============================================================================ und ein hie und da sogar sehr reges Gemeindeleben zu entwickeln, so dürfen wir das heute nicht mehr erwarten, weil von allen Seiten Kräfte daran sind, diese Dörfer mit ihrer bisherigen Lebensweise zu zerstören. Diese Kräfte sind in unseren Dobrudschadörfern erst seit dem Weltkrieg spürbar am Werke und wurden von den führenden Männern unseres Volkes bald richtig erkannt, die im Jahre 1924 einen Schutzbund, den Verband rumänischer Staatsbürger deutscher Abstammung schufen.“ Weiter findet sich in derselben Ausgabe der D.Z.B. ein Bericht von Pastor Hahn, früher in Kobadin, der sehr zutreffend die Schwierigkeiten der Verbands- arbeit schildert: „... Am 30. Juni fand in Konstanza im Schulhaus die Gemeindenversammlung des Volksrates statt. Außer der Leitung (Präsident Dr. Otto Mauch, Kassierer Artur Mauch und Schriftführer Eduard Seefried) waren fünf Gemeinden durch Herrn Ißler, Tulcea, und weitere 15 Gemeinden des Bezirkes Konstanza durch Männer aus den Ortsleitungen vertreten, so daß eine beschlußfähige Versammlung hätte stattfinden können, wenn die Gemeinden mit den Beitragsleistungen nicht im Rückstand wären. Es hat sich jedoch in den letzten Jahren die Gepflogenheit eingebürgert, in dringenden Fällen von diesen Bestimmungen der Verbandssatzungen abzusehen und allen Vertretern sowie Gästen das Stimmrecht zuzuerkennen, was auch bei dieser Sitzung geschah. . . Die Vertreter nahmen einen kurzen Tätigkeitsbericht des Präsidenten zur Kenntnis und übten teils berechtigte, teils unberechtigte Kritik an der Arbeitsweise der Leitung. Pastor Hahn forderte die Vertreter der Ortsgruppe auf, ihrerseits über ihre Tätigkeit kurz zu berichten, damit die Verbandsleitung Anhaltspunkte für ihre weitere Arbeit bekomme. .. Daß die Gemeinde Konstanza nun als erste in der Dobrudscha eine konfessionelle Volksschule mit deutscher Unterrichtssprache gegründet hat und in diesem Frühjahr schon die Öffentlichkeitsrechte zuerkannt bekam, ist für alle Gemeinden ein Ansporn, diesem Ziel ebenfalls zuzustreben.“ Man kann sich denken, daß es für die Verbandsleitung nicht gerade einfach war, unter den geschilderten Umständen eine für alle nützliche Arbeit zu verrichten. In Anbetracht der Unwilligkeit mancher Gemeinden, auch finanzielle Opfer für die Interessen des Ganzen zu erbringen, bedurfte die Tätigkeit im Verband nicht nur persönlichen Engagements, sondern nicht gerade selten auch der Bereitschaft, aus eigener Tasche in die gemeinsame Kasse fließen zu lassen. Wie viele es in seiner Position wohl auch getan hatten, bestritt mein Vater die meisten Auslagen für den Verband von seinem privaten Einkommen. Ich erinnere mich noch an eine Aktion, die zur Verbesserung des Bildungswesens beitragen sollte. Der VDA des Landes Hessen-Darmstadt schickte einige Kisten Bücher nach Konstanza, die auf die bestehenden Gemeindebibliotheken verteilt werden sollten. Es wurde aber ein derart hoher Zoll auf die Bücher erhoben, daß eine Auslösung nicht lohnte. Was war zu tun? Alle Bemühungen führten nur zu Scherereien und endlosen Verhandlungen. Schließlich zahlte mein Vater aus eigener Tasche, weil die Rücksendung der Bücher noch teurer gekommen wäre. Das Amt des Volksratspräsidenten brachte noch viele andere Pflichten mit sich. Dazu gehörte die Kontaktpflege zu Behörden, Gemeinden und Schulen, wie die Repräsentation auf Empfängen, Einladungen aller Art und Einweihungen. Dazu ist mir eine launige Begebenheit im Gedächtnis haften geblieben. Ich kann mich erinnern, wie mein Vater nach der Einweihung des Carmen-Sylva-Denkmals in Konstanza, bei der auch der König anwesend war, schmunzelnd nach Hause kam. Er mußte über sich selbst lachen. Er hatte seine Rede mit dem 155 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 156 ============================================================================ entsprechenden Pathos, auf das noch verhüllte Denkmal zeigend, mit den Worten begonnen: „Dieses Medikament soll . . .“. Das „Monument“ war ihm unter der Hand zum „Medikament“ geworden. Ein Minister, der nach ihm sprach, rettete die Situation. Er meinte, daß von Dr. Mauch als Arzt erwartet werden könne, daß er sich auch des Monumentes gewissenhaft annehmen und es deshalb mit einem Medikament habe verwechseln können. Diese Verwechslung soll mit das schönste von der Einweihung gewesen sein. Das zweite Hauptanliegen, das mein Vater mit Hartnäckigkeit verfolgte, war das Ziel, die Dobrudschadeutschen an den Gesamtverband der Deutschen in Rumänien anzuschließen. Nach Überwindung so mancher Schwierigkeiten gelang ihm schließlich dieses Vorhaben im Jahre 1931 zu verwirklichen. Um diesen Erfolg und die vielerlei Aufgaben und Probleme, deren Bewältigung der Leitung des Volksrates oblagen, zu dokumentieren, sei noch einmal aus der D.Z.B., Nr. 31 vom 18.4.1934, 16. Jahrgang, S. 3 zitiert: „Volksratsitzung in Konstanza am 10. April 1934. Von den 34 Dobrudschagemeinden hatten sich am Morgen des 10. April 1934 53 Vertreter aus 15 Gemeinden zusammengefunden. Der Vorsitzende, Dr. Otto Mauch, eröffnete um 10 Uhr vormittags die Sitzung und begrüßte alle Erschienenen aufs wărmste. Insbesondere hebt er die Anwesenheit des ersten Geschäftsführers des Verbandes der Deutschen in Großrumänien, Dr. Bonfert, hervor und heißt ihn willkommen ... Der Vorsitzende geht zum zweiten Punkt der Tagesordnung über: Tätigkeitsbericht. Der Tätigkeitsbericht wurde nach fünf Gesichtspunkten gestaltet. 1. Schulisches: Auf dem Gebiet der Schule war der Mangel eines einheitlichen Lehrplanes für die beiden Fächer Deutsch und Religion spürbar. Eine von der Leitung einberufene Lehrerkonferenz sollte unter Mitarbeit der Pfarrer diesem Mangel abhelfen und gleichzeitig durch Gründung eines Lehrervereins manchem Mißstand bei der Lehrereinstellung vorbeugen. Der in Kodschalak abgehaltene 14tägige Fortbildungskursus für Lehrer hatte ein gutes Ergebnis. Die Vorträge wurden von hervorragenden Fachlehrern aus Siebenbürgen und dem Banat gehalten. Die Schulen in Pallas, Mandschapunar und den Neuen Weingärten konnten wieder eröffnet werden. 2. Völkisches: Auf diesem Gebiet ist wohl die Selbständigkeitserklärung des Dobrudschadeutschtums und die Erlangung eines Sitzes in dem Verband der Deutschen in Rumänien das wichtigste. Der in Konstanza abgehaltene Volkstag wurde reichlich besucht und verdankte den Herren Muth und Csaki manche Anregung. Eine von Herrn Dr. Csaki, Hermannstadt, durchgeführte Vortragsreise durch die Dörfer der Dobrudscha diente der Stärkung des Zusammengehörigkeitsbewußtseins. Die Jugend wurde durch ein Jugendtreffen in Kodschalak von neuen Impulsen aufgerüttelt. 3. Kulturelles: Es wurde der Bau eines deutschen Hauses in Konstanza angeregt und dessen Erstellung in Aussicht genommen. Die Sammlungen für diesen Zweck sind bereits eingeleitet und haben teilweise erfreuliche Ergebnisse gezeitigt. Für die Bibliotheken in den Gemeinden wurden Bücher in die Ortsgruppen geschickt. Auf diesem Gebiet ist noch besonders viel zu arbeiten. 4. Wirtschaftliches: Die gemachten Versuche der wirtschaftlichen Anlehnung an ein anderes deutsches Siedlungsgebiet, z.B. an Bessarabien, zeigten, daß hier ein besonders schwieriges Gebiet vorhanden ist. 5. Politisches: Die Verbandsleitung mußte die Weisungen des Verbandes der Deutschen in Rumänien als Richtschnur nehmen. Zusammenfassend betonte der Vorsitzende Dr. Mauch, daß die Kleinarbeit an verschiedenen Problemen, die Hilfeleistung und Beratung einzelner Volksgenossen, einen wesentlichen Teil der Tätigkeit der Verbandsleitung gebildet habe... .“ Im Jahre 1934 war mein Vater gezwungen, sich von seinem politischen 156 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 157 ============================================================================ Engagement zurückzuziehen, da sich die Arbeit innerhalb des Volksrates derart ausweitete und die immer neu hinzutretenden Aufgaben einen solchen Umfang annahmen, daß er zur Fortführung des Präsidentenamtes seine ärztliche Praxis und das Diakonissensanatorium hätte vernachlässigen müssen und damit seine Existenzgrundlage gefährdet hätte. Eine seiner letzten Amtshandlungen war die Ausrichtung der Volksratswahlen. Darüber lesen wir in der „Deutschen Zeitung Bessarabiens Nr. 51 vom 27. 6. 1934, 16. Jahrgang: “... Volksratswahlen. Die für den Volksrat in Aussicht genommenen Neuwahlen der Leitung nähern sich allmählich ihrer Verwirklichung, denn in den Gemeinden werden die ausgeschriebenen Ortsgruppenwahlen nach und nach durchgeführt. Die Herren Dr. Mauch und Dr. Bonfert besuchten am 5. Mai die Gemeinde Kobadin und am 6. Mai die Gemeinden Tariverde und Kodschalak, wobei die Ortsgruppenwahlen durchgeführt wurden. Das Ergebnis in Kobadin: Rudolf Rüb, Obmann; Helmut Leyer, Obmannstellvertreter; Christian Klett, Schriftführer; Emanuel Wilhelm, Schriftführerstellvertreter; Gustav Grieb, Kassierer. In Kodschalak: Johann Klukas, Obmann; Friedrich Burgemeister, Obmannstellvertreter; Andreas Hermann, Schriftführer; Johannes Müller, Schriftführerstellvertreter; Matthias Widmer, Kassierer. In Tariverde: Gotthilf Unterschütz, Obmann; Peter Pfeiffer, Obmannstellverstreter; Lehrer Enßlen, Schriftführer; Friedrich Rößler, Schriftführerstellvertreter; Karl Albrecht, Kassierer. Außerdem hat Dr. Mauch in Alakap am 22.Mai die Wahlen vollziehen lassen, deren Ergebnis war: Gotthilf Hopp, Obmann; Christoph Blumhagen, Obmannstellvertreter; Johannes Reule, Schriftführer; Friedrich Unrath, Schriftführerstellvertreter; Eduard Schulz, Kassierer. — In Karatai hat als Delegierter des Volksrates am 20. Mai 1934 der Diplomagronom Otto Rösner die Wahlen geleitet, deren Ergebnis war: Philip Unterschütz, Obmann; Gustav Lüttke, Obmannstellvertreter; Lehrer Roßmann, Schriftführer; Karl Blumhagen, Schriftfiihrerstellverttreter; Jakob Mayer, Kassierer. . .“ Mein Vater verzichtete auf eine Wiederwahl zum Prăsidenten des Volksrates und widmete sich in der Folgezeit nur noch seiner Arbeit als Arzt. Sein Nachfolger im Prăsidentenamt wurde Johann Klukas. — Dieser Entschluß, aus dem Rampenlicht der Verbandspolitik zu treten, bedeutete jedoch keineswegs, daß mein Vater nun in der politischen Anonymität untertauchen konnte. Dazu war er viel zu bedeutsam für das politische Leben der Dobrudschadeutschen geworden. Wenn er noch lebte, könnte er wohl noch von so mancher Fahrt in die Dörfer berichten, von Schulbesuchen, zu denen die Lehrer eingeladen hatten, von Einweihungen, Vorsprachen bei den Behörden und ähnlichen Einsätzen. Lassen wir zum Schluß dieses Berichtes über die Lage der Dobrudschadeutschen Otto Enßlen mit seinen Worten die Tätigkeit meines Vaters als Volksratspräsident würdigen: „In seiner Eigenschaft als Präsident des Deutschen Volksrates war er vor allen Dingen für die Erhaltung der deutsch-evangelischen Gemeindeschule eingetreten, um sie zu heben und zu fördern. Von einfachem, offenem Wesen und geraden, schlichten Sinnes, von ruhiger, besonnener Charakteranlage war er stets hilfsbereit mit Rat und Tat, voll Zuvorkommenheit und Freundschlichkeit gegen jedermann, darum erwarb er sich auch die Liebe und Achtung aller, die ihn kannten. Strasberg, den 7.3.1947.“ Nach der Umsiedlung Das Jahr 1940 brachte die nächste große Zäsur im Leben meiner Eltern. Es galt, die Koffer zu packen und zurückzuwandern dahin, woher sie gekommen waren, nach Deutschland. Der Entlassungsschein des Lagers Wilmersdorf- 157 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 158 ============================================================================ Strelshof, Kreis Neunkirch-Niederdonau, vom 13. 7. 1941 weist die Entlassung von Otto und Helene Mauch zum 22. 7. 1941 nach Graudenz, Gerichtsgasse 8, aus. Dort wurde mein Vater am 16. 6. 1941 zum Chefarzt der Städtischen Frauenklinik Graudenz berufen. Ende Januar 1945 kam die Flucht. Meinem Vater gelang es mit Hilfe der Wehrmacht, einen Lazarettzug zu organisieren, so daß sämtliche Patientinnen der Frauenklinik nach Kottbus, wo er mit Unterstützung des Oberbürgermeisters ein Behelfskrankenhaus eröffnete, verlegt werden konnten. Ende März 1945 wurde auch dieses Krankenhaus durch Bombenangriff zerstört. Mein Vater zog weiter und gelangte nach schwersten Fluchterlebnissen in die Urheimat seiner Väter, nach Württemberg. (Bild) Dr. Otto Mauch 1943 Im Dezember 1947 wurde er Vertrauensarzt bei der Landesversicherungsanstalt Württemberg in Stuttgart. Noch im selben Jahr wurde er zum stellvertretenden Mitglied der Ärztekammer als Vertreter der Flüchtlingsärzte gewählt. Sowohl in der Ärztekammer als auch bei den Behörden errang er in kurzer Zeit Vertrauen und Ansehen. Seine ärztlichen Gutachten sind nicht nur anschaulich, sondern auch diagnostisch ausgezeichnet fundiert. Er war für jeden, den er untersucht und zu begutachten hatte nicht nur der Arzt, sondern auch der hilfreiche Mensch. — Seine Pünktlichkeit war sprichwörtlich. Einige Jahre nach seinem Tode erzählte mir eine Sekretärin aus dem vertrauensärztlichen Dienst, daß die Mitarbeiter nach Dr. Otto Mauch die Uhren stellen konnten. Wenn er sein Dienstzimmer betrat, schlug die Uhr. Im Gegensatz dazu konnte er schon einmal die Uhr vergessen, wenn er seinem Steckenpferd, dem Schachspiel, frönte. Er spielte es derart leidenschaftlich gern, vor allem mit seinem ältesten Bruder, Albert Mauch, daß es eines Nachts zu einer Szene kam, die so heiter wie brenzlig war. Ihre Freizeit, die sie als Pensionäre genossen, erlaubte es den beiden Brüdern, endlos eine Partie Schach nach der anderen zu spielen. So war es wieder einmal 3 oder 4 Uhr morgens geworden, als meinem Vater, der ein starker Raucher war, ein glühender Zigarettenstummel auf das Sofa gefallen war. Meine Mutter, die längst schon schlafen gegangen war, erwachte durch den Rauch, der das Zimmer, in dem die beiden saßen, schon völlig eingenebelt hatte und bereits durch die ganze Wohnung gezogen war. Meine Mutter fand die beiden in ihr Schachspiel vertieft. Offenbar hatten sie von dem Qualm nichts bemerkt. Auf den Arlarmruf meiner Mutter erst erwachten sie aus ihrer Konzentration und bemerkten das drohende Unheil. Im Jahre 1958, 67 Jahre alt, mußte sich mein Vater einer Gallenoperation 158 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 159 ============================================================================ unterziehen. Er erwachte nicht mehr aus der Narkose, er starb auf dem Operationstisch. Mein Vater wurde auf dem Friedhof in Stuttgart-Z. von Pfarrer Albert Kern, der unsere Familie auf weite Strecke unserer Wanderschaft begleitet hatte, beerdigt. Die Gedächtnisrede hielt sein ältester Bruder, Oberstudiendirektor Albert Mauch, damals 90 Jahre alt, der meinem Vater nach drei Jahren folgte. Wir verloren nicht nur unseren Vater, mit seinem Tode ging auch eine Pionierzeit deutscher Kolonisten am Schwarzen Meer zu Ende. Küsterlehrer Gustav Ziebart und seine Familie Aufgezeichnet von seinem ältesten Sohn Gustav („der Zweite“), geb. in Fachri Die Ziebarts sind Arziser, die im Zuge der Besiedlung Südrußlands durch Deutsche mit einer „Harmonie“ um 1830 nach Bessarabien eingewandert sind. Unter den schwäbischen Kolonisten, die sich in Alt-Arzis niedergelassen haben, befanden sich auch Georg und Johann August Ziebart. Ein Sohn von Johann August Ziebart, der ebenfalls Johann August hieß, hatte den Wagnerberuf erlernt, aber er hatte auch eine bessere Schulausbildung erhalten. So finden wir ihn in dem Jahrzehnt zwischen 1860 und ‚1870 als „Zweitlehrer“ von Alt-Arzis. Dieser Johann August hatte fünf Söhne und drei Töchter. Zwei Söhne besuchten die Wernerschule, ein Lehrerseminar, in Sarata und wurden „Küsterlehrer“. Die Küsterlehrer hatten ihren Schuldienst zu halten und darüber hinaus auch Gottesdienste und, wenn kein Pfarrer da war, hatten sie sämtliche kirchlichen Handlungen durchzuführen, die allerdings nachträglich vom Pfarrer bestätigt werden mußten. Einer dieser Söhne war mein Vater Gustav Ziebart. An meine Ziebart-Großeltern kann ich mich noch erinnern. Der Großvater Ziebart war in Arzis eine Respektperson. In der Familie wurde er von den Töchtern mit „Ihr“, also in der dritten Person angeredet, von den Söhnen jedoch mit „du“. Ob das in den anderen Familien auch so war? Großmutter habe ich allerdings noch in besserer Erinnerung als Großvater. Zwischen meinem sechsten und neunten Lebensjahr durfte ich bei ihr im Hause wohnen. Sie war eine fromme Frau. Gegen Abend, wenn wir Kinder in ihrer Nähe waren, holte sie uns zu sich, las uns aus einer großen Bilderbibel vor und erzählte uns anschließend biblische Geschichten. Diese Stunden wurden regelmäßig mit einem Gebet beendet, und dann bekamen wir unser Essen. — Mir gefiel die Geschichte von den zwölf Söhnen Jakobs am besten. Sie hat mich durch mein ganzes Leben begleitet. Ich kann kein Leid sehen, ohne daß ich mich davon nicht angesprochen fühlte. In meiner Familie halte ich es auch heute noch so, wie es damals Großmutter tat. Wir versammeln uns täglich unter dem Worte Gottes und versuchen, nach ihm zu leben. Mein Vater hatte es in seinem Leben wahrlich nicht leicht gehabt. Es war ihm nie gelungen, sich und seiner Familie eine bessere wirtschaftliche Stellung zu schaffen. Zeit seines Lebens war bei ihm der Schmalhans Küchenmeister. So finden wir ihn immer wieder unterwegs, seine Stelle, ja sogar seinen Beruf wechselnd, doch vergeblich. Er war das Opfer der Zustände auf schulischem Gebiet, die in den Dobrudschagemeinden geradezu zum Himmel schrien, und sei- ner angeschlagenen Gesundheit. In den kleineren Gemeinden waren die Bauern nicht in der Lage, ihre deutschen Küstenlehrer auch nur einigermaßen zu 159 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 160 ============================================================================ entlohnen, und an den rumänischen Staatenschulen wurden die noch in Rußland ausgebildeten Lehrkräfte nicht angestellt. Im Jahre 1932 war es wieder mal so weit, wir zogen von Sofular in der Dobrudscha zurück nach Alt-Arzis in Bessarabien, der Heimatgemeinde meines Vaters. Dort war Papa sehr krank, weshalb er von seinem Land, das er in Katlebug in Bessarabien besaß, einige Hektar verkaufte. In Arzis hatte er in Großmutters Haus ein Kolonialwarengeschäft eröffnet, das sich aber auch nicht hielt. Die Konkurrenz war in dem großen Marktflecken Arzis sehr stark spürbar. So kam es, daß uns dort unsere Ziebart-Verwandtschaft immer wieder unterstützen mußte. Die Familie Ziebart konnte aber auch nur in dem Maße helfen, so weit es ihnen möglich war. In Arzis hat es mir gut gefallen; ich ging dort zur Schule und hatte sehr gute Lehrer. Wer Bessarabien kennt, wird auch die Namen der Lehrer aus Arzis, Witt, Wolf und Zimmermann, kennen. Das war in den Jahren 1932 bis 1936. Ich könnte aus dieser Zeit viel erzählen, sollen doch im Jahrbuch so viele Geschichten als möglich in die Beiträge aufgenommen werden, aber ich möchte mich auf einige Hinweise beschränken: Unter den Ziebartskindern gab es ein richtiges Wettlernen. Wer wird den ersten, den zweiten oder den dritten Preis in der Schule bekommen? Und ich muß sagen, am Jahresende waren die Kinder aus den Ziebartfamilien unter den Preisgekrönten. — Dann waren da die Weihnachtsfeiern, die Treibjagden, die Fußballspiele, die Streiche, die wir anstellten usw. Mit unserem Vater war es schlecht bestellt. Seine Krankheit machte ihm viel zu schaffen. Er konnte nicht mehr arbeiten, und das Herumdoktern fraß das Geld wie die Öfen das Stroh. Dr. Kroll, der ihn behandelte, gab ihm von Zeit zu Zeit länger anhaltende Beruhigungsspritzen, aber man möge nicht fragen, was diese kosteten. Für uns bedeuteten sie jedenfalls viel, sehr viel Geld. Was Wunder, daß unsere Mutter immer alle Hände voll zu tun hatte. Das Leben in der Familie, so wie wir es kennenlernten, war patriarchalisch. Den Anordnungen von Papa mußte streng gefolgt werden. Wir hatten laut und deutlich zu grüßen, wir durften das Händewaschen nicht vergessen, und keiner von uns fing an zu essen, ehe Papa nicht das Zeichen dazu gab. — Wenn Papa im Bett lag, so hatte er die größten Schmerzen. Dann kamen die Verwandten und Bekannten und hielten mit ihm eine Gebetsstunde; sie sangen und beteten um die Hilfe Gottes. Das Lieblingslied von unserem Vater war: „Solang mein Jesus lebt und seine Kraft mich trägt“. Wie oft haben wir in dieser traurigen Zeit geweint! In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen lebten wir in der Hauptsache in der Dobrudscha. Seine erste Lehrerstelle hatte mein Vater jedoch auf der Halbinsel Krim, in der Nähe von Simferopol, in der deutschen Gemeinde Tschumaschkirk. Dort war Papa fünf Jahre lang. 1906 heiratete er die Tochter des wohlhabenden Buchbinders Möllmann. Leider kann ich über die Möllmanns nichts berichten, weil ich mit unserer Mutter nie darüber gesprochen habe; ich war so viel von zu Hause weg. Meine Geschwister hatten Papa in späteren Jahren gelegentlich schmunzelnd vorgehalten, daß er Mama wegen des Geldes genommen habe. Die Möllmanns waren aus der Molotschna in die Simferopolgegend gekommen; sie waren Mennoniten. Mutter war im Gegensatz zu Vater fromm. Sie war sehr ruhig und schwieg lieber, als daß sie redete. Aber das sollen alle Möllmanns, die Norddeutsche waren, so gehalten haben. Es hieß, das sei eine gute Mischung: 160 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 161 ============================================================================ die Möllmanns übten sich im Schweigen und die Ziebarts im Reden. Papa redete manchmal gar nicht mehr, sondern es sprudelte alles nur so aus ihm heraus. Man sagte auch, daß die Ziebarts Hitzköpfe gewesen seien. Wenn es bei uns auch arm zuging, so bliesen wir doch keine Trübsal. Es gab in unserer großen Familie immer wieder etwas zu lachen. Mama war klein, zierlich und schwarz, die Ziebarts groß und rotblond. Papa sagte von Mama, sie sei eine Mischung von Armeniern und Zigeunern der Krim. Wir lachten dabei, Mutter aber lächelte nur. Gelacht haben wir auch, wenn Mutter uns aufforderte: „Kommt Kinder, packen wir den Tschamadan (Koffer) und fahren in die Melosch (Molotschna), dort sind die Menschen besser.“ Später ergänzten wir diesen Satz: „On der Ra- dii nicht vergessen.“ Mama sagte immer Radii anstatt Radio. Unsere Eltern hatten es auf 14 Kinder gebracht. Ich kann das heute gar nicht fassen, wenn ich an unsere zierliche Mutter denke. Wir sagen heute: „Wie konnte man auch nur!“ Fünf der Kinder sind im Kindesalter gestorben. Mutter hat einmal gesagt, wer die Kinderkrankheiten überstanden habe, der bleibe auch weiterhin gesund und stark. Sie selbst war zeit ihres Lebens eingespannt wie selten eine Frau. Nach der Umsiedlung war sie mit ins Wartheland gekommen, machte die Flucht mit, kam nach dem Krieg nach Frankfurt am Main, starb 1962 und liegt in Nieder-Eschbach bei Frankfurt begraben. 1907 wurde die Tochter Ella geboren. Später hatte sie in Sofular in der Dobrudscha Jakob Kling geheiratet. Beide wohnen heute in Mitteldeutschland. Der Schwager arbeitete bis zu seiner Pensionierung bei der Reichsbahn. Sein Sohn Berthold ist Lokführer, Edi Dachdecker, Erika kaufmännische Angestellte, und Irmtraud ist im Jahre 1945 auf der Flucht vor den Russen verloren gegangen. Von ihr fehlt noch bis heute jegliche Spur. — 1909 wurde Klarain Arzis geboren, (Bild) Jakobine und Gustav Ziebart 1907 in Simferopol (Krim) 161 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 162 ============================================================================ wohin mein Vater aus der Krim zurückgekommen war und daselbst eine Bauernwirtschaft betrieb. Klara heiratete in „Kilometer fünf“, so der Name eines Vorortes von Konstanza, Friedrich Freimuth, der bis zur Umsiedlung im Jahre 1940 eine gutgehende Milchwirtschaft sein eigen nannte. Heute lebt die Familie bei Frankfurt, der Schwager ist im Ruhestand. Sie haben ein eigenes Haus und fünf Kinder. Ihre älteste Tochter, Emma, ist mit David Grenz aus den Neuen Weingärten verheiratet, und diese Familie hat im Staate Michigan eine Rinderfarm. Ein Sohn von Emma und David ist Missionslehrer. Harry, der älteste Sohn von Klara, ist Dreher, Edy wurde Kaufmann und hat ein gutgehendes Geschäft mit zwölf Angestellten. Leontine ist Lehrerin und mit einem Lehrer verheiratet. Hannelore hat auch ein Eigenheim und ist mit einem Verkaufsleiter verheiratet. Von meinen sechs Schwestern, Ella, Klara, Alma, Olga, Lola und Hilda, ist Klara meine Lieblingsschwester. In meinem Geburtsjahr, ich wurde 1924 in Fachri, Dobrudscha, geboren, reiste Mama mit mir nach Konstanza zu meiner Schwester Klara, die gerade vor der Niederkunft stand. Leider starb das Kind gleich nach der Geburt. Klara hatte viel Milch, meine Mutter wenig, so beschlossen beide, daß ich bei der Schwester trinken solle. Meine Mutter erzählte später, daß ich in vollen Zügen getrunken hätte und noch mit 18 Monaten mit dem Stühlchen dahergelaufen wäre und gebettelt hätte: „Mama, bitte Ditzi“! Meine gute Gesundheit und meine guten Zähne führen alle auf die üppige Muttermilch meiner Schwester Klara zurück. Meine Geschwister sagen auch: „Der läßt nichts auf die Klara kommen, denn er muß sich ja revanchieren für die gesunde Ernährung.“ 1910 wurde Papa als Küsterlehrer nach Katlebug berufen. Er verkaufte die Wirtschaft in Arzis und kaufte eine in Katlebug. 50 Hektar Land, Vieh und Weiden. Wir hatten Knechte und Mägde, weil Papa ja berufstätig war. Ich traf vor einigen Jahren in der Gegend von Bad Mergentheim zwei Familien, die mir sagten, daß sie bei Papa in Katlebug in die Schule gegangen wären und daß sie ihn als strengen, aber gerechten Lehrer geschätzt hätten. Das freute mich zu hören, denn ich halte nicht allzuviel von der laschen Erziehung der heutigen Zeit. Ich war zwei Jahre in den Vereinigten Staaten und zwei Jahre in England und weiß, was es mit der sogenannten modernen Erziehung auf sich hat. Diese Staaten tragen schwer an den Folgen des falsch eingeschlagenen Weges — und das- selbe Dilemma ergibt sich auch in Deutschland — daß niemand mehr oder nur noch wenige wissen, wie sie mit den Fragen zurecht kommen sollen. Ich weiß ein sehr gutes Rezept: Als erstes ist das Vorbild, als zweites die Liebe, als drittes die Geduld und als letztes die Zucht zu nennen. Wer diese Dinge im Auge behält und weislich durchführt, wird immer mit Erfolg dastehen, auch bei den Widerspenstigen und Jähzornigen. In Katlebug blieben meine Eltern sieben Jahre lang. Dort wurden meine Schwester Alma und Olga geboren. Alma heiratete später einen Zuckerbäcker aus Siebenbürgen. Sie wurde nach dem Krieg von den Russen zu fünf Jahren Zwangsarbeit verschleppt, kam krank zurück — für ihr ganzes Leben. Sie hat das meiste Leid von uns allen mitgemacht. Alma wohnt heute in Wernigerode mit ihrem Mann und Sohn, die beide in staatlichen Betrieben arbeiten. Olga hatte in den Neuen Weingärten, Konstanza, in die Familie Krüger eingeheiratet. Eduard Krüger, der eine Wirtschaft in den Neuen Weingärten hatte, wurde in Böhmen angesiedelt. Nach dem Einzug der Russen flüchtete er nicht nach dem Westen, sondern nach dem Osten, dem Russen entgegen. Sie blieben bis vor einigen Jahren in Konstanza und wohnen heute in Aschersleben, in 162 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 163 ============================================================================ Mitteldeutschland. Krügers haben zwei Söhne, der erste wurde Härter und ist mit einer Lehrerin verheiratet, Manfred legte das Abitur ab und will studieren. 1917, durch die Kriegsereignisse bedingt, zogen meine Eltern von Katlebug nach Budachi (Bessarabien). Dort war Papa bis 1920 Lehrer, und dort wurde meine Schwester Lola geboren. Sie heiratete später in den Neuen Weingärten Otto Schilling und wohnt heute in Ostberlin. Schillings haben vier Kinder. Zwei Söhne arbeiten in staatlichen Betrieben, zwei Töchter sind gelähmt und können nur an Krücken gehen, sie machen Heimarbeit und bekommen eine kleine staatliche Hilfe. Ich bewundere diese Mädchen, wie sie ihren Lebensweg meistern, es sind zwei hübsche Kinder und sehr fleißig. 1920 wurde Vater gebeten, als Küsterlehrer nach Sangerovka, Bessarabien, zu kommen. Er nahm die Stelle an und blieb ebenfalls drei Jahre. Dort kamen noch zwei Kinder zur Welt, eines davon war endlich ein Sohn. Man taufte ihn auf den Namen Gustav, leider starb er an einer Kinderkrankheit. 1923 entschloß sich Papa, in die Dobrudscha zu ziehen. Er kam als Küsterlehrer nach Fachri. Dort wurde ich 1924 geboren. Papa war damals gerade für die Gemeinde auf Reisen. Die Eltern hatten sich nicht über den Namen des kommenden Kindes abgesprochen gehabt. Die Hebamme erkundigte sich nach dem Namen des letzten verstorbenen Sohnes. Als ihr Mama sagte, daß er den Namen ihres Mannes hatte, da entschied die Hebamme: „Dann ist das hier „Gustav der Zweite“. Dieser Gustav wurde natürlich nicht wenig verwöhnt, aber nur wenige Jahre. Ich kam sehr früh von zu Hause weg und nahm mir in jungen Jahren vor, daß ich es einmal nicht so machen werde wie Papa. Ich sah, daß es über die Kraft der Eltern ging, den vielen Kindern zu einer gesicherten Stellung zu verhelfen. Das ständige Hin und Her ließ unsere Familie schwere Zeiten mitmachen. Papa war ein liebender, fürsorgender Vater, aber er war zu gutmütig; es kam immer wieder vor, daß er ausgenutzt wurde. Es haben ihn einige Händler schwer betrogen. Die Barmherzigkeit wurde bei Vater groß geschrieben. Ich weiß noch, als ich und mein jüngerer Bruder 1936 mit Papa in Konstanza auf dem Markt waren und er jedem von uns Schuhe kaufte, blieb er plötzlich stehen, gab jedem von uns zwei Leu und sagte: „Dort an der Ecke sitzt ein Bettler, gebt ihm das, man muß an die denken, denen es schlechter geht als unsereinen.‘“ Obwohl wir damals jeden Leu selber benötigt hätten, dachte er an die Armen. Beim Schreiben dieser Zeilen kommen mir heute noch die Tränen, wenn ich daran denke, daß Papa nicht mehr die Kraft besaß, von seinem Leiden geheilt zu werden. Die Ärzte rieten ihm, sich doch operieren zu lassen, aber er hatte Angst. Kein Wunder; in der damaligen Zeit blieben ja so viele unter dem Messer. Papa wurde immer nervöser und magerer. Nach seiner Tätigkeit in Fachri und Adschemler kamen dann Papa und Mama mit ihrer Kinderschar 1926 nach Sofular. Wir wohnten in dem Lehmhaus an der Ecke Richtung Gutshof Michael Em. Leyer. In Sofular hatten meine Eltern schöne Jahre. Die Mädels konnten später in die Stadt Konstanza und sich etwas verdienen, als Schneiderinnen und Kinderfräuleins bei reichen Leuten. Papa hatte viel zu tun mit dem Aufbau der Gemeinde. Sein Ziel war ein Bethaus und eine Schule. Er lobte die Gebefreudigkeit der kleinen Gemeinde. 1930 hatte Sofular bereits ein Bethaus mit Glocke, im Bethaus auch ein Schulzimmer, ebenso waren auch die Friedhofsachen dort aufbewahrt. Sein bester Freund und Gönner war Michael Em. Leyer mit Frau Katharina. Dieses Ehepaar war das Rückgrat der Sofularer. Ich kann mich, damals sechsjährig, 163 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 164 ============================================================================ gut an diese lieben Leute erinnern. Wir kamen zu Weihnachten auf den Gutshof. In einem großen Raum stand ein langer Tisch, gedeckt mit Weihnachtsgaben, ein geschmückter Tannenbaum stand in der Ecke. Wir sangen Lieder und es gab Kaffee und Kuchen. Ich mußte auch ein Gedichtlein sagen, und Papa achtete sehr darauf, daß ich es konnte. Sie kamen oft zu uns und wir zu ihnen. Die Gemeinde Sofular zählte damals 29 deutsche Familien mit 129 Seelen, die Rumänen 12 Familien mit 61 Seelen. Es gab zuerst nur eine rumänische Schule. Aber 1929 wurde unsere Schule eingeweiht. Wie stolz waren wir! Meine Eltern bekamen die Wohnung im Gemeindehaus. Wie schon erwähnt, war im Gemeindehaus auch der Raum für die Friedhofgeräte (Totenbahre usw.) Meine Schwester Lola, bekannt als Schabernakmädel, die keine Angst hatte, ging einmal gegen Abend mit einem weißen Leintuch in diesen Raum, wissend, daß Ella, unsere älteste Schwester, etwas dort holen mußte. Als Ella die Tür zum Gerätehaus öffnete, stieß sie plötzlich einen markerschütternden Schrei aus und rannte kreideweiß und schreiend zurück: „Ein Gespenst, ein Geist!“ Lola kam später in aller Ruhe herein und tat so, als wenn überhaupt nichts vorgefallen wäre. Papa wußte natürlich, wer „das Gespenst“ war und lachte still in sich hinein. Ich ging bei meinem Papa nur ein Jahr lang in die Schule, aber ich muß sagen, daß ich bei ihm gut gelernt habe. Wenn in der Schule etwas vorkam, was zu einer Strafe mit der Rute reichte, bekamen auch wir Schläge. Papa wollte sich von den Leuten nichts nachsagen lassen. Mama schimpfte oft, er sei zu streng, aber Papa sagte, „Schade um jeden Hieb, der daneben geht“. Meine Spielkameraden in Sofular waren die Kinder Seefried, Schon und Kling. Einmal brachte Arthur Seefried einen Autoreifen von einem alten Mercedes mit. Der Reifen hatte noch die Felge mit Schrauben und Schlauch mit Luft gefüllt. Wir haten im Gemeindehof einen Erdkeller. Das schräge Dach verführte uns hinaufzukrabbeln und den Reifen voller Wucht loszulassen. Gerade als Arthur einmal oben und ich unten war, kam mein kleiner Bruder Hansi zu uns gerannt und wollte den Reifen anhalten. Schnell wollte ich ihn wegreißen, aber es war zu spät. Hansi wurde zu Boden gerissen und dicht an der Schläfe verletzt. Die Wunde blutete, und er schrie aus Leibeskräften: „Mammele, mai Augele, Mammele, mai Augele!“ Alle, die in der Nachbarschaft waren, kamen zu Hilfe. Mir ging der Schrei durch Mark und Bein, daß ich oft heute noch meine, ich höre meinen Bruder schreien. Arthur suchte das Weite, und ich wartete zitternd auf Papas Ankunft. Er war diesmal gnädig, ich bekam nur eine Ohrfeige. Eine andere Begebenheit: Es war im Hochsommer, die Leute waren fast alle auf den Feldern. Ich spielte mit Manel Kling und noch einigen Kindern bei uns auf dem Hof. Auf einmal kam Manel, der Bruder von meinem Schwager Kling, auf die Idee, ein scharfes Messer zu holen, die vielen Junghühner in die Küche zu treiben und sie zu schlachten. Es war oft der Fall, daß auch Mama sagte: „Geht und fangt mir zwei Junggockel zum Schlachten.“ So trieben wir mit den anderen Jungen die Hühner in die Küche, fingen eine nach der anderen und gingen dann mit den Junghühnern hinter das Haus, schnitten ihnen die Köpfe ab und warfen diese über eine hohe Mauer aus Stein und Lehm. Da kamen gerade meine Schwester Lola und eine Schwester von Manel dazu. Meine Zeit, was haben die uns beide durchgeprügelt! Manel als Anführer mußte sogar in den Keller. Auf dem Hügel beim Friedhof hatten wir von der Gemeinde Pachtland für Futter. Dort weideten wir unsere Gänse und Schweine. Eines Tages, Papa war 164 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 165 ============================================================================ nach Kobadin gereist, kamen die „rumänischen Schweinehirten“ und trieben ihre Tiere auf unsere Weide. Meine Schwester Lola sprang ins Haus, zog Papas Sonntagsanzug an, setzte seinen Hut auf, nahm einen Handstock von Papa und schritt in Richtung Weide. Als die Hirten „den Papa“ sahen, flohen sie, und am Abend kamen die Eltern der „Schweinehirten“, um sich zu entschuldigen. Erst dann merkte Papa, daß Lola wieder dahintersteckte. Eines Abends, es war im Winter, Olga und Ella waren in der Küche beim Sticken. Wir hatten dort einen runden Tisch mit einer großen Tischdecke, deren Quasten nahezu den Fußboden berührten. Lola war vorher unter den Tisch geschlichen, ich hatte es gesehen, aber ich schwieg, wohl wissend, daß, wenn ich sie verraten, nicht ohne ein blaues Auge davonkommen würde. Olga setzte sich auf die Tischkante, Ella auf einen Stuhl. Sie stickten schon eine Weile, als Lola ganz langsam an den Quasten zupfte. Olga wurde kreideweiß, winkte der Ella, schnell liefen beide schreiend aus dem Zimmer, weil es bei uns schon wieder „geisterte“. Diesmal sprang Papa aus dem Arbeitszimmer heraus und wollte Lola zur Rede stellen. Aber man sollte es nicht für möglich halten — er fand sie schlafend in ihrem Bett. So gibt es noch Dutzende solcher Geschichten in unserer Familie. Papa legte großen Wert auf die Opferbereitschaft seiner Gemeinde, er sagte, am Opfer könnte man die Treue und die Einstellung eines Christen ermessen. Nach dem Gottesdienst zählte er mit dem Kirchenvorstand die Gaben. Einmal war ich dabei. Nach dem Zählen meinte mein Vater: „Das ist aber wenig heute, das reicht nicht mal für ein Päckchen Tubak.“ Mir hatte dieser Ausspruch gar nicht gefallen, gleich sprang ich zu Mama und erzählte ihr davon, wußte ich doch, daß sie immer über den Tabak schimpfte. Alles Modische war bei Papa verpönt. Die Sofularer werden es noch wissen, als die dünnen Seidenstrümpfe auch auf dem Dorfe getragen wurden und meine Schwestern aus der Stadt damit ankamen, daß es ein Donnerwetter absetzte wie noch nie. Dann die kurzen Haarschnitte der Frauen! Meine Schwestern durften sich damit nicht sehen lassen. Aber mit der Zeit zog selbst auch in Sofular der sogenannte Modeteufel ein. Ich selbst wundere mich heute immer wieder, wie Männer, die Christen sein wollen, eine schlampige Haartracht tragen. Die Bibel verbietet das grundsätzlich, 1. Kor. 11, 14 und 5. Mose 22,5. Die Leute wissen das scheinbar nicht, denn sonst würden sie es vielleicht nicht tun. 1927 wurde ein weiterer Ziebart-Junge geboren. Er bekam den Ehrennamen des Großvaters Johann August. Wir rufen ihn aber Hansi. Hansi sollte Musiker werden, aber die Landwirtschaft zog ihn mehr an. Nach der Umsiedlung in Polen konnte er sein landwirtschaftliches Geschick beweisen. Anfang 1945, während der Flucht aus dem Wartheland, war auch meine Mutter mit ihren drei Jüngsten dabei. Es war sehr kalt, Hansi — inzwischen 17 Jahre alt — zog einen Parteimantel an, Willi warnte ihn immer und bat: „Zieh doch den Mantel aus, wenn das die Russen sehen, nehmen sie dich mit.“ Doch Hansi gehorchte nicht, weil es ihm einfach zu kalt war. Nachdem uns die Russen überholt hatten, nahmen sie Hansi gefangen und verschickten ihn für fünf Jahre nach Sibirien, dort hat er Fürchterliches erlebt. Heute ist Hansi in Frankfurt/Main als Kaufmann tätig, verheiratet und Vater von fünf Kindern. Von den beiden Mädchen ist eine als Kinderfürsorgerin und die zweite als Bankangestellte tätig, die drei Jungen gehen noch zur Schule. Er hat ein eigenes Haus und es geht ihm gut. 1931 wurde in Sofular meine jüngste Schwester Hilda geboren. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich vom Spielen heimkam, sagte meine älteste Schwester Ella: „Der Storch ist gekommen!“ Ich starrte die kleine Hilda nur so 165 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 166 ============================================================================ an, weil es ein Mädchen war. Hilda lebt heute auch in Frankfurt, hat auch fünf Kinder, ihr Mann arbeitet als Kraftfahrer, ist aber oft krank, was der Familie manche Sorgen bereitet. Die Kinder sind noch im Schulalter, die älteste Tochter arbeitet im Haushalt, die zweite ist auf der Kinderpflegeschule in München. Ich denke heute noch, trotz damaliger Not und Entbehrung an das gute Brot, das unsere Mutter selbst gebacken hat. Wir hatten eine einfache Küche, aber sie war kräftig und gut. Papa sorgte immer, daß wir auch als Lehrersfamilie eine oder zwei Kühe und Geflügel im Stall hatten. Meistens bekam Papa das Futter von der Gemeinde umsonst, oder ein Stück Land, womit er jemanden beauftragte, etwas für ihn anzubauen. Die Samstage waren für uns streng, wir mußten im Haushalt mithelfen: Hof kehren, Treppe reinigen, Schuhe putzen usw. Es gab genügend Arbeit in unserer großen Familie. Mama bereitete das Essen für Sonntag vor. Ein Festessen für mich war immer ein gekochtes Suppenhuhn, das noch rasch angebraten wurde, Reis und Kartoffeln, vorher Nudelsuppe und als Nachspeise Vanillesoße mit Schneeballen. Damit macht mir auch heute noch meine Frau eine Freude; sie hatte noch Gelegenheit, dies von meiner Mutter zu lernen. Papa bereitete sich an den Samstagnachmittagen auf seine Predigt vor. (Bild) Gustav Ziebart 1930 in Sofular Eines fällt mir gerade noch ein und ich möchte es doch noch schreiben, sonst könnte der Eindruck entstehen, als ob alle Ziebarts Engel gewesen wären. Nein, so war das nicht. Bei aller Strebsamkeit und allem Fleiß störte mich ganz besonders, daß die meisten von ihnen gelegentlich gern ins Weinglas schauten. Gewiß, Weinbauern waren sie ja alle so nebenbei, aber das Trinken endete manchmal leider in unschönen Spannungen und Streitereien. Ich hoffe, daß sich von meinen Verwandten niemand beleidigt fühlt. Im Jahre 1931 traf es Papa sehr hart. Einer seiner besten Freunde und Gönner, Herr Michael Em. Leyer starb unter der Last seiner Wirtschaft und Krankheit. Er wurde mitten auf dem neuen Friedhof von Sofular von Pastor Hahn beerdigt. Es war der größte Trauerzug, den Sofular je erlebte. Viele der rumänischen Einwohner waren ehemalige Knechte und Mägde des Gutsherren. Papa sagte nach dieser Beerdigung: „Wenn ich einmal sterbe, will ich neben meinem Freund beerdigt werden.“ Dieser Wunsch wurde ihm sechs Jahre später erfüllt. Die Rumänen sprechen heute noch von Herrn Leyer und dem „Profesoru“ Ziebart. Als meine Schwester Olga vor einigen Jahren das Grab von Papa besuchte, war sie nicht wenig überrascht, wie Costica Ardeleanu sich noch heute 166 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 167 ============================================================================ um die deutschen Gräber kümmert. Die Sofularer können stolz auf ihre guten Beziehungen zu ihren rumänischen Nachbarn sein. Nach dem Tode von Herrn Leyer wurde es mit Papas Zustand immer schlechter. Er entschloß sich, zurück zu seiner großen Verwandtschaft nach Arzis in Bessarabien zu ziehen. Nun, wir wurden dort herzlich empfangen und Großmutter räumte uns eine Zweizimmerwohnung in ihrem Haus ein. Papa fuhr bald nach Katlebug, wo wir noch Land hatten, und verkaufte davon. Mit diesem Geld eröffnete er einen kleinen Kolonialwarenladen. Davon sollten wir die nächste Zeit leben, bis Papa wieder gesund sei. Hier erlebten wir die Zeit, die ich eingangs schilderte. Drei Jahre lang blieben wir in Arzis, wo mein jüngster Bruder, das letzte Kind, Gustav Ziebart, geboren wurde. Meine Mutter war nicht zu beneiden, einen kranken Mann und dazu noch ein krankes Kind! Willi bekam die Kinderlähmung und konnte drei Jahre lang nicht gehen. Wir zimmerten ihm einen kleinen Rollwagen aus Holz und kleinen Rädern, damit er sich fortbewegen konnte. Mama weinte oft über ihr Los, sie erzählte von der Krim, wie es doch so schön zuhause gewesen sei. Ich weiß noch, wie meine Schwester Klara und Olga zu Besuch kamen und Mama Vorhaltungen machten, daß noch, bei dieser Lage, ein vierzehntes Kind geboren wurde, sie bitterlich weinte und sagte: „Ich han net gwelt, daß noch a Kendle kommt, aber Papa hat gwelt.“ Die drei Jahre in Arzis waren bald vorbei, und wieder ging es zurück in die Dobrudscha. Wir wohnten die erste Zeit bei meinem Schwager Friedrich Freimuth in Konstanza. Hier erholte sich Papa sehr schnell, wir waren alle erstaunt, wie wohl er sich fühlte. Willi konnte plötzlich auch laufen und wurde körperlich der stärkste von uns drei Brüdern, ja sogar ein guter Fußballspieler. Willi ist heute in New Hampshire. Vereinigte Staaten, und hat ein eigenes Fertighausgeschäft, er ist verheiratet und hat drei Söhne. Zwei gehen noch zur Schule, einer studiert. Nun, in Konstanza war es sehr schön. Das Meer und anderes hatten es uns angetan. Wir durften manchmal mit dem Bus in die Stadt fahren usw. Der Markt war so interessant, das Bragagetränk (aus Hirse) schmeckte mir gut, auch die Harbusen (Wassermelonen). Papa wurde hier so einigermaßen gesund, aber die schöne Zeit sollte nicht lange währen. Eines Tages kam der Ruf der Gemeinde Ebekioi über den Kirchspielpfarrer Pastor Hahn. Mein Vater sollte dort Küsterlehrer sein. So zogen wir wieder los. Ein Lehmhaus, wie es die meisten Ebekioier hatten, bot auch uns Unterschlupf. Wir bekamen auch einen großen Garten dazu, und ich muß sagen, die Gegend war sehr fruchtbar, wir hatten den ganzen Sommer über Gemüse und Obst. Eine Kuh und Stallung wurde uns von der Gemeinde zur Verfügung gestellt. Ich erinnere mich noch an die Familien Schon, Wilhelm, Büttner und Wittmann. Als Schule und Bethaus diente ein kleines Häuschen. Die Gemeinde sollte ein neues Bethaus bekommen, aber die Umsiedlung nach Deutschland machte alles hinfällig. Vormittags von 8 bis 12 Uhr gingen wir in die rumänische Schule, am Nachmittag hatten wir Deutschunterricht. Einen sehr guten Lehrer hatten wir in Herrn „Professor“ Mihailescu, dessen Sohn in meiner Klasse war und immer von seinem Vater ausgeschimpft wurde, weil er nicht gut lernte. Manchmal schrie er ihn an: „Uitete la nemţi, cum în- vaţă; tu eşti leneş şi nu vrei sa învests!“ (Schau dir die Deutschen an wie sie lernen — und du bist faul und willst nicht lernen!) Die besten Schüler in der rumänischen Schule waren deutsche und türkische Kinder. Türken gab es noch mehr als Deutsche in Ebekioi. Sie hatten auch eine eigene Schule und eine Dschamie. Unsere Nachbarn zu beiden Seiten waren Türken. Papa schätzte ihre Reinlichkeit. Eines gefiel mir bei den Türken nicht, die Jungen trugen alle ein 167 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 168 ============================================================================ Taschenmesser, an einem Kettchen befestigt, das sie bei Auseinandersetzungen schnell gebrauchten. In Ebekioi gab es eine gute Schäferei. Fast jeden zweiten Tag schickte uns Mama, Schafskäse und Urda (Schafsquark) zu holen. Beides schmeckte wunderbar. Heute noch kaufe ich mir fast jede Woche in einem griechischen Geschäft in München Schafskäse. Als die Türken Ebekioi verließen und in die Türkei zogen, gab es für uns so manche Überraschung. Ein Siebenbürger Sachse, Herr Plesky, kaufte das größte türkische Gut und modernisierte den ganzen Betrieb. Für viele gab es dann neue Arbeitsplätze. Eines Abends, es war im späten Sommer, hörten wir im Dorf lautes Geschrei. Ein großer Strohschober stand in Flammen. Wir Kinder durften das Schauspiel beobachten. Haus und Vieh konnten gerettet werden, alle Dorfbewohner halfen bei der Löscharbeit mit, aber der Strohschober brannte vollständig nieder. Man sprach von einem Racheakt, weil ein Türke die Braut eines andern abspenstig gemacht hatte. In Ebekioi war auch eine katholische deutsche Familie, Papa bemühte sich sehr um sie und lud sie zu den Gottesdiensten ein. Überhaupt war es ihm ein großes Anliegen, die Deutschen, gleich welcher Konfession sie auch angehörten, zum Zusammenhalten aufzufordern. Er träumte oft von Deutschland, ließ sich von dort auch Bücher schicken. Einer seiner Söhne, so plante er, sollte Schiffskapitän und einer Gartenarchitekt werden. Daraus wurde leider nichts. Nach seinem Tode dachte keiner mehr ans Studieren, da war man froh, wenn man etwas zu essen hatte. In Ebekioi gefiel es mir gut, doch war die deutsche Gemeinde sehr klein. (Bild) Deutsche Kirche (Bild) Türkische Moschee In der Dobrudscha 1931 168 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 169 ============================================================================ Es war im Spätsommer, kurz vor Ende der Ferien, als Papa nach einem Gottesdienst vor Schwäche auf der Straße zusammenbrach. Da jede Hilfe zu spät schien, brachten wir ihn seinem Wunsche gemäß nach Sofular. Uns, die zwei ältesten Jungen, brachte man nach Konstanza zu den verheirateten Geschwistern, ich war 13 und Hansi zehn Jahre alt. Ich denke mit Ehrfurcht an das letzte halbe Jahr in Ebekioi zurück. Wenn nachts die Schmerzen Papa überfielen, schrie er laut: „Herr Jesus Christus, befreie mich von meinen Schmerzen, hilf!“ Dann, nach einer Weile, schien es uns, als habe Gott eingegriffen, denn er schlief ein. Aber nach einigen Stunden hörten wir ihn wieder: „Herr Jesus, hilf meinen Kindern, besonders den Söhnen, daß sie niemals rauchen und trinken.“ Diese Bitte unseres Vaters hat Gott der Herr buchstäblich erhört. Keiner seiner drei Söhne, Gusti, Hansi und Willi trinken Alkohol oder rauchen. Es war ein Jammer wie Vater leiden mußte! Seit langem schon wäre er zu einer Operation bereit gewesen, die Geschwister hätten sie auch gerne bezahlt, aber die Ärzte rieten ab, weil es schon zu spät sei. — In demselben Haus in Sofular, in dem er schon einmal gewohnt hatte, verbrachte mein Vater seine letzten Tage, schwer mußte er mit dem Tode ringen. Drei Tage, bevor er starb, sagte er zu Mama: „Jakobine, komm her! Hier ist meine Tabaksdose, nimm sie, ich hab sie dem Teufel für immer übergeben.“ Für uns waren diese Worte herzerschütternd, als sie uns Mama sagte. Wir Kinder waren alle zur Beerdigung gekommen, eine große Gemeinde gab ihm die letzte Ehre. Seine letzte Ruhestätte bekam unser Vater neben seinem Freund Michael Em. Leyer, so wie er es sich gewünscht hatte. Nachwort des Herausgebers: Der Beitrag von Gustav Ziebart II. war viel umfangreicher, als er hier im Jahrbuch erscheint. Es klingen in dem Original so viele Fragen unseres Lebens in der Dobrudscha und des Zusammenlebens mit den umwohnenden Völkern an, daß Herr Ziebart darüber in einem gesonderten Artikel all dem nachgehen sollte. Auch über sein Leben von heute ist vieles des Berichtens wert. Hoffentlich nimmt er sich einmal die Zeit und stellt dem Jahrbuch eine ebenso ansprechende Arbeit wie die vorstehende zur Verfügung. Heinrich Stammler Von Margarethe Grohn, geb. Stammler, Kerimkuius Wir, die Stammlers, wohnten in der Dobrudscha ganz abseits, abseits von den deutschen Dörfern, eine einzelne Familie inmitten einer fremden Umgebung. In den Dörfern ringsum waren Türken, Tataren, Bulgaren und Rumänen ansässig. Türken und Tataren sind zu unserer Zeit in die Türkei ausgewandert, und deren Plätze wurden von den Rumänen eingenommen, von Kolonisten aus dem rumänischen Altreich. Mein Vater kam durch diese Kolonisten in die Dobrudscha. Von Geburt aus war er gar kein Dobrudschadeutscher sondern Reichsdeutscher, aber im Laufe der Jahre hatte er sich in der Dobrudscha so eingelebt, daß er von allen als solcher angesehen wurde. Er pflegte den Kontakt zu den führenden Männern des Dobrudschadeutschtums, und wir Kinder wurden immer wieder für kürzere oder längere Zeit in eines der deutschen Dörfer gebracht, nach Kobadin, um dort in die Schule zu gehen oder dort konfirmiert zu werden. Befreundet waren wir mit der Familie Kayser aus Medschidia, ebenfalls einer Mühlenbesitzerfamilie, mit der wir in ständiger Verbindung waren, durch Besuche usw. 169 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 170 ============================================================================ Kerimkuius, das Dorf, in dem wir lebten, das nach dem Ersten Weltkrieg in Zorile umbenannt wurde, liegt in unmittelbarer Nachbarschaft von Adamklissi mit dem weltbekannten Denkmal des Kaisers Trajan, dem „Tropaeum Traiani“. So manche Besucher des Denkmals machten auch einen Abstecher zu uns nach Kerimkuius und waren bei uns gern gesehene Gäste. Ich weiß, daß auch Archäologen, die nach Adamklissi gekommen waren, mit meinem Vater Kontakt hatten. Ich denke dabei an Adolf Furtwängler, der Vater Wilhelm Furtwänglers, an Karl Schuchhardt und wie sie sonst alle heißen mögen. Jedenfalls waren sie uns bekannt. Und gefreut haben wir uns, wenn wir Besuch aus den deutschen Dörfern hatten. Es war für uns eine Abwechslung, konnten wir doch dann auch mit anderen und nicht nur mit den Eltern und Geschwistern deutsch sprechen. (Bild) Heinrich Stammler 1893 in Straßburg Mein Vater, Heinrich Stammler, wurde als erster Sohn des Peter Stammler und seiner Frau Katharina geb. Lones, in Höchst im Odenwald am 29. Mai 1872 geboren. Seine Kindheit verbrachte er bei seinen Eltern in Höchst, wo er auch die Schule besuchte. Anschließend erlernte er den Beruf eines Maschinenschlossers und Drehers. Dann kam Heinrich Stammler zum Militär. Nach seinem Soldatendienst, den er in Straßburg gemacht hatte, ging mein Vater zu seinem Onkel Nikolaus Stammler nach Österreich, der kinderlos war und meinen Vater sehr gerne haben wollte. Großonkel Nikolaus besaß eine Mühle in Österreich, und das freute meinen Vater sehr. Heinrich Stammler sollte als ältester Sohn den väterlichen Hof übernehmen; aber mit Freuden hinterließ er den Hof dem nächsten Bruder und ging nach Österreich zu Onkel Nikolaus. Und wie es seiner Zeit war, wanderten viele Deutsche ins Ausland. Ungefähr 1895 ist auch Großonkel mit Frau ausgewandert in die Muntenia. Kreis Ilfov (Rumänien) und hat meinen Vater mitgenommen. Dort hatten sie eine Mühle errichtet. Und als aus Altrumänien viele Kolonisten in der Dobrudscha angesiedelt wurden, hatten diese Leute weit und breit keine Mühle. Da kamen einige zurück, die in der Umgebung von Großonkel gewohnt hatten und baten ihn und meinen Vater, sie mögen doch auch in die Dobrudscha kommen, denn sie hätten weit und breit keine Mühle. Da überlegte Großonkel nicht lange und sagte den Kolonisten zu. Aber der Transport einer ganzen Mühle bis zur Donau hin war damals nicht einfach. Doch die Bauern halfen alle tüchtig mit und luden Mahlsteine, die Dampfmaschine und alles, was sonst noch dazugehörte, auf große Fuhren. Sie mußten an einen Wagen bis drei Paar Pferde spannen. Bis zur Donau war es nicht weit, und von dort ging es mit dem Schiff bis Tschernavoda. 170 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 171 ============================================================================ Nach dem Ausladen unterstützten wieder viele Bauern den Transport bis nach Kerimkuius. Hier stellten sie die Mühle provisorisch auf. Das kostete viel Mühe und Arbeit. So mußten zum Beispiel die meterhohen Disteln weggemäht, die Wasserversorgung sichergestellt werden usw. Die Wasserzuleitung von einem Bach, der rund 300 Meter weit von der Mühle vorbeifloß, genügte nicht. Später wurde dann ein 30 Meter tiefer Brunnen gegraben. Außerdem benötigte man noch ein Wasserbecken (Bassin). Und so ging dann auch das Mahlen los, zunächst jedoch ohne Gebäude. Die Mahlsteine waren nur mit Bastdecken eingezäunt, damit der Wind das Mehl nicht wegblasen sollte. Dann erst wurde mit dem Bau des Mühlengebäudes begonnen. Alles half fleißig mit. Sogar Tante Juliane (Großonkels Frau) stand in der Mühle und kassierte das Malter, wie es seinerzeit üblich war. Als dann der Bau der Mühle endlich fertig war, erkrankte mein Vater an Typhus und mußte sofort ins Krankenhaus nach Tschernawoda. Nach seiner Genesung, er war fünf Monate krank, empfahl ihm sein Arzt eine sechsmonatige Erholung, die er aber in seinem Heimat- und Geburtsort verbringen sollte. So fuhr mein Vater zurück nach Höchst in den Odenwald und verbrachte die sechs Monate bei seinen Eltern. Während dieser Zeit hatte sich mein Vater sehr gut erholt. Er freute sich schon auf seine Rückreise nach Rumänien. Aber seine Eltern und Geschwister weinten und baten ihn: „Heinrich, bitte bleibe da in deinem Vaterland, gehe nicht mehr fort.“ Aber Vater ließ sich nicht zurückhalten. Ihn lockte die Ferne und die Müllerei — trotz schwerer Arbeit. Als er dann wieder bei seinem Onkel Nikolaus in Kerimkuius angekommen war, freuten sich alle und sagten: „Heinrich, was würden wir ohne dich anfangen, gut, daß du wieder da bist.“ Der Mühlenbetrieb hatte sich gut entwickelt und war sehr einträglich. Großonkel Nikolaus Stammler starb bereits im Jahre 1902 und hinterließ alles meinem Vater. Ungefähr im Jahre 1910 kaufte Vater größere Stabilmaschinen (Dampfmaschine) von 200 PS. In der Zwischenzeit waren vier Paar Mahlsteine, Wollmaschinen und eine Ölmühle angeschafft. Zwei Dreschmaschinen, eine davon stand in Adamklissi und die andere in unserem Mühlenhof, der ein Hektar groß war, arbeiteten für die Bauern. Vater verdiente sehr gut. Außerdem blieb uns noch das Stroh zum Heizen der Mühle zurück. Kurz vor 1898 heiratete mein Vater eine Konstanzaerin, die aus Kronstadt stammte. Aus dieser Ehe gingen sechs Kinder hervor, vier Jungen und zwei Mädchen. Drei Kinder sind gestorben und drei leben noch. Das sind mein Bruder Nikolaus, zur Zeit in Sofia, meine Person: Margarethe Grohn, geb. Stammler und mein Bruder Hans, der mit seiner Familie im Jahre 1952 nach Amerika ausgewandert ist. Er wohnt in Erie am Erie-See im Staate Pennsylvanien. Nun wieder zu Heinrich Stammler. Vor dem Ersten Weltkrieg kauften meine Eltern in der Stadt Medschedia ein Haus gegenüber dem damaligen Postgebäude. Dazu erbauten sie noch ein dreistöckiges Haus, das schön möbliert vermietet wurde. Dann kam der Erste Weltkrieg und Vater mußte als rumänischer Soldat in den Krieg einrücken. Die meiste Kriegszeit stand er in der Moldau. Gerade als meine Mutter Vater besuchte, kam der Befehl, daß alle Kerimkuiuser flüchten müssen, denn die Front rückte näher. Da nahm eine Familie, die bei uns arbeitete, einen unserer großen Wagen, beschlug ihn mit Decken, verstauten uns Kinder und Nahrungsmittel — alles andere mußte zurückbleiben — und flüchtete mit uns nach Medschedia in unser Haus, aber darinnen durften wir nicht viel bewohnen, denn die „Deutsche Kommandantur“ von Medschedia hatte es besetzt. Ich war damals sechs Jahre alt. Ich erinnere mich noch genau an einen 171 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 172 ============================================================================ deutschen Offizier, der mir öfters manches aus Deutschland zum essen gab. Sein Name war Bukur Löwe. Inzwischen fand uns auch meine Mutter, die keine Ahnung hatte, daß wir Kerimkuius verlassen mußten. Nach einiger Zeit konnten wir wieder zurück in unsere Heimat, doch die Mühle war kaputt; die Maschinen verschleppt, in verschiedenen Dörfern lagen Bestandteile unserer Mühle. Mutter hatte nun eine schwere Zeit und viel Arbeit. Es war in der damaligen Zeit nicht so einfach, Fachleute zu finden, die die Mühle wieder instand brachten. Als Vater nach dem Krieg wieder gesund heimkam, freute er sich sehr, die Mühle in so gutem Zustand zu finden. 1918/1919 brach bei uns eine große Hungersnot aus. Das war eine schreckliche Zeit. Die wohlhabenden Bauern fuhren nach der Moldau und kauften dort Getreide, aber die Mittellosen hatten nichts und mußten Hunger leiden. Da hat mein Vater zwei Jahre lang die ganz Armen mit Brot und Mehl und Maismehl unterstützt. Kinder standen jeden Tag in Scharen vor der Mühle mit einem Säckchen um den Hals. Meine Eltern gaben jedem Kind 2 kg Mehl und 1/4 Laib Brot. Mutter und noch einige Arbeiterfrauen mußten ständig Brot backen. Außerdem unterstützte Vater das Gymnasium und zwei Internate in Adamklissi mit Mehl. Die Leute boten meinem Vater Goldmünzen, Wolldecken und andere wertvolle Sachen für das Mehl, aber er nahm nichts an. Die große Hilfe und die gute Tat, die mein Vater für die ganze Umgebung vollbracht hatte, wurden ihm auch von den Behörden anerkannt. In einer großen Versammlung in Adamklissi, an dem die Richter des Amtsgerichtes, der Direktor und die Lehrer des Gymnasiums, der Bürgermeister, der Notar, Beamte und die Bevölkerung teilnahmen, wurde ihm der Dank aller ausgesprochen. In der Zeitung erschien über sein karitatives Verhalten ein großer Artikel. Mein Vater sagte zu allen diesen Ehrungen nur, daß er glücklich sei, weil er Hungernden habe helfen können. Manche sind in dieser Zeit reich geworden. Vater wollte nichts als ein gutes Werk tun. Sehr viele Leute baten meinen Vater auch, er möge Trauzeuge (Nasch) sein — er konnte keinem absagen. Meine Eltern trauten und tauften (wie es damals üblich war) so viele Kinder, daß es unmöglich wäre, alle zu zählen. Es waren weit über hundert. Wir hatten auch viele Arbeiter aus Siebenbürgen und der Moldau. Vater war sehr streng, aber er hatte ein gutes Herz. Er half jedem, wo er nur konnte. Er war in der ganzen Gegend sehr beliebt. Nach dem Ersten Weltkrieg war: Vater Gemeinderat in Adamklissi und Kreisrat in Konstanza (Consilier comunal und Consilier judetean). Er hatte Freunde in Konstanza und in Tekirghiol, wo wir auch eine Villa mit 42 Zimmern besaßen, die „Villa Regina“. In Konstanza hatte er als guten Freund Herrn August Rösner, den evangelischen Pfarrer und andere. In Medschedia war es der Mühlenbesitzer Kaiser und in Kobadin hatte er auch Freunde. Vor dem Ersten Weltkrieg kam Großvater Peter Stammler aus Höchst, Deutschland, für ein Jahr in die Dobrudscha zu Besuch. Es gefiel ihm sehr gut bei uns. Anschließend besuchten uns auch Vaters Brüder Adam, Peter und Willi. Ungefähr 1923 verkaufte Vater die Dampfmaschine und kaufte zwei Dieselmotoren (beide mit je 100 PS) und Walzenstühle und brachte somit die Mühle auf den neusten Stand der Technik. Ab 1926 führte er nebenbei noch eine Wollspinnerei mit Tuchwalke und Färberei. Die Pressen, Ölmühle, die Dreschmaschinen und alles andere brauchten viel Personal. 172 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 173 ============================================================================ Vater hatte aber auch öfters Heimweh, und wenn ich ihn fragte, warum er manchmal so traurig sei, meinte er: „Ja, mein Kind, wenn du wüßtest, wie schön es in meiner Heimat war.“ Da sagte ich ihm: „Wenn es so schön war, warum bist du hergekommen?“ Darauf gab er mir folgende Antwort: „Als junger Mensch war ich vom Ausland begeistert, und es gefällt mir auch jetzt noch gut, aber das kannst du nicht verstehen, ich habe trotz allem Guten oft Heimweh.“ Wir waren wohl nur eine deutsche Familie in dem Dorf, aber ich muß heute noch staunen, wie Vater so fest an seinen Glauben gehalten hat. Die evangelische Kirche war weit von uns. Mein Vater Heinrich Stammler hatte von seinem Vater eine schöne große Bibel mitbekommen gehabt, in der er fleißig las. Außerdem besaß er noch ein Grammophon und viele Platten mit Kirchenmusik und -lieder, welche er, so oft es ging, anhörte und mit sang. Jeden Morgen, bevor er an seine Arbeit ging, las er ein Kapitel aus der Bibel. Diese Bibel schenkte er mir, ich besitze sie noch heute. Die Rumänen kannten keinen Christbaum und wenn, dann nur aus Erzählungen und Geschichten oder aus Büchern. In unserem Dorfe war es immer ein großes Ereignis, wenn unser Christbaum gebracht wurde. Vater schickte nämlich jedes Jahr einen Mann mit dem Schlitten nach Konstanza (ungefähr 70 km von uns entfernt) um einen Weihnachtsbaum zu besorgen. Wenn dann der Schlitten mit dem Christbaum zurückkam, liefen alle Kinder hinterher und riefen: „Mosch Kratschun, mosch Kratschun“ (Der Weihnachtsmann, der Weihnachtsmann!). Zum Heiligen Abend lud Vater alle Arbeiter und ihre Kinder ein, sie durften alle am Weihnachtsfest teilnehmen und wurden reich beschenkt. Wie staunten die Menschen, wenn die Kerzen am Baume brannten und der Weihnachtsmann kam. Ihre Augen leuchteten nur so. Mein Bruder und ich mußten dem Weihnachtsmann Lieder vorsingen und uns mit Kuchen und Wein für die vielen Geschenke bedanken. Dann ging er wieder. Für unsere Leute war das in jedem Jahr eine große Freude. (Bild) Heinrich Stammlers Villa in Tekirghiol 173 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 174 ============================================================================ Ungefähr im Alter von 65 Jahren erkrankte mein Vater an Asthma. Es fiel ihm schwer, die Mühle allein weiterzuführen. Da mein großer Bruder studiert hatte und Studienrat war und kein Interesse an der Müllerei hatte, verkaufte Vater die Mühle 1937 meinem Manne Waldemar Grohn und mir. Hans, der jüngste Bruder, mußte gerade seinen Wehrdienst (damals waren es drei Jahre) ableisten. So zogen meine Eltern nach Tekirghiol. Es waren viele Leute zum Abschied gekommen und alle bedauerten den Wegzug meines Vaters. Rund 40 Jahre lang hatte er in Kerimkuius gelebt und war vielen Freund und Helfer. Dann kam der Zweite Weltkrieg und im Jahre 1940 die allgemeine Umsiedlung nach Deutschland. Vater mußte auch mit und kam in ein Lager nach St. Pölten bei Wien in Österreich. Dort erkrankte er an Lungenentzündung und Angina. Obwohl er gleich eingewiesen wurde ins Krankenhaus, verstarb er am 11. April 1941 im Alter von 69 Jahren. Heinrich Stammler wurde in St. Pölten beerdigt. Sein letzter Wunsch ging nicht mehr in Erfüllung. Er wollte noch einmal seine drei Brüder und seine Schwester in der alten Heimat sehen. Daniel Traugott Grohn Mühlenbesitzer in der bulgarischen Dobrudscha Von Elsemarie Deiß geborene Grohn, Karalie Nicht nur in der Nord- sondern auch in der Süddobrudscha gehörten die Mühlen zum größten Teil deutschen Besitzern. Ich habe mir sagen lassen, daß es keine genauen Zahlen darüber gibt, wie viele Mühlen Deutschen gehörten und wie viele den Angehörigen anderer Völker: Tatsache dürfte aber sein, daß zeitweise über die Hälfte aller Mühlen der Dobrudscha sich in deutschen Händen befanden. Diese Müllersleute waren von selbst in die Dörfer ohne Mühlen gekommen oder sie waren von der Dorfbevölkerung gerufen worden. So kam es, daß man weitab von den deutschen Dörfern der Dobrudscha immer wieder auf eine einzelne deutsche Familie in den rumänischen oder bulgarischen Dörfern gestoßen ist. Ob es heute noch möglich wäre, auch die Namen der ehemaligen Mühlenbesitzer zu ermitteln, dürfte eine müßige Frage sein. Wer will das auch schon wissen! Meiner Meinung nach könnte etwas anderem nachgegangen werden: dem Schicksal der einen oder anderen Familie, die vielleicht ein Leben lang in einer fremden Umgebung zugebracht hat und mit den daraus sich ergebenden Fragen fertig werden mußte. Das allerdings wäre die Aufgabe eines Dichters und nicht einer Schreiberin, die dazu nicht in der Lage ist. Den vorliegenden Beitrag für das Jahrbuch habe ich nur auf wiederholtes Drängen des Herausgebers hin eingereicht. Ich berichte hier über unsere Familie Grohn, das heißt, ich bringe einige Angaben über meine Eltern, und das ist herzlich wenig. Wer hat früher auch schon daran gedacht, daß deren Leben einmal aufgezeichnet werden soll. Es wurde bei uns in der Familie, genau wie sonstwo, über die Verwandten, die Freunde und die Bekannten gesprochen, aber es ist mir nie eingefallen, davon etwas aufzuschreiben; auch habe ich meine Eltern viel zu wenig gefragt, wie alles bei Ihnen gewesen ist, als sie jung waren und dergleichen mehr. Mein Großvater August Grohn stammt aus der Gegend von Lodsch in Polen, einer Stadt, die uns Dobrudschadeutschen aus den Tagen der Um- und der Ansiedlung als Litzmannstadt bekannt ist. Lodsch war im vergangenen Jahrhundert 174 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 175 ============================================================================ die bedeutendste Textilindustriestadt Rußlands. Die Textilindustrie wurde dort von Deutschen begründet, und das Absatzgebiet der Tuchfabriken reichte über ganz Rußland hinweg bis zum- Stillen Ozean. Aus Lodsch und Umgebung kamen in die Kolonisationsgebiete deutscher Bauern Südrußlands und Bessarabiens nicht nur Textilien, sondern die Tuchfabrikanten selbst. Aus den Erzählungen meines Vaters weiß ich noch, daß er selbst in der Nähe von Lodsch geboren ist, und daß die Familie des Großvaters nach Arzis in Bessarabien gezogen sei. Großvater August Grohn kam in Arzis mit neun Kindern an, mit vier Töchtern, Emilie, Pauline, Maria und Martha, und fünf Söhnen, Friedrich, August, Daniel Traugott, Rudolf und Karl. In Arzis hatte er eine schon bestehende Fabrik mit einer Weberei, Spinnerei und Walkerei gekauft, deren Maschinen noch von Pferden angetrieben wurden. Die Arbeiter in der Fabrik waren die eigenen Kinder und eine mir nicht mehr bekannte Anzahl fremder Hilfskräfte. Warum der Großvater aus Litzmannstadt ausgewandert ist, weiß ich nicht. So viel ich mich erinnern kann, sprach Vater von einer Teuerung und von Absatzschwierigkeiten der Tuchfabriken. Die in Arzis hergestellten Textilwaren wurden außer dem Verkauf in der Fabrik, von den Söhnen in Wagen auf die umliegenden und auch entfernteren Dörfer gebracht und dort zum Verkauf angeboten. Das hat mein Vater auch bis zu seiner Militärdienstzeit getan; dann war er fünf Jahre lang russischer Soldat. Nach dem Militär arbeitete mein Vater, Daniel Traugott, wieder im Betrieb meines Großvaters. Nach dem Tode meiner Großmutter hatte Großvater zum zweiten Male geheiratet, und die Stiefmutter brachte es so weit, daß die Kinder aus erster Ehe, eines nach dem andern, das großelterliche Haus verließen. Die Stiefmutter meines Vaters hat lieber mit fremden Leuten gearbeitet, sie legte es darauf an, daß auch die verheirateten Söhne und Töchter im Betrieb nichts mehr zu suchen hatten. So ging auch mein Vater von zu Hause fort, zuerst als Weber in eine andere Tuchfabrik, und dann heiratete er seine Schwägerin, die Frau seines ältesten Bruders Friedrich, der plötzlich gestorben war, Frau Renate Regine, die Tochter des Mühlenbesitzers Michael Frank in Chilia an der Donau, wo er das Mühlenhandwerk erlernte. Heiraten dieser Art waren damals gang und gäbe. Zu den beiden Kindern des Bruders, Woldemar und Olga, kamen noch vier weitere Kinder dazu: Regina, Elsemarie, Emma und Luise. In der Süddobrudscha Im Jahre 1903 wanderte mein Vater mit seinen drei Schwägern, Heinrich, Christian und Nathanael Frank und mit Philipp Merkel in die bulgarische Dobrudscha. Warum diese Familien aus Bessarabien ausgewandert sind, ist nach unserer heutigen Ansicht vielleicht nicht ganz verständlich. Sie hatten in Bessarabien ihr gutes Auskommen, hatten Mühlen und große Höfe, aber nach ihrer Ansicht ging es nicht schnell genug voran und zudem waren in jeder Familie mehrere Kinder da. In den Jahren um die Jahrhundertwende wanderten viele Bessarabier auch wegen den Schwierigkeiten aus, die die Russen den deutschen Kolonisten machten; denken wir dabei an die unsinnig lange Militärdienstzeit in Rußland, an die Russifizierungsbestrebungen usw. Die fünf Familien hatten sich wohl deshalb für Bulgarien entschieden, weil aus der Süddobrudscha laufend Türken auswanderten, so daß man für billiges Geld genügend Land haben konnte. Auch waren die Freiheiten der Staatsbürger in Bulgarien größer als in Rußland. So zogen sie mit vollen Wagen durch die rumänische Norddobrudscha bis an die bulgarische Grenze. Dort gab es einen längeren Aufenthalt, weil sie nicht die nötigen Papiere vorzeigen konnten, die 175 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 176 ============================================================================ Bulgarien für eine Einwanderung verlangte. Mit Hilfe des Großvaters Michae! Frank in Bessarabien konnten die nötigen Unterlagen verhältnismäßig rasch beschafft werden. Immerhin dauerte dieses Hin und Her 14 Tage lang. Eines Tages, als meine Eltern in dem Grenzort spazieren gingen, kam ein alter Bulgare auf sie zu und bat, meiner Mutter wahrsagen zu dürfen. Zuerst lachten meine Eltern über dieses Ansinnen und fragten den Bulgaren scherzhaft, was er ihnen denn zu sagen habe. Da antwortete der Bulgare, daß die Papiere, auf die sie warten würden, schon übermorgen ankämen und zu meiner Mutter gewandt, daß sie in genau drei Jahren noch ein Kind bekäme. Und so war es dann auch: die Unterlagen kamen wie angegeben an, und das Kind wurde nach genau drei Jahren geboren. Nach Eintreffen der Papiere haben mein Vater mit den drei Schwägern Frank in Ormantschik unweit der Grenze ein größeres Gut gekauft mit einigen Häusern, dem gesamten Inventar und dem Viehbestand. Das reichte für alle, und es ging ihnen sehr gut. Aber, alle vier wollten sich doch nicht allzusehr in der Landwirtschaft umtun, ihnen wären Mühlen lieber gewesen. So kauften sich zunächst die Franks eine Mühle, und mein Vater Daniel Traugott Grohn kaufte dem Bessarabier Christian Kleinknecht dessen Mühle in Karalie ab. Er baute die Mühle aus, kaufte aus Bender in Bessarabien einen Motor, so daß die Mühle meines Vaters die erste Motormühle des Ortes und der ganzen Gegend war. Aber nur allzubald stellte sich dieser Motor als zu schwach heraus, und so wurde ein zweiter Motor aus Aschaffenburg am Main von der Firma Güntner geholt. Unsere Mühle war Tag und Nacht in Betrieb, ohne Unterbrechung. Der Zulauf war überaus stark, und die Kunden kamen bis von weither. Als einmal Onkel Heinrich zu Besuch bei uns war, da sagte er zu meinem Vater, daß er keine Mühle, sondern eine Goldmühle habe. Die Magazine waren immer voller Weizen, (anstelle von Geld wurde auch Weizen für das Mahlen angenommen), und wenn der Weizen zur Eisenbahnstation verfrachtet wurde, dann waren stets 25 bis 30 Fuhren unterwegs. Der Erlös vom Weizen kam auf die Bank und ebenso das Papiergeld. Nur die Münzen blieben im Haus. Wenn der Georg sie ins Haus brachte, mußten wir Kinder alle mithelfen und sie in Rollen verpacken. Diese wurden dann in eine Kiste eingeschlossen. Eines Tages, als mein Vater in die Mühle kam, würde er von Dorfbewohnern und einigen fremden Bulgaren nach Landessitte begrüßt. Während er sich mit diesen Leuten unterhielt, meinte einer der Fremden, daß er, der reiche Grohn, doch viel Geld haben müsse. Mein Vater antwortete nur ganz kurz: „Ja, ich habe Geld, aber auch viele Auslagen.“ Das wollten die Besucher der Mühle nicht hören, und sie warfen ihm vor, daß er immer nur jammere. Er solle doch überlegen, daß wenn einmal zu ihm in der Nacht die Banditen kämen, er sicherlich mit genügend Geld herausrücken würde. Mein Vater gab den Anwesenden wohl zur Antwort, daß wenn man bei sich nichts habe, man auch nichts geben könne, aber dieses Gespräch gab ihm doch zu denken. Als mein Vater nach Hause kam, setzte er sich hin und erzählte uns von dem soeben Erlebten. Nach ein paar Tagen kam ein Brief, in dem stand, mein Vater solle 300 000 Lei bereithalten. Es war aber weder ein Absender noch ein Termin angegeben. Da meinte Vater zu Mutter und zu uns Kindern gewandt: Wenn jemand in der Nacht käme, sollten wir Mädchen zu unserem Schlafzimmerfenster hinausspringen und die Gendarmen rufen. Wir haben das gleiche auch unseren Nachbarn mitgeteilt und gesagt, daß sie, falls etwas passiert, um Hilfe rufen sollten. Nach drei Wochen ungefähr, es war im Juni und schön warm, sagte der Knecht, er wolle noch die Pferde in den Hof hinausstellen. Wir hatten 176 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 177 ============================================================================ (Bild) Familie Grohn mit Gästen, 1932 in Karalie (Bild) An Grohns Mühle 1935 in Karalie 177 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 178 ============================================================================ einen langen Trogwagen gehabt, an dem vier Pferde Platz hatten und der Knecht noch darauf schlafen konnte. Wir waren alle zu Hause, nur mein Bruder Woldemar war auf einer Versammlung. Gegen 23 Uhr gingen wir zu Bett. Das Tor war abgeriegelt. Plötzlich hörte mein Vater etwas auf dem Hof und den Knecht rufen: „Koi dam?“ „Wer ist da?“ Die Banditen schossen gleich auf den Knecht. Als mein Vater das hörte, sprang er gleich aus dem Bett und lief ans Fenster. Vier Männer waren am Wagen geblieben, die anderen stürmten ins Haus und schossen meinem Vater mit einer Schrotpistole ins Gesicht, so daß er nichts mehr erkannte. Sie hielten meinen Vater fest, aber er konnte sich noch losreißen, in das Schlafzimmer rennen und die Tür schließen. Dann brachen die Banditen die Tür auf. Mein Vater mußte sich hinknien und die Arme hochnehmen. Dann wollten sie das Geld haben, und mein Vater gab ihnen seine Brieftasche. Sie schauten hinein, aber mit ein paar hundert Lei wollten sie sich nicht zufrieden geben. Als sie nichts mehr fanden, schlugen sie meinen Vater und stachen ihn mit ihren Messern. Inzwischen waren wir Mädchen zum Fenster hinausgesprungen und unser Nachbar hatte die Gendarmen geholt, die ein paarmal geschossen haben. Als die Banditen das hörten, ließen sie von meinem Vater ab und verschwanden. Unser Vater war nach diesem Überfall weiß wie die Wand und sein Schlafanzug voller Blut. Der Schrecken saß uns alle ganz gehörig in den Gliedern. Die Räuber hatten den Knecht am Arm und an den Beinen getroffen, so daß er über zwei Monate im Krankenhaus bleiben mußte. Da es damals bei uns noch keine Krankenversicherung gab, kam mein Vater für alle Kosten des Kranken auf und sorgte auch für dessen Familie. — Drei Monate lang hatten wir es nicht mehr gewagt, zu Hause zu schlafen. Erst als mein Vater einen Nachtwächter eingestellt hatte und 16 Hofhunde noch dazu, blieben wir wieder zu Hause. Die Nachbarn hatten uns während dieser ganzen Zeit aufgenommen gehabt. Vielleicht darf ich hier auch noch ein Wort über unser Verhältnis zu den Menschen sagen, inmitten derer wir wohnten. In der Hauptsache waren es Bulgaren, die die Plätze der Türken und Tataren eingenommen hatten; und nach 1913 kamen auch noch Rumänen dazu. Auf einen Nenner gebracht: Es war ein vorbildlich gutes Zusammenleben. Wir waren Freunde. Wenn man in der heutigen Welt doch auch einmal derartiges hören würde. Überall ist nur von Haß und Rache die Rede. So viel ich weiß, waren alle deutschen Kolonisten um das Schwarze Meer herum mit den Angehörigen der anderen Völker auf das Beste ausgekommen. Nur die Politiker schürten den Haß. Aber auch das hat uns dort unten in der Dobrudscha nicht angefochten. Die Menschen haben uns lieb gehabt und sie hatten unsere Familie sicherlich nicht deshalb lieb, weil meine Mutter die reinste Wohltäterin war. Sie hat geholfen, wo sie nur helfen konnte, und das hat sich auch auf meinen Vater und auf uns Geschwister übertragen. — Wir Kinder waren wohl Deutsche, aber wir beherrschten sowohl das Bulgarische und auch das Rumänische wie unsere Muttersprache. Wenn wir uns bei unseren Altersgenossen aufhielten, so wußten deren Eltern oft nicht, daß wir die Grohnschen Kinder waren. An der Sprache haben sie uns nicht erkannt. Zuerst besuchten wir die bulgarische Schule und dann die rumänische, und konfirmiert wurden wir in dem deutschen Dorfe Kobadin. Wir alle hätten, so wie meine Schwestern Olga und Emma, Bulgaren heiraten können, aber unser Wunsch, unser aller Wunsch war es, Deutsche heiraten zu können. Nur hatten nicht alle dazu Gelegenheit. Meine Schwester Olga heiratete im Jahre 1919 den bulgarischen Gutsbesitzer Willi Gantscheff. Ihre drei Töchter, Pauline, Renate und Elida, leben heute noch in Bulgarien mit ihren bulgarischen Ehemännern. — Die Schwester Emma war mit Dimitrie Bantscheff verheiratet 178 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 179 ============================================================================ und die beiden Söhne Rudolf und Edwin leben ebenfalls in Bulgarien. Emma ist schon 1935 gestorben. Mein Bruder Woldemar hatte Mitte der dreißiger Jahre die Mühle von Vater übernommen und wir, Luise und ich, zogen mit den Eltern nach Kobadin, um wieder deutsche Laute zu hören, in die Kirche gehen zu können, kurz, nur wieder bei der gleichen Art zu sein. Wir beiden Mädchen heirateten in Kobadin und wurden dann mit den Eltern im Jahre 1940 umgesiedelt. Mein Vater ist nach der Flucht 1946 76jährig gestorben und meine Mutter wurde 95 Jahre alt. Unsere Kinder und Kindeskinder sind heute über Westdeutschland zerstreut. Unter den vielen Wohnorten, die wir, die Familie Grohn, während unseres Lebens kennen gelernt haben, betrachten wir das Dorf Karalie in der bulgarischen Dobrudscha als unsere eigentliche Heimat. Dort waren wir aufgewachsen und dort haben wir unsere schönsten Tage verbracht und wir fühlen uns auch heute noch den dortigen Menschen verbunden. Die Stationen auf dem Lebensweg meines Vaters Daniel Traugott Grohn waren: Lodsch (Litzmannstadt), Arzis und Chilia in Bessarabien, Ormantschik und Karalie in der bulgarischen Dobrudscha, Kobadin in der rumänischen Dobrudscha, Umsiedlerlager in Nieder-Österreich, Ansiedlung in Westpreußen, gestorben in Marktl am Inn. Ein Mamuslier berichtet Von Karl Kühn, Mamuslie Wir Mamuslier dürfen uns freuen, daß in dem „Jahrbuch der Dobrudschadeutschen“ schon so mancher Bericht über unser Dorf und Seine Menschen veröffentlicht worden ist. Ich selbst möchte hier nur kurz aus meinem Leben berichten, weil ich mit der Orthographie und mit dem Schreiben überhaupt auf Kriegsfuß stehe. Wo habe ich mir vor 70 Jahren diese Künste auch aneignen sollen? Ich gehöre zu den Erstgeborenen des deutschen Dorfes Mamuslie an der bulgarischen Grenze. Meine Eltern waren als ein junges Ehepaar aus Atmadscha im Frühjahr 1893 nach Mamuslie gezogen, weil sie dort vom rumänischen Staat 25 Hektar Land unentgeldlich zugeteilt erhielten. Wie es während der Ansiedlungszeit in Mamuslie ausgesehen hat, darüber kann man in den Jahrbüchern 1959, 1962 und 1972 nachlesen. Ich möchte hier noch nachtragen, daß das türkische Wort Mamuslie auf deutsch so viel wie „mit den Sporen“ oder vielleicht auch die „Gespornten“ heißt. Die Tataren und Türken aus Mamuslie dürften zu der Zeit, als sie ihr Dorf gründeten, zum Unterschiede von ihren Stammesgenossen aus den Nachbardörfern, Reiter gewesen sein. Möglich, daß es auch Soldaten gewesen sind, weil die „Zivilisten“ zum Reiten keine Sporen trugen. — Hinweisen möchte ich auch noch auf die wilde Steppe, inmitten der Mamuslie lag. Die jungen deutschen Kolonisten hatten ihre Siedlung neben den Ruinen des alten türkischen Dorfes angelegt, dem Geisterdorf, dessen Bewohner im letzten Russisch-Türkischen Krieg niedergemetzelt worden waren. Die Steine zum Hausbau mußten vom alten Dorf nur herübergeholt werden, und was noch für unsere Eltern günstig war, sie mußten keine Brunnen graben. Die Türken hatten gute, tiefe, durch Felsschichten gegrabene Brunnen hinterlassen; im Brunnenbau waren sie uns weit überlegen. 179 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 180 ============================================================================ Aus meiner Kindheit Wie gesagt, einen Schulunterricht habe ich kaum kennen gelernt. Eine rumänische Staatsschule bekamen wir erst dann in unser Dorf, als ich schon 14 Jahre alt war, so daß ich diese nicht mehr besuchen mußte. Mit den deutschen „Küsterlehrern“ war das so eine Sache. Sie wechselten nahezu jedes Jahr und anfangs hatten wir gar keine. Einen Winter lang ging ich zu den Baptisten in die Schule. Soweit ich mich noch erinnern kann, war dort ein Fräulein angestellt mit Namen Hedwig Hofmann. Ich dürfte damals zwölf Jahre alt gewesen sein, als uns Fräulein Hofmann nach den Tieren und Vögeln der Steppe fragte. Die Namen wurden mit Begeisterung kunterbunt genannt. Nachdem etwas Ruhe eingetreten war, meldete sich auch noch der kleinste unter uns und rief dann ganz laut: „Es gibt auch noch die Steppenforzer!“ Von uns Kindern her, ertönte ein schallendes Gelächter, und bei der Lehrerin gab es ein langes, fragendes Gesicht. Sie wollte wissen, warum wir so lachen, und was für ein Tier das sei. Wir waren begeistert, daß wir Fräulein Hofmann etwas beibringen durften und belehrten sie, daß das die Steppenhühner seien. Und wenn ich mich nicht täusche, war der Kleine von damals, der heute über 70jährige Christian Ponto. Wir Kinder mußten schon sehr früh zu Hause in der Wirtschaft mithelfen. Mit neun oder auch zehn Jahren durfte ich die Pferde am Pflug treiben, denn das Ackern auf der verwilderten Steppe war noch nicht leichter, es mußten noch bis vier Pferde vor den Pflug gespannt werden. Einmal hatte ich mir Streichhölzer in die Tasche gesteckt und kurz vor dem Nachhausefahren am Abend ein Feuerchen gemacht. Als wir dann zu Hause schon schlafen gehen wollten, da wurde unser Dorf durch einen Riesenbrand in Unruhe versetzt. Große Teile der Steppe brannten, und ich kam mir vor.wie ein Held. Wie habe ich mich gefreut, daß ich ein so tüchtiger Kerl bin, der ein so großes Feuer machen kann... Für uns Kinder war es auch immer eine große Freude, an die Felsen gehen zu können. Dort schmeckte uns der Sauerampfer am besten, und dort stellten wir uns auch auf die Schidkröten, um uns von ihnen tragen zu lassen. Aufregend für uns waren die Schlangenjagden. So erinnere ich mich, als wir wieder einmal mit unseren Stecken eine Schlange halb totgeschlagen hatten, daß wir sie über ein Feuer hielten und ich sah, wie an ihrem Bauch sich Füße zeigten. Vielleicht waren das auch nur Schuppen, die durch das Feuer aufgerichtet worden waren? Auf alle Fälle, ich werde das Bild mit der Schlange auch heute noch nicht los, steht doch in der Bibel davon, daß die Schlange auf dem Bauche gehen sollte. Unvergeßlich wird mir auch eine Krankheit bleiben, die ich als neunjähriger Junge durchgemacht habe. Eine ärztliche Betreuung gab es bei uns im Dorfe nicht. Wenn jemand krank war, dann wurden fast immer alte Frauen gerufen, die sich (Bild) Schildkröte in der Dobrudscha 180 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 181 ============================================================================ einigermaßen in der „„Volksmedizin“ auskannten. Sie gaben an, was zu machen sei, wie man sich zu verhalten hatte. Damals, um das Jahr 1900, war in manchen unseren Dörfern immer noch die Vorstellung anzutreffen, daß man im Banne einer Zauberei stehen könnte. Zu mir hatten meine Eltern unsere Großmutter Hildebrandt geholt. Auch sie kannte noch solche Hexensprüche, die sie, über den Kranken gebeugt, hersagte. Dabei stellte sie fest, daß ich das Maß verloren hatte. Großmutter Hildebrandt nahm einen Zwirnfaden, maß damit meine Länge und legte ihn dann zu einem kleinen Knäuel zusammen, den sie in einem Löffel verbrannte. Über die Asche des Fadens goß sie Wasser, flößte mir diese Brühe ein und sagte dann, daß ich nun wieder mein rechtes Maß habe. Erst viele Jahre später wurde mir bewußt, wie wir vor dem Ersten Weltkrieg gelebt hatten und was für ein Satanswerk noch praktiziert worden ist. Wie gesagt, so hinterwäldlerisch ging es nicht in allen unseren Dörfen zu. Aus meiner Jugendzeit Als ich konfirmiert werden sollte, da hatten wir einen überaus strengen Lehrer aus Berlin, bei dem wir viel auswendig lernen mußten. Konfirmiert wurde ich in Kobadin durch Pfarrer Ernst Meyer. Als Konfirmand war ich bei Familie Mix im Quartier. Hier erlebte ich zum ersten Male, daß Hausandachten gehalten wurden. Auch beeindruckte mich sehr der Kobadiner Kirchenchor, auch so etwas war mir unbekannt. In Kobadin, in dem so viele fromme Menschen wohnten, konnte es nicht ausbleiben, daß ich von dorther zum Guten hin beeinflußt wurde. Vor über 60 Jahren, als ich ungefähr 18 Jahre alt war, da hatten wir in Mamuslie einen gläubigen Lehrer aus der Schweiz, der nicht nur den Gottesdienst hielt, sondern auch zum ersten Male in unserer Gemeinde einen Jugendchor gründete. Wir sangen in der Hauptsache religiöse Lieder. Nach einiger Zeit fing er an, Versammlungen an Sonntagabenden in der Kirche abzuhalten. Wie es damals der Brauch war, wurde aus dem Kreise der Teilnehmer vorgeschlagen, welches Lied gesungen werden sollte. Dabei fing der heilige Geist an zu wirken. Ich wurde dabei unruhig, denn ich hatte es schon vorher kommen sehen, daß etwas passieren würde, und mich dagegen gesträubt, ja den Lehrer verwünscht. Zwei Mädchen hatten angefangen zu beten und bekannten vor uns allen ihre Sünden. — Als an einem Sonntagabend meine Nachbarin Rosa Hinz das zu singende Lied angab: „Fort, fort mein Herz dem Himmel zu, denn in diesem falschen Weltgetümmel ist für dich keine Ruh, fort, fort dem Himmel zu“, da war es um mich geschehen. Mein Herz fing an zu schlagen, mir brach der Schweiß aus, und vor lauter Unruhe war ich darauf bedacht, daß es niemand merken sollte — weil ich mich schämte. Ich ging als erster aus der Versammlung und auch gleich heim. Mein Bruder Johann und ich hatten ein Bett zur Verfügung. Die ganze Nacht über fand ich keinen Schlaf, ich hörte die Hunde bellen, die einzelnen Hahnenschreie, und gegen Morgen klopfte meine Mutter ans Fenster und rief: „Jungens, aufstehen!“ Während der Nacht hatte ich kein Auge zugedrückt und überlegt, ob ich zu Onkel Hofmann gehen, damit er mit mir oder für mich beten sollte. Ich hatte Angst, mit meinen Eltern über meinen Zustand zu sprechen und habe letzten Endes vor lauter Scham niemanden etwas gesagt. Die Hochzeiten wurden in Mamuslie im Herbst, im Winter und im Frühjahr gefeiert. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen war gewöhnlich am Donnerstagabend der Polterabend und am Freitag dann die Trauung und die Hochzeitsfeier. Am Polterabend wurde unter anderem festgelegt, wer wem die Blumen 181 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 182 ============================================================================ (Bild) Haus am Ende von Tschukurow 1929 (Bild) Hof in Tariverde 1931 182 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 183 ============================================================================ anzustecken hatte, wie an dem Hochzeitstisch die Sitzordnung sein sollte usw. Am Freitag in der Frühe gingen dann alle, auch das Brautpaar, zum Brautdiener, das war vor dem Ersten Weltkrieg Daniel Rust, zum Aufbändeln. Doch dort herrschte oft Uneinigkeit, weil man die Sitzordnung nach dem Ansehen der Person einteilte und nicht nach dem Grad der Verwandtschaft. Dafür ein Beispiel: Bei der Hochzeit von meinem Geschwisterkind, Johann Kühn, war ich einer der nächsten Verwandten. Nach dem Aufbändeln bei Daniel Rust ging alles zum Hochzeitshaus zum Kaffeetisch: Der Brautdiener voran, schön geschmückt, an der Mütze den Hochzeitsstrauß mit den verschiedensten schönen herunterhängenden Bändern, an der rechten Seite wieder ein Strauß mit Kolorbändeln und in der rechten Hand ein kleiner Griff mit weißem Taschentuch und „Bändeln“; die Braut und die Brautmädels in der breiten Reihe, die Brautjungen anschließend in der Reihe, wie sie am Hochzeitstische sitzen sollten. Mich als nächsten Verwandten hatte man erst als fünften in der Reihe eingeordnet. Davon hatte mein Vater anscheinend erfahren, denn als wir an unserem Hoftor vorbeikamen, da sagte er für alle vernehmlich: „Jong, du jest mi naus!“ Das tat ich denn auch sofort. Es hat nicht lange gedauert, da kam der Brautdiener zu uns und entschuldigte sich, aber was geschehen war, konnte nicht mehr ungeschehen gemacht werden. Mit einem andern Brautmädel wurde ich nach „oben“ gesetzt. So haben die Bräuche von damals manchen Kummer bereitet. Ob aber heute auch alles ohne Kummer verläuft, wenn so manche jungen Paare wie die Tiere zusammengehen ohne zu bedenken, was sie dadurch für sich und andere ausrichten. Im Ersten Weltkrieg Meine Militärdienstzeit leistete ich, wie so viele deutsche Bauernjungen, in dem 9. Kavallerieregiment in Konstanza ab. Man hatte in diesem Regiment mit eigenem Pferd einzurücken, und die Ausbildungszeit war dafür kürzer als sonstwo, allerdings wurde man des öfteren zu Übungen eingezogen. Aus Mamuslie waren wir zu dritt in der gleichen Schwadron, Wilhelm Adam, Christian Hildebrandt und ich. Nach Beendigung des ersten Dienstes und unserer Entlassung haben wir drei 1915 geheiratet. Schon Anfang 1916 wurden wir wieder einberufen und zwar nach Basardschik, der Hauptstadt des Kreises Kaliakra, in das 5. (Rosiori-)Reiterregiment. Von dort mußte ich zurück nach Mamuslie, um mein Pferd abzuholen, da inzwischen Rumänien Österreich-Ungarn den Krieg erklärt hatte. Bei der Verabschiedung von zu Hause sagte ich zu meinem Pferd Foka, „und nun müssen wir beide in den Krieg“, das meine Mutter und meine Frau noch hörten. Sie versuchten sich selbst und mir Trost zuzusprechen. Unser Regiment war nach Alexandria nördlich der Donau in die Muntenia verlegt worden. Wir Deutsche aus der Dobrudscha, es waren auch noch aus an- deren Dörfern Kameraden dabei, hatten als rumänische Soldaten unsere Pflicht zu tun, auch wenn wir gegen deutsche Soldaten in den Kampf kommen sollten. Und der ließ nicht lange auf sich warten. Von Alexandria wurden wir auf schnellstem Wege zur Entlastung der bei Turtucaia und Silistra tobenden Schlacht verfrachtet, Wir hatten in der Nähe von Silistra die Donau zu überqueren, um den Deutschen, Bulgaren und Türken in die Flanke zu fallen. Unser Unternehmen wurde jedoch ein Mißerfolg, und unser Rückzug über die Donau war eine Katastrophe, denn nicht alle konnten nach der Zerstörung der Pontonbrücke das jenseitige rettende Ufer der Donau erreichen. Von den Soldaten “ konnte niemand schwimmen; das verstanden lediglich die Pferde. In der Dobrudscha hatten wir den strikten Befehl erhalten, beim Rückzug alles niederzu- brennen und die Bulgaren abzuschlachten, weil bulgarisches Militär auf schändliche 183 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 184 ============================================================================ Weise rumänische Gefangene umgebracht hatte. — Gegen Mitternacht wurde uns von einem französischen Offizier auf französisch ein Befehl mitgeteilt, von dem wir nur die beiden Wörter „Direktion Bukarest“ verstanden. Es dauerte nicht lange, da kamen auch schon deutsche und bulgarische Kavalleristen über die Donau. Wir froh war ich da, daß wir uns in der angegebenen Richtung schon in Marsch gesetzt hatten. An einem der nächsten Tage hatte einer unserer Spähtrupps zwei deutsche Soldaten gefangen genommen und einen dritten, wegen seinen schönen Stiefeln umgebracht. Als die zwei Gefangenen, einer davon war ganz blutverschmiert, an uns vorbeigeführt wurden, sagte mir mein Unteroffizier, daß er sich ebenfalls und zwar auf die gleiche Art wie sein Kumpel von dem einen Gefangenen dessen Stiefel holen werde. Kurz darauf bekam unsere Schwadron den Befehl, die Deutschen, die in einem Tale gesichtet worden waren, anzugreifen. Aber was war mit unserem Hauptmann plötzlich los? Er, der sich uns gegenüber immer so forsch gegeben hatte, erwiderte dem Oberst, daß er seiner Kinder wegen diesen Angriff nicht übernehmen könne — und das vor uns Soldaten! Da meldete sich der Hauptfeldwebel, daß er alles machen würde und setzte sich mit seiner Lanze an die Spitze der Schwadron. Unser Hauptmann wurde dann einer Gruppe zugeteilt, die die Sicherung übernehmen sollte, dazu ich auch gehörte. Ich möchte mir die Schilderung des Kampfes ersparen. Nach diesem war ich jedenfalls um viele Erfahrungen reicher. Ich hatte den Menschen im Menschen kennengelernt. Alle unsere Vorgesetzten, einige könnte ich noch mit Namen nennen, entpuppten sich nun ganz anders, als wir es erwartet hatten: vorher die großen Worte, und jetzt das Versagen. Vielleicht sollte man diese Tatsachen, die die Rumänen selbst als die „Schande von Turtukaia“ apostrophieren, in einem „Zeitbild“ zu schildern versuchen. Tatsache ist aber auch, daß dann unser Hauptmann, Leutnant, Hauptfeldwebel, Unteroffizier usw. bei diesem Unternehmen gefallen sind. Sie hatten selbst, das was sie uns beibringen sollten, nicht beachtet. Auch einige meiner Kameraden sind links und rechts neben mir gefallen; Simon Knodel aus Fachri war mit einer Verwundung davongekommen. Nach weiteren kleineren Treffen erreichten wir auf unserem Rückzug im Winter 1916/1917 die Moldau. Neben uns zogen sich russische Einheiten auch zurück. Sie wirkten ausgeruht und munter. An den Kämpfen beteiligten sie sich nicht. Man sah sie in der Hauptsache um ihre Feldküchen und um ihre riesigen Teekessel herumstehen. Hie und da gaben sie auch einen Schuß aus ihren Geschützen ab. Typhuskrank In der Moldau erwarteten uns Not und Elend. Unser Nachschub klappte gar nicht, und aus dem Lande war kaum etwas zu holen. Zerlumpt und verlaust bewegten wir uns weiter. Das Stehlen war an der Tagesordnung. Durch Tabak konnten wir uns das eine oder andere eintauschen, das heißt, wer sich in der glücklichen Lage befand, überhaupt Tabak zu bekommen. Das Maismehl, das wir zugeteilt erhielten, war bitter, und die daraus gekochte Mamaliga schmeckte dementsprechend. Es stellte sich Typhus ein; dabei starben besonders die Rekruten, die Neuzugänge, der Reihe nach weg. Auch ich wurde typhuskrank. Wir waren in den Räumen einer Schule untergebracht. Verlauste Decken wurden auf Stroh gelegt, und die Kranken hatten auf diesen Lagern kaum Platz, so dicht an dicht lagen sie. Jeder konnte erkennen, wann an ihn die Reihe zum Sterben kam: das Fieber kletterte auf seinen Höchststand, dann kam die Bewußtlosigkeit, aus der man nicht mehr aufwachte. 184 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 185 ============================================================================ Die Typhuskranken bekamen, um wenigstens einigermaßen ihren Durst löschen zu können, etwas Milch. An einem Abend, als ich wieder hohes Fieber hatte, kam ein Sanitäter zum zweiten Mal mit dem Thermometer zu mir. Ich dachte, daß er mir besonders helfen wollte, aber am nächsten Tag hörte ich es anders: Er hatte nicht geglaubt an mein hohes Fieber, er war nur darauf aus, mich beim Simulieren überführen zu können. Milch war vielleicht auch nur deshalb da, weil die Bewußtlosen keine trinken konnten. Um sie wieder zur Besinnung zu bringen, tauchte man einen Lappen in das kalte Schneewasser, das mitten im Saale stand und schlug sie mit diesem nassen Lappen, um ihr Fieber zu vertreiben. Man hätte über diesen Unsinn lachen können, aber wem stand der Sinn nach Lachen? Eines Tages kam ein Arzt zur Visite. Er ging die Reihen entlang und sagte immer nur: „Nicht wahr, es geht dir schon wieder besser!“ Der Sanitäter, ein Feldwebel, der mit dabei war, war ein großer Deutschenhasser. Nach dieser Visite bekam ich keine Milch mehr, sondern nur noch etwas Tee. Niemand gab mir Wasser, um meinen Durst löschen zu können. Da schleppte ich mich unter Aufbietung aller meiner Kräfte zu dem Kübel mit Wasser und schlürfte gierig das kühlende Naß. Es hatte mich zum Glück niemand gesehen. Am nächsten Tag war ich inmitten der Röchelnden und Sterbenden immer noch bei Bewußtsein. Es kann sich wohl kaum einer vorstellen, wie ich in all diesen Tagen zu unserem Gott geschrien habe, er möchte mir doch mein Leben wieder schenken. Und Gott schenkte mir die Kraft, wieder tatkräftig zu werden. Ich hatte bei mir meinen letzten vollen Monatssold. Für diesen konnte ich mir durch einen Dobrudschaer, der hereingeschaut hatte, einen Liter Milch und etwas Maismehl holen lassen. Auf dem Kanonenofen ließ ich die Milch aufkochen und machte mir mit dem Mehl eine Mamaliga. Obwohl mein Magen dann beim Essen wie Feuer brannte, verschlang ich alles voller Gier — mitten in der Nacht. Am nächsten Tag hatte ich immer noch gleich hohes Fieber, und wieder kam bei Nacht mein rumänischer Landsmann und brachte mir einen Krug voll Wasser. Ich wußte von zu Hause, daß wenn man richtig schwitzt, so manche Krankheit geheilt werden konnte. So holte mich mein Kamerad aus der Schule heraus und brachte mich in ein Haus, das einen großen Ofen hatte, auf dem man schlafen konnte. Auf diesen kroch ich mit einer Decke und machte immer wieder die Heiztüre auf, so daß der Schweiß richtig ausbrechen konnte. So trieb ich es die ganze Nacht, mit Schweißausbrüchen, mit dem Öffnen der Ofentüre und auch der Haustüre. In der Frühe schlief ich ganz entkräftet ein. Gegen Mittag hörte ich ein lautes Sprechen. Mein Landsmann aus Cuzgun, dessen Namen ich nicht mehr weiß, weil wir damals nur kurz zusammen waren, ich weiß nur noch, daß er aus Cuzgun unweit von Mamuslie herstammte, rief mir zu: „Carole, Carole, mai trăieşti?“ („Karl, Karl, lebst du noch?“) und zu einem anderen Kameraden sagte er: „Uitete, a murit şi el!“ („Schau her, auch er ist gestorben!“). Den andern hörte ich sagen: „Săracu, a murit!“ („Der arme, er ist gestorben!“). Doch da hörte ich den Cuzguner wieder: „Carol, mai trăieşti?“ („Karl, lebst du noch?“). Und erst jetzt konnte ich antworten: „Da, puţin“. („Ja, ein bißchen“). — Dann kamen die beiden mit Wasser und Seife und wuschen mich. Sie sagten einander: „Ia uitete, asta mai este un om? Numai oase, numai oase!“ (Da, schau her, ist das noch ein Mensch? Nur noch Knochen, nur noch Knochen!“). Diesen beide Cuzgunern bin ich auch heute noch unendlich dankbar. Sie fielen beide in der 40 Tage langen Schlacht gegen Mackensen in der Moldau, in der ich dann auch noch eingesetzt war. Dank euch, meine lieben Kameraden von damals. Nach der Kapitulation der Russen mußten auch die Rumänen sich zu einem Separatfrieden mit den Mittelmächten bequemen. Wir Kriegsgefangenen wurden 185 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 186 ============================================================================ von den Deutschen entlassen. Ich durfte wieder zurück nach Mamuslie und traf dort deutsche Besatzungssoldaten an. Das war ein komisches Gefühl. Rund ein Jahr lang war ich im Einsatz gegen die Deutschen, und hier bewegten sich deutsche Soldaten wie im tiefsten Frieden. Sie waren mit ihrem Los als Besatzungssoldaten überaus zufrieden, ging es ihnen doch bei uns in der Dobrudscha immer noch am besten. Nirgendwo sonst in Europa hätten sie ein so beschauliches Leben führen können. Eines Tages mußten aber auch sie wieder zurück in ihre Heimat. Das Deutsche Reich hatte kapituliert. Wir rumänische Soldaten wurden bei der Rückkehr der Rumänen in die Dobrudscha gleich einberufen. Es ging wiederum in den Krieg. Diesmal, 1919, marschierten wir in Siebenbürgen und im Banat ein und dann weiter nach Ungarn. Die Rumänen waren es, die Ungarn von einer bolschewistischen Diktatur befreien konnten. Damals, in den Monaten unseres Aufenthaltes in Ungarn, wurden wir zum ersten Male mit einer kommunistischen Schreckensherrschaft konfrontiert. Wir hatten Ungarn die Freiheit wiedergegeben. Als Sieger im Ersten Weltkrieg wurde ich mit Orden geschmückt und entlassen. — Einige der Stätten unseres Feldzuges von 1919 habe ich im Jahre 1970 anläßlich meiner vierten Rumänienreise nach dem Krieg und auch Ungarn während der großen Flutkatastrophe wieder gesehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war ich viel unterwegs. Fünfmal war ich in der alten Heimat und dreimal in Kanada. Auch auf diesen Reisen habe ich viel erlebt und konnte Vergleiche anstellen. Wenn man kurz davor Steht, in die Achtzig zu kommen, dann erscheint einem vieles nicht mehr wichtig. Man betrachtet so manches mit Abstand. Wie gerne hätte ich allen Jahrbuchlesern auch noch davon geschrieben, was es heißt, ein Gotteskind zu sein. Wie oft lag ich vor meinem Herrn auf den Knien und bat ihn, mich seiner Gnade teilhaftig werden zu lassen. Ich bin davon überzeugt, daß wir dahin kommen, nur noch eine Herde und einen Hirten zu haben. Das Scheinchristentum in dem Land der Reformation wird einmal hinweggefegt werden. Es wird wieder einen Glauben geben, nach der Wiedergeburt, die uns unser Herrgott schenkt. Matthias Claudius hat vor 200 Jahren gesagt: „Überhaupt ist nicht zu begreifen, wozu man sich mit den Freigeistern und Zweiflern so weit- läufig in Demonstrationen abgibt und von ihrer Freigeisterei und Zweifelsucht so viel Aufhebens macht. — Christus sagt ganz kurz: ‚Wer mein Wort hält, der wird inne werden, ob meine Lehre von Gott sei.“ 186 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 187 ============================================================================ „Vetter Bastian” - Patriarch und Unikum eines Dorfes Erinnerungen an Sebastian Kreis aus Karamurat Von Prälat Hieronymus Menges, Karamurat Niemand hat Karamurat gekannt, der nicht auch Sebastian Kreis gekannt hätte. Denn Vetter Bastian gehörte zum Dorf wie die Kirche und die Bäume an den Alleen. Er zählte zu den sieben Familienvätern, die das deutsche Dorf gegründet hatten; als er im Sommer 1940 zur letzten Ruhe gebettet wurde, war bereits das letzte Blatt der Geschichte des deutschen Dorfes Karamurat aufgeschlagen. So wurde er zum lebendigen Symbol deutschen Lebens in jenem Dorf der Dobrudscha. Als sich Vetter Bastian 1878 in Karamurat ansiedelte, wohnten dort fast nur Türken, die er fortan alle persönlich kannte und deren Sprache er einigermaßen gut beherrschte. Auch die neu hinzugezogenen rumänischen Familien lernte er alle kennen, pflegte sich jedoch ihrer Sprache kaum zu bedienen. Seine Frau Rosa heiratete er bereits als Siebzehnjähriger. Sie schenkte ihm 14 Kinder und starb schließlich an Lungenschwindsucht. Rosa soll eine gar gestrenge Herrin gewesen sein und bewahrte den Witwer dadurch vor dem Gedanken an eine abermalige Verehelichung. Überhaupt konnte er Frauen nicht recht leiden. Geringschätzig nannte er sie „Azele“ und „Rohrspatzen“. Seine (Bild) „Veter Bastian“, Sebastian Kreis, 1939 in Karamurat 187 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 188 ============================================================================ Gedankenwelt war patriarchalisch ausgerichtet; die Frauen sollten möglichst schweigen. Aber auch in Männergesellschaft liebte es Vetter Bastian, das Wort zu führen. Mischte sich jedoch eine Frau ein, ging er in die Luft: „Zehn Männer un e Frau, un man kann ke Wort mehr rede!“ Vetter Bastian überlebte dreizehn seiner Kinder und seine meisten Enkel; sie waren fast durchwegs an Schwindsucht gestorben. Nur sein Sohn Emanuel, der Priester geworden war, konnte ihm, der 90 Jahre alt geworden war, im Sommer 1940 das letzte Geleit geben. Heute leben nur noch drei Enkelinnen: Pauline die Tochter seines ältesten Sohnes Zachäus, die mit Alois Götz verheiratet ist (in Straßkirchen), und die beiden Töchter seines Sohnes Felix: Pauline, die mit Josef Bachmeier, und Monika, die mit Jakob Ternes verheiratet ist. Beide leben heute mit ihren Familien in Chicago/V.St. Zum täglichen Dorfbild gehörte es, Vetter Bastian mit einem Handstock durch die Straßen gehen zu sehen, jeden grüßend, sich mit jedem unterhaltend. Das Haus von Vetter Bastian lag schräg gegenüber jenem meines Vaters, dessen Onkel er war. Zu seinem Anwesen gehörten eine ansehnliche Fläche Land sowie wohl der schönste Weingarten des Dorfes. Jeden Morgen führte also Vetter Bastians erster Weg über die Straße zu meinen Eltern: „Gute Morjet, Peter, Dora! Is was Neues?“ ... Und so ging es weiter von Haus zu Haus. Vetter Bastian interessierte sich für alles und trug etwaige Neuigkeiten im Dorf weiter. Er wußte, wo jemand krank war, wo gestritten oder gefeiert wurde und wo sich in Haus oder Stall Nachwuchs eingestellt hatte. Er war einfach die lebendige Zeitung des Dorfes. Sobald es Abend wurde, klopfte Vetter Bastian erneut an meinem Elternhaus an. Er setzte sich zu unserer Familie in die Stube, wo mein Vater aus deutschen Zeitungen und Büchern laut vorlas. Noch genau habe ich das Bild vor Augen, wie Vetter Bastian auf einem Stuhl saß, beide Hände auf seinen Stock stützte und aufmerksam zuhörte. Nach längerer Zeit wurde ihm sein Kopf schwer; er ließ ihn auf seine aufgestützten Hände niedersinken und schlief endlich ein. Mein Vater las dann für sich leise weiter, bis Vetter Bastian aufwachte und nach Hause ging. Trotz seiner Intelligenz tat sich Vetter Bastian mangels ausreichender Schulbildung im Lesen und mehr noch im Schreiben schwer. Um so mehr war aber sein Gedächtnis trainiert und zuverlässig. Nach 40 bis 50 Jahren wußte er noch genau, worüber der erste Pfarrer von Karamurat, P. Willibald Steffen, an dem oder jenem Feiertag gepredigt hatte. Was Vetter Bastian einmal gehört oder gelesen hatte, vergaß er nicht mehr. Die Geschichte des deutschen Dorfes war ihm bis ins kleinste Detail eingeprägt. In den Sommerferien 1938 bis 1940 schrieb ich an einer Chronik der deutschen katholischen Dörfer der Dobrudscha und machte Aufzeichnungen über Aberglaube, Sitten und Gebräuche der Deutschen. Vetter Bastian diente mir hierbei als beste und zuverlässigste Quelle. Niemand in den anderen deutschen Dörfern, die ich besucht hatte, konnte so präzise Angaben über Namen und Daten geben wie das Vetter Bastian für Karamurat, aber auch für manch anderes Dorf verstand. Seine Frömmigkeit war bekannt. Jeden Morgen wohnte er, wenn es nur irgend möglich war, der hl. Messe bei. Die Sonn- und Feiertage hielt er streng ein. Keinerlei Arbeit wurde verrichtet; um die Würde des Tages zu unterstreichen, ließ er sich tags zuvor regelmäßig rasieren und trug Festtagskleidung. Im Herbst hatte Vetter Bastian gewöhnlich keine Zeit, werktags in die Messe zu gehen. An einem solchen Tag ging einmal Pfarrer Lenz an seinem Hof vorbei, wo gerade Weintrauben vom Wagen abgeladen wurden. Der Pfarrer fragte 188 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 189 ============================================================================ den sonst so eifrigen Kirchenbesucher nach dem Grund seiner Abwesenheit, erhielt jedoch keine Antwort. Vetter Bastian schien nichts zu hören und arbeitete weiter. Pfarrer Lenz bemerkte nun: „Gewiß denkt Ihr Euch: ’Ich hab’ ja einen Pfarrer, der für mich betet.”‘ Vetter Bastian schaute den Pfarrer nachdenklich an und sagte: „Ach was! Der bet niddemol for sich!“ Zu seinem Sohn Emanuel, der Geistlicher war, hielt Vetter Bastian, sobald er die Position seines Sohne irgendwie angegriffen glaubte. Als Vater erlaubte er sich dennoch, seinem Sohn immer kritische Ratschläge und Ermahnungen zu erteilen. Jedesmal wenn er von seinem Sohn einen Brief erhielt, mußte ihn mein Vater vorlesen und die Antwort schreiben. Als Pfarrer Kreis die große - Pfarrei in Turnu-Severin übertragen worden war, beschrieb er seinem Vater in einem langen Brief sein neues Arbeitsfeld. Als mein Vater den Brief vorgelesen hatte, fragte ihn Vetter Bastian um seine Meinung. Mein Vater fand alles wunderbar und beglückwünschte Pfarrer Kreis zu dieser Ernennung. Vetter Bastian war aber unzufrieden: „Les den Brief nochemol!“ bat er. Mein Vater kam dem Wunsch nach und sollte wiederum sein Urteil abgeben. Auch diesmal konnte er die Unzufriedenheit seines Onkels nicht verstehen. „Verstehst denn nit?“ erklärte nun dieser. „Er schreibt, gute Leit hat’r, e Schul hat’r, e schenes Pfarrhaus hat‘r: alles hat’r. Un e Kerch? Hat’r ene oder nit?“ Als Professor an der Theologischen Akademie zu Bukarest kam ich von 1937 bis 1940 regelmäßig einmal im Monat nach Hause und verbrachte auch die Sommerferien meist in der Dobrudscha. Ganz früh hörte ich dann schon Vetter Bastian vor dem Haus: „Gute Morjet! Peter, Dora! Is d’r Pater Herron schon uff?“ „Ja, er bet,“ hörte ich dann antworten. Nach der hl. Messe erschien er wieder vor dem Haus: „Is d’r Pater Herron schon do?“ fragte er. Wurde verneint, kam er nach einigen Minuten wieder mit derselben Frage. War ich dann immer noch nicht daheim, wurde Vetter Bastian ungeduldig und belehrte meinen Vater: „Peter, der wird grad so wie meiner! D’r Stecke in die Hand und dann los! Und de ganze Tach sieht m’r ihn nimmi!“ Im Sommer trugen die Geistlichen, die Ärzte und Lehrer in Karamurat des Staubes und der Hitze wegen weiße Leinenmäntel. Nun ergab es sich, daß ich nur einen solchen mit blauem Kragen und blauen Manschetten kaufen konnte. Als mich Vetter Bastian in diesem weiß-blauen Mantel sah, fragte er meinen Vater: „Is Deiner gestieh?‘“ Mein Vater verstand nicht, wodurch der sonst so gut informierte Vetter Bastian sich zu dieser Frage veranlaßt fühlte. „Na, weil er annerscht rumlaft wie die annere“, erklärte er. „Die Leit kenne jo grad glave, er is greßer als meiner, weil er e bloer Krage hat!“ Mein Vater lachte und empfahl ihm, mich doch selbst zu fragen. Das tat er auch bei der nächsten Gelegenheit. Ich versicherte ihm, nicht „gestiegen“ zu sein und erklärte, warum ich keinen ganz weißen Mantel habe. Vetter Bastian war aber damit nicht zufrieden. „Ne, Pater Herron!“ sagte er sorgenvoll, „das is nit gut. Man soll nit annerscht rumlaufe wie die annere! Die Leit wisse jo nit, for was Du e bloer Krage hascht. Di menn halt, Du bischt gestieh und bischt greßer als d’r Pater Manel!“ Großen Kummer bereitete dem guten Vetter Bastian die Jugend des Dorfes. Bei jeder Gelegenheit schimpfte er: „Nixnutzige Buve sins’! Faul un verdorb! Wer hat dann sowas zu unsrer Zeit getun? Allegar gehere s’ hingeschlah!“ Nun, es ist eine bekannte Tatsache, daß ältere Leute ihre eigene Jugend in einer verklärenden Rückschau positiv beurteilen und die gegenwärtige Jugend kritisch beurteilen. Im menschlichen Gedächtnis bleiben eben meist nur die angenehmen 189 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 190 ============================================================================ Erlebnisse haften, während man Unangenehmes und Fehlerhaftes rasch und gern vergißt. Bei Vetter Bastian war es ähnlich. Hinzu tritt aber noch, daß er schon sehr früh Vollwaise war und als Knecht dienen mußte. Als er mit 17 Jahren heiratete, war ohnehin einer unbeschwerten Jugendzeit der Riegel vorgeschoben. Wann hätte er also je Jugendstreiche verüben sollen? Da er sich in jungen Jahren nie recht hatte austoben können, fehlte ihm auf der einen Seite das Verständnis für Bubenstreiche, auf der. anderen Seite blieb er sein Lebenlang selber schelmisch und schalkhaft: Gerne foppte er die Kinder, zwickte sie und nannte sie Zigeuner. Die Jugendlichen wiederum wußten aus Erfahrung, daß man Vetter Bastian wirklich grün und blau ärgern konnte — und sie taten es! Mit viel Sorgfalt pflegte Vetter Bastian seinen Obstgarten, aber um die Ernte kümmerte sich zu seinem Leidwesen die Dorfjugend. Um das möglichst zu verhindern, hielt Vetter Bastian, wenn das Obst reif wurde, mit einer Flinte bewaffnet Wache. Natürlich schoß er nicht mit Schrot, sondern mit Salzkörnchen, die ungefährlich waren, aber sehr brannten. Freilich kam er selten zum Schießen, da sein Hund, auf dessen Bellen er sich verließ, von den diebischen Burschen mit in Schnaps getauchtes Brot eingeschläfert wurde. Während nun Herr und Hund schliefen, leerten die Burschen die Bäume ab und nahmen neben dem Obst auch Vetter Bastians Flinte mit. Wenn Sie ihm letztere am nächsten Tag zurückbrachten, schimpfte Vetter Bastian zwar fürchterlich, war aber letztlich niemandem böse. Bei meinen Studien über den Aberglauben hatte ich vielerlei aufgezeichnet: Geschichten über den Spuk, das Treppermännchen, das Anzeichen, das böse Auge und anderes mehr. Vetter Bastian nannte dergleichen „Weibergeplapper“, erzählte mir aber dennoch, daß es in seinem Hause gespukt habe. Zu diesem „Spuk“ war es folgendermaßen gekommen: Vetter Bastian hatte sich ein neues Haus gebaut, dessen Zimmer noch alle leer waren. „In der vorderscht Stub is (Bild) Peter und Dora Menges, die Eltern von Prälat Menges (Karamurat 1938). Im Fenster seine jüngste Schwester Berthilia 190 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 191 ============================================================================ nor e Tisch g’stan“, erzählte er mir. „Wann ich die Schublad rausgezoh han, hat hinner mir ach ener sie rausgezoh.“ Meine Erläuterung, es habe sich einfach um den Widerhall in jenem großen leeren Zimmer gehandelt, ließ er nicht gelten: „Ne, Pater Herron, do machscht m’r nix vor! Das han ich selber erlebt.“ Einmal hatte er abends mehrere Männer zu sich gerufen, daß sie den Spuk miterleben sollten. Diesmal ging es um das Echo, das im ganzen Haus entstand, wenn Vetter Bastian schusterte. Die Männer konnten keinen Geist finden, auch nicht auf dem Dachboden. Als jedoch in diesem Augenblick Vetter Bastian unten im Dunkeln zu schustern begann, und aus allen vier Ecken „die Geister“ mitschusterten, begann er laut zu, schreien, so daß es den Männern auf dem Speicher in die Glieder fuhr und sie mit dem „verhexten“ Haus nichts mehr zu tun haben wollten. Aber Vetter Bastian wußte die Geistermacht zu bannen: „D’r Pater is kumm un hat’s Haus, de’ Hof un de’ Brunne eng'weiht, un alles war weg!“ Als einmal eines seiner Kinder an Keuchhusten litt, gab ihm jemand den Rat, zu mitternächtlicher Stunde aus den Brunnen von vier Höfen Wasser zu schöpfen und von den Dächern dieser vier Höfe je ein Stück Rohr abzubrechen. Das Rohr sollte dann in Kreuzform in die Bademulde gelegt, das erwärmte Wasser aus den vier Brunnen in Kreuzesform hineingegossen und das kranke Kind darin gebadet werden. Dabei sollte man drei „Vater unser“, „Gegrüßt seist Du, Maria“ und „Ehre sei dem Vater“ beten. Zu den Höfen sollte er ebenfalls in Kreuzesform gehen und zwar schweigend: 3/1—2/4. Zitternd machte sich Vetter Bastian auf den Weg zu dem schräg gegenüberliegenden Hof des Josef Söhn. Kaum hatte er dessen Hof betreten, begann der Hund zu bellen. Und schon stand auch Josef Söhn, ein großer Jäger vor dem Herrn, mit der Flinte unter der Haustüre und drohte, zu schießen. Nun hätte Vetter Bastian gemäß dem abergläubischen Ratschlag kein Wort sprechen dürfen, aber in seiner Angst gab er sich zu erkennen, um nicht erschossen zu werden. Er gab also seinen Versuch auf, auf diese Weise sein krankes Kind zu retten, das bald darauf starb. Die Reihe der Anekdoten über Vetter Bastian könnte noch lange fortgesetzt werden, denn dieser Mann hat wie kaum ein anderer sowohl die Geschichte des deutschen Dorfes Karamurat verkörpert als auch zu dessen Belebung beigetragen. Wir pflügten die Erde — nun pflügt uns die Not, wir fuhren einst Garben — nun fährt uns der Tod. Unser Werk haben Glauben und Hoffen gelenkt, nun hat uns die Haßflut der Hölle ertränkt — o sterbende Heimat! Dieser Spruch entstand nach einer der Vernichtungsaktionen an unseren europäischen Kolonisten... (im 20. Jahrhundert). 191 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 192 ============================================================================ Die Reise Dr. Oskar und Frau Magdalena Heinroths im Herbst 1927 in die Dobrudscha Von Erwin Heer, Sarata In meinem Beitrag „Ornithologen besuchen das Donau-Delta“ (dieses Jahrbuch, Jahrgang 1971, S. 132—154) habe ich über Dr. Oskar und Frau Magdalena Heinroth, geborene Wiebe, bereits kurz berichtet. Nunmehr ist die Biographie dieses großen Forschers — des Vaters der Verhaltensforschung — unter dem Titel „Oskar Heinroth“ erschienen; als Verfasser zeichnet kein Geringerer als die zweite Ehefrau Oskar Heinroths, Frau Direktor i.R. Dr. Katharina Heinroth, geborene Berger. Wie erstaunt war ich, als ich in diesem so wichtigen Buche las, daß Frau Magdalena Heinroth über die Dobrudschareise einen 33 Seiten großen Brief — der glücklich Krieg und Nachkriegszeit überstanden hat — an die Mutter (1) Dr. Oskar Heinroths geschrieben hat. Mein erster Gedanke und sehnsüchtigster Wunsch waren: Wie könnte ich in den Besitz dieses großen, zweifellos inhaltsreichen Briefes kommen, der ein kostbarer Beitrag zum Donau-Delta-Besuch bilden würde? Nach längerem Zögern fragte ich bei Frau Dr. Heinroth an, ob sie mir diesen Brief leihweise überlassen könnte. Wie groß war meine Freude, als eines schönen Tages eine Fotokopie desselben bei mir eintraf. Dafür, wie auch vor allem für das mir geschenkte Vertrauen, möchte ich Frau Dr. Heinroth an dieser Stelle meinen ganz besonderen Dank sagen. Zunächst fiel mir auf, daß das Ehepaar Heinroth nicht nur die Dobrudscha, samt Schlangeninsel, besucht, sondern darüber hinaus einen Abstecher nach Konstantinopel und auf dem Rückweg nach Sofia und Budapest unternommen hatte. Also war das Reiseprogramm viel umfangreicher als die Überschrift besagte. Da aber Dr. Heinroth in seinem Vortrag über seine „Novemberreise nach der Dobrudscha und dem Donaudelta“ spricht, außerdem Frau Dr. Katharina Heinroth in ihrem Buche von „einer mehrwöchigen Erholungsreise im Herbst in die Dobrudscha“ schreibt, gehen wir nicht fehl, wenn wir obige Überschrift belassen: Sicher war der Dobrudscha-Besuch Mittelpunkt der Erholungsreise! Daß diese erst im November angetreten werden konnte, liegt daran, weil das Ehepaar Heinroth sich nicht früher von seiner ausgefüllten Forschertätigkeit — Aufzucht und Erforschung der für das Hauptwerk „Die Vögel Mitteleuropas“ beschafften Vögel — freimachen konnte. Natürlich wäre ein Besuch des Donau-Deltas und der gesamten Dobrudscha zur Zeit der Fortpflanzung der Vögel weit lohnender gewesen. Es ist erstaunlich, was das Ehepaar Heinroth trotz dieser so ungünstigen Jahreszeit doch noch alles beobachten und entdecken konnte! Nach Rückkehr wurde der dritte Band „Die Vögel Mitteleuropas“ in Angriff genommen, der bis zum Spätsommer 1928 beendet war. Die Aufzuchten gingen weiter. Was das bedeutet, verstehen wir erst, wenn wir bei Frau Magdalena Heinroth lesen: „Es war himmlisch, mal so lange nichts tun zu brauchen!“ (gemeint ist die 39 Stunden lange Fahrt von Berlin nach Bukarest). Die Reise selbst wurde aufs Beste vorbereitet und Dr. Heinroth dankt besonders der Deutschen Botschaft in Bukarest, zumal sie in Gestalt des sprachkundigen Ingenieurs, Herrn Stauß (2), einen vorzüglichen Begleiter mitgegeben hatte. 192 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 193 ============================================================================ Auch dem Hofjagddirektor, Oberst A. von Spiess (3) und dem Direktor des Zoologischen Museums in Bukarest, Herrn Professor Dr. Antipa (4) widmete Dr. Heinroth Worte des Dankes für die Vermittlung bei den rumänischen Behörden, die sich den beiden Reisenden daraufhin sehr entgegenkommend zeigten. Nun noch kurz zum Brief selbst: Der Verfasser, Frau Magdalena Heinroth, schrieb an ihre Schwiegermutter frisch drauflos, d.h. sie hat eben so geschrieben, wie ihr „der Schnabel gewachsen war“ und das macht meines Erachtens den Bericht in Briefform lebendig und unmittelbar. Man hat seine Freude beim Lesen dieses Briefes. Daß die geistreiche Frau nebenbei auch Gedichte verfaßte, zeugt von ihrem sprachlichen Können und einem reichen Innenleben. Sie beherrscht die Feder meisterhaft und gibt im Brief unwillkürlich ein anschauliches Bild ihres Wesens, das ihr Mann nach ihrem Tode so kennzeichnet: „Sie war in höchstem Maße das, was man gut, edel, wohltätig, aufopfernd und mitfühlend nennt.“ — Den Brief selbst habe ich der Übersicht halber nach den jeweiligen Aufenthaltsorten mit Untertiteln versehen. Die Stellen, die sich mit Dingen befassen, die vielleicht zu persönlich gehalten sind oder mehr das „Exotische“, ja geradezu Pikante hervorheben, wurde gestrichen. Nicht aufgenommen wurden auch Abschnitte über Konstantinopel und die über Ungarn ganz weggelassen, da das alles den gegebenen Rahmen des Jahrbuches gesprengt hätte. Am Schluß habe ich unter der Überschrift „Anmerkungen“ einige Erläuterungen zum Inhalt des Briefes gegeben, die meines Erachtens notwendig waren, um den Inhalt verständlicher zu machen. Für die Veröffentlichung dieses Beitrages im „Jahrbuch der Dobrudscha-Deutschen“, wo er auch hingehört, möchte ich dem Herausgeber danken. Und nun zum Inhalt des Briefes: Berlin, W. 62. Aquarium, den 6. 12. 1927 bis 9. 12. dran geschrieben. Liebe Mama! Deine Anfrage, warum ich nicht mehr an Euch schreibe, hat mein schlechtes Gewissen wieder gründlich aufgerüttelt. Nicht Ihr seid schuld, sondern ich, aber nicht aus Boshaftigkeit! Nachdem im Anschluß an einen strammen Winter die unerquicklichen April/ Mai-Tage waren, folgte der sehr schwere, anstrengende Sommer, so daß ich einfach nicht schreiben konnte, weil ich zu müde war und immer, wenn ich wollte, hat’s der gute „Männliche“ mir abgenommen. Aber jetzt bin ich wieder „dull bei Laune“ und da sollst Du auch gleich einen ganz langen Brief kriegen. Auf der Reise haben wir etwa 150 Ansichtskarten losgelassen; da ergab es sich wohl mehr „naturgemäß“, daß Oskar mehr an seine, ich mehr an meine Leut’ schrieb. Die Reise nach Rumänien: Nun zur Reise. Ich sende Euch einen kleinen poetischen Erguß mit, den ich darüber verfaßt habe. Da man ihn, außer uns beiden und Herrn Stauß, unseren Dolmetscher, nicht in allen Punkten gleich versteht, so füge ich einen Erklärungszettel bei (Zettel nicht dabei). Die 39 Stunden bis Bukarest verliefen uns sehr schnell; wenn man sich gleich auf so lange Fahrt einrichtet, ist man erstaunt, wenn man „schon“ da ist: Es 193 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 194 ============================================================================ war himmlisch, mal so lange nichts tun zu brauchen! Eine Stunde vor Bukarest, in Ploesti stieg Herr Stauß zu uns ein, wir erledigten gleich nach der Ankunft das Nötige auf der Gesandtschaft, d.h., wir erhielten unsere Ausweise, Vollmachten, Erlaubnisse usw. ausgehändigt; blieben dann allein. Am nächsten Tag trafen wir uns wieder, bummelten durch die Straßen und über den Markt, Stauß erledigte einiges für sich, wir hoben Geld auf der Bank ab, besuchten das Museum und erhielten dort von-dem obersten Fischerei-Mann und Museumsleiter Prof. Dr. Antipa auch noch mehrere warme Empfehlungen an Fischerei-Behörden und waren nun ganz gespickt damit. Einige dieser Blätter hatten einen Trauerrand, wegen des verstorbenen rumänischen Königs Ferdinand (5). — Mittags waren wir bei dem sehr liebenswürdigen Deutschen Gesandten, Exzellenz von Mutius, eingeladen. — Am nächsten Morgen früh um 6 Uhr fuhr unser Zug, in den Herr Stauß wiederum eine Stunde später dazustieg, und es ging zunächst nach Galatz. Stadttrab und Besuch nebst Mittag beim dortigen Deutschen Konsul Herrn Dr. Schönberg, einem sehr angenehmen, feinen, liebenswürdigen Herrn und seiner lustigen Frau, einer Berlinerin. Die waren mehrere Jahre in Konstantinopel gewesen und erzählten allerlei von dort. Auch hier erhielten wir noch mehrere Empfehlungen. In Braila und Umgebung In Galatz, was uns als Ort gar nicht gefiel, blieben wir nicht, sondern fuhren gegen Abend mit dem Dampfer in einer Stunde zurück nach Braila, was hübscher ist und bessre Hotels hat. Die Hotels lassen ja immer, soweit wir überhaupt welche trafen, zu wünschen übrig. Von hier aus machten wir nun Ausflüge auf den uns zur Verfügung gestellten Motor- und Ruderbooten (kostete nur Trinkgeld an die Leute). Zweimal nach dem Filipoi-Kanal, das eine Mal mit Übernachten im kgl. Jagdhaus, weil wir bis zum Serban-See wollten. Der betreffende Fischmeister dort in „Punctul scurt“, ein Herr Dumitriu, war sehr nett und betat uns sehr: bediente uns bei Tisch (Fischsuppe, Rostfisch und Maisbrei), heizte den Ofen usw. Er trank dann stehend von unserm mitgebrachten Wein (wir hatten zu dritt eine hübsche 5 Liter-Korbflasche heimischen Weins mit) ein Gläschen und unterhielt uns in rumänisch natürlich, Stauß mußte in Telegramm-Stil dolmetschen. Die Frau war Russin. Auf einer andern Fischmeisterei wurden wir auch mit Fischsuppe, Brot und schwarzem Kaffee versorgt. Auf diesen Ausflügen sahen wir unglaublich große Entenschwärme und Gänseketten und viele Seeadler. Einmal flogen sieben Nachtreiher quer über. Früh und abends war es ziemlich kalt (bis zu + 4 Grad Celsius), über Mittag sehr schön. Auffallend viele Buntspechte auf den alten Weiden. Wir hatten diesen Herbst einen besonders niedrigen Wasserstand der Donau erwischt, man sah am Rohr, das überall reichlich fünf Meter hoch wird, wie hoch das Wasser sonst steht. Im späten Frühjahr bei Schneeschmelze, wenn die großen Überschwemmungen sind, steht es durchweg um 2 bis 3 Meter höher, so daß die Weiden nur mit den Kronen oben rausgucken. Die Weiden treiben dann ganz eigenartige, lange Wasserwurzeln von den Ästen abwärts, und diese Wurzeln hängen nun wie lange, trockene Bärte herab. (Es folgt eine Skizze). Viele Stämme sind umgebrochen, liegen halb im Wasser und sehen oft wie Krokodile mit aufgerissenem Rachen oder sonstige alte Saurier aus. Unheimlich viele Frösche, ganz große, die Art heißt „Seefrosch“, ist aber sonst fast wie unser Wasserfrosch, saßen an den Ufern und auf den Treibhölzern, waren ziemlich zahm und quakten auch öfter einmal. — Wenn man ans Ufer ging, geriet man an vielen Stellen in ein halbhohes Gestrüpp, dessen reife Samenkapseln sehr unangenehm waren. Die einzelnen 194 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 195 ============================================================================ (Bild) Blick auf den Priopcea und den „Jacobdeal“ (Bild) In der Balta bei Greci (Bild) Beim Goloviza-See (Bild) Am Kap Dolojman ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 196 ============================================================================ Samenkörner, die erst eng aneinander sitzen, haben nach außen Widerhaken und fallen bei Berührung auseinander. (Es folgt eine Skizze) Geht man also durch dies Gestrüpp, so ist man sofort unten herum von diesen Samen übersät, die in dem Wollzeug fest sitzen. Namentlich in Oskars Wickelgamaschen und in meinen Strümpfen waren sie scheußlich; denn die Häkcken pickten durch und entzündeten die Waden. Stundenlang mußte man nachher an Mänteln usw. kratzen, richtig mit den Nägeln kratzen, mit Bürsten gingen sie nicht ab. Bei der dortigen Bevölkerung führen diese Samen den lustigen Namen „Zigeunerläuse“. Wie die Pflanze heißt, weiß ich nicht, wir wollen uns hier noch erkundigen (6). Von Braila aus fuhren wir auch nach dem Salzsee „Lacul Sarat“, eine kleine Stunde mit der elektrischen Straßenbahn. Dieser See ist offenbar im Eintrocknen begriffen und auf dem morastigen Grund mit wenig Wasser in der Mitte liegen die großen Salzkristalle in Mengen. Am Ufer wachsen auch verschiedene Salzpflanzen, hübsche hell und dunkelrote, ähnlich wie am Wattenmeer der Nordsee. Tierleben im Wasser ist dort wegen des hohen Salzgehalts nicht; früher haben die Bewohner tatsächlich dort ihren Salzbedarf gedeckt. Es ist aber kein Kochsalz, sondern eine Art Bittersalz, ähnlich eben wie Seewassersalz. Jetzt ist der See, der übrigens sehr groß ist, man sieht kaum das andere Ufer, schon recht verschlickt und verschlammt, man muß vorsichtig sein, daß man nicht zu tief hineintrritt, dann stinkt’s. Gänse, Steinkauz und kleine Zugvögel in Schwärmen waren auch dort und wir sahen einen wunderbar schönen Sonnenuntergang. — In Braila lernten wir einen netten deutschen Pfarrer kennen, der dort auch die deutsche Schule und einen Kindergarten leitet. Wir verlebten einen gemütlichen Abend bei ihm. Nach Tultscha Von Braila ging‘s weiter früh 8 Uhr nach Tultscha, etwa sechs Stunden Damp- ferfahrt Donau abwärts. Die Donau ist hier sehr breit, aber nicht besonders reizvoll. Man sah jedoch dauernd kleinere und größere Trupps von Gänsen, Enten, Kormoranen und Krähen: Krähen überhaupt, Ihr könnt Euch keinen Begriff davon machen, wieviel Krähen wir gesehen haben. In Brailas Hafen, das heißt auf den sogenannten Quais wimmelt es von Saat- und Nebelkrähen, mehr als Spatzen (Haus- und Feldpsatzen), mit denen zusammen sie dort die Getreide- und Maiskörner auflesen. Auch sehr viel Elstern hausen in den Rohrwäldern und auffallend oft sieht man eine Elster und eine Krähe zusammensitzen, fliegen oder fressen, zum Beispiel an angespülten toten großen Fischen. In Tultscha hatte Stauß einen guten Bekannten, einen Oberstleutnant Cojocaru, in dessen Familie wir später bei unserem zweiten Aufenthalt auch eingeladen wurden. Mit Hilfe unserer Empfehlungen bekamen wir wieder ein Boot mit zwei Ruderern, netten, lustigen Burschen, die sich sehr freuten, uns nach Parchis rudern zu können; denn sie waren dicht dabei zu Hause und wir fuhren Sonnabend früh, sie waren also Sonntag bis Nachmittag „bei Muttern“. Auf der viele Stunden währenden Fahrt wurde nicht nur ein junger Hund aufgegriffen, eine Bartmeise geschossen, eine Schweineherde in Schrecken versetzt, sondern auch noch ein halbertrunkenes Pferd aus dem Kanal gerettet! Der Ort lag auf einem kleinen Höhenrücken vorn auf der Spitze, so daß man nach 2½, Seiten hin unbegrenzte Sicht über diese ungeheuer großen Rohrwälder hat. Viele hundert Quadratkilometer weit sieht man nichts als fünf Meter hohes Rohr, ohne Baum, nur von Kanälen durchzogen, die sich oft zu ziemlich großen 196 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 197 ============================================================================ Seen erweitern. Darüber die Ketten von Gänsen, Enten usw., ziemlich viel Weihen und abends kamen von weit her die Krähen in schwarzen Wolken gezogen, um hinter dem Dorf in dem Gestrüpp der Bauerngärten zu übernachten. Abends prächtiger Sternenhimmel und eine himmlische Ruhe: Außer Rohrrauschen und einzelnen Tierstimmen hörte man nichts. Gegen Mitternacht wurd’s im Dorfe lebhaft mit Ziehharmonika, Gegröhle, Prügelei usw., denn es wurde eine Verlobung gefeiert! Wir waren vom dortigen Fischmeister bei sehr. netten Leuten untergebracht, Ehepaar mit 17jähriger Tochter und bekamen ein kleines Zimmerchen mit zwei Betten, das wir friedlich mit Stauß teilten! Oskar und ich hatten sehr oft nur ein Bett, selbst königlich! Wir wurden wieder mit Fischsuppe und Brot bewirtet, man aß mit fünf- oder dreizinkigen Gabeln aus einer gemeinsamen Schüssel mit der Familie, ganz eng um einen kleinen Tisch mit zu wenig Stühlen, der Fischmeister kam auch dazu, wir gaben unsern Wein, der Wirt seinen, der Fischmeister holte seinen, wir gaben unsre Salami und Käse, die Wirtsleute Äpfel und Nüsse (gleich geschält, klein geschnitten und aufgeknackt), wir gaben Schokolade und Kranzfeigen, die gaben russische Bonbons und man aß und trank, redete und rauchte bis Mitternacht. Der Fischmeister ließ sich viele Worte sagen, was dies und das auf deutsch heißt, sonst ist noch viel von den Kriegserlebnissen die Rede: Die Leute waren sehr deutschfreundlich. Wir wollten am nächsten Morgen um 5 Uhr auf den See hinausfahren, schlafen gehn. Nach vielen Bitten bekamen wir eine große Blechschüssel und ein stark parfümiertes Stück Seife, aber — kein Waschwasser! Nur zu dritt eine Art Weinflasche mit dem ersehnten Naß. Das notwendigste Gebrauchsstück eines Schlafraumes fehlte, des Hauses hübsches Töchterlein legte uns dreien aber ihre Zahnbürste mit (Bild) Füßewaschen in Vadul 1931 197 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 198 ============================================================================ Pebeko-Zahncreme zur gefl. allgemeinen Bedienung hin! Früh um 1,5 Uhr also raus, prachtvoller abnehmender Mond, einzelne Zug-Drosseln waren zu hören. Frau Wirtin holte unter unserem Bett die Trinkbecher hervor und wir bekamen Tee, es dauerte aber glücklich bis 3/47 Uhr, bis die Abfahrt losging. — Mittags gab’s wieder Fischsuppe mit Brot und kleinen Klößen von groben Graupen mit Hammelfleisch, recht gut. Am Abend war ein neunpfündiger Hecht gefangen worden, den wir bestaunt hatten. Frau Fischmeister bereitete ihn zu. Die Rohrbestände werden im Winter bei Eis „geerntet“ und weit verschickt. Alles mögliche wird aus Rohr gemacht: die Dächer, die Gänse- und Schweineställe, die Hofzäune usw. Ein gewisser Ort im Hof oder Garten ist eine halbhohe unbedachte Rohrwand mit einem großen Loch dahinter, über das auf der Erde zwei Bretter mit einem Spalt zwischen sich liegen, sauber und luftig, hygienisch einwandfrei! (Es folgt eine kleine Skizze des Aborts) Auf den Höfen stehen aus Lehm gemachte Backöfen, mit einer Herdstelle daneben, der sogenannten Sommerküche (nur Rohr und getrockneter Mist als Feuerung). Hier war diese Sommerküche noch in Betrieb, auf ihr und dem Backofen saßen, als wir dort ankamen, drei Katzen und in der warmen Asche ein kleines, gelbbraunes Wesen: ein junger Hund. „Gegen die Flöhe“ liegt er in der Asche. Stauß taufte ihn „Aschenfloh“, es war ein niedliches Ding, jetzt natürlich flohfrei!, das nebst einer dieser Katzen abends auf unseren Schößen umherwimmelte. Das Vieh liegt nachts frei im Hofe, also früh ist Vorsicht geboten, es ist etwas glibberig. — Nach Sulina Von Tultscha aus ging die Fahrt mit Dampfer in etwa vier Stunden stromab nach Sulina am Schwarzen Meer. Man fährt die längste Zeit in einem künstlich angelegten, schnurgeraden, breiten Kanal mit flachen Ufern. Die drei Arme des Donau-Deltas machen sehr viele Windungen, dieser Kanal schneidet bei dem mittelsten Arm alle Bögen ab. Der Nordarm, Chilia-Arm, ist unbefahrbar, der südliche, der St. Georgs-Arm, wird kaum noch benutzt, er versandet allmähliich ganz. Auch der Sulina-Kanal muß dauernd durch Baggern freigehalten werden. Auf dieser Fahrt begleitete uns, zufällig wegen eigener dienstlicher Angelegen- heiten, der Oberstleutnant Cojocaru, den wir auf diese Weise nun auch gleich noch näher kennen lernten. Er befreite uns auch sofort aus den Klauen des „Kriminalen“ (= Kriminalbeamten), der Oskar sofort beim Verlassen des Dampfers zu packen kriegte: „Wer sind Sie, was wollen Sie hier, wo kommen Sie her?“ Aber unsre „Papiere“ waren ja glänzend in Ordnung, wir hatten weiter keine Not. In Sulina selbst ist nichts los, eine sehr lange, breite Uferstraße sieht abends bei ganz guter Beleuchtung vom Wasser her hübsch aus. Sonst sind dort sehr viele ganz zerschossene, jetzt verfallene, natürlich unbewohnte Häuser, die scheußlich sind. Der Ort ist nach dem Krieg viel kleiner geworden. Ein langer . Damm erstreckt sich weit ins Meer vor, am Ende draußen steht ein Leuchtturm. Nach rechts hin zieht sich weit ein hübscher Sandstrand hin, mit einigen Badebuden. Ein Kasino für Sommerbetrieb steht dort, zu dem ein langer Brettersteg führt. Die Straße zur Stadt hinaus zwischen vier Friedhöfen entlang, hört viel früher auf als der Steg anfängt. Am Anfang des Steges steht mitten in der Sandwüste ein schönes hohes Holztor, mit schönen hohen Flügeltüren; die Türen sind halb geöffnet, denn der Brettersteg verhindert das Zumachen. Im Sommer 198 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 199 ============================================================================ Sommer wird dort „Eintrittsgeld“ erhoben: Warum? Wofür? Muß man dann ausgerechnet durch das Tor gehen, es ist doch soviel Platz drum rum! Die Europäische Donau-Kommission hat dort ihren Sitz und durch unsre Empfehlungen erreichten wir es, daß uns ein Sonderdampfer zur Schlangeninsel bewilligt wurde. Allerdings erst in drei Tagen. So wurde zunächst eine Wagen- fahrt nach dem Letea-Walde beschlossen, der auf der andern (nördlichen) Kanalseite liegt. Im Letea-Wald Der Bürgermeister des Dorfes Rosetti am Letea-Walde war grade in Sulina und besorgte uns ein Gefährt. Unser Gepäck ließen wir im Hotel, nur die Rucksäcke, die frischgefüllten Futtervorräte nebst der vollen 5-Liter-Korbweinflasche kamen mit. Der Weg war schlecht, wir liefen meist, die Novembersonne brannte heiß am Meeresstrand, wir legten ein Stück nach dem andern von unserm Wollzeug in den Wagen und wanderten fröhlich-leichtbekleidet mehrere Stunden. In diesem Letea-Walde wächst eine ganz bestimmte, seltene Lianen-Art, Periploca graeca 1), die wollten wir neben anderen botanischen Dingen uns ansehen. Der Bürgermeister schwärmte immer von „prähistorischen“ Buchen. Wir fanden überhaupt keine Buchen aber einen sehr interessanten, gemischten Laubwald, in dem besonders viele schöne, hohe Silberpappeln auffielen, auch Eichen anders als bei uns. Die Lianen waren auch dort, nur leider sehr wenig Vögel, aber auf den höchsten Bäumen oft Raubvogelhorste. — Wir übernachteten in einem Bauernhause in Letea, diesmal wieder in königlichen Paradebetten, die sehr hart waren, aber behäkelte und bestickte Bettwäsche hatten. Alte schöne Möbel an den Wänden, viele Bilder von rumänischen und russischen Fürsten (die Frau war Russin), Heiligenbilder, Postkarten, Fotografien usw. aber kein... (es folgt Skizze eines Nachttöpfchens). Nach einigen Bitten erschien eine riesige Blechschüssel und eine Teekanne mit kaltem Wasser! Die Kanne wurde am nächsten Morgen bald wieder geholt, damit die „Gäste“ (als wie wir!) auch Tee kriegen konnten. Das Örtchen: über dem ersten Hof (die auf den Bäumen schlafenden Hühner erschraken), über den zweiten Hof, schräg durch eine stockfinstere Scheune in einen kleinen Garten; rechts in der Ecke, aber ohne Rohrwand. Zur Schlangeninsel Dann ging’s zur Schlangeninsel. Genau östlich Sulina 42 Kilometer weit im Schwarzen Meer gelegen. Abfahrt pünktlich 8 Uhr. An Bord außer der üblichen Schiffsbesatzung einschließlich 1. Steuermann: der Lotse, ein Militärarzt, bestrafte Soldaten (für uns nicht sichtbar) und wir drei: Wetter klar und sehr windig. Am Leuchtturm, an der Klingelboje und an der Heulboje vorbei ging es noch ruhig, aber dann fing die „Hirondelle“ an zu tanzen: „Nur wer sich nicht ums Gaukeln schert, wem nichts im Leib beim Schaukeln gärt, der fühlt sich ganz behaglich“ (aus Tom, der Schüttelreimer) so dachte auch der arme Stauß, wir beide waren ganz munter. 1) Der Baumwürger (Periploca graeca) ist eine Liane aus dem Mittelmeergebiet. 199 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 200 ============================================================================ Die Schlangeninsel wirkt bis zu einem gewissen Grade wie Helgoland, nur ist sie kleiner, 400 x 400 Meter und niedriger. Leuchtturmspitze 50 Meter ü.d.M. Wegen des Sturmes konnten wir nicht erst rundum fahren, sondern mußten gleich vor Anker gehen und ausgebootet werden. Wir trieben uns bis tief in die Nacht trotz des Sturmes umher, die Brandung war herrlich, Sonne und Mondschein nicht minder. Wir fingen Schlangen (7), fanden einen toten Singvogel, sahen Zugvögel, Kormorane, Taucher usw. — Die beiden Leuchtturmwächter räumten uns sofort und sehr freundlich ihre beiden netten, saubern Stübchen und Betten ein und heizten, daß wir vor Hitze fast platzten und brachten abends sogar eine Büchse Ölfische und drei Eier. — In dem französisch abgefaßten Empfehlungsschreiben war befohlen, daß wir „Commodite complette“ genießen sollten und Oskar über die Zeit der Rückfahrt frei bestimmen könnte innerhalb zweier Tage. Auf wohlgemeintes Anraten des Lotsen fuhren wir am nächsten Morgen 9 Uhr wieder ab, wir hätten wegen zunehmendem Sturme sonst am Ende für mehrere Tage nicht fort gekonnt und daran lag uns doch nichts. Die Leuchtturm-Leute haben übrigens trotz Bitten und Zureden kein Trinkgeld nehmen wollen. Die gelben, trüben Wasser des Sulina-Kanals sind bis halbwegs zur Schlangeninsel erkennbar, da schneiden sie plötzlich scharf gegen das schwarzgrüne Meerwasser ab. Der Lotse, ein netter gebildeter Ungar, sprach gut deutsch, konnte außerdem italienisch, nicht rumänisch; der auch nette 1. Steuermann war Österreicher. Zurück nach Sulina Nach der Rückkehr nach Sulina gingen wir sofort zur „EDC“ (= Europäischen Donau-Commission), die ihre Gebäude in einer hübschen Anlage an der vordersten Spitze des Ortes liegen hatte, um uns zu bedanken. Der Kommandant, ein Stockrumäne, der die ersten Male bei unsern Verhandlungen getan hatte, als hätte er überhaupt keine Ahnung von Deutsch und der ziemlich knurrig erschien, sprach fließend deutsch mit uns, war äußerst liebenswürdig und erbot sich sogar, die von seiner Frau ins Leben gerufene und noch geleitete Teppichwebschule zu zeigen und wir nahmen dies Angebot mit Dank an. — Dann sahen wir bei einem spätern Spaziergang am Strande noch sehr hübsche Leuchtbakterien — artige Erscheinungen: bei jedem Schritt im halbfeuchten Sande sprühte es auf, wie helle Funken. Abends war „Platzmusik“: drei Musikanten spielten drei Stücke, großartig! Rückfahrt nach Tultscha Nächsten Morgen um 3/4 6 Uhr Dampferrückfahrt nach Tultscha. Rechts und links vom Sulina-Kanal liegen auch große Seen, auf denen wir auch, aber sehr weit weg, Schwäne sahen. Einmal flogen elf Stück quer über, jedoch sehr hoch; sonst war dort nur das übliche. In Tultscha empfing uns gleich der Oberst und nahm uns zu Mittag zu sich nach Hause. Ich vergaß noch zu erzählen, daß wir schon bei unserm ersten Tultscha-Aufenthalt mit dem Präparator Rettich zusammen waren, der schon seit Jahren dort lebt, eine Russin zur Frau hat, sich auch lebende Tiere hält und wohl die meisten europäischen Museen und Privatsammler mit Dobrudscha-Tieren beliefert. Wir mußten mit Besichtigung seines halbfertigen Neubaues, den er eigentlich 200 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 201 ============================================================================ als Museum ausbauen wollte, aber jetzt als zwei Wohnungen vermieten muß, weil's Geld alle, zu ihm in sein kleines Anwesen kommen, wo wir seine Tiere bewunderten. Wir wurden „türkisch“ begrüßt, indem uns die Frau auf einem Teller jedem einen Teelöffel voll sehr süßer Obst-Konfitüre und ein Glas Wasser reichte. Etwas später noch türkischen Kaffee und das um 1%11 Uhr vormittags. Also mittags bei Cojocarus! Als ob wir seit Jahren mit der Familie befreundet gewesen wären, so herzlich wurden wir behandelt; man gehörte einfach „gleich“ mit dazu. Und zu essen gab es so viel, daß Oskar sich glatt den Magen verderben mußte, er wäre sonst unhöflich gewesen. Gleich noch vor Tisch Brötchen und mehrere Cognaks, dann Suppe, Krebse einen ganzen Berg, Kottelets mit rumänischen Salaten, Entenbraten, Speise, Kuchen, Obst, Kaffee, Wein. Ein Vetter von ihm, Professor des dortigen Realgymnasiums war auch da. Die Frau des Hauses sprang dauernd rum, um alles recht zu machen, denn ein Mädchen hatten sie nicht, sondern nur zwei erst ganz neue Burschen aus der Walachei. Aber vier Kinder 3,1. — In dem schmalen Eßzimmer war es eng, es standen daher dauernd sämtliche Türen offen: nach dem Wohnzimmer, Schlafzimmer „und Flur bis zum Hof. Und gelacht haben wir: wir konnten manchmal kaum mehr schnappen. Der Hausherr trug eigene Dichtungen vor, sie mußte singen, die Kinder Geige spielen usw. — Eigentlich hatten wir am Nachmittag nach Jurilofka weiterreisen wollen, das bestellte Auto ließ uns aber im Stich und das war ganz gut. Der heftige Wind hatte sich zum Sturm gesteigert, alles war dick in gelben Staub gehüllt und endlich kam ein ganz nettes Gewitter mit Platzregen. — So wurde nach dieser angenehmen Erfrischung nur ein kleines Spazierenstampern im Dunkeln unternommen und dann die kalten Reste des Mittags vertilgt. Es war wohl 11 Uhr, als uns unsre liebenswürdigen Wirte in das Hotel Carol heimgeleiteten. Nach Jurilofka Nächsten Morgen etwa 9 Uhr Abreise im mit Koffern und uns dreien nebst zwei Fahrern vollgestopften Auto, halboffen. Die letzten Worte unseres fetten Hotelwirts, der den ganzen Tag nur in der Diele seines Hotels saß und Tee trank, waren: „Seien Sie vorsichtig, der Junge pflegt im Walde den Fahrgästen an die Kehle zu springen, der hat schon verschiedenes auf dem Kerbholz.“ So getröstet sausten wir los, immer gegen eiskalten, heftigen Südostwind. Es ging aber alles gut, der Junge hing sogar als Windschutz eine staubige, schmierige, alte Decke der Seite vor, die uns mit Vorliebe ins Gesicht wehte, wenn man sich nicht krampfhaft festhielt. Am Ende der Fahrt nach zwei Stunden war der „echte Perser“ ganz sauber gepustet und hatte bunte Farben, die vorher gar nicht dagewesen waren. Jurilofka ist ein großes Fischerdorf, das fast ausschließlich von Lipowanern bewohnt wird, die vortreffliche Fischer sind. Wir wohnten bei einer Witwe mit 10jăhrigem Töchterchen, das uns sehr freundlich und aufmerksam bediente. Stauß wohnte bei der Schwester unserer Wirtin. „Gespeist“ wurde bei uns, denn wir hatten drei Stühle: Oskars kippte immer nach links, der von Stauß fiel immer nach rechts um und meiner schlug bei jedem Aufstehn nach hinten über. Wir nahmen aber immer wieder dieselben, weil wir nun mal darauf eingelebt waren. Wir aßen selbstgekauften Zander, gekocht und gebraten von unserer Wirtin, sehr gut. Wir bekamen auf besonderen Wunsch wieder eine Riesenblechschüssel, sogar zwei Töpfchen mit Wasser, warm und kalt, als wir uns aber 201 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 202 ============================================================================ (Bild) Blick vom Hafen in das Dorf Jurilofka 1931 (Bild) Blick zum Fischereihafen Jurilofka (Bild) Netztrockengelände in Jurilofka ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 203 ============================================================================ ein bißchen waschen wollen, stellten sich Schwierigkeiten ein: die Schüssel hatte im Boden Löcher! Unangenehm war in Jurilofka ein Geheimpolizist, der uns dauernd beaufsichtigte; Stauß taufte ihn: Radix ipekakuanhae = Brechmittel! — Nach vielem hin und her wurde uns zum nächsten Morgen ein Boot versprochen und wir fuhren um etwa 9 Uhr in den Razelm-See hinaus: Im Landinnern von zwei Gendarmen beobachtend begleitet, da schwenkten wir rechts ab und die mußten heimtrollen. Hier im Razelm-See sahen wir außer Pelikanen auch gut 150 Höcker- und einige Singschwäne, ganz herrlich! Vor allem wenn diese großen Vögel auffliegen, so poltert das ganz laut und wenn sie über einen hinstreichen, so hört man, durch den Flügelschlag hervorgerufen, einen wunderschönen, hellklingenden Ton; aber mehr bei den Höckerschwänen; die Singschwäne klingen viel weniger, die rufen dafür. Viel Reiher, Fisch- sowie auch weiße Reiher gab es hier. Sehr lustig war’s, daß sehr viele Enten, Gänse, Wasserhühner, hier auch Möwen, bis dicht an den Ort herankamen. Namentlich in der Dämmerung konnte man sich von dem Geschnatter, Gerufe unnd Geplansche um einen herum gar nicht trennen. Vor Jurilofka reicht ein breiter Knüppeldamm weit in den See hinein; hier trocknen die Fischer ihre Netze und die Boote liegen dort. Steht man vorn an der Spitze, so hat man dieses Vogelgetriebe dicht um sich! Auch zwei Rohrdommeln flogen zweimal über uns hin. — Allgemeine Bemerkungen (Die Briefabschnitte, in denen Frau Heinroth über das Leben in den Hotels usw. berichtet, sind kulturhistorisch interessant. Es ist jedoch besser, wenn sie in einer gesonderten Arbeit erscheinen. Hier das folgende gekürzt: Die Art des Kochens gefiel uns, das Essen war gut und man bekam meist sehr schnell das Bestellte. Kaum war dem Mund der Wunsch nach Rost-Sterlet entstoßen, so stand er auch schon knusprig vor einem; aber vorher hatte weder Wirt noch Kellner eine Ahnung, was es überhaupt geben würde. So erlebten wir es wenigstens in Sulina. Man bekam überall viel Hühner und mancherlei gute Fische: Hecht, Zander, Stör, Barsch usw. Fisch und Fischfleisch rösteten sie dort sehr geschickt, so daß die Stücke nicht im Fett schwammen, sondern trocken und rösch waren. Wenn wir einige Zeit fast nur von Brot, Wurst, Käse, Äpfeln und Schokolade gelebt hatten, schmeckten solche Rostgerichte vorzüglich. Gemüse oder Kartoffeln waren selten und mäßig. Die Bauern leben meistens von Fischsuppen mit Fischstücken darin, die aber recht gut sind. Das übliche Getränk ist offener Landwein oder Tee mit Zitrone oder türkischen Kaffe, Milch ist knapp. Sonst wird allgemein ein Maisbrei, die Mamaliga, gegessen. In den Hotels werden den Gästen keine Stiefel geputzt und man bekommt auch kein Frühstück. Man schlüpft also in dieselben schmutzigen Schuhe vom Tag zuvor, geht los, kauft sich auf der Straße ein paar Laugebretzele, setzt sich vor ein „Cafehaus“ und bestellt sich Tee. Sehr bald erscheint dann ein Stiefelputzer und bearbeitet einem die Gehwerkzeuge bis zum höchsten Strahlenglanze: Kostenpunkt 7 Lei = etwa 20 Pfennige. Die Fischerei in Rumänien ist völlig unter Staatsaufsicht. Die Fischer bekommen Netze und Reusen und dergleichen geliefert (die Boote nicht immer) und sind dafür verpflichtet, die gesamten Fänge bis zum kleinsten Ukelei herab abzuliefern. Sie bekommen für das Kilo etwa 8 Pfennige. Auch zum Eigenbedarf dürfen sie nichts behalten; wollen sie selbst Fisch essen, so müssen sie ihn vom 203 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 204 ============================================================================ Fischmeister für 12 Pfennige das Kilo zurückkaufen! Über das ganze Donau-Delta und die Dobrudscha sind kleine Fischereistationen mit je einem Fischmeister verteilt, an den die Fischer liefern und die Stationen müssen die Fische dann an die Administraturen weitergeben. Frischer werden die Fische davon nicht, besonders nicht ohne Eis. In geringen Mengen dürfen auch die Fischmeister verkaufen, sie müssen nur den Gesamtfang melden. Über die verschiedenen Arten des Fischfangs mit Netzen, Rohrreusen usw. erzähle ich Euch ein andermal, das würde zu weit führen. Wir haben uns dort alles auf unsern Bootsfahrten auch mit angesehn, soweit es in Betrieb war. Es war jetzt im Fischfang stille Zeit, die Hauptfangzeit ist bei fallendem Hochwasser. Auch der Hausenfang im Schwarzen Meer ruhte jetzt, wir hatten uns vergeblich auf den Kaviar in Jurilofka, dem „Kaviarmittelpunkt“ gefreut. Fahrt nach Konstanza Wir wollten eigentlich noch nach dem Dranow-See, wo die königlichen Jagden immer stattfinden, sonst ist dort Schutzgebiet, also wohl viel los. Das Wetter war aber umgeschlagen, es war ganz trübe geworden und drohte mit Regen. Da man mit zehn Stunden zum Hin- und zehn zum Zurückrudern braucht, dort übernachten muß (wie?) und auf dem großen See doch auch etwas sehen möchte, wenn man darauf herumrudert, so verzichteten wir vorsichtshalber. Wir mochten uns denn doch nicht stundenlang durchweichen lassen und das war gut gewesen. Nächsten Mittag, es war ein etwas schwüler, trüber Tag, ratterten wir in einem Bauernwagen davon, um in Hamangia den Zug zu besteigen, der von Babadag nach Medgidia fährt und dort Anschluß nach Konstanza hat. Das neue hübsche Bahnhofsgebäude von Hamangia lag mutterwindallein ohne irgend etwas drumherun in einer öden Ackerfläche, kein Baum, kein Strauch, kein Haus, nichts. Der Fahrplan war geändert: Zug fährt erst um 6 Uhr und es war 3/4 3 Uhr! Ein Spaziergang zum nächsten Ort, etwa eine Stunde lang hin und eine zurück half die Zeit vertreiben, denn der sturmartige Wind war allein nicht unterhaltsam genug. Kaum waren wir wieder auf dem Bahnhof, als ein heftiger Regen begann. Nachts um %12 Uhr aßen wir zwischen dem Umsteigen in Medgedia beim Abendbrot: Borsch und nachher Kuchen. Der Regen strömte, wir waren schon im Zuge naß geworden, weil die Decke undicht war und eine Fensterscheibe fehlte; auf dem Bahnsteig aber war eine Sintflut, namentlich zwischen den Gleisen, über die man mit seinem sämtlichen Gepäck steigen mußte; man watete mehrere Schritte durchs Wasser bis über die Knöchel. Dabei so gut wie keine Beleuchtung. — Nachts gegen 2 Uhr Ankunft in Konstanza: kein Gepäckträger, kein Wagen, Gepäckaufbewahrung geschlossen, milder Landregen. Im „Grand Hotel“ fanden wir Aufnahme. Nächsten ganzen Tag Regen, wie gut, daß wir nicht am Dranow-See saßen! Herr Stauß hatte hier allerlei geschäftliche Angelegenheiten zu erledigen, wir hatten hier — zum ersten Mal seit gut drei Wochen — Postsachen vorgefunden, unter denen sich auch Drucksicht von unserem Verleger vorfand. So war dieser Regentag ganz gut ausgefüllt. Abends wurde es klar und wir wanderten ziemlich spät noch einmal an die Küste des Schwarzen Meeres hinunter, obgleich ein eisiger Wind pfiff. Der Himmel wölbte sich rabenschwarz über dem Wasser, dessen hochgehende Wogen mit den hochschäumenden Wellenkämmen sich prächtig davon abhoben. Unsere Dampferfahrkarten für übermorgen nach Konstantinopel hatten wir schon in der Tasche! 204 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 205 ============================================================================ Ein Bekannter von Herrn Stauß hatte dort eine Villa, die etwas vor der Stadt liegt, recht hübsch am Ende eines erhöhten Uferwegs mit Blick auf Konstanza. Wir beschlossen, der Dame des Hauses einen Besuch und gleichzeitig einen netten Spaziergang zu machen. Stauß kannte sie wenig, wir gar nicht, aber warum sollten wir sie nicht kennenlernen. Der Weg war grundlos, wir trugen bald unheimlich große Lehmklöße an unsern Stiefeln. Ein rasend kleffender, großer Hund und ein nur ungarisch sprechendes Mädchen empfing uns zunächst, bis eine hübsche junge Frau in einem frottierbademantelartigen Kleide erschien und uns, deutsch sprechend, sehr liebenswürdig ins Haus führte, trotz unsrer „Dreckbeine“. Nach kurzer Unterhaltung, die nicht recht in Gang kommen wollte, äußerte Stauß, wir wollten Frau X. aber durchaus nicht stören; wenn sie uns jetzt nicht empfangen könne, kämen wir zu einer ihr gelegenen Zeit gern wieder . . .(?!) Antwort: „Ach, X’ens wohnen gar nicht mehr hier, wir haben die Villa gekauft und die wohnen jetzt in der Stadt!“ Wir haben fürchterlich gelacht als wir glücklich wieder draußen im Schlamm standen! Zurück gingen wir, nachdem wir die lehmige Steilküste kunstvoll hinunter geschliddert waren, dicht am Meeresufer, sehr hübsch. Dort fanden wir am Abhang Spritzgurken, das ist eine unsern Gurken und Kürbissen verwandte Pflanze, die reifen Früchte von etwa Pflaumengröße spritzen beim Abpflücken aus einem Loch, das da entsteht, wo die Gurke am Stiel saß, mit ziemlicher Wucht ihre gesamten kleinen, schwarzen Kerne aus sich heraus mit etwas Saft dabei. Man bekommt ziemlich schmierige Finger davon, pflückt aber doch immer weiter, weil's Spaß macht (8). — Abends trennten wir uns von Herrn Stauß, dem wir nicht dankbar genug sein können für seine treue Führung und Fürsorge. Ohne ihn hätten wir, trotz unserer vielen Papiere, kaum etwas erreicht. Und wie vergnügt sind wir immer gewesen! Wir haben wohl in dem ganzen Jahre sonst nicht so viel gelacht wie in den drei Wochen. Seit wir unsre Erlaubnisse auf königliche Betten und Boote hatten, sagte Stauß zu Oskar immer „Durchlaucht“, was für manche knifflige Augenblicke und Lebenslagen sehr komisch wirkte; er war nun natürlich „Kindermann“. Konstanza hat eine recht ansehnliche Hafenanlage mit einer schönen, fast zwei Kilometer langen Mole, vorn mit Leuchtturm. Sehenswert sind die geradezu riesigen Getreidespeicher. Das Getreide wird dort durch Maschinenkraft unmittelbar aus den Eisenbahnwagen in die Lagerräume oder weiter auf die Schiffe (oder umgekehrt) befördert. Die Speicher stehen ganz dicht am Wasser und die Eisenbahnschienen gehen bis in die Speicher hinein. — Dies Jahr hat Rumänien eine Mißernte an Getreide, so daß fast der ganze Betrieb still lag. In Braila war es ganz ähnlich, in langen Reihen lagen die schon im Frühjahr angeheuerten großen Segelschiffe im Hafen und warteten auf die so knapp vorhandene Ladung. — Eigenartig wirkte es auch in Konstanza, daß nur wenige Tauben aber viele Krähen und noch mehr Dohlen sich von den verschütteten Körnern holten. Nach Konstantinopel Um 3 Uhr bestiegen wir den „Boubac“, einen englisch-ägyptischen Dampfer, der uns nach Konstantinopel bringen sollte. Der Wind hatte fast aufgehört, das Schwarze Meer lag wie ein blanker Spiegel vor uns. Wie angenehm waren die Ordnung und Sauberkeit auf solchem vernünftigen Dampfer, am liebsten hätten wir gebadet, aber wir waren schließlich zu faul dazu. — Die Mahlzeiten, im Fahrpreis einbezogen, waren nach englischer Sitte, es gab gleich Tee mit 205 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 206 ============================================================================ Toastbrot, Marmelade usw. Wir haben tüchtig gefuttert, die sieben Fahrgäste 1. Klasse aßen mit den drei obersten Schiffsleuten zusammen, Unterhaltung englisch. Der Dampfer fuhr so leise, daß man kaum merkte, daß er überhaupt fuhr, wir schliefen wie die Ratten. Das „Schwarze“ Meer soll seinen Namen daher haben, daß so viel Unglücke darauf geschehen; es fordert soviel Opfer, ist also ein „Trauer“-Meer. Nach schönem Sonnenuntergang lag früh zwischen 7 Uhr und ½8 Uhr herrlich von den Strahlen der aufgehenden Sonne beschienen, unter blauem Himmel, die Einfahrt in den Bosporus vor uns. Schon rasselte der Anker herab: vor 8 Uhr wird der Bosporus nicht aufgemacht! Das heißt nicht eher kommen Lotse, Aufsichts-, Paß- und Zollbeamte an. Bord. Erst ¾ 12 Uhr stiegen wir endlich am Galata-Kai an Land. Frau Dr. Schönberg in Galatz hatte recht gehabt: „Die Einfahrt nach Konstantinopel durch den Bosporus bei Morgensonne ist das Schönste von ganz Konstantinopel.“ Eine Beschreibung von Konstantinopel zu geben ist wohl nicht nötig: wie es früher gewesen ist, kann man lesen und jetzt ist es ganz europäisch. Die Männer, westlich gekleidet, die jungen Damen kurzberockt, hellbestrumpft mit Bubiköpfen und kein Rufer auf den Minaretts! Nur einiges will ich erwähnen: Das Pflaster! So etwas gibt’s gar nicht, ich glaube, Mondkrater sind nichts dagegen. Wir glaubten immer, Kindermanns (d.h. Stauß’) wohlwollende Stimme neben uns zu hören: „Durchlaucht wollen geruhen, Treppenstufen selbst mitzubringen!“ Die Autos: es sind meist Fordwagen, die mit fabelhafter, geradezu affen- artiger Gelenkigkeit die engen, steilen Straßen durchsausen. Man wundert sich, daß nicht öfters ein Unglück geschieht. An den größten und lebhaftesten Verkehrspunkten stehen regelnde Schutzleute. Der Stambul-Bazar zeigt das übliche orientalische Getriebe mit viel Schreierei. Die Verkaufsstände sind nicht nur unter Dach, das heißt in dem eigentlichen Bazar-Gewühl, sondern auch in den engen Straßen drumherum. Im Freien waren unter andern eine ganze Reihe von Schneidern, bei denen durchweg nur Männerhosen hingen, die von den Käufern oder vielleicht Nichtkäufern auch gleich angeprobt wurden oder lauter Friseure nebeneinander, der jeder ein großes Glas mit lebenden Blutegeln vor der Tür stehen hatte oder Vogelhändler, die kleine, bunte Käfige im offenen Laden gleich selber anfertigten. Viele Käfige mit Kleinvögeln: Stieglitze, Zeisige, Kreuzschnäbel, Kernbeißer, Kanarienvögel usw. hingen an der Decke oder quer über die Straße und hochaufgestapelt größere Käfige mit Rassehühnern und allerlei Haustauben. Auch große Behälter mit Haushühnern, Puten und Enten standen umher. Häßlich wirkt die Behandlung des lebend gekauften Schlachtgeflügels. Die Puten oder was es grade sei, aber diese sieht man sehr viel, werden einfach mit den Beinen zusammen gebunden und mit dem Kopf nach unten fortgetragen. Manche solcher Puten weiß oft nicht, wie sie ihren Kopf hoch genug heben soll, um nicht dauernd damit auf den Boden zu stucksen. Oft liegt auch ein ganzer Stern von Puten, in der Mitte mit den Beinen zusammengebunden, auf dem Boden. Die Tiere verhalten sich aber merkwürdig ruhig und schweigsam (9). Auch in einer Art Kiepen verpackt, die rechts und links auf dem Esel hängen, kommen sie auf den Markt. Esel: Ja, die sind noch orientalisch! Was solch ein Eselchen in 2 bis 4 großen Körben alles umherschleppen muß, ist staunenswert. Nicht nur Geflügel, Obst, Gemüse, Heu, sondern auch neue Teppiche, alten Hausrat, Gebäck (mit b!), Limonade usw., usw. In der Gewandtheit, sich durch, das Straßengewühl zu winden, wetteifert er mit den zweibeinigen Lastträgern. „Hier werden kleine Fuhren getragen!“ sagten wir immer. Die Leute haben ein Gestell auf dem Rücken 206 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 207 ============================================================================ mit Schlingen über den Schultern und da steht alles drauf, was der Mensch begehrt: Kleiderschränke, Koffer, gestapeltes Holz, große, gerollte Teppiche und Sofas, beides quer verpackt und wer weiß was sonst noch. Eigenartig ist „das Serai“, aber eigentlich schön konnten wir es nicht finden: wir würden da nicht wohnen mögen. Sehenswert ist die Schatzkammer. Rückfahrt über Sofia Eine 30stündige Bahnfahrt, die zum Teil durch recht eintönige Gegenden führte, brachte uns nach Sofia. Aber auch diese Fahrt wurde uns gar nicht lang, unsere Erlebnisse beschäftigen uns angenehm genug. Unbequem war es oft mit den Pässen, wenn man durch soviel verschiedene Länder kommt. In Belgrad zum Beispiel mußte man sich seinen Paß, der einem im Zug abgenommen worden war, an einem Schalter selbst holen und zwar früh zwischen 6 Uhr und 7 Uhr. Natürlich mußte man etwa °ı Stunde darauf warten, der eine Beamte in diesem Schalterraum erhob sich grade von seinem Nachtlager, zog sich Hemd usw. an, wusch sich alles, während die Reisenden am Schalterfenster auf ihre Pässe warteten. An der türkischen Grenze erschien ein Beamter im Zuge und fragte mich: „Haben Sie Gold oder Silber?“ (Die Ausfuhr ist nämlich verboten). „Nein, leider nicht!“ antwortete ich. Er lachte und wünschte uns glückliche Reise. Doch nun erst mal Sofia, das eine ganz nette Stadt mit hübschen neueren Gebäuden ist. Unser Bekannter, Dr. Klein (10), nebst zwei Söhnen und einer Schwiegertochter (Frau seit zwei Jahren tot) empfing uns sehr herzlich. Wir waren beide nächste Tage bei ihm zu Mittag eingeladen. Dr. Klein hatte auch die Audienz beim König erreicht, die durch Zufall möglich war. Der König war grade nur zwei Tage in Sofia anwesend. Also am nächsten Morgen 10 Minuten vor 10 Uhr waren wir im Schloß und wurden auch fast gleich empfangen. König Boris III. sieht noch sehr jung aus, recht schmal und angegriffen, sprach gut deutsch und war sehr liebenswürdig und natürlich, ich möchte fast sagen herzlich. Wir saßen an seinem Schreibtisch mitten in einem hübschen, dreifenstrigen, großen einfachen Zimmer. Wir waren erstaunt, wie zoologisch hoch bewandert er war, bis in die feinsten Unterarten der Vögel und Kriechtiere wußte er Bescheid, erzählte von Schlangenfang und -beobachtung, wo wir am besten Pelikane sehen könnten, von seiner Bartgeierzucht usw. Nach einer Stunde meinte er, nun wolle er unsre Zeit nicht länger in Anspruch nehmen und so waren wir entlassen. (Er hatte wohl um 11 Uhr wieder eine Besprechung.) Wir hätten gut noch eine Stunde schwatzen mögen! Der König ist ‚Jetzt 36 Jahre alt und noch unverheiratet. Dann besahen wir unter Führung des Direktors, Dr. Borisch, das königliche Museum. Es ist eine von König Ferdinand I. (11) angelegte Privatsammlung von Säugetieren, Vögeln, Kriechtieren, Lurchen und Fischen so- wie Käfern und Schmetterlingen. Die dort einheimische Tierwelt ist möglichst "vollständig, von Ausländern sind besonders auffallende oder schöne Formen da und was im Zoologischen Garten eingeht, kommt natürlich auch hin. Die Sammlung ist gut gehalten, wenn auch die Tiere nicht gerade sehr schön gestopft sind. Ein guter Präparator ist zu teuer, es ist sehr wenig Geld dafür da. An mehreren Tagen in der Woche ist die Sammlung unentgeltlich geöffnet. Ähnlich beim Zoologischen Garten, der ist auch ein Privatgarten und für ein ganz geringes Eintrittsgeld — etwa 10 Pfennige nach unserer Rechnung — dürfen die Besucher 207 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 208 ============================================================================ an bestimmten Tagen hinein. Durch den Zoologischen Garten führten uns am Nachmittag die Schwester des Königs, Prinzessin Eudoxia und der Leiter, Herr Curtius, den wir schon aus Berlin kannten. Eudoxia ist die ältere der beiden Schwestern, die andere, Eudesta, ist verheiratet, etwa 28 Jahre alt. Diese ist 32 Jahre alt und sieht ihrem Bruder nicht nur äußerlich ähnlich — auch schmal und durchsichtig — sondern hat auch im Wesen viel Gemeinsames mit ihm. Sie war sehr nett und natürlich, plauderte sehr lebhaft und wußte zoologisch ausgezeichnet Bescheid. „Ich bin ja hier im Garten groß geworden, der alte Marabu kannte mich schon als Wickelkind, der ist länger da als ich!“ So in dem Ton ging es meist. Diese beiden Geschwister leben zusammen in Sofia, während der andre Bruder, Prinz Kyrill, 34 Jahre, viel im Lande umherreist. Am nächsten Tage machten wir zunächst einen Stadtbummel, sprachen auch auf der Deutschen Gesandtschaft vor und hatten uns noch einmal mit Dr. Borisch verabredet, der uns noch das Landesmuseum zeigen wollte. Wir verschwätzten uns aber mit ihm über zoologische, politische und landeskundliche Fragen und mußten dann eilig zu Kleins zu Tisch. Nachmittags 5 Uhr reisten wir ab“. Budapest In Budapest hatte sich das Ehepaar Heinroth mit dem Direktor des Ungarischen Ormithologischen Institus, Jakob Schenk (einem Batschkadeutschen), getroffen. Desgleichen mit Titus Csörgey (aus Neusiedl am See, der eigentlich Uhlig hieß, aber seinen Namen magyarisieren mußte), dem Organisator des ungarischen Vogelschutzes. Weitere Besprechungen führten Heinroths mit den bekannten Naturwissenschaftlern Ernst Csiki und Friedrich Cerva. Anmerkungen 1. Katharina Heinroth, geb. Bodenmüller, war die Mutter Dr. Oskar Heinroth. Über sie schreibt Frau Dr. Katharina Heinroth: „Katharina Bodenmüllers Vorfahren väterlicherseits waren Taglöhner und Gärtner, mütterlicherseits weideten die Woegers oder Wegers seit mehreren Generationen als Schäfer in Essingen und Fleinheim im Ostwürttembergischen Gemeindeherden. Sie selbst war im Nutzgartenanbau und in der Kleintierzucht bewandert und hat wohl mehr, als sie ahnte, erbmäßig zu ihres Sohnes brennendem Interesse an Tieren beigetragen.“ — Geradezu märchenhaft klingt die erste Begegnung Katharina Bodenmüllers mit Dr. August Heinroth, dem Vater Dr. Oskar Heinroths, und ich darf daher Frau Dr. Katharina Heinroth noch einmal zitieren: „Das Zusammenfinden von Oskar Heinroths Eltern ist fast eine Romanze, wie im Märchen beim Gänseliesel, das einen Prinzen bekommt. Dr. August Heinroth sah eines Tages in Frankfurt auf einer Bank in Grünanlagen ein junges Mädchen bitterlich weinen. Er setzte sich zu ihr, sie hieß Katharina Bodenmüller und stammte aus Essingen im Württembergischen, wo ihr Vater Joseph Bodenmüller Taglöhner war.“ Ihre Eltern lebten nämlich täglich in Streit „ums Gesangbuch“: der Vater katholisch, die Mutter Anna Maria, geb. Woeger, evangelisch. Daher verließ Katharina Bodenmüller das Heim, um ihr Glück in der weiten Welt zu suchen; sie hat es dort in Frankfurt wie im Traum gefunden: Dr. August Heinroth heiratete sie, nachdem er sie — eine offenbar sehr gelehrige Schülerin — im „Frankfurter Hof“ vom Koch die hochherrschaftliche Küche erlernen ließ.“ 208 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 209 ============================================================================ Hierzu eine persönliche Bemerkung: Daß Katharina Bodenmüller aus Essingen (bei Aalen) stammt, war für mich eine ganz große und freudige Überraschung. In dieser Gemeinde nämlich habe ich seit rund zwei Jahrzehnten regelmäßig vogelkundliche Führungen gehabt; dort auch oft Vorträge über die Vogelwelt gehalten und eine dankbare Zuhörer-Gemeinde gehabt. 1971 konnte ich dort die großen Schafställe auf einer Waldwiese besichtigen. 2. Ingenieur Karl Stauß war Beauftragter für die deutsche Kriegsgräberfürsorge in Rumänien. Die Freundschaft mit dem Ehepaar Heinroth stammt von der Reise in die Dobrudscha; dort war er ihr Dolmetscher und Reisegefährte. Im gastfreundlichen Hause Stauß in Ploesti hat Magdalena Heinroth im Spätsommer 1932 die letzten fünf Wochen ihres Lebens erholsam verbracht und sich dort gestärkt. Plötzlich erkrankte sie und starb an den Folgen einer Darmverschlingung, die eine 1914 überstandene Operation nach sich gezogen hatte. Karl Stauß hat sich dabei um das Ehepaar Heinroth rührend und in aufopferungsvoller Weise angenommen. 3. Oberst August von Spieß: siehe „Ornithologen besuchen das Donau-Delta“, von Erwin Heer, in Jb. 1971 d. Ddn., S. 137. 4. Professor Dr. Grigore Antipa — Direktor des Zoologischen Museums in Bukarest — war Ichthyologe (Fischforscher). Er war Fischerei-Direktor des Donau-Deltas und hat als solcher wie auch als Forscher seinem Vaterland Rumänien unsterbliche Dienste geleistet. Sein Hauptwerk lautet: „Fauna Ichtiologica a României“, Bukarest 1909 (in rumänisch). 5. König Ferdinand I. von Rumänien, geb. 1865, regierte von 1914 bis 1927. 1889 wurde er infolge Kinderlosigkeit seines Oheims Carols I. Thronfolger und Kronprinz, 1914 wurde er König von Rumänien. Er starb am 20.7.1927 nach einem schweren, unheilvollen Leiden. König Ferdinand war im Volke sehr beliebt, sein Tod löste große Trauer, ja Bestürzung aus. Über ihn als Naturfreund und Waidmann schreibt Oberst August von Spiess: „Mit ihm verschied ein Mann von hohen, wissenschaftlichen Kenntnissen. Durch seinen ausgeprägten Sammelsinn, geographisch, geschichtlich und genealogisch überaus versiert, besaß er ungemein vielseitige naturwissenschaftliche, ornithologische, insbesondere aber botanische Kenntnisse, die oft auch Fachleute in Erstaunen setzten. Ja selbst bei den oft anstrengenden Pirschgängen in den Bergen unterließ er es nicht, bis spät in die Nacht interessante Werke zu lesen. Als Waidmann war er in seinen gesunden Jahren unverdrossen und stets peinlich korrekt.“ Ferner lautet es: „Er befahl dem Kammerdiener, mir das jüngst ihm zugesandte vogelkundliche Werk von Oskar Heinroth zu überbringen.“ Also kannte König Ferdinand I. dieses epochemachende Werk Dr. Oskar und Frau Magdalena Heinroths, soweit es damals eben erschienen war. 6. Die von der einheimischen Bevölkerung der Dobrudscha als „Zigeunerläuse“ bekannte Pflanze dürfte höchstwahrscheinlich identisch sein mit den von den ehemaligen deutschen Kolonisten Süd-Bessarabiens bezeichneten „Bulgaralaus“ (= „Bulgarenläuse“). Mein Landsmann Herr Hugo Wernick — ein ausgezeichneter Pflanzenkenner — nimmt an, daß es sich hierbei um die Haftdolde (Caucalis) handeln dürfte, was so gut wie sicher ist; sie wurde in seinem Heimatdorf Hoffnungsfeld auch „Schafzecke“ genannt, weil die Samen sich in der Schafwolle festgeklammert hatten. In Deutschland würde man sie „Bettlerläuse“ nennen. 7. Es ist erstaunlich, daß sich noch im November Schlangen als wechselwarme 209 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 210 ============================================================================ Tiere in freier Natur aufhielten, sich noch nicht zur Winterstarre begeben hatten. (Das trifft natürlich auch auf den Seefrosch, Rana ridibunda Pall., bei Braila zu.) Vielleicht bewirkt dies das Wasser um die Schlangeninsel, das im November vermutlich noch eine gewisse Temperatur aufzuweisen hat. Außerdem wurde ja einmal eine Temperatur von +4 Grad Celsius erwähnt. Es handelt sich bei dieser Schlange ausschließlich um die Würfelnatter (Natrix tessalata Laur.), einer harmlosen Schlange, von welcher der Name der Insel sowohl in rumänischer, als auch in griechischer, türkischer und russischer Sprache kommt. Die Küstenfauna der Schlangeninsel hat nach Professor Dr. Calinescu dieselbe Zusammensetzung wie die der Dobrudschaküste. Daraus ist mit Sicherheit zu schließen, daß die Würfelnatter von der Dobrudschaküste aus die nahe Schlangeninsel rund 40 Kilometer schwimmend erreicht hat. 8. Spritzgurke: Trotz der sehr ungünstigen Jahreszeit — November! — verstand es das Ehepaar Heinroth vorzüglich, der Natur so viel wie möglich Wissens- und Sehenswertes abzulocken. Dazu gehört vor allem das (natürlich zufällige!) Auffinden der Spritzgurke so weit nördlich an der Schwarzmeerküste. Nach Professor Dr. J. Simionescu — dem bekannten rumänischen Botaniker — ist die Spritzgurke (Ecballium elaterium) eine interessante Mittelmeerpflanze, die eine Attraktion des Meeresufers bildet und bis oberhalb von Mangalia vorkommt. Nach Professor Dr. Heinrich Walter verflüssigt sich bei der Spritzgurke der Inhalt um die Samen. Infolge seiner osmotisch wirksamen Konzentration nimmt er Wasser auf und erzeugt einen hydrostatischen Druck, durch den die Wand gespannt wird. Bei Berührung einer reifen Spritzgurke löst sich der als Stopfen dienende Stiel ab und der Inhalt mit den Samen wird durch die sich zusammenziehende Wand bis zu 10 Meter Entfernung herausgespritzt. Übrigens weist die Dobrudscha eine recht interesssante Flora (und Fauna) auf, wie wir am Beispiel der Spritzgurke und der Liane (Im Letea-Wald) gesehen haben. Simionescu erwähnt an Kulturpflanzen den Feigenbaum, ebenfalls eine Mittelmeerpflanze, die in der Dobrudscha und in Oltenien vorkommt. An Wirbeltieren wären zu erwähnen: der Tigeriltis (Vormela peregusna Güld), die Maurische Landschildkrâte (Testudo graeca ibera Pall.), die Westliche Sandboa (Eryx jaculus turcicus), die Sandotter (Vipera ammodytes montandoni Boul.) und in der Süd-Dobrudscha der Scheltopusik (Ophiorus apodus Pall.). Die Flora und Fauna der Dobrudscha zeigt kleinasiatische wie auch Mittelmeerzüge. 9. In liebevoller Weise nimmt Magdalena Heinroth sich um das gequälte Hausgeflügel an. Die Masse merkt allgemein so etwas eigentlich nicht, daß da ein Vogel irgendwie leiden muß; gedankenlos geht alles daran vorbei, nur an sich selber und an sein Geschäft denkend. — Ähnliche Bilder habe ich in meiner alten Heimat auf dem Markt in Sarata erlebt, wo dem Hausgeflügel (meist Hühnern) ebenfalls die Beine zusammengebunden und es so getragen wurde, nämlich mit dem Kopf nach unten. In diesem Zusammenhang fällt mir noch ein, wie man in der alten Heimat bei Lämmchen die Ohrenspitze abgetrennt hat, um die Schäflein auf diese Weise zu kennzeichnen und kleinen Hühnchen hat man zu demselben Zweck die Hinterzehe (oder auch eine andere Zehe) entfernt. Dr. Otto von Frisch, der denselben Vorgang am Neusiedler-See an Hühnchen miterlebt hatte, war beim Anblick dessen geradezu entsetzt, hat sich aber danach überzeugen können, daß dies mit Tierquälerei an und für sich nichts zu tun hat. Er meint schließlich dazu: „Tat- sächlich spüren solche ganz jungen Kücken davon überhaupt nichts, wovon ich mich schließlich überzeugen ließ; sie zucken nicht einmal zusammen und machen 210 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 211 ============================================================================ keinen Piep und außer einem winzigen Tröpfchen Blut läßt sich kein Schaden feststellen.“ 10. Dr. Eduard Klein, geb. 22. 6. 1864 in Lemberg, gest. 15.5.1943 in Sofia. Nach dem Studium in Wien war er seit 1890 Arzt in Sofia und widmete sich Jahrzehnte hindurch sehr rege der Vogelkunde. Als Ergebnis dieser ornithologischen Tätigkeit erschien 1909 in Buchform seine „Ornis Bulgarica“. Seine Studien und Forschungen brachten ihn auch in ein engeres Verhältnis zu Zar Ferdinand von Bulgarien und bedeuteten eine verdienstvoll aufhellende Förderung der avifaunistischen Verhältnisse in Bulgarien. 11. König Ferdinand I. von Bulgarien, geb. 26. 2. 1861 in Coburg, gest. 10. 9. 1948 in Coburg. Der Prinz von Sachsen-Coburg-Gotha war seit 1887 Fürst, seit 1908 Zar der Bulgaren. Im Oktober 1918 entsagte er dem Thron. Neben der ihn auszeichnenden staatsmännischen Begabung hatte er von Jugend auf ein begeisterungsfähiges Herz für die Naturwissenschaft, vornehmlich für die Vogelkunde. Sofia machte er mit Hilfe von Sachkennern zu einer Pflegestätte für die Ornithologie des Balkans; das dortige Zoologische Museum ist sein Werk. Enge Verbindung pflegte er allezeit mit der deutschen Vogelkunde. Benutzte Quellen Călinescu, R. J. (1931): Insula Şerpilor. Schiță monografică. Cernauti (in Rum.). Drost, Rudolf (1930): Uber den Vogelzug auf der Schlangeninsel im Schwarzzen Meer, Berlin. Frisch, Otto von (1965): Bei seltenen Vögeln in Moor und Steppe. Paul Parey, Berlin und Hamburg, S. 102 bis 103. Fuhn, Jon, E. und Stefan Vancea (1961): Fauna R.P.R. Reptilia (in Rumänisch). Gebhardt, Ludwig (1964): Die Ornithologen Mitteleuropas. I. Band, Brühlsche Verlag Gießen. Heinroth, Katharina (1971): Oskar Heinroth. Große Naturforscher, Band 35, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart. Heinroth, Oskar (1929): November-Reise nach der Dobrudscha und dem Donau-Delta, Journ. f. Orn. 77, S. 199. Mertens, Robert u. Heinz Wermuth (1960): Die Amphibien und Reptilien Europas, Frankfurt/Main. Rühl, Paula (1932): Erinnerungen an Magdalena Heinroth, Journ. f. Orn. 80, S. 542 bis 551. Simionescu, J. (1947): Flora Rominiei. Editura tineretului (in Rumänisch). Spiess, August von (1940): Siebzehn Jahre im rumänischen Hofjagddienst, München. Walter, Heinrich (1947): Die Grundlagen des Pflanzenlebens, 2. Auflage, Stuttgart. 211 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 212 ============================================================================ Ein seltener Fund Von Erwin Heer, Sarata Der Herausgeber dieses Jahrbuches, Herr Oberstudienrat Otto Klett, hat mich mit einem Zeitungsartikel überrascht, der von einer in der Dobrudscha erbeuteten, beringten Heringsmöwe berichtet. Ich halte diesen Ringfund-Nachweis für so wertvoll, daß man ihn — auch nach vierzig Jahren — unbedingt im Jahrbuch bringen sollte, um diesen seltenen Fund der Vergessenheit zu entreißen. Der in der Dobrudscha bekannte Jäger Albert Lück hat am 18.10.1931 bei Mangalia eine beringte Heringsmöwe geschossen und berichtet darüber ausführlich in der „Dakota Freien Presse“ (Neu-Ulm, Minn., V. St. v. A.), Jahrgang 58, Nr. 51 vom 15. 3. 1932, S. 2, lfde. Nr. 3015, wie folgt: „Mangalia, 18. Dezember 1931. Am 18. Oktober zwischen vier und fünf Uhr nachmittags ging ich auf die Jagd, zwischen dem Schwarzen Meer und den Sümpfen (Balta), 2 Kilometer nördlich von der Stadt Mangalia, um Wildenten, Gänse oder sonstiges zu schießen. Als ich ungefähr 1 ½, Stunden gesessen hatte und nichts schießen konnte, wollte ich nach Hause gehen. Da kamen auf einmal zwei Heringsmöwen geflogen, auf die ich schoß. Die eine fiel ins Meer und die andere aufs Trockene. Mein Hund holte die aus dem Wasser. Ich nahm sie und ging zur andern, und zu meinem Erstaunen sah ich schon von weitem, daß sie beringt war. Ich hob sie auf und las auf dem Ring folgende Inschrift: Museum Zoolocie, Helsingfors, Finland, Nr. 102. Ich wunderte mich, wie die Vögel so weit in der Welt herumfliegen. Am zweiten Morgen nahm ich die Möwe und ließ sie fotografieren und zeigte sie in der Stadt, auch der Behörde, und sie wunderten sich alle darüber. Dann ging ich nach Hause und schrieb an die Adresse in Finnland, wie es sich zugetragen hatte und schickte auch eine Fotografie mit und bat, daß man mir mitteilen möchte, wie der Vogel beringt worden ist, von wem und zu welchem Zweck. Nach drei Wochen bekam ich diesen Brief: ’Museum Zoologicum, Helsinki, Suomi, Helsingfors, Finland. Den 10. November 1931. Herrn Albert Lück, Mangalia. Sehr geehrter Herr! Bitte hiermit meinen herzlichsten Dank für Ihre gütige Nachricht über den Wiederfang des Finnischen Ringvogels Nr. 102 und das gut geglückte Bild auszusprechen. Der Vogel ist eine Heringsmöwe, die im Neste, wenn man nun überhaupt vom Nest bei diesem Vogel sprechen kann, auf einer kleinen Felseninsel Storhält im Kirchspiel Borgä, draußen im Finnischen Meerbusen (etwa 40 km östlich von Helsingfors) am 16. Juni 1931 vom Schüler H. Snowalainen beringt worden ist. Der Fall ist sehr interessant. Früher ist nämlich bei uns niemals eine Heringsmöve aus dem Schwarzen Meer gemeldet worden und überhaupt wurde diese Art beinahe ausnahmslos an der Küste gegen die Ostsee und Nordsee im Winter beobachtet, Dagegen sind ein paarmal beringte Lachmöwen nach dem Schwarzen Meer angelangt und ebenfalls nach dem Ägäischen Meer Wenn ich Ihren Brief recht verstanden habe — für einen Ausländer sind die deutschen Buchstaben ganz schrecklich — fragen Sie, zu welchem Zweck die Ringvögel markiert werden. Es betrifft die Frage von internationaler Zusammenarbeit, um die Wanderung der Vögel kennen zu lernen. Unsere Mitarbeiter versehen Vogeljunge mit Ringen und notieren Nummer, Datum und Ort, und wenn es dann glücklich geht, daß der Vogel in die Hände eines Jägers oder 212 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 213 ============================================================================ einen ganz exakten Bericht über die Wanderungsrichtungen der Vögel geben. Mit größter Hochachtung, Dr. I. Wälikamgas, Kustos des Museums. P.S.: Nach einem Jahr ungefähr wird Ihre Meldung in unserem nächsten Bericht in Druck in deutscher Sprache erscheinen und ich werde Ihnen denselben dann zusenden. Ws.’ sonstigen Sachkenners geratet, wie es jetzt der Fall gewesen ist, können wir Der Balg der beringten Heringswöwe samt Ring auf dem Fuß befindet sich bei mir, ist vorbereitet zum Ausstopfen und der Brief in Original kann von jedermann gelesen werden. Albert Lück.“ Soweit der Jäger Albert Lück in der „Dakota Freien Presse“, Über dem Zeitungsbericht befindet sich das Foto mit dem Jäger und der beringten Heringsmöwe; dann folgt die Unterschrift: „Erlebnis von Albert Lück.“ Nun zu den Einzelheiten: Der Kustos des Museums, Dr. J. Wälikamgas, hat in sehr liebenswürdiger Weise für den Ringfund gedankt, auch wenn er sich über die „ganz schrecklichen deutschen Buchstaben“ beklagt. Wir wissen nun, wo diese Heringsmöwe nestjung beringt wurde, auch wissen wir, wie alt sie wurde: sie lebte von Anfang Juni (beringt am 16. Juni) bis zum 18 Oktober 1931; sie wurde also nur stark vier Monate alt, dann ereilte sie der Tod durch Jägerschrote. Auf dem Foto ersieht man außerdem, daß es sich hier um einen Jungvogel (im Jugendkleid) handelt — also um einen sogenannten diesjährigen Vogel. Der Fall hat damals beim Museum sicher großes Aufsehen erregt, wie Dr. Wälikamgas betont: „Der Fall ist sehr interessant. Früher ist nämlich bei uns niemals eine Heringsmöwe aus dem Schwarzen Meer gemeldet worden.“ Ich halte den Fall außerdem für veröffentlichungswürdig, weil ich in der rumänischen Literatur — soweit sie mir bekannt ist — nichts darüber finden konnte. Über den Zug der Heringsmöwe allgemein wäre noch folgendes zu sagen: Nach Professor Dr. Niethammer ziehen die Brutvögel aus Schweden, Finnland und Nordwestrußland „zum größten Teil genau südwärts quer über den Kontinent zum östlichen Mittelmeer.“ (Handbuch der deutschen Vogelkunde, Band III, 1942, S. 366). Professor Dr. Schüz gibt eine ausgezeichnete Beschreibung der Zugwege dieser Möwenart wie folgt: „Die Silbermöwe führt nur geringe Wanderungen ganz vorherrschend entlang den Küsten aus. Die Heringsmöwe jedoch verhält sich darin trotz ihrer sehr nahen Verwandtschaft zur Silbermöwe ganz anders. Die britische Form, kenntlich an der Schieferfarbe des Mantels, wandert küstenlängs bis Nigerien (Ringfunde bis Senegal). Die schwarzrückige Form Fennoskandiens zeichnet sich dadurch aus, daß sie, eigentlich ein Vogel der Seeküsten, regelmäßig landein zieht, und zwar oft noch weiter als die westliche Form: nicht nur zum Mittelmeer, Schwarzen Meer und Kaspischen Meer (ein junger Rossitten-Durchzügler vom 19.10. schon am 2.11. bei Astrachan), sondern auch weit nach Afrika hinein, vor allem wohl entlang dem Nil und dem ostafrikanischen Grabenbruchgebiet. Die schwarzrückige Heringsmöwe ist südwärts bis zum Nyassasee festgestellt; kennzeichnende Ringfunde sind ein junger Rossitten-Durchzügler vom 14. 10. am 2. 1. am Nordufer des Viktoriasees, ein ebensolcher vom 8.8. am 17.10. am mittleren Kongo und eine Heringsmöwe der finnischen Westküste, zweijährig, am 2.9. ebenda. Alle drei Fälle liegen ziemlich genau an dem Äquator, mehr als 6000 Kilometer (Luftlinie) von der Heimat entfernt. Ringvögel von Gotland und Halland (Schweden) zeigten sich an der Goldküste, und es ist durchaus nicht sicher, daß sie die Wanderung dorthin nur an den Küsten zurücklegten. Wie die erwähnten innerafrikanischen Fälle beweisen, 213 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 214 ============================================================================ wendet sich die Heringsmöwe unbekümmert landein, überspringt dementsprechend auch ohne weiteres Wasserscheiden. Sie scheut offenbar sogar nicht vor einem Wüstenflug zurück; Moreau traf am 16.4. zehn nordwärtswandernde Heringsmöwen in der Oasa Kharga.“ (Vom Vogelzug, Grundriß der Vogelzugskunde, 1952, S. 51—52.) — Hier ist wesentlich, daß die Heringsmöwe trotz sehr naher Verwandtschaft zur Silbermöwe sich beim Zug ganz anders verhält, also landeinwärts zieht (die Silbermöwe dagegen entlang den Küsten). Zur Ergänzung muß hinzugefügt werden, daß die von Albert Lück bei Mangalia erlegte Heringsmöwe zu der östlichen schwarzrückigen Form gehört und wissenschaftlich mit Larus fuscus fuscus bezeichnet wird; die britische Form mit der Schieferfarbe des Mantels dagegen heißt Larus fuscus graellsii. Abschließend folgen noch ein paar Nachweise über Vorkommen der Heringsmöwe am Schwarzen Meer und in Rumänien: Othmar Reiser stützt sich auf die Gebrüder Sintenis, nach denen die Art „einzeln am Meeresstrande und dem See Sinoe in der Dobrudscha“ vorkommt; ferner wurde sie in größerer Zahl von Simpson bei Küstendsche (Konstanza) beobachtet (Reiser, Ornis Balcanica II, 1894, Wien). Professor Dr. Rudolf Drost hat die Art auf der Schlangeninsel beobachtet (Über den Vogelzug auf der Schlangeninsel im Schwarzen Meer, Berlin 1930). — Der deutsche Ornithologe Hans Bub hat vom 23. April bis 28. Mai 1944 bei Jassy in der Moldau insgesamt acht nach NW ziehende Heringsmöwen beobachtet (Beiträge zur Ornis Bessarabiens und Nordost-Rumäniens. Der Falke 4, 1957, S. 96—98). — Schließlich führt der rumänische Ornithologe Dionisie Lintia mehrere (11) Vögel an, die in Rumänien erbeutet wurden. Er hält die Art — vor allem am Schwarzen Meer — für nicht so selten (Pasarile din R.P.R., 3. Band, 1955, S. 367—368). Vielleicht dürfte diese Bekanntmachung einen bescheidenen Beitrag zur rumänischen Ornithologie bilden, zumal dies (wohl) der erste Ringfundnachweis dieser Vogelart am Schwarzen Meer gewesen sein mag. Für den freundlichen Hinweis, wie vor allem für die Überlassung des kostbaren Zeitungsartikels, möchte ich dem Herausgeber des Jahrbuches der Dobrudschadeutschen danken. Ornithologen besuchen das Donau-Delta Nachtrag — 1. Teil in Jahrbuch 1971, Seite 132 bis 154 Von Erwin Heer, Sarata In dem ersten Teil des Beitrages „Ornithologen besuchen das Donau-Delta“ wurde angekündigt, daß diese Arbeit gelegentlich ergänzt werden sollte, da sich sowohl aus vergangenen Tagen als auch von heute weitere Deltabesucher anböten, die es wert sind, in einen derartigen Überblick aufgenommen zu werden. Zudem waren die Stellungnahmen zu meinem Vorhaben derart zustimmend, wohlwollend und ermunternd, daß ich schon jetzt, nach so kurzer Zeit, versuche, den Ornithologen-Beitrag zu ergänzen. Soweit ich es nun von meiner Warte aus überblicken kann, dürften hiermit so ziemlich alle deutschen Donau- Delta-Beflissenen, die den einschlägigen Wissenschaften einen Dienst erwiesen haben, mit Hilfe dieses Nachtrages genannt worden sein. Selbstverständlich bin 214 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 215 ============================================================================ ich mir auch darüber im klaren, daß man in der Forschung vor Überraschungen nie sicher ist. Wir lassen uns aber gerne überraschen. Bei meiner Arbeit ging es mir, wie schon angedeutet, vor allen Dingen um die älteren Donau-Delta-Besucher, die noch vor dem heutigen großen Massen-Rennen ins Donau-Delta die Urlandschaft gekannt haben. Auf Grund von weiteren Unterlagen konnte ich Ergänzungen beibringen, wodurch sich hie und da ein geschlosseneres Bild ergeben hat. Bei der Erfassung von Ornithologen aus neuester Zeit mußte ich allerdings kurztreten. Es wird sich erst in Zukunft zeigen, wessen Beiträge zum Donau-Delta-Komplex erwähnenswert sind und welche nicht. Diese Aufgabe des Sichtens bleibt dereinst den jetzt noch jungen Betrachtern vorbehalten. Rumänische Ornithologen habe ich diesmal so gut wie nicht erwähnt, weil neuerdings in der gediegenen „Bibliographia Ornithologica Romanniae“ (1971) von Ion Cätuneanu, Sergiu Pascovschi, Matei Tälpeanu und Felicia Theiß sämtliche rumänischen Ornithologen mit ihren Veröffentlichungen enthalten sind; dort findet der interessierte Leser auch sämtliche Delta-Besucher aus der Reihe der rumänischen Ornithologen. Er braucht lediglich beim Kapitel „Dobrogea“ (Seite 272 bis 273) nachzuschlagen. Natürlich ist auch dieser Nachtrag — wie der erste Bericht über Delta-Besucher — Stückwerk; aber man darf dennoch dankbar sein, daß noch Material zusammengetragen werden konnte. Dies war nur möglich dank des Entgegenkommens und der selbstlosen Hilfe vieler Persönlichkeiten aus den Reihen der Ornithologen; ich habe sie immer wieder bei den entsprechenden Delta-Besuchern namentlich erwähnt, um so den Dank für ihre Mühe, wie auch den Charakter dieser Gemeinschafts-Arbeit zu unterstreichen. Ihnen allen gebührt hiermit mein bester Dank. Den Lebenslauf von Henrici hat Dr. Dr. h. c. Ludwig Gebhardt mir freundlichst zur Verfügung gestellt; ich danke ihm dafür herzlichst. Dieser Lebenslauf erscheint in Band III von „Die Ornithologen Mitteleuropas“. Mein besonderer Dank gebührt Herrn Dr. Rudolf Kuhk, Vogelwarte Radolfzell, und Herrn Herbert Ringleben, Vogelwarte Helgoland, denen ich besonders viel Material verdanke. Schließlich danken möchte ich dem Herausgeber dieses Jahrbuchs, Herrn Otto Klett, der auch diesen Nachtrag in sein Jahrbuch aufgenommen und den Aufsatz überhaupt angeregt hat. Und nun zu den einzelnen Delta-Besuchern in der Reihenfolge der Jahre, indem ich abermals mit den älteren beginne: Rettig, August: Über ihn wurde bereits ausführlich, wenn auch noch lange nicht erschöpfend berichtet. Endgültiges erfahren wir durch Dr. Dr. h.c. Ludwig Gebhardt, der sich auf Nachforschungen von Frau Theodora Pauly und von Professor Werner Klemm stützt. Dieser wird — so man hoffen darf — einen wichtigen Beitrag zu Rettigs Leben in Tultscha bringen. — Daher heute nur einige Anmerkungen: Gerd Heinrich muß Rettig besucht und persönlich gekannt haben; er schreibt über ihn wörtlich: . . .„Ich erfuhr jedoch von Herrn Rettig in Tultscha, einem Berichterstatter, der meiner Überzeugung nach authentisch ist, daß er Anfang Juni zwei Kolonien dieser Art (Pelecanus crispus) im Delta aufgesucht habe, in welchem sich selbst zu dieser vorgeschritte- nen Zeit Eier fanden.“ (Gerd Heinrich, Dobrudschareise 1925. Journ. f. Orn. 75, 1927, Heft 1, S. 21). Auch Professor Dr. Walter Wüst hat Rettig gekannt; er schreibt über ihn: „In Tultscha hatten wir das große Vergnügen, im Hause des Herrn August Rettig, 215 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 216 ============================================================================ dem gegenwärtig besten Kenner der ornithologischen Verhältnisse der Dobrudscha, einige außerordentlich anregende Stunden verbringen zu dürfen. Ihm verdanken wir auch viele praktische Winke für den Rückweg, der uns an die großen Lagunen, in den Wald von Babadag und am Schwarzen Meer entlang nach Konstanza führte.“ — Auch Dr. Paul Henrici, Frau Theodora Pauly, Karl Otto Beckmann u.a. Ornithologen haben Rettig aufgesucht und bei ihm Rat und Hilfe erfahren dürfen. Floericke, Curt (Kurt), Dr.: Über ihn wurde bereits berichtet. Herrn Herbert Ringleben verdanke ich folgende Notiz über Floerickes Antrag, in die Dobrudscha zu naturschützenden Zwecken zu reisen: „In dem Jahresbericht des Bundes für Vogelschutz für 1917 fand ich die Mitteilung, daß Dr. Kurt Floericke im Auftrag des Bundes für Vogelschutz (der sich mit 1600 RM an den Reisekosten beteiligte), des Vereins für Naturschutzpark sowie des Kosmos seine Reise in die Dobrudscha unternahm, nachdem die genannten Vereinigungen einen entsprechenden Antrag an den dortigen Oberbefehlshaber Generalfeldmarschall von Mackensen, gestellt hatten.“ Heinrich, Gerd: Wie aus seiner „Do brudschareise 1925“ (Journ. f. Orn. 75, 1927, Seite 7) zu entnehmen ist, hat ihn nicht nur seine Gattin ins Donau-Delta begleitet, sondern auch sein Freund van Laer aus Holland. Gerd Heinrich schreibt darüber wörtlich: „Unsere Reisegesellschaft bestand anfänglich aus drei Personen: meiner Frau, meinem Freund van Laer aus Holland, der leider nach kaum zwei Wochen schon in seine Heimat zurückkehren mußte, und mir.“ Kirke Swann, Harry: Englischer Ornithologe. Über ihn schreibt Herr Professor Dr. Josef Peitzmeier: „Zufällig stieß ich auf eine Arbeit, die Sie interessieren dürfte: Kirke Swann, Harry, Two Ornithologists an the Dobrogea and the Danube Delta . . .“* London. 1925, 67 Seiten. Die beiden Ornithologen waren drei Wochen in dem Sammelgebiet von August Rettig, über den wahrscheinlich manches in der kleinen Schrift enthalten ist. (Ich habe sie selbst nicht einsehen können.)“ — Herr Dr. Rudolf Kuhk teilt mir freundlichst mit: „Kirk Swann, „Harry, war ein recht bekannter englischer Ornithologe, gestorben 55jährig am 14.4.1926. Gründete zwei Zeitschriften, zunächst „The Naturalist’s Journal“, dann „The Ornithologist“, die sich aber beide nicht lange hielten. Er schrieb einige Bücher, von denen die über die Greifvögel wohl die bedeutendsten waren.“ Bernhard, Paul: 5. 2. 1886, Mittweida (Sachsen) — 29. 5. 1952 Moritzburg (Bezirk Dresden). Nach dem Besuch des Seminars in Rochlitz war er Lehrer, später im Berufsschuldienst. 1923 beobachtete er den Herbstvogelzug auf Helgoland, 1929 in Rossitten. Zu meisterhaften Leistungen brachte er es dazu als Lichtbildner. Der Erfolg, den er mit einem Lachmöwenfilm hatte, verschaffte ihm die Unterstützung des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz. Im Sommer 1925 reiste er im Auftrag dieses Vereins „in die Balta, das riesige Delta der Donau in Rumänien, die er, begleitet von einem Filmfachmann und seinem Mitarbeiter K. Burk, filmend und beobachtend bis zum Schwarzen Meer durchzog“. (R. Heyder, Paul Bernhard zum Gedächtnis, Beitr. Vogelk. 3, 1952, S. 53 bis 57). Herr Herbert Ringleben verwies mich freundlichst auf Paul Bernhard und sandte mir obige Daten Dr. Heyders zu. (Siehe ausführlich „Die Ornithologen Mitteleuropas“ 1964, S. 33 bis 34, von Dr. Dr. h. c. Ludwig Gebhardt). Stein — von Spieß, Silvia: Im Zusammenhang mit ihrem bekannten Vater, dem ehemaligen Hofjagddirektor des Königs von Rumänien, Oberst August von Spieß, wurde sie bereits kurz erwähnt. Sie hat sich viel mit der rumänischen 216 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 217 ============================================================================ schen Vogelwelt befaßt, wie die vielen Veröffentlichungen in der „Bibliographia Ornithologica Romaniae“ zeigen. Frau Stein von Spieß dürfte erst nach 1966 Rumänien verlassen und sich dann in Göttingen niedergelassen haben. Zweifellos war sie — wohl meist mit ihrem Vater — mehrmals im Donau-Delta und kennt sich dort sehr gut aus. Offenbar hat sie auch Rettig gut gekannt, den sie schätzte. Veröffentlichung: „Gâsca cu gât roşu in România“ (Branta ruficollis Pall.) — Rev. Vyn. Jahrg. XII, Nr. 3, S. 39 bis 40. — „Păsări călătoare rare“. Vyn. Pesc. Sp. Jahrg. IX, Nr. 7, S. 14. Müller, Arnold, Dr.: 22. 6. 1884 Sächsisch-Regen — 1934. In Sächsisch-Regen besuchte er Volksschule und Untergymnasium. Das Obergymnasium absolvierte er in Bistritz. Sein Vater weckte auf gemeinsamen Ausflügen früh das Interesse des Jungen an der lebenden Welt und die Liebe zur Natur. So war Müller schon als Gymnasiast entschlossen, Biologie zu studieren. Im Herbst 1902 beginnt er sein Studium (Biologie und Geographie) in Klausenburg. Nach zweijähriger harter Arbeit legt er hier die Grundprüfung ab und setzt sein Studium dann in Berlin und Kiel fort und beendet es 1907 in Wien. Nach einem zusätzlichen Se- mester in Jena kehrt Müller nach Regen zurück, macht hier sein Probejahr und ist dann ab 1908 Biologielehrer an der Realschule in Hermannstadt. — Eng verbunden war Müllers Tätigkeit schon ab 1908 mit dem Vereinsleben des Siebenbürgischen Vereins der Naturwissenschaften in Hermannstadt; so wuchs Müller immer mehr in die Vereinsarbeit hinein und wurde bald zum Hauptträger dieser Arbeit und zur Seele des Vereins. Nach 1919 begannen seine wissenschaftlichen Interessen sich dem Süden und Südosten Rumäniens zuzuwenden. Eingehende Untersuchungen stellte er in der Dobrudscha an. Grigore Antipa unterstützte großzügig und wohlwollend diese Forschungsreisen Müllers... Es folgten dann Forschungsreisen nach Bulgarien, Konstantinopel und schließlich eine Reise nach Afrika und in den Nahen Osten; allerdings zog er sich auf seiner Afrikareise schwere gesundheitliche Schädigungen zu, denen er bald darauf — im Alter von nur 50 Jahren — erlag. Von großer Bedeutung für ihn als Fachmann war seine mehrmalige Beteiligung an nationalen und internationalen Zoologenkongressen, und zwar 1927 in Budapest, 1928 am 1. Kongreß rumänischer Naturforscher in Klausenburg und 1932 am Zoologenkongreß in Paris. Müllers bedeutendste Leistungen sind seine wissenschaftlichen Arbeiten; im ganzen hat er 25 wissenschaftliche Arbeiten und Abhandlungen veröffentlicht. Sein besonderes Interesse galt den Geradflüglern (Heuschrecken). Seine reiche und überaus wertvolle Sammlung von Geradflüglern befindet sich heute im Naturwissenschaftlichen Museum in Hermannstadt aufbewahrt. (Dr. Arnold Müller zum Gedenken (1884 bis 1934) Zoologe mit internationaler Anerkennung, von Heinz Heltmann, Kronstadt. „Neuer Weg“, 5. Januar 1971, Bukarest). — Der Herausgeber des Jahrbuches wies mich freundlichst darauf hin und überließ mir diese Zeitung. Hähnle, Hermann: 5. 6. 1879 Giengen (Brenz) — 24. 10. 1965 Giengen. Er war der Sohn Lina Hähnles, der Gründerin des Bundes für Vogelschutz. So war es natürlich, daß nach dem Tode der tapferen Mutter 1941 der Vorsitz im Bunde für Vogelschutz auf ihn überging. Er führte das Amt nach bewährtem Vorbild — mit bedeutenden persönlichen Opfern an materiellen Mitteln. Er studierte an der Technischen Hochschule in Stuttgart und an schweizerischen, italienischen, englischen Universitäten, wurde Wärme-Ingenieur, 1906 technischer Leiter und später Aufsichtsratsvorsitzender der väterlichen Filzfabriken — Fleiß, 217 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 218 ============================================================================ Unternehmungsfreude und Erfindergeist als Erbstücke von Generationen mit sich tragend. Im Alter von 42 Jahren war er in der Lage, das erste von über 200 späteren Patenten anzumelden. Nicht der Drang nach wissenschaftlicher Forschung im Bereiche der Ornithologie, sondern technisches Denken, menschliches Mitgefühl und ein warmes Herz für die bedrohte Tierwelt prägten sein Persönlich- keitsbild. Über ihn ließe sich noch viel sagen, so u.a. daß er die Fotografie und die Entwicklung des Lauffilms wesentlich förderte. (Siehe ausführlich „Die Ornithologen Mitteleuropas“, Band II, 1970, von Dr. Dr. h.c. Ludwig Gebhardt, Seite 54 bis 55.) ” Hermann Hähnle muß unter die Donau-Delta-Besucher gerechnet werden, obzwar er selbst nicht drunten war; aber er hat einen Fotografen (mehrmals) ins Donau-Delta geschickt. Mit einem Hinweis diesbezüglich überraschte mich Herr Professor Dr. Ernst Schüz; er schreibt wörtlich: „Daß Hermann Hähnle seinen Photographen mehrmals zu sehr schönen Silberreiherphotos schickte (Bilder in alten Berichten Bund f. Vogelschutz), hätte man vielleicht erwähnen sollen.“ Das ließ mir keine Ruhe; ich schrieb nunmehr dem Ornithologen Herrn Herbert Ringleben, Vogelwarte Helgoland, einem hervorragenden Literaturkenner. Die Antwort lautete: „Ich wollte zunächst zu klären versuchen, wer im Auftrage des Bundes für Vogelschutz die ‚Edelreiher‘-Aufnahmen im Donau- Delta gemacht hat. Ich kenne diese aus dem Jahrbuch für Vogelschutz 1927, aber sie sind dort ohne Bildautor abgedruckt. In den alten Jahresberichten des Bundes für Vogelschutz, die ich zwar nicht vollständig, von denen ich aber doch ganze Reihen besitze, fand ich bei Durchsicht weder einen Hinweis darauf noch diese Photos.“ Jetzt wußte ich wenigstens das Jahr, in dem (etwa) der Fotograf im Donau-Delta im Auftrag Hermann Hähnles fotografiert hatte. Aber wer war dieser Fotograf? Angeregt durch Herrn Dr. Kuhk wandte ich mich an die Nichte von Hermann Hähnle, Frau Eleonore Waldhoer; sie schrieb mir freundlichst: „Mein Onkel Hermann Hähnle hat viele Fotografen beschäftigt, von denen die meisten schon tot sind. Der einzige, von dem ich annehme, daß er in der Dobrudscha war, ist Fotograf Trautwein. Die Urheberrechte an solchen Bildern lagen aber alle bei meinem Onkel, weil er die Aufträge privat erteilte.“ Leider kennen wir den Fotografen nicht, der im Donau-Delta im Auftrag Hermann Hähnles fotografiert hat; möglicherweise war es der Fotograf Trautwein. Da aber Hermann Hähnle der Initiator dieser Aufträge war, sie auch finanzierte, kann man ihn ohne weiteres als Delta-Besucher bezeichnen. Ich wollte schließlich an Hand dieses Beispiels zeigen, wie schwierig es mitunter ist, alten Quellen nachzuspüren. Drost, Rudolf, Professor Dr.: gestorben 3. 12. 1971 Oldenburg. Über ihn wurde bereits berichtet. Er war langjähriger Leiter der Vogelwarte Helgoland und verschied im 80. Lebensjahr. Sein Nachfolger im Amt, Direktor Dr. Goethe, widmete ihm im „Journ. f. Orn.“ (Band 113, Heft 2, 1972, S. 219 bis 224) einen würdevollen Nachruf und erwähnt u.a. auch den Besuch der Schlangeninsel kurz wie folgt: „Im Frühjahr 1928 reiste Drost nach der rumänischen Schlangeninsel im Schwarzen Meer, um diese und ihren Zug mit Helgoland zu vergleichen. Er fand dort einen artenreichen Durchzug und Ähnlichkeit mit Helgoland.“ Eine Notiz der Vogelwarte Helgoland, die ich Herrn Dr. Kuhk verdanke, erwähnt den Delta-Besuch Professor Dr. Drosts wie folgt: „Rudolf Drost hat die Dobrudscha in der zweiten Maihälfte 1928 nach seiner Schlangeninsel-Expedition besucht und das Donaumündungsgebiet mit einer Motorjacht durchfahren.“ — Schließlich hat Professor Dr. Schüz seinem Kollegen und Freund Professor Dr. Drost in „Die Vogelwarte“ (Band 26, Heft.3, 1972, Seite 310 bis 313) einen liebevollen Nachruf gewidmet, wobei er den Besuch der Schlangeninsel erwähnt. 218 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 219 ============================================================================ Ich bin im Besitz der monographischen Skizze „Insula Serpilor“ (= Die Schlangeninsel) 1931, des bekannten rumänischen Mammologen (Säugetierforschers) Professor Dr. R. J. Cälinescu. Auf dem Plan der Insel lautet es (in Übersetzung) wörtlich über Professor Dr. Drost: „Neben der Spitze der Bärenschnauze (rum. = Botul ursului, türkisch = Aiud Burunä) befindet sich ein sehr schöner Stein in Würfelform mit einer Seitenlänge von 1,50 Meter, ruhend auf zwei andern kleineren Steinen. Dieser Stein war der Ruheplatz (= Rastplatz) des Doktors Rudolf Drost, deutscher Ornithologe, der auf der Insel drei Wochen verbrachte und denen, die ihn umgeben hatten, in bester Erinnerung verblieb. Die Leuchtturmwächter nennen diesen Felsen ‚Drost-Stein‘ (rum. ‚piatra lui Drost‘); aber ich habe auf den Plan der Insel den Namen ‚Felsen‘ Dr. Drost‘ (rum. = „Stânca Dr. Drost‘“) fixiert.“ — Dies in memoriam Professor Dr. Rudolf Drost, den ich persönlich kennen und schätzen gelernt habe. Beckmann, Karl-Otto, Hedemann-Heespen, Hartwig von: Über diese beiden Delta-Besucher habe ich bereits berichtet. Nun schreibt mir Herr Beckmann auf meine Bitte ausführlich über diesen Delta-Besuch mit Herrn von Hedemann-Heespen. Ich bringe darüber die wichtigsten Daten: Vom 20.5. bis 26.5.1929 waren beide Ornithologen im Donau-Delta. Zuerst mußten vom 15. bis 18.5.1929 in Bukarest vielerlei Schwierigkeiten zur Erlangung einer Reise ins Donau-Delta ausgeräumt werden. Wörtlich lautet es weiter: „So konnten wir am 19.5. nach Braila weiterfahren, wo wir den Oberst Barbarino (ich meine einen Schwager von O. Reiser) aufsuchten, der uns dann in liebenswürdiger Weise weiterhalf, besonders zur Besorgung des Ruderkahnes durch Fischereidirektor Tomescu. Am 20.5. fuhren wir dann auf der unendlich breiten, lehmgelben Donau über Galatz — Reni — Isaccea — Tultscha nach Sulina, links die großen Brunnen Bessarabiens. In Sulina wohnten wir im Hotel Cambeu (?), badeten im salzlosen Schwarzen Meer. Nach schlechter Nacht aber wundervollem Sonnenaufgang — begleitet von rasendem Froschkonzert verschiedener Arten — fuhren wir am 21. 5. nach Tultscha, wo der Hausknecht des Hotels Carol gleich Herrn Rettig holte. Dieser lud uns in sein Haus zum Abendessen ein, bereitet von seiner Frau, einer Lipowanerin. Rettig gab uns einen sehr guten Plan für die nächsten Tage und verschaffte uns ein Auto, dessen sehr netter Fahrer (Lenker) uns nach Calica an den Sumpfstrand des Raselm brachte, von wo uns ein gutmütiger Fischer den ganzen Tag rudern sollte, machten Rast auf der Insel Popina. Nach erst fast unerträglicher Hitze kam Wind auf, der das Rudern so erschwerte, daß wir uns entschlossen, von Sarichioi nach Enisala zu wandern, wo es mir infolge Sonnenbrand nachts recht schlecht ging. Da von Hedemann sich gern bei Einheimischen besser zu informieren versuchte, verloren wir am 23.5. erst viel Zeit für unseren Weg durch den Wald und das endlos lange Caramanchioi, mit nach der Hitze erfrischendem Bad am Kap Dolojman; abends ging’s nach Jurilofca. Leider war unsere Zeit etwa zwei Tage zu kurz veranschlagt, so daß wir nicht zum Sinoe kamen. Am nächsten Tag ging es mit Autobus zurück nach Tultscha, wo wir bei Retting einkehrten, dann wieder nach Braila zurückfuhren. Im Hotel Frances wurden wir von Barbarino begrüßt und von Herrn Bernatzik und Frau Silvia von Spieß. Am 25.5. Kahnfahrt in die Wunder der Balta Braila mit Kahnführer, der mich griechisch und etwas italienisch verständigen konnte, uns aber vorzüglich geführt hat durch Weidenwälder, freiere Seeflächen, dichte Rohrwälder, mörderisches Froschkonzert, Schnarren der Kormorane von der nahen Brutkolonie; Mücken summen und stechen, Sonnenaufgang hinter den Bergen. Dann geht’s am 26.5. zurück nach Braila, abends gemütliche Unterhaltung mit Barbarino. 27.5. Rückfahrt nach Bukarest und Sinaia, Kronstadt — Hermannstadt — Budapest — Prag — Dresden.“ — Es 219 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 220 ============================================================================ folgt eine interessante Aufzählung aller im Donau-Delta, am Razelm-See und in der Balta Braila beobachteten Vögel. Jocobi, Julius: Über ihn wurde bereits berichtet. Der dort erwähnte rumänische Ornithologe, Herr General i.R. Constantin Rosetti-Bälänescu, urteilt über ihn wie folgt: „Es war für mich eine große Genugtuung, auch meinen Freund Julius Jacobi in einer Ihrer Arbeiten zu finden. Julius Jacobi war in jeder Hinsicht ein wertvoller Mensch und immer ein Herr (= Ritter), ein Gentlemen. In der Zeit, als er sich nebst mir in Bolgrad auch mit Ornithologie beschäftigte, war ein leidenschaftlicher Greifvogelfreund, Im ‚Almanahul Vânătorullui: 1932 — einem Jahrbuch, das von uns beiden in den Jahren 1932, 1933 und 1934 herausgegeben wurde — veröffentlichte er (bei uns) den ersten Schlüssel zur Bestimmung der Raubvögel. In jenem entfernten Jahrzehnt veröffentlichte er außerdem in der Jagdzeitschrift , Revista vânătorilor‘ Artikel, in denen er entsprechend unserem damaligen Standpunkt für den Schutz der Greifvögel eintrat. Heute ist dies ein allgemeines — ein zum Leidwesen vieler Länder viel zu spät aufgegriffenes Thema geworden.“ — Der dieses Urteil über Julius Jacobi abgibt, ist ein Herr aus dem bedeutenden Geschlecht der Rosettis, das einst in den rumänischen Fürstentümern regierte. Um so mehr wiegt dieses Urteil, zumal es aus dem Munde eines der namhaftesten rumänischen Ornithologen kommt. Jacobi, Richard: Herr Professor Werner Klemm schreibt mir am 8. 2. 1972 über ihn: „Am 26.1.1972 starb in Hermannstadt der Dichter und Ornithologe Forstingenieur Richard Jacobi (71). — Und in den „Südostdeutschen Vierteljahresblăttern“, 21. Jahrgang, Folge 2, 1972, Seite 123, bringt Dr. Dr. h. c. Heinrich Zillich, der bekannte Dichter der Siebenbürger Sachsen, einen Nachruf; ich zitiere wörtlich: „Richard Jacobi, der Forstingenieur, der sich als Heger, Jäger und Mitarbeiter in- und ausländischer Fachblätter früh einen Namen gemacht hatte, wirkte immer ruhig und überzeugend; er war ein Kenner unserer Gebirge und ihres Wildes, der überdies als Mitglied der berühmten Vogelwarte Rossitten Zugvögel beringte und der Flugstrecken erforschte. Nie hätte ich erwartet, er, der Mann wälderweiter Freiheit, werde als Erzähler hervortreten und sich dabei bewähren. Doch geschah dies nach 1945, als die Verhältnisse sich in Rumänien völlig gewandelt hatten... Am besten sind die Erzählungen aus seiner Herzenswelt: Wald und Wild; erfreulicherweise fehlt ihnen der sentimentale Schmalz vieler Jagdschriftsteller. Stets klar, deutlich — und wie ich’s schon einmal lobte — mit Gespür für’s Fabelhafte überzeugte er uns auch auf diesen Pirschgängen. — Am 26. Januar starb in Hermannstadt, fast 71 Jahre alt, der ehrenwerte Ur-Kronstädter.“ — Wir sind dankbar für diese wertvollen Angaben. Richard Jacobi hat das Donau-Delta besucht und darüber 1930 den Artikel „Studienfahrt in das Donau-Delta“ veröffentlicht. (Bul. Agric., Vol. I-II, Nr. 1-4, Lucr. Centr. Zoogeogr. St. Nr. 4.) Klemm, Werner, Professor: Ornithologe mit Leib und Seele, der so manches Opfer gebracht hat, um die Greifvogelwelt des Donau-Deltas zu erforschen und zu schützen. In bescheidener Weise schreibt er über sich selbst: „Ich bin über drei Jahrzehnte Mittelschullehrer (hier Professsor betitelt) und Lehrer, auch Direktor einer pädagogischen Schule gewesen, seit drei Jahren im Ruhestand. Ehrung: ’Verdienter Professor’. Vom Fach aus Biologe, der gerne und möglichst im Freien Junglehrer herangebildet hat, daneben — soweit die Familie mit vier Kindern und deren Kinder dazu Zeit läßt — Ornithologe und Naturschutzmann.“ — Professor Klemm hat sich vor allem um die Vogelwelt seiner engeren 220 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 221 ============================================================================ Heimat — er ist in Hermannstadt wohnhaft — angenommen und hat viele Arbeiten veröffentlicht, so im „Journal für Ornithologie“ über den seltenen Mornellregenpfeifer und den Weißstorch. Aber auch um die Vogelwelt des Donau-Deltas — das er seit Jahrzehnten zu Forschungszwecken aufsucht — hat er sich in selbstloser Weise angenommen. Veröffentlichungen: „Naturschutzprobleme im Donau-Delta“. („Der Falke“ 5, 1958, Seite 86 bis 87). „Wird der Seeadler aussterben?“, („Neuer Weg“, 12. Januar 1972). „Eine Fahrt ins Donau-Delta“, („Neuer Weg“ 1969/1970 (?)). Er hat sich um den Schutz des Seeadlers im Donau-Delta besonders verdient gemacht. Es wäre vielleicht nicht uninteressant zu erfahren, daß Professor Klemm vor 1945 einmal auch meine alte Heimat, nämlich unseren schönen Kurort Bad-Burnas, aufgesucht hat. Dietz, Josef, Dr. Gymnasial-Professor: Er mit seinem Freund, Gymnasial-Professor Dr. Walter Wüst war vom 29. Juli bis 17. August 1931 in der Dobrudscha und im Donau-Delta. Darüber wurde bereits ausführlich berichtet (siehe Wüst, Walter). Dombrowski, C.: Er war um 1934 im Donau-Delta. Veröffentlichung: „Vom hohen Weidwerk“, Vânătoare de păsări răpitoare in Dobrogea şi în delta. Paul Parey, Berlin, 1934, S. 145. Hedemannstr. 28/29. Tröbst, H.: Er war um 1934 im Donau-Delta. Veröffentlichung: Vögel nisten im Donau-Delta. — Wild und Hund, 1934. Berlin, Hedemannstr. 28/29. Guggisberg, Ch.: Er war 1935 im Donau-Delta; Veröffentlichung: „Ornithologische Beobachtungsfahrten ins Donau-Delta im Sommer 1935.“ — Schweizer Donau-Rundschau, Wien, Heft 1 bis 12. Witting, E.: Er war um 1935 im Donau-Delta. Veröffentlichung: O excursie în băltile dobrogene (Eine Exkursion in die Seen der Dobrudscha). Rev. Vân. An. XVI, Nr. 6, Seite 4. Henrici, Paul, Dr.: 2. 7. 1880 Stroehen, Kreis Lübecke (Westfalen) — 29.1.1971 Cagiallo-Tesserete bei Lugano (Schweiz). Er war von Beruf Arzt, zuerst ab 1906 Schiffsarzt der Hamburg-Amerika-Linie, seit 1911 in Rendel (Kreis Friedberg) praktischer Arzt. Seine Schiffsreisen führten ihn nach Mittelamerika, Südamerika, Westindien und rings um Afrika. Zwischen den beiden Weltkriegen besuchte er die Balearen (1924), Pityusen (1925), Mazedonien (1927), den Neusiedler See und Ungarn (1928), Mazedonien, Nordgriechenland und Sporaden (1929), Südspanien und Span. Marokko (1932), Rumänien (1938), Sardinien (1938), Saloniki und Südwestmazedonien (1939). Er hat 1938 auch das Donau- Delta besucht und in Tultscha August Rettig kennengelernt. Henrici war seit 1922 Mitglied der DOG und wird als einer der letzten Klassiker deutscher oologischer Forschung in die Geschichte der Ornithologie eingehen. (Asfel bei Dr. Dr. h. c. L. Gebhardt, ‚„Orn. Mitt., Band III.) Pauly, Theodora: Ihre Heimat ist Berlin, wo sie bereits mit 34 Jahren Prokuristin wurde. 1942 wurde sie ausgebombt, konnte aber offenbar ihre reichhal- tige ornithologische Literatur retten. Seit 1968 lebt Frau Pauly in Ravensburg, wo sie ihren wohlverdienten Ruhestand verbringt. Bereits seit 1933 Mitglied der DOG (= Deutschen Ornithologen-Gesellschaft) war Frau Pauly seit eh und je eine begeisterte Anhängerin der „lieblichen Wissenschaft“ — der Ornithologie. Sie schreibt u.a.: „Ich habe in Berlin die höchst interessante Zeit erlebt als Dr. Heinroth, der ja Direktor des Berliner Aquariums war, die monatlichen Sitzungen der DOG leitete. Ich habe meine 221 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 222 ============================================================================ Vogelkenntnisse auf Wanderungen, die unter Führung von Professor Dr. F. Steinbacher stattfanden, während mehrerer Jahre erworben, auf Wanderungen allein durch. die Mark Brandenburg, besonders im Rhinluch, und während mehrerer Urlaube in Rossitten und Windenburg erweitern können. Es waren herrliche Jahre.“ Über ihre engere Heimat, die Mark Brandenburg, schreibt Frau Pauly: „Ich habe in dem gleichen Luchgebiet, in dem auch Dr. Gewalt beobachtete, viele Jahre intensiv Vögel beobachtet, vor allem Trappen, Kraniche auf dem Durchzug, Blaukehlchen (vor dessen Nest habe ich viele Stunden im Nassen gelegen!), Wasservögel, Schwirle. Eines Nachts habe ich mit der Stoppuhr die Länge des Gesangs des Heuschreckenschwirls abstoppen wollen, mitten im Luch. Da kam ein schwerer Luftangriff und es blieb mir nichts anderes übrig, als flach auf dem Boden liegen zu bleiben und zu warten. Es ging aber gut. Die Sumpfohreule brütete dort im Rhinluch; ich habe lange nach ihr gesucht, endlich hatte ich sie entdeckt.“ — Über Rossitten lautet es schön: „Ja, Rossitten war wunderbar, die ganze Kurische Nehrung und die Ostseite vom Kurischen Haff. Sehr viel machte aber auch aus, daß Professor Dr. Schüz und seine Mitarbeiter so sehr netten Kontakt zu allen, die der Vögel wegen kamen, hatten.“ — Im Herbst 1938 erlebte Frau Pauly in Rossitten eine Hakengimpel-Invasion. Ebenfalls 1938 weilte Frau Pauly für einige Wochen zu Gast bei August Rettig in Tultscha, in dessen gastfreundlichem Hause sie sich der Vogelwelt des Donau-Deltas widmen konnte. Dort hat sie durch Zufall auch Professor Klemm ken- nengelernt. Leider sind ihre sämtlichen Aufzeichnungen über die Dobrudschareise beim Luftangriff 1942 auf Berlin verbrannt. Ansonst hätte sie diese veröffentlicht. Mit und nebst Professor Klemm hat sich Frau Pauly um den schwer aufzuhellenden Lebenslauf August Rettigs verdient gemacht; sie hat sich dabei ihres bereits verstorbenen Gastgebers in rührender Weise angenommen. Hoensbroech, L.: Er war um 1939 im Donau-Delta. Veröffentlichung: „Flug ins Donau-Delta“. Wild und Hund, 1939, Seite 157. Bauer, L.: Er muß um 1960 im Donau-Delta gewesen sein. Veröffentlichung: „Wirtschaft und Naturschutz im Donau-Delta“. — Urania, Jena, 1960, Nr. 5, Seite 189 bis 194. Dornbusch, Max, Dr.: Er besuchte das Donau-Delta in der Zeit vom 9. 8. bis 23. 8. 1968. Eine Veröffentlichung darüber erfolgt (offenbar) noch. Wichtiger dürfte der Besuch des Küstengebietes der Dobrudscha sein, das er vom 10.8. bis zum 23.8.1959 durchforschte. Veröffentlichung: Dr. Max Dornbusch, Steckby, und Günther Grempe, Rostock, „Ornithologische Beobachtungen im Küstengebiet der Dobrudscha (Rumänien).“ Beitr. Vogelk. 11, 1965, Seite 132 bis 152 (mit ausführlichem Literaturhinweis!). Diese Arbeit ist ein Gemeinschaftswerk folgender Ornithologen, die in den Jahren 1959 bis 1962 in den Monaten Juli bis Oktober einige Zeit in der Umgebung von Konstanza weilten: Dieter Heinrich, Templin, 5. 7.—25. 7. 1959; Günther Grempe, Rostock, 17. 7.—28. 7. 1960; Siegmund Wagner, Insel Riems, 22. 8.—5. 9. 1960; Justus Dedek, Leipzig, 11. 7.—15. 7. 1961; Max Dornbusch, Steckby, 10. 8—23. 8. 1961 (mit Angaben von M. Lobedan, mit dem meist beobachtet wurde, und E. Bauer). Dr. Hans-Georg Müller und Helga Müller, 24. 9. — 6. 10 1962. — (Diese Angaben entnahm ich obiger Arbeit von Dr. Dornbusch und G. Grempe). Ich habe alle diese Dobrudscha-Besucher deshalb unter die Delta-Besucher eingereiht, weil hierin auch Beobachtungen aus dem Delta erfolgt sind. Herrn Herbert Ringleben verdanke ich den Hinweis auf Dr. Dornbusch und seine wichtige Arbeit. 222 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 223 ============================================================================ Bezzel, Einhard, Dr.: Ein erstaunlich rascher Aufstieg kennzeichnet seine ornithologische Laufbahn; jung und vielversprechend. Er ist Leiter der Vogelschutzwarte Garmisch-Partenkirchen (Bayern) und als solcher Generalsekretär der „Ornithologischen Gesellschaft in Bayern“; ferner Mitherausgeber der bekannten Zeitschrift für Vogelkunde und Vogelschutz „Die Vogelwelt“, neuerdings sogar Herausgeber des berühmten „Journal für Ornithologie“; es ist das deutsche Zentralorgan für alle Zweige der Vogelkunde und wird den Mitgliedern der „Deutschen Ornithologen-Gesellschaft“ Kostenlos zugesandt. Seit 1971 (Band 4) zeichnet Dr. Bezzel mit Dr. Urs Glutz von Blotzheim und Dr. Kurt Bauer als dritter Bearbeiter des „Handbuchs der Vögel Mitteleuropas“, dem Standardwerk der Vogelkunde aus jüngster Zeit. Dr. Bezzel hat als erster Ornithologe den Spornkiebitz in Rumänien beobachtet, nachgewiesen und darüber im „Journ. f. Orn.“ (Band 106, Heft 1, 1965, Seite 111) ausführlich berichtet. Er hat auch das Donau-Delta besucht; auf meine Bitte schreibt Herr Dr. Bezzel mir am 11.9. 1971 darüber freundlichst: „Ich unternahm vom 2. 8. —22. 8. 1964 eine Schiffahrt von Wien bis fast an die Donaumündung. Am 8.8. kam ich in Hârşova an, vom 8.8. —15.8. war ich in Mamaia. Dabei unternahm ich am 12.8. eine Eintagsfahrt von Tultscha nach Histria an den Sinoe-See. Sonst beobachtete ich in dieser Zeit in der Dobrudscha bei Mamaia. Am 16.8. fuhr ich von Hârşova nach Braila und konnte dort in der Umgebung etwas beobachten.“ Wirth, Horst, Dr.: Freiberg in Sachsen: Über ihn wurde bereits berichtet. Neuerdings erscheint von ihm ein weiterer Bericht über das Donau-Delta, wobei diesmal der interessante Letea-Wald eingehend behandelt wurde in „Der geschützte Letea-Wald im Donau-Delta“ („Naturschutz- und Naturparke“, 1972, Heft 65, Seite 23 bis 32). Sehr gute Aufnahmen bereichern den wertvollen Text. Von Vögeln wurden u. a. Uhu und Seeadler — dieser in zwei Paaren — noch als Brutvögel erwähnt, von Säugetieren der aus dem Osten eingewanderte Marderhund eingehend behandelt. Der Baumwürger (Periploca graeca), eine Liane aus dem Mittelmeergebiet, erreichte im Letea-Wald seine nordöstlichste Verbreitung. Herr Dr. Kuhk verwies mich freundlichst auf Dr. Wirth und sandte mir zudem obiges Heft zur Einsichtnahme zu. Haensel, Joachim (Tierpark Berlin), Wittstruk, K., Dr. (Zool. Garten Halle/Saale): Beide Ornithologen waren gleichzeitig im Donau-Delta und zwar vom 27.4. bis 10.5.1965. Am 29.4. schloß sich in Bukarest Biol. princ. M. Tălpeanu, Ornithologe am Antipa-Museum Bukarest, an, der die beiden Ornithologen als fach-, orts- und sprachkundiger Führer auf der Reise begleitete. Erwähnenswert wäre der 4. Mai, als die bekannte Rosapelikan-Kolonie am Rosca-See besichtigt wurde. Veröffentlichung: Haensel, J., und M. Tălpeanu: „Ergebnisse einer ornithologischen Exkursion in das Donau-Delta im Frühjahr 1965.“ Beitr. Vogelk. 14, 1968, S. 141 bis 167 (mit Literaturverzeichnis!). Hinweis auf diese Ornithologen verdanke ich ebenfalls Herrn Herbert Ringleben; Herrn Dr. Kuhk aber Einsichtnahme in diesen wertvollen Reise- und Forschungs-Bericht. Spitzenberger, Friederike, war 1966 im Donaudelta. Veröffentlichung in: Egretta 9, 1966, Heft 1, S. 12 bis 36. Swart, P. L. J., Holländer, 1968 im Donaudelta. Darüber in „Het Vogeljaar“ 17, 1969, S. 35 £. Schumacher, Eugen: Kulturfilmgestalter war 1969 mit Dr. J. Steinbacher im Donaudelta. Schröder, Helmut: Forschungsreisen 1971 in die Dobrudscha. 223 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 224 ============================================================================ Inhaltsverzeichnis Seite Hoffmann, Hans: Zum Geleit . . 3 Schumann, Gerhard: Grab. 4 Klett, Otto: Vorwort . . 5 Einleitung zu den Gedenktafeln . 7 Gedenktafeln unserer Opfer des Zweiten Weltkrieges . . 9 Lange, Rainer: Auf dem Soldatenfriedhof in Konstanza . . 44 Hochmuth, Karl: Dobrudscha, Dobrudscha ... 47 Petri, Hans: Die Amtszeit des Pfarrers Kühn in Atmadscha . . 50 Bachmeier, A. und H. Menges: Raymund Netzhammer . . 64 Menges, Hieronymus: Persönliche Erinnerungen an R. Netzhammer . . 95 Bachmeier, Adolf: Divisionspfarrer Jakob Nötges . . 102 Rühl, Gustav und Gerlinde Stiller: Als deutscher Soldat während des 1. Weltkrieges i. d. Dobrudscha . . . . 112 Roth, Karl: Auf der Suche nach der besseren Heimat... . 118 Würth, Gerhard: Friedrich Würths Lebensweg. . . 122 Ißler, Martin: Autobiographie . . . 129 Zielinski, Victoria: Vom Schicksal der Familie Sezonov . . . 138 Schielke, Alida: Dr Kirchgang . . . 147 Schielke, Alida: Der Fortschritt in d’Fabrik . . . 148 Mauch, Gerhard: Otto Mauch . . . 149 Ziebart, Gustav: Küsterlehrer Gustav Ziebart . . . 159 Grohn, Margarethe: Heinrich Stammler . . . 169 Deiß, Elsemarie: Daniel Traugott Grohn . . . 174 Kühn, Karl: Ein Mamuslier berichtet . . . 179 Menges, Hieronymus: Vetter Bastian . . . 187 Heer, Erwin: Die Reise Heinroths in die Dobrudscha . . . 192 Heer, Erwin: Ein seltener Fund . . . 212 Heer, Erwin: Ornithologen besuchen das Donau-Delta. . . . 214 224 ============================================================================ Jahrbuch 1973, Seite 225 ============================================================================ Liebe Landsleute! Es ist Ihnen bekannt, um was ich bisher an dieser Stelle bei Ihnen angehalten habe. Vielleicht waren Ihnen alle meine Bitten schon zu geläufig, als daß Sie sich noch angesprochen fühlten. — Dieses Mal jedoch, komme ich mit einem besonderen Anliegen, für das Sie sicherlich eher etwas übrig haben und auch leichter mitwirken können. Es geht mir hier um die Richtigkeit der Gedenktafeln, die im vorliegenden Jahrbuch veröffentlicht worden sind. Sie wissen es selbst, daß ich gar nicht in der Lage sein kann, ohne die dazugehörigen Mitarbeiter, eine fehlerlose Aufstellung unserer Kriegstoten zu bringen. Ich bitte Sie deshalb hiermit ganz dringend, mir für Ihre Angehörigen, für Ihre Gemeinde, so weit es Ihnen möglich ist, vielleicht schon während der Feiertage oder unmittelbar danach, alle nötigen Berichtigungen zukommenlassen zu wollen. Die Gedenktafeln werden dann in verbesserter Form als Sonderdruck erscheinen. Dadurch werden wir einen ersten gültigen Überblick über unsere Opfer während des Zweiten Weltkrieges und der Zeit danach erhalten. Hoffentlich fühlen Sie sich durch diesen Aufruf angesprochen. Neben dieser großen Bitte stehen die andern selbstverständlich weiterhin an: Artikel, Bilder, Urkunden usw. für Jahrbuch und Archiv. Vor allen Dingen aber sollte das Werben um diese unsere Dobrudschaarbeiten nicht vergessen werden. Anfragen und Einsendungen bitte an mich nach Gerlingen: OStR Otto Klett, 7016 Gerlingen, Hasenbergstraße 35. Das „Jahrbuch der Dobrudschadeutschen” für 1973 kann nur beim Herausgeber bestellt werden Es kostet DM 9.40 zuzüglich Porto: OStR OTTO KLETT, 7016 Gerlingen Hasenbergstraße 35 Konten des Herausgebers: Postscheckkonto Nr. 101215-704 Postscheckamt Stuttgart, Gerlinger Bank, Konto-Nr. 52288005, 7016 Gerlingen, Hauptstraße 31 Fernsprehnummer: 07156/21580